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David Regan Orchestra

Mit dem Saxofonüber den GROSSEN TEICH

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David Regan hat den Big Band-Sound in Rheinfelden heimisch gemacht. Der Amerikaner wollte eigentlich nur ein paar Monate in der Schweiz bleiben. Jetzt sind es schon 28 Jahre geworden und ein Ende ist nicht in Sicht: Der Saxofonist liebt das alte Europa und seine Auftritte im Schützenkeller, wo das «David Regan Orchestra» inzwischen nicht mehr wegzudenken ist.

Wo genau es war, weiss

David Regan heute nicht mehr, vielleicht in Regensburg. Da war er mal in einem Hotel und hatte sich im Keller einen Raum gesucht, um ungestört üben zu können. Nebenan waren zwei, die sein Spiel hörten, zu ihm kamen und ihn ansprachen. «Oh je, dachte ich, die wollen sicher,

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dass ich aufhöre. Aber nein, die wollten, dass ich weitermache, die fanden das toll, die hörten mir zu», erinnert er sich. «Wenn das in den USA passiert wäre, wäre das anders gelaufen. Dann hätten die eher zu mir gesagt: Spiel mal leiser, wir wollen uns unterhalten.» Und wenn sie miteinander ins Gespräch gekommen wären, hätten Amerikaner wahrscheinlich das gefragt: «Jazzmusiker? Und was machen

Sie sonst noch?» In Europa aber frage niemand nach dem «sonst noch», dem «what else». In Europa hätten sie Respekt für seinen Beruf, bewunderten diesen.

David Regan bewundert Europa und mit ihm seine jahrhundertealte Kultur, die Musikstile, die dort entstanden sind, sich weiterentwickelt haben und verschmolzen sind zu Neuem. Und er ist inzwischen ein Teil davon. Sechs Monate hatte er

eigentlich nur auf dem alten Kontinent bleiben wollen – es sind inzwischen 28 Jahre daraus geworden. 1991 war es, als er in der Schweiz als Orchestermitglied bei «Cats» in Zürich und später bei «Phantom der Oper» in Basel spielte. Sie hatten ihn damals angefragt, weil er neben dem Saxofon auch die Klarinette und die Querflöte beherrscht. «In den USA ist das unter Jazz-Musikern sehr verbreitet, in Europa aber nicht so sehr», berichtet er. Musical – Regan macht keinen Hehl daraus, dass dieses Genre mehr das «what else» war, eine gute Schule, zum Geldverdienen, eher der Brotberuf, wie man im Deutschen sagt. Er wollte etwas anderes, er wollte seinen Lebensunterhalt mit dem Jazz bestreiten, genauer mit dem Big Band-Jazz.

Heute hat David Regan sein Ziel erreicht. Er ist Dozent an der Zürcher Hochschule der Künste und leitet dort das Big Band- Programm. Und er ist Bandleader, Frontmann der Band, die seinen Namen trägt, das «David Regan Orchestra», 16 Mann stark, eine bunte Truppe aus sieben Nationen, die Regan vor 18 Jahren zusammengetrommelt hat. Drummer Christoph Mohler aus Basel: «Als mich David Regan für seine Band gewinnen wollte, ging ein Kindheitstraum für mich in Erfüllung. Endlich in einer Big Band spielen.» «Mir gefällt am David Regan Orchestra die Spontaneität, dass wir erst eine halbe Stunde vor dem Konzert mit dem Proben beginnen. Diese Guerilla- Taktik hält uns alle frisch», sagt Saxofonist Alex Hendriksen.

Bei Gründung der Band hätte sich wohl keiner träumen lassen, dass ausgerechnet Rheinfelden, das kleine Zähringerstädtchen im Fricktal, einmal ihr Epizentrum sein wird. Die Auftritte im Keller des Hotel Schützen ziehen alle zwei Monate die Jazzfans aus der Nordwestschweiz und dem angrenzenden Ausland an. «Was unser Publikum so begeistert, ist sicher das besondere Feeling bei unseren Live-Auftritten, die Spontaneität, das Improvisieren, das Zusammengehörigkeitsgefühl», glaubt Regan, die «tightness», wie es der Amerikaner formuliert. Aber auch, dass die Musik dort so authentisch sei – ohne Mikrofone, ohne Soundsystem, unverstärkt, unplugged. Schützenhotel-Direktor Martin Sonderegger lobt: «Es ist mir und dem Hotel Schützen eine grosse Freude, erstklassige Musiker wie David Regan regelmässig bei uns

im Schützen Kulturkeller willkommen zu heissen. Musiker wie er leisten einen wertvollen Beitrag zur kulturellen Entwicklung der Stadt Rheinfelden. Bei jedem Auftritt begeistert er sein Publikum aufs Neue und das Konzert findet bei der Rheinfelder Bevölkerung grossen Anklang.»

Dass Regans Band bei den «Monday Night Sessions» in Rheinfelden immer am Montag spielt, ist kein Zufall. Montage sind die Tage, an denen am New Yorker Broadway keine Vorführungen stattfinden. So war der Tag den Jazzmusikern vorbehalten. Das war immer so. Diese Tradition hat der Amerikaner also in die Schweiz exportiert.

«Bei jedem Auftritt begeistert er sein Publikum aufs Neue.»

In New York City, an der Manhattan School of Music, wo David Regan mit 19 sein Studium begann, hat er sein Handwerkszeug gelernt. Hineingeboren in ein Musikermilieu wurde er indes nicht. «Ich stamme aus einer Pfarrerfamilie, Mittelklasse, mit zwei älteren Brüdern, einer jüngeren Schwester und einem Dackel. Aber wir hatten immerhin ein Klavier zuhause.» Das zu spielen, lernte er mit acht Jahren und mit zwölf kam das Saxofon dazu. «Ich wurde damals bei der Wahl meines Instruments von Stan Getz beeinflusst, den fand ich cool», erzählt er. So taten es ihm eher die Blasinstrumente an, neben dem Saxofon die Klarinette und die Querflöte. Schon als Teenager stand er mit einem dieser Instrumente auf der Bühne – zu High-School- Zeiten in Reston, im US-Bundesstaat Virginia, nahe Washington. Das sei dort ganz normal,

David Regan (rechts) ist stolz auf seine Big Band.

Das Saxofon hat es David Regan (3. v.l.) angetan.

in normalen öffentlichen Schulen. Und Jazz sei dort nichts Exotisches, auch nicht unter jungen Leuten.

Und warum spielen die Saxofonisten der Big Band in der ersten Reihe? Weil sie die Coolsten sind? «Nein», wehrt Regan lachend ab. «Weil die Trompeten und Posaunen der Lautstärke wegen hinten besser aufgehoben sind.»

Ein amerikanischer Jazzmusiker geht nach Europa. «Da bin ich nicht der erste. Da stehe ich in einer guten und langen Tradition», sagt er. Es ist der Kontinent, auf dem Jazzmusiker wohl bessere Chancen haben, von ihrer Leidenschaft leben zu können, sei es in einem Jazzorchester, als Hochschuldozent oder als privater Musiklehrer. Oder in Kombination von alldem, wie bei David Regan. Sicher: Ein Keith Jarrett, der mit seinem Pianospiel Stadien füllt, ist er, wie die allermeisten seines Faches nicht. Aber immerhin gibt es für ihn kein «Was machen Sie sonst noch?» mehr. Auf die Frage nach dem «what else» heisst die Antwort: nothing, Jazz only.

Hans Christof Wagner

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