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Boyd Terrence Sturm 2 1 0 0 0 0

Abschied von einem Freund des HFC

Fernseh-Legende Herbert Köfer lief 1982 bei einem Schülerturnier in Halle überraschend als Schiedsrichter auf. Der frühere Klubvize Dirk Overbeck und Schiri-Betreuer Gerhard Bude erinnern sich gern an die Begegnung mit dem Volksschauspieler, der mit 100 gestorben ist.

Wie das Schicksal es manchmal will: Am 24. Juli dieses Jahres ist nicht nur der HFC nach dem 3:1-Sieg über Meppen erfolgreich in die neue Drittliga-Saison gestartet. Am gleichen Tag schloss auch die Fernseh-Legende Hebert Köfer im Alter von 100 Jahren für immer die Augen. „Sein Tod kam für mich nicht völlig unerwartet, aber er geht mir doch irgendwie nahe“, so der frühere HFC-Vizevorsitzende Dirk Overbeck, der den Volksschauspieler persönlich kannte. Köfers Lebensgeschichte ist zwar weithin bekannt. Kaum einer weiß jedoch, dass sich die Wege des einst ältesten aktiven Schauspielers der Welt und des HFC ein einziges Mal auf kuriose Art und Weise gekreuzt haben. Das passierte an einem Ferientag im Februar 1982 in der Sporthalle am Bildungszentrum in Halle-Neustadt. Die Schauspieler-Ikone, die am 17. Februar 1921 in Berlin auf die Welt kam, sorgte dort im Rahmenprogramm beim traditionellen Schülerturnier der Rot-Weißen für eine zünftige Überraschung bei Spielern und Zuschauern. Der Fernseh-Liebling („Rentner haben niemals Zeit“) tauchte plötzlich in schwarzer Kluft auf, um die Partie einer Prominenten-Mannschaft mit DDR-Schlagerstar Frank Schöbel und dessen Band gegen eine Schülerauswahl zu pfeifen. Die passende Kleidung hatte ihm Gerhard Bude zur Verfügung gestellt. „Wir hatten nahezu die gleiche Figur, alles hat ihm sofort gepasst“, denkt der heute 85-jährige Nestor der halleschen Schiedsrichter-Gilde gern an dieses unvergessliche Erlebnis zurück. „Ich werde ihn immer als einen sympathischen und humorvollen Menschen in Erinnerung behalten“, so Gerhard Bude, der seit zehn Jahren das Schiedsrichter-Gespann bei den Heimspielen des HFC betreut.

Die Idee zu dieser lustigen Einlage hatte Dirk Overbeck als Organisator des HFC-Traditionsturniers, das 36 Jahre lang veranstaltet wurde. Der heute 77-jährige Ruheständler war damals Stammgast im Steintor-Variertè. Im Winter 1982 traten dort Herbert Köfer und Sängerin Gaby Rückert in einer Show mit Frank Schöbel auf. Der fußballbegeisterte Schlagerbarde kickte bei seinen Gastspielen in Halle oft mit den HFC-Junioren am Sportdreieck. Overbeck nutzte das gleich für das Einladungsspiel zum Schüler-Turnier, an dem über 20 Mannschaften teilnahmen. Und so heuerte er den DDR-Schlagerstar und dessen Band „etc“ in jenem Jahr für das Prominentenspiel beim HFCSchülercup an. „Und Schöbel hat dann Köfer und Rückert überredet, als Schiedsrichtergespann aufzutreten“, verrät der langjährige Sportfunktionär, dem noch immer ein Lächeln übers Gesicht huscht, wenn er an diesen Heidenspaß zurückdenkt.

Herbert Köfer, der als Deutschlands letzter Volksschauspieler galt und der auf eine über 80 Jahre lange Karriere zurückblicken konnte, absolvierte auch diese für ihn völlig ungewohnte Rolle mit Bravour. Nach einem groben Foul zückte er gegen seinen Freund Schöbel sogar eine gelbe Karte. Bei einer MDR-Sendung zu seinem 100. Geburtstag wurde er vom Moderator auf diese Episode angesprochen und er konnte sich nach an alle Einzelheiten erinnern. Die Partie vor einem begeisterten Publikum endete 8:8-Unentschieden. In der Schülerauswahl stand übrigens der damals 13-jährige Matthias Sammer von Dynamo Dresden, der später einer der weltbesten Fußballprofis wurde und 1996 die bundesdeutsche Nationalelf als Kapitän zum Europameistertitel führte. Er wurde 1982 als bester Spieler des HFC-Turnieres für Schüler ausgezeichnet.

Und Köfer, dessen Herz eigentlich für den Trabrennsport schlägt, bewies bei einem Siebenmeter-Schießen, dass er durchaus mit dem Ball umzugehen wusste. Er wünschte dem HFC bei der Verabschiedung auf einer Autogrammkarte „ein erfolgreiches 1982“. Nach dem Mauerfall traf Dirk Overbeck den „Mann des Jahrhunderts“, wie die Mitteldeutsche Zeitung ihn betitelt hatte, zufällig bei einer Silvesterparty in einem Hotel am Schwielowsee wieder. Im dem kurzen Plausch zwischen den beiden geriet die berühmte Mime noch einmal regelrecht ins Schwärmen, als sein einzigartiger sportlicher Auftritt als „Ersatz-Schiedsrichter“ beim HFC-Turnier zur Sprache kam. 

Mein .. Herz schlagt Rot-Weiss

„Krümel“ fühlt sich wieder wohl

Uwe Striesenow vom Fan-Radio des HFC freut sich, dass die Zeit der Geisterspiele endlich vorbei ist und die Fußball-Anhänger wieder ins Stadion dürfen. Der HFC-Fan findet es gut, dass die Ursprünge des Traditionsverein mit „Leuna Chemie“ eine Renaissance erleben.

Anderthalb Jahre lang hat Uwe Striesenow auf diesen Augenblick gewartet: Als zum Auftakt der neuen Drittliga-Saison gegen Meppen aus 5 000 Kehlen der erste Torschrei durch das LeunaChemie-Stadion hallt, bekommt der Mitbegründer des HFC-Fanradios richtige Gänsehaut. „Diese Atmosphäre hat mir unheimlich gefehlt“, gesteht der 65-jährige gelernte Klempner, der quasi zum lebenden Inventar des halleschen Fußballvereins gehört. Wegen der Auflagen zur Corona-Pandemie herrschte monatelang in der Heimstätte des HFC gespenstische Ruhe. „Da habe ich fast schon Entzugserscheinungen bekommen“, räumt „Krümel“, wie ihn die Fans nennen, freimütig ein. Dann rollte immerhin der Ball, doch die Zuschauerränge blieben leer. „Ohne die Fankulisse im Stadion fehlt dem Fußball die Seele“, denkt Uwe Striesenow mit Schrecken an diese „Geisterspiele“ zurück. Zum Glück dürfen die Fans nun wieder ins Stadion. „Ich hoffe, dass unsere Mannschaft auch gegen Braunschweig wieder von Tausenden Fans unterstützt wird“, so der fußballbegeisterte Hallenser. Er gehört zu den Mitinitiatoren des Fan-Radios, das vor fast zwölf Jahren unter dem Dach des Streetwork Fanprojektes Halle aus der Taufe gehoben wurde.

Uwe Striesenow kann sich noch gut an die Geburtsstunde des HFC-Fanradios erinnern. Das liegt weniger an der Aufregung vor der Premiere der Fußball-Übertragung. Vielmehr herrschen an jenem 19. Dezember 2009 im Kurt-Wabbel-Stadion knackige 15 Grad unter Null. „Angefühlt hat sich das wie minus 30 Grad“, erinnert sich „Krümel“ an seine frostige Feuertaufe als „Radio-Reporter“. Er und seine Mitspieler saßen schließlich unter freiem Himmel, als die Regionalliga-Partie zwischen den Rot-Weißen und der Reserveelf von St. Pauli über den Äther ging und damit HFC-Fans in aller Welt erreichte. „Es war eines der kältesten Spiele, die ich je erlebt habe“, so der Hallenser. An seiner Seite saßen damals Carsten Böhme, Sebastian Kirchner, Christian Heiduck und Steffen Kluge, heute Vorstandsmitglied des Vereins. Zu jener Zeit leitete er noch das Fanprojekt, unter dessen Dach vor zwölf Jahren der Startschuss zum Fan-Radio erfolgte. Kluge und Striesenow gaben damals den Anstoß, den Fans diesen besonderen Service zu bieten.

Seit Saisonbeginn 2017/18, als das städtische Fanprojekt ausgesetzt wurde, laufen die beliebten Reportagen von den Spielen des Drittligisten unter dem Dach des HFC. Über dessen Homepage kann das Fan-Radio ohne Gebühren empfangen werden. „Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht“, so Uwe Striesenow. Der Verein stellt die Technik und hilft auch bei den Fahrten. Es gebe jedoch keine Vorgaben oder eine Einmischung des Vorstandes in die redaktionelle Arbeit und die Übertragungen des Fan-Radios. „Wir sind unabhängig“, versichert „Krümel“. Er findet beim Vorstand oder in der Geschäftsstelle des HFC immer ein offenes Ohr, wenn Fragen zu klären sind. „Krümel“ und seine Mitstreiter freuen sich, dass ihre Reportagen in vielen Ecken der Welt empfangen werden. Ihre Hörer wohnen unter anderem in Thailand, Japan, Portugal und sogar in Australien. Zu den Stammhörern gehört auch ein Tanker-Kapitän, der oft in Fernost unterwegs ist. Gerade während der Corona-Saison hatten die HFC-Fans so einen direkten Draht ins Stadion.

Zum Auftakt des Projektes verfolgten etwa 100 Fans die erste Reportage aus dem Stadion. inzwischen schalten bei jedem Spiel mehrere Hundert Anhänger und Sympathisanten des Vereins das Fan-Radio ein. Und das weltweit. Bei Ost-Derbys oder Spitzenspielen wie zuletzt bei Viktoria Berlin kommen noch mehr Zuhörer zusammen. Rekord-Einschaltquoten erreichte das Fan-Radio des HFC früher vor allem bei den Begegnungen mit RB Leipzig. So wurden beim 1:0-Auswärtssieg vom 10. Dezember 2011 nahezu 2 500 HFC-Fans als Zuhörer registriert. Das Reporter-Team von Uwe Striesenow umfasst mehr als zehn Mann, eine Frau ist (noch) nicht dabei. Die Macher des Fan-Radios kommen aus allen sozialen Schichten und sie üben ganz unterschiedliche Berufe aus. Anfangs bestand die Reporter-Crew fast nur aus Studenten. Heute reicht die Spanne der Mitstreiter vom Hauptmann der Bundeswehr, Verwaltungsangestellten, Außendienstmitarbeitern, DHL-Beschäftigten bis hin zum Schulleiter. Ihre Ausbildung bekamen die HobbyReporter bei Radio Corax, einem nicht kommerziellen Freien Sender in Halle. Bis heute begleitet das Bürgerradio das Projekt der halleschen Fanszene mit Rat und Tat.

Anfangs traten an verschiedenen Spielorten, vor allem im abgelegenen Norden, technische Probleme bei der Übertragung auf. „Heute kann dank der Unterstützung der Telekom überall LTE-Technik genutzt werden“, so Uwe Striesenow. Die Lizenz erhielt das Fan-Radio übrigens kostenlos und ohne große Umschweife vom Deutschen Fußballbund. In den zurückliegenden Jahren gab es durchaus auch „Pleiten, Pech und Pannen“. Zweimal wurde vergessen, die Übertragungstechnik mitzunehmen. „In einem Fall war unser Reporter schon 150 Kilometer weit weg, als wir das gemerkt haben“, erzählt Uwe Striesenow und lacht. Aber sie wussten sich zu helfen. Der Hobbyreporter vor Ort filmte mit seinem Smartphone das Spiel, das „Krümel“ dann im Fanhaus mit Kommentaren versah und in alle Welt schickte. Im „Leuna-Chemie-Stadion“ dürfte das diesmal nicht passieren. Dafür freut sich Uwe Striesenow, dass sich der Verein mit dem neuen Stadionnamen wieder mehr auf seinen Ursprung besinnt. „Das finde ich absolut in Ordnung, schließlich dürfen wir als Traditionsverein nicht vergessen, wo unsere Wurzeln liegen.“ 