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Sport auf Molekülebene

Wer kennt es nicht: Man empfiehlt Magnesium bei Muskelkrämpfen und Sport bei Prädiabetes, aber weiß eigentlich gar nicht so recht, warum das hilft.

Diese und einige andere Fragen rund um die Themen Sport, Muskeln und Fett nehmen wir hier und heute genau unter die Lupe.

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Warum hilft Magnesium gegen Muskelkrämpfe?

Muskelkontraktion entsteht durch die Verzahnung von Aktinund Myosinfilamenten und die daraus resultierende Verkürzung der Muskelfibrillen. Allerdings kann das Myosin-Köpfchen erst dann an Aktin binden, wenn dessen Bindungsstelle frei wird. Hier kommt Calcium ins Spiel.

Calcium wird bei jeder Depolarisation der Muskelzelle aus dem sarkoplasmatischen Retikulum in das Zytoplasma freigesetzt und bindet an ein Begleitprotein von Aktin (aka Troponin). Durch die Bindung von Calcium an Troponin wird die Myosin-Bindungsstellen auf dem Aktin freigegeben.

Folglich kann das Myosin-Köpfchen an Aktin binden und es kommt zur Kontraktion. Magnesium greift in diesen Prozess ein, indem es die Calcium-Ausschüttung aus dem sarkoplasmatischen Retikulum reduziert und damit die Kontraktionsfähigkeit vermindert.

Kann ich Fett in Muskel umwandeln?

Keine Energie mehr?

Nein, Fettzellen können sich nicht einfach in Muskelzellen umwandeln. Aber es bleibt Hoffnung: Unser weißes Fettgewebe speichert Fette in Form von Triglyzeriden. Diese können zu freien Fettsäuren abgebaut und über das Blut an den Muskel weitergegeben werden. In der Muskelzelle – genauer gesagt in den Mitochondrien - werden Fettsäuren zu Acetyl-CoA oxidiert (also wortwörtlich verbrannt). Acetyl-CoA wird daraufhin, wie alle Abbauprodukte sämtlicher Energielieferanten (Kohlenhydrate, Proteine, Fettsäuren), in den Citratzyklus eingespeist. Der Citratzyklus liefert Moleküle, die in den Mitochondrien in Anwesenheit von O2 zu ATP umgewandelt werden (Atmungskette). ATP dient dann wie oben beschrieben als Energielieferant für die Muskelkontraktion bzw. deren Auflösung.

Das Myosin-Köpfchen kann sich nur dann wieder vom Aktin lösen, wenn das verbrauchte ATP-Molekül (nun ADP) durch ein neues ATP ausgetauscht wird. Wird nach dem Tod kein ATP mehr nachproduziert, kann die Bindung zwischen Myosin und Aktin nicht mehr aufgehoben werden und der Muskel bleibt verkrampft. Die Totenstarre entsteht.

Verbrenne ich schon Fett, wenn ich drei Kniebeugen mache?

Zu Beginn jeder Belastung werden erst einmal die Glykogenreserven des Körpers aufgebraucht. Dabei wird Glykogen zu Glukose abgebaut, diese dann weiter zu AcetylCoA und dieses wiederum zu ATP. Sobald die Glykogenspeicher des aktiven Muskels aufgebraucht sind, was sehr bald der Fall ist, muss die Leber aktiv werden. Auch sie zersetzt ihren Glykogenspeicher und gibt die freiwerdende Glukose ins Blut ab. Die zirkulierende Glukose wird in die aktiven Muskelzellen –anders als beim ruhenden Muskel - insulin-UN-abhängig aufgenommen (Darum fallen unentdeckte Typ-I-Diabetiker trotz Insulinmangel im Sportunterricht nicht auf bzw. um). In der Zelle angekommen wird Glukose wie gehabt zu ATP abgebaut. Erst bei länger anhaltender Belastung unterhalb des maximalen Belastungsniveaus – also beim Ausdauersport – gehen die Glykogenreserven dem Ende zu und es wird auf Fettverbrennung umgeschaltet. Allerdings liefert die Glykolyse in derselben Zeit etwa zweieinhalb Mal so viel ATP wie die Betaoxidation. Deshalb werden bei hoher Belastungsintensität eher die Glukosereserven anstatt der Fettspeicher aufgebraucht.

Wozu dient eigentlich Kreatinin (außer als Nierenfunktionsparameter)?

Kreatinin ist das Abbauprodukt von Kreatin. Kreatin dient in der Form von Kreatin-Phosphat als reversibler Energiespeicher. Bei Energiebedarf kann die Phosphatgruppe auf ein Molekül ADP übertragen werden, sodass ATP entsteht. Dieser Prozess findet in den ersten 30-60 Sekunden maximal-intensiver Muskelbelastung unter anaeroben Verhältnissen statt, solange die anhaltende Muskelkontraktion die Blut- und somit auch O2-Versorgung behindert.

Ein zweiter Prozess der Energiegewinnung in dieser initialen Belastungsphase ist die anaerobe Glykolyse: Unter Sauerstoffmangel werden die Glykogenspeicher des Muskels zu Laktat statt Acetyl-CoA abgebaut. Dieser Prozess liefert pro Molekül Glukose allerdings nur 1/10 des ATPs, welches bei aerober Glykolyse entstehen könnte. Deshalb kann dieser Prozess nicht ewig ablaufen – der Muskel ermüdet unter starker Intensität rasch.

Was haben Fledermäuse mit Babyspeck zu tun?

Zugegebenermaßen stellt sich wohl niemand intuitiv diese Frage. Die Antwort darauf ist trotzdem erstaunlich. Neben dem bisher besprochenen weißen Fettgewebe (white adipose tissue, WAT) existiert auch braunes Fettgewebe, kurz BAT. BAT ist der vorherrschende Fettgewebstyp bei Neugeborenen und zeichnet sich durch die Fähigkeit der Wärmeproduktion durch Fettsäureoxidation aus. Die braune Farbe ergibt sich aus der für die Thermogenese nötige erhöhte Mitochondriendichte. Erwachsene besitzen fast nur mehr WAT. Allerdings können starke Kältereize eine „Bräunung“ von WAT zu BAT induzieren. Außerdem führt auch akute Muskelbelastung zur Umwandlung von WAT in BAT.

Aber wie wissen die Adipozyten, dass gerade gesportelt wird?

Bei akuter Belastung schüttet der Muskel Muskelhormone, sogenannte Myokine, aus, die als Botenstoffe in andere Gewebetypen, unter anderem das Fettgewebe, wandern und dort Sport-induzierte Veränderungen mediieren. Das für die Bräunung von WAT verantwortlich gemachte Myokin heißt Irisin. Steigt nun der Anteil von BAT gegenüber WAT, so erhöht sich wegen der angekurbelten Thermogenese auch der Energieumsatz. Dadurch ergibt sich ein potenzieller Therapieansatz für Adipositas: Synthetisches Irisin als „Sport in der Pille“.

Warum hilft Sport gegen Bluthochdruck und Diabetes?

Regelmäßiger Sport führt zu Adaptationen des Muskels an den erhöhten Energiebedarf. Um eine bessere Durchblutung zu gewährleisten, wird das Kapillarbett des Muskels vergrößert. Dadurch kommt es zu einem Abfall des peripheren Widerstandes und damit zur Verringerung von Bluthochdruck. Zusätzlich wirken einige Myokine antiinflammatorisch, andere verbessern die Endothelfunktion und steuern damit arteriosklerotischen Prozessen entgegen.

Sport verstärkt zudem die insulin-abhängige Glukoseaufnahme in Muskelzellen und verbessert damit die Insulinsensitivität des Körpers. Myokine erhöhen außerdem die Insulinsensitivität der Leberzellen, was zu einer verringerten Glukoseproduktion in der Anwesenheit von Insulin und somit zu einem niedrigeren Blutglukosespiegel beiträgt.

Auf dem Boden der Tatsachen liegt eindeutig zu wenig Glitzer.

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