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Wir sind an zu viel Süsses gewöhnt

«WIR SIND AN zu viel Süsses GEWÖHNT» Der Durchschnittsschweizer konsumiert zirka 32 Würfelzucker pro Tag

Wie die Ernährungsberaterin Tamara Sick erklärt, geht es nicht darum, vollkommen auf Süsses zu verzichten. Wichtig ist für uns Menschen, den richtigen Umgang mit Süssigkeiten wieder zu lernen.

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2x Rheinfelden: Frau Sick, ist Süsses generell ungesund? Tamara Sick: Gesund oder ungesund ist relativ. Auch wenn man ein ganzes Kilogramm Rüebli auf einmal isst, kann es auf lange Sicht ungesund werden.

Heute ist das Problem, dass wir an zu viel Süsses gewöhnt sind. Wir haben fast immer die Möglichkeit, Süsses zu kaufen und zu konsumieren. Früher war es etwas Besonderes, wenn man etwas Süsses essen durfte.

«Je süsser wir essen, desto süsser brauchen wir.»

Schokolade wurde sogar als Medizin eingesetzt und kostete viel Geld. Manchmal sollten wir uns dies wieder in Erinnerung rufen.

Ich empfehle, weniger Süsses zu essen, und dies als etwas Spezielles zu schätzen. So wie das Tüpfchen auf dem i. Es soll nicht normal sein, dass wir nach jeder Mahlzeit ein Dessert essen.

Ist also die Menge an Süssem, die wir konsumieren, das Problem? Ja, es ist die Menge und die Gewohnheit. Schon in der Kindheit wird die Gewohnheit «eingeübt», dass es immer etwas Süsses gibt. Es ist auch evolutionsbedingt: Alles was süss ist, ist nicht giftig. Alle anderen Geschmäcker müssen wir als Kind erlernen, das Süsse nicht. So sind schon Fruchtwasser und Muttermilch süss. Viele Kindermahlzeiten sind sehr süss und enthalten viel Zucker. Je süsser wir essen, desto süsser brauchen wir.

Kann Zucker demnach süchtig machen? Ja, wenn man mit der Zuckermenge drastisch herunterfährt, können sogar Entzugs

«Süsses macht glücklich, aber nur kurzfristig», sagt Tamara Sick. Sie ist diplomierte Ernährungsberaterin FH beim Parkresort Rheinfelden.

erscheinungen wie Kopfschmerzen und Unwohlsein auftreten. Deshalb macht es Sinn, Süssigkeiten Schritt für Schritt zu reduzieren.

Gibt es auch gesunde Süssigkeiten? Nein. Zucker ist Zucker. Egal in welcher Form. Honig zum Beispiel ist zwar natürlicher, weil er unverarbeitet ist. Trotzdem enthält er neben weiteren Zuckerarten auch Sacharose wie der Haushaltzucker.

Was genau ist das Ungesunde, wenn man zu viel Zucker konsumiert? Es sind die in den Süssigkeiten enthaltenen kurzkettigen Zuckerarten, welche Blutzuckerschwankungen auslösen. Entsprechend hat man Heisshungerattacken und isst viel mehr als man verbrennt. Und dies kann zu Übergewicht führen. Zudem wirkt sich zu viel Zucker negativ auf die Blutfettwerte aus. Dies kann Risikofaktoren für Herzkreislauferkrankungen oder auch Diabetes fördern. Ein zu hoher Zuckerkonsum kann auch einen Einfluss auf die Entzündungsvorgänge in unserem Körper haben. Die Risiken können insbesondere im Alter steigen.

Wie gesagt, das Problem ist die Menge. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt 24 Gramm Zucker, also sechs Würfelzucker pro Tag. Der Durchschnittsschweizer konsumiert über 130 Gramm, dies entspricht zirka 32 Würfelzucker pro Tag.

Heute ist Zucker auch in Lebensmitteln, wie zum Beispiel Fertig- oder Halbfertigprodukten enthalten, um sie schmackhafter zu machen. Auch in Müeslimischungen, Riegeln oder Fruchtjoghurts ist oftmals viel Zucker enthalten. Hier lohnt es sich, die genaue Zusammensetzung eines Produkts zu lesen.

Essen Sie selber auch Süsses? Sicher. Ich esse gerne Kuchen oder auch andere Süssigkeiten auf Schokoladebasis. In unserem Alltag ist aber die Regel, das zählt vor allem auch für unseren kleinen Sohn,

dass man nur einmal pro Tag etwas Süsses essen soll. Ich selber brauche nicht jeden Tag etwas Süsses, mein Sohn schon eher (lacht). Wichtig ist, den Umgang mit Süssem zu lernen. Süsses zu verbieten bringt nichts. Vielleicht muss man sich, bevor man etwas Süsses isst, einfach kurz fragen, ob dies wirklich nötig ist, oder ob man sich in diesem Moment auch etwas anderes Gutes tun kann.

Was halten Sie als Ernährungsberaterin von Süssstoffen? Wie beim Zucker gilt auch hier: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Im Gegensatz zu Zucker gibt es Süssstoffe, die weniger Einfluss auf den Blutzucker haben, auch haben sie weniger Kalorien als Zucker. Obwohl Süssstoffe anders verstoffwechselt werden als Zucker, sollten wir versuchen, vom Geschmack «süss» wegzukommen.

Menschen, die abnehmen wollen, verzichten teilweise auf Kohlenhydrate, was der Überbegriff für alle Zuckerarten ist. Was halten Sie davon? Alles was mit Verzichten zu tun hat, bringt langfristig nichts. Auch hier geht es darum, die Portionen zu überprüfen. Oft essen wir zu grosse Portionen Kohlenhydrate, die unser Körper nicht verbrennen kann. Der Mensch braucht neben Eiweiss auch Kohlenhydrate, auch für den Muskelaufbau. Kohlenhydrate sind unser Benzin. Beim Verzicht auf Kohlenhydrate geraten wir in einen Hungerstoffwechsel. Das Ge

«Ich empfehle maximal einmal pro Tag etwas Süsses zu essen, am besten direkt nach einer Mahlzeit.»

hirn funktioniert dann mit Ketonkörper, und aus der Muskulatur wird Eiweiss abgebaut und in Glykogen umgewandelt.

Ich empfehle dreimal täglich Kohlenhydrate zu konsumieren. Zum Abnehmen

© Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE, Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV / 2o11

Wissen, was essen. sge-ssn.ch

Ernährungsberaterin Tamara Sick erklärt, dass der menschliche Körper – abgesehen von den Produkten in der Spitze (blauer Bereich) der Pyramide – Lebensmittel aus allen Ebenen benötigt, um richtig zu funktionieren.

ist es ideal, wenn die Hälfte der Mahlzeit aus Gemüse besteht, ein Viertel aus Eiweiss und ein Viertel aus Kohlenhydraten.

Macht Süsses glücklich? Ja, es macht glücklich, aber nur kurzfristig. Deshalb empfehle ich, nichts Süsses zu essen, wenn man sich belohnen will. Da gibt es viel geeignetere Varianten wie zum Beispiel eine Massage oder eine Entspannungsübung.

Gibt es heute aufgrund unserer Ernährung mehr zuckerkranke Menschen verglichen mit früher? Ja, im Vergleich zu früher gibt es heute mehr Menschen, die an Diabetes leiden. Diabetes Typ 2 kann mit falscher Ernährung, zum Beispiel zu viel Süssigkeitenkonsum, und Übergewicht zu tun haben. Diabetes Typ 1 dagegen ist eine Autoimmunkrankheit.

Darf ein Diabetiker überhaupt keinen Zucker essen? Früher sagte man, dass ein Diabetiker keinen Zucker essen darf. Heute muss er nicht mehr auf Zucker verzichten. Ich empfehle aber auch hier, maximal einmal pro Tag etwas Süsses zu essen, am besten direkt nach einer Mahlzeit. Menschen mit Diabetes Typ 2 empfehle ich auf Süssgetränke und Fruchtsäfte zu verzichten.

Das Interview führte Janine Tschopp für 2xRheinfelden