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Tee am Tank
In einer Zeit, in der Begegnung nicht mehr im Theater stattfinden konnte, nutzen die Regisseurin Marianne K. Klausen und der Kameramann Jan Klein die Zeit und richteten ihr Homeoffice mit Outdoor Teestube im Wohnwagen des PATHOS ein. Während vier Wochen ergriffen die beiden die Chance, einen Austausch zwischen den Bewohner:innen des Kreativquartiers und dem PATHOS entstehen zu lassen. Trotz gemeinsamer Nachbarschaft bestanden wenige Verbindungen zwischen dem Theater und den Anwohner:innen. Durch das Projekt „Tee am Tank“ sollten neue Bekanntschaften geknüpft werden zu den Menschen, die auf dem Gelände leben und arbeiten:
Woher sind sie gekommen, um hier zu leben, welche Geschichten bringen sie mit – und welche Sprachen? Wo sind sie im Einsatz und bauen diese Stadt auf? Welche Wünsche haben sie und unter welchen Umständen würden sie ins Theater kommen?
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Begleitend zu der Teestube wurde einen Blog geschrieben, in der man sämtliche Personen, die Marianne und Jan zu Besuch hatten, wiederfand.
„Tag zwölf ist ein sehr schöner Tag, denn gleich zu Beginn kommen Qayssar und Georg, die ein paar Stunden bei uns bleiben. Ihnen ist langweilig und das Jugendzentrum ist geschlossen. Sie machen uns Musik an und wir sprechen über die Unterschiede zwischen Berlin und München, beispielsweise, ob man in Berlin auffällt, wenn man ausländisch aussieht, was wir verneinen können. Sie zeigen uns auf der Karte, wo sie jeweils herkommen, Mossul und Erbil. Mossul ist eine vom IS völlig zerstörte Stadt. Gemeinsam erzählen sie, wie Georg mit 14 vor zwei Jahren zusammen mit seinem älteren Bruder übers Meer nach Europa geflüchtet ist. Sein Onkel ist dabei ertrunken, als er ein Kind aus dem Wasser rettete. Das ist der Preis, meinen sie, der Onkel wäre sonst im Irak gestorben. „Aber ich möchte nicht darüber reden, es ist Krieg dort, es ist vorbei“ sagt Qayssar. Ein Satz, der sich auch in den nächsten Tagen wiederholt. Qayssar kommt auf die Idee, dass wir doch mit dem Wagen Urlaubsfotos machen sollen, und wir machen eine kleine Fotosession, tun als wäre das Meer hinter der Kamera.“ (Ausschnitt vom Blogeintrag 3)
Links zu den Blogeinträgen Blog 1, Blog 2, Blog 3, Blog 4
SOLOISTNICHTALLEIN
6 Soloperformances und Ausstellung
25., 26. Juli 2020 PATHOS MÜNCHEN
Konzept+Leitung: Marianne Kjær Klausen
SOLOISTNICHTALLEIN künstlerische Coaching für Soloperformer:innen
SOLOISTNICHTALLEIN war ein Angebot für darstellende Künstler:innen, die eine Solo Performance planten oder in Erarbeitung hatten, und sich einen praktischen Austausch über ihre Arbeit wünschten. Unter meiner künstlerischen Leitung diente das SOLOISTNICHTALLEIN der Entwicklung und dem Strukturieren von Material, sowie dazu, einander im Kollektiv durch Feedback zu inspirieren.
Bei den Coachings ging es darum, durch unterschiedliche Anregungen und Aufgabenstellungen mit dem eigenen Material zu arbeiten und neue Zugänge zu entdecken. Es wurde an der der inneren Notwendigkeit der Performances gearbeitet, neues Material gefunden, und ein Fokus auf „Zufalls-Dramaturgien“ gelegt.
SOLOISTNICHTALLEIN war zuerst als Präsenzformat geplant. Der Start ging jedoch mit dem ersten Lockdown los, und es wurde somit das erste Onlineformat von Pathos München.
Im Sommer 2020 wurden die 6 teilnehmende Performerinnen wiederum die ersten, die nach dem Lockdown unter dem Titel „SoloIstNichtAllein – jetzt gar nicht mehr“ im Pathos vor Ort aufführten und ausstellten. 2 Tage mit physischen, digitalen und hybride Vorstellungen.
Teilnehmende Künstler:innen: Maja Das Gupta, Frederika Tsai, Sophie Krause, Johanna Mann, Marysol Illoente und Brigitte Neufeldt
Weitere Einladungen
Die in SOLOISTNICHTALLEIN entwickelten Performances von Maja Das Gupta und Johanna Mann wurden zum „Wortschau 2020“ im Pepper Theater München eingeladen.
NACH WIE VOR – WIDERSTAND I & II von Little Black Fish

Premiere Juli 2019, Heimathafen Neukölln + März 2020, GemeindehausGropiusstadt.
Regie: Mehdi Moinzadeh, Theaterpädagogik: Anja Hitze, Dramatiserung:MarianneKjærKlausen+PetraSchönwald;Video: SophieKrause;Musik:RobinPlenio;Ausstattung:JulianeGötz
Nach wie vor – Widerstand I & II dokumentarishes Jugendtheaterstüch von Little-Black-Fish-Ciollective
Während der NS-Zeit schließen sich Neuköllner Jugendliche in der Rütli-Gruppe zu einer Widerstands-gruppe zusammen. Sie diskutieren politische Schriften, hören heimlich die Londoner BBC und verteilen Flugblätter für den Frieden. 1941 wird die Gruppe von der Gestapo festgenommen. Für die meisten endet es mit dem Todesurteil. Mit Hilfe von juristischen Dokumenten und Zeugenaussagen begaben wir uns gemeinsam mit Schülern der Fritz-KarsenSchule auf Spurensuche.
Bei der Recherche kam heraus, dass jetzige Kommunal-politiker:innen regelmäßig Drohungen von Neonazis erhalten. Wir entschieden uns zeitgenössische Ereignisse in Stück einzubeziehen. Durch Interviews mit den Lokalpolitikern, ihren Familien und Ex-Neonazis sowie intensive Recherchen zum neuen rechtsextremen Netzwerk sammelten wir zusammen mit den Schüler:innen Material für das Stück.
Im Folgejahr setzten wir uns mit „Nach wie vor – Wiederstand II“ mit den weiteren aktuellen Geschehnissen in Neukölln auseinander.
Petra Schönwald und ich zeichnete uns für die Dramatisierung der beiden Stücke verantwortlich.
Weitere Einladungen
Beide Vorstellungen waren zum “Jugendforum Denkmal!” eingeladen. “Nach wie vor – Widerstand II” war 2020 bei “Rampenlichter” München zu sehen.
WIEDER MAL WOYZECK nach Georg Büchner von und mit Einzelstück

Premiere 7. Mai 2019 Mon Ami Weimar
Regie: Marianne Kjær Klausen; Co-Leitung: Dagmar
Kräutle; Bühne: Einzelstück
Wieder Mal Woyzeck
Nach Georg Büchners „Woyzeck“
Die Gruppe „Einzelstück“ setze sich aus Menschen zusammen, die Aufgrund von Depression, Burnout und weitere psychischen Problemen langzeitarbeitslos waren. Durch 8 Monate arbeitete die Gruppe täglich an Schauspielgrundlagen und Erzählformen, an Dramaturgie und Inszenierungskonzepte sowie kollektives Arbeiten. Das Endprodukt war die ganz eigene Interpretation von Büchners „Woyzeck“ mit einem Fokus auf Feminizid sowie die Frage nach starke Frauenrollen in der klassischen Literatur.
Der Einladungstext hörte sich wie folgt an: "Wieder mal Woyzeck" zeigt die Begegnung einer Gruppe von Theaterneulingen mit Büchners Woyzeck. Ein Klassiker, der einem die Lust am Leben nehmen kann, dessen Szenen zu kurz zum Spielen sind, in der ordentliche Frauenrollen fehlen und dessen Sprache für die Gruppe zunächst altmodisch und steif wirkte. Was macht man als Anfänger:in damit? "Man" arbeitet sich daran ab und bringt diese Perspektive ins Spiel. Die Begegnung ergibt neue Erzählfiguren, kommentierende Einschübe und ein gewollt verwirrendes "wer-spielt-wen?"
Besonders interessant war für mich die Entwicklung der Personen durch das Schauspiel, besonders berührend die Geschichten, die ihnen zu diesem Projekt gebracht hatten. Das alles in Woyzeck zu packen war stark und mutig. Ich habe diese Arbeit wirklich sehr gerne gemacht.
Weitere Einladungen
Die Inszenierung wurde am 7. Juni im Studio Deutches Nationaltheater Weimar gezeigt
DAS - EIN PROLOG nach Inger Christensen
Premiere 10. Juni 2018 Performing Arts Festival Berlin, Musikalische Leitung+Performance: Frank Bogdanowitz;
Dramaturgie+Performance: Marianne Kjær Klausen

DAS. EIN PROLOG
Nach Inger Christensens DAS. Experimentelle Lesungen.
„Was sein bekam würde niemals wesen bekommen, wenn nicht das wesensverschiedene existierte und aus seinem überschuß den tod so langsam verteilte das er leben ähnelte. So anders jetzt da es bloß ähnelt. So verwandelt.“
DAS. Ein Prolog war eine experimentelle Lese- und Klangperformance. „Das“ ist ein voluminöser Gedichtband sozialer Kritik in Form einer Genesis- und Evolutionsgeschichte der dänischen Dichterin Inger Christensen. In DAS geht es um die Entstehung und die Evolution einer Welt, um die Natur und die Gesellschaft mit ihren sublimen Regeln und Normen und den sich widerstreitenden Kräften zwischen denen die einzelne Person aufgerieben wird. Es geht eben um Das – Alles und Nichts. Basierend auf dem ersten Kapitel, dem Prologos, entwarft die Performance ein subjektiv-assoziatives Stimmungsbild zur Gegenwart.
Um sich der Komplexität von Das anzunehmen und um es zu vermitteln wird eine Verfremdung des sprachlichen Materials als Stilmittel angewendet und mit einem Klangkosmos verbunden. Untersucht wird eine Interaktion und Einheit von Sprache und Klang. Eine Verfremdung wird erreicht, indem auf das Sprechen durchgehend fremde Rhythmen angewendet werden. Eine weitere Abstraktion entsteht, indem der Text in Echtzeit klanglich verarbeitet und verfremdet zugespielt wird zusammen mit weiteren elektronischen Sounds; eine texturale Außenwelt zur textlichen Innenwelt.
Weitere Einladungen
„Klangscheiben modular sessions“, Spektrum Berlin, 3, August 2018
DIE STÄRKERE von August Strindberg
Premiere 21. Mai 2017 Brotfabrik Berlin

Musikalische Leitung: Frank Bogdanowitz; Regie:
Marianne Kjær Klausen; Bühne: Karl Klausen
Die Stärkere von August Strindberg. Tanztheateraufführung.
Das Ideal der Frau als Mutter und Ehefrau – bedeckt oder als Sexobjekt – als allesopfernde Familienbehüterin, die sonst nicht schaffend ist, ist nie aus der Gesellschaft verschwunden. So schreibt u.a. Ingeborg Bachmann mit ihrem Roman „Malina“, dass die Frau, will sie sprechen, ein männliches Ich ausbilden muss; so oder so muss die Frau eine Maske tragen, eine öffentliche Persona bilden.
In meiner Interpretation stellt „Die Stärkere“ eine innere Spaltung der Frau dar. Das Stück erzählt von Ambivalenzen verborgen in einer Person, die sich im Zwiespalt zwischen sozialer Anpassung und Ausgrenzung der inneren Leidenschaften befindet. Die beiden ehemaligen Freund:innen, die sich bei Strindberg zufällig im Café treffen, sind hier also Teile derselben Person, die in Konflikt mit einander sind.
Dieser Konflikt wurde zwischen Sprache und Tanz verhandelt. Die Choreographien der begabten Tänzerin Anja Kolmanics, die den Schweigenden Part verkörperte, griffen auf die von Martha Graham zurück, die in den zwanziger Jahren das klassische Ballett revolutionierte. So weisen diese auf eine Emanzipationsgeschichte des weiblichen Körpers hin, und verleiht der schweigende Part einen klaren Ausdruck der Stärke, eine alternative Sprache. Demgegenüber zitterte der Monolog, gespielt von Schauspielerin Katarzyna Kafel, in dem das Bild des perfekten Familienlebens aufrecht erhalten werden soll.
Wichtiger Bestandteil war das durchgehende und live gespielte Soundscape von Dr.Nojoke alias Frank Bogdanowitz. Der Sound wurde komponiert, indem F. Bogdanowitz Objekte und Geräusche aus den Proben zweckentfremdete um daraus neue Klänge zu modulieren. So war die Musik nicht nur funktional, sondern erschaffte einen Klangraum, in dem die Darstellerinnen agierten - und in dem die Zuschauer;innen mit hineinsanken. Es ist bis Dato eine der besten und fruchtbarsten Kooperationen, die ich erlebt habe.
