marie 76/ November 2022

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/ November 2022

2,80 Euro

davon 1,40 Euro für die Verkäuferin/ den Verkäufer

KUNST auf der Straße

Vorarlberger Künstlerinnen und Künstler haben exklusiv für die marie auf Grundlage typischer Dialektbegriffe Kunst-Postkarten gestaltet. Das zehnteilige Set ist ab 11. November um 8 Euro bei der Verkäuferin bzw. dem Verkäufer Ihres Vertrauens erhältlich. Mehr über das Kunstprojekt erfahren Sie auf den Seiten 4-5.

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Inhalt

4-5 Künstler:innen gestalten marie-Postkarten

Vorarlberger Künstler:innen inszenieren exklusiv für die marie typische Dialektbegriffe

6-8 Auch Übungssache

Philosophin Melanie Wolfers erklärt, warum Zuversicht nichts mit falschen Heilsversprechen zu tun hat

10-13 Erfindergeist mit Mission

Lichtdesigner Georg Bechter im Porträt

13 Repaircafés

14-15 Der Supertramp-Mann

Autor Hans Platzgumer erklärt, warum jeder Einzelne einen Beitrag für eine bessere Welt leisten sollte

16-18 Wenn Kunst die Leinwand verlässt

Domingo Mattle und sein Weg vom Breakdancer zum Street-Art-Künstler

20 So funktioniert die marie

Häufig gestellte Fragen und Antworten zur Vorarlberger Straßenzeitung

21 Rechenrätsel, Schachecke

22-24 Ein Canale Grande für Vorarlberg?

Eine erfrischende Vision von Gerold Strehle lädt zum Mitdenken und Mitspinnen ein

24 Impressum

26-28 Gescheitert bin ich eben

Eva Renner-Martin schreibt über ihr bewegtes Leben

29 Suppe zum November-Blues

Kastanien und Musik von Eva Cassidy wärmen das Herz

30-31 Fremdsein im eigenen Land

Wie Fremdfühlen auch in der „eigenen“ Geburtsund Amtsnation zuschlagen kann

31 Sudoku

32-34 Das System auf den Kopf stellen Finnland zeigt, wie Obdachlosigkeit beendet werden kann

34 Rätsellösungen

36-37 Mekka der Jazzmusik Plauderstunde mit den Macher:innen des Jazzclub Lustenau

38-39 Veranstaltungskalender

marie ist Mitglied im Weltverband der Straßenzeitungen. www.insp.ngo

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser!

Diesmal zwei Dinge in eigener Sache: Erstens, Kunst auf der Straße. Immer wieder betonen Kunstschaffende, die wir für die marie porträtieren dürfen, Kunst müsse man nicht unbedingt vom Kopf her verstehen, Kunst solle viel eher berühren, irritieren, dürfe genauso anecken wie gefallen, schön wie hässlich sein und dabei unterschiedliche Ansichten und Assoziationen auslösen. Aller Vorurteile zum Trotz sei sie vor allem niemals elitär oder exkludierend gemeint. Kunst sei für alle da. So kam uns eine Idee: Wieso nicht ein Experiment wagen, unsere doch sehr niederschwelligen Vertriebskanäle nutzen und Vorarlbergs vielseitiges Kunsttreiben – zugegeben nur einen Bruchteil davon – auf die Straße bringen! Einmal eingetaucht in den Vorarlberger Kosmos künstlerischer Schaffenskraft, hatten wir dann die Qual der Wahl. Wäre da nicht der Finanzierungsfaktor, hätten wir liebend gerne das Fünffache an Kunstkarten umgesetzt. Jedenfalls sind sie demnächst da: Zehn Motive namhafter Künstler:innen als kreative Replik auf unterschiedliche Vorarlberger Mundart-Begriffe. Ab 11. November auf der Straße. Lassen Sie sich überraschen, seien sie rübig wundrig!

Dann, zweitens: ein Treffen aller österreichischen Straßenzeitungen erstmals hier im Ländle. Wir freuen uns, Gastgeberin sein zu dürfen. Dieser Austausch ist uns wichtig, zumal jede Redaktion anders tickt, anders aufgestellt ist, sich anders finanziert und auch kein Dachverband die Strippen zieht. Wie und wo kann man Kräfte bündeln, inwiefern sich etwas von den anderen abschauen, wie mit Herausforderungen der Zeit umgehen: All das wollen wir diskutieren. Aus Anlass dieses Straßenzeitungs-Treffens haben wir in der aktuellen Ausgabe auch einige Faken rund um die marie für Sie zusammengestellt – siehe Seite 20. Es geht auf den nächsten Seiten außerdem um Zuversicht und Selbstermächtigung, um Wohnungslosigkeit und das Gefühl von Fremdsein, um Hip-Hopund Jazz-Kultur, um Erfindergeist und eine 24 Kilometer weite Vision. Wie immer spüren wir den hellen wie dunklen Momenten nach, dem Großen und Kleinen, dem Starken wie Schwachen und dem ganzen Dazwischen.

Kommen Sie gut durch den November,

Simone Fürnschuß-Hofer, Redakteurin

Kontaktieren Sie uns

Sie haben Anregungen, Wünsche oder Beschwerden? Dann schreiben Sie uns doch einfach. marie – Die Vorarlberger Straßenzeitung, Graf-Maximilian-Straße 18, 6845 Hohenems. E-Mail: redaktion@mariestrassenzeitung.at oder Sie rufen uns an unter 0677/61538640. Internet: www.marie-strassenzeitung.at. Wir freuen uns über Ihre Zuschriften!

Kunst auf der Straße

{güxla}

Ab 11. Novmber werden Ihnen zehn Vorarlberger Künstlerinnen und Künstler auf der Straße begegnen. Wenn auch nicht persönlich, dann doch in Form ihrer Werke – im handlichen Postkartenformat, zum Verkauf angeboten von unseren marie-Verkäufer:innen im ganzen Land. „Wundrig-si“ und „güxla“ also unbedingt erwünscht!

Text: Simone Fürnschuß-Hofer

Kunstkarten #1 | 2022

Am Anfang war das Wort: Zehn renommierten Vorarlberger Künstlerinnen und Künstlern haben wir 15 typische Vorarlberger Mundart-Begriffe zur Auswahl gestellt und sie gebeten, sich davon künstlerisch inspirieren zu lassen. Ihre Assoziationen dazu durften wir in Postkartenformat festhalten und vervielfältigen. Ab 11. November wird es die daraus entstandenen Kunstkartensets mit jeweils zehn Motiven um 8 Euro auf Vorarlbergs Straßen zu kaufen geben – beim marie-Verkäufer bzw. bei der marie-Verkäuferin Ihres Vertrauens. 50 Prozent des Verkaufspreises gehen wie immer an unsere Verkäufer:innen.

G‘höriges Arrangement

Roland Adlassnigg, Doris Fend, Tone Fink, WolfGeorg alias Georg Fitz, Marbod Fritsch, Barbara Anna Husar, Christine Lederer, Claudia Mang, tOmi Scheiderbauer und Bianca Tschaikner haben sich der künstlerischen Auseinandersetzung gestellt. Wer sich welchem Wort widmet und ob schlussendlich Begriffe mehrfach verwendet werden, ob damit eher typografisch oder bildlich gearbeitet wird, Skulpturen oder Zeichnungen entstehen, haben wir zur Gänze den Kunstschaffenden überlassen. Entstanden ist daraus ein wunderbares Arrangement vielschichtiger künstlerischer Interpretationen. Detail am Rande: Dass dabei der Begriff „g‘hörig“ die Hitliste anführt, wundert nicht – löst doch das Attribut bei Vorarlberger:innen eine höchst ambivalente Gemengelage an Gedanken und Befindlichkeiten aus.

Danke

Als Medium, das immer wieder das Verbindende – gerade auch im Anderssein – sucht, möchten wir mit diesem Projekt Brücken zwischen Kunst, Tradition und sozialem Engagement schlagen. Initiativen wie diese kämen allerdings nicht zustande ohne Partner:innen aus der Wirtschaft. Ihr Ja zum Projekt hat neben der finanziellen Erleichterung immer auch ermutigende Kraft. Dafür sagen wir an dieser Stelle insbesondere der illwerke vkw als Hauptförderin des Projekts vielen herzlichen Dank. Für die Druckkostenbeiträge danken wir außerdem den Firmen Getzner Textil und Haberkorn, der Fachhochschule Vorarlberg und den Vorarlberger Raiffeisenbanken Wir erhoffen uns, mit diesem Produkt unseren Verkäufer:innen ein Zusatzeinkommen bieten zu können, genauso wie Vorarlbergs Kunstschaffen eine Öffentlichkeit abseits gewohnter Zielgruppen. Mit Kunstkarten, die Sie anregen, irritieren und gerne auch amüsieren dürfen – und Sie vielleicht gar zum einen oder anderen Postkartengruß inspirieren.

Begriffe, die wir zur Auswahl gestellt haben: allpot | diasas | gigagampfa | enaweg | g’hörig | Güggalar | güxla | Kehrwüsch | d’Lüt | momol | Net lugg lo! | Schnorrawaggli | Schrunda | verbärmscht ha | wundrig

„Das Kunstkarten-Projekt der marie verbindet heimische Künstler:innen, typisch Vorarlbergerisches und soziales Engagement auf so sympathische und natürliche Weise, dass es uns sofort begeistert hat.“

Andreas Neuhauser, Leiter Kommunikation illwerke vkw

„Diasas heißt auf Hochdeutsch übersetzt: „das Andere“. „Das Andere“ ist als Künstlerin, Philosophin und Mutter von großer Bedeutung für mich.“

Claudia Mang, Künstlerin

Wir danken den Künstler:innen!

Roland Adlassnigg

Doris Fend

Tone Fink

WolfGeorg alias Georg Fitz

Marbod Fritsch

Barbara Anna Husar

Christine Lederer

Claudia Mang

tOmi Scheiderbauer

Bianca Tschaikner

„Gigagampfa erinnert mich an meine frühe Kindheit in Götzis. Später in Oberösterreich, wo ich einen Großteil meiner Schulzeit verbrachte, hieß dasselbe ‚Wippen‘. Dialekte sind teilweise wie Sprachen, die eigens erlernt werden müssen.“

Doris Fend, Künstlerin

„Diese breite Palette von völlig verschiedenen Arbeiten macht doch genau die Qualität der Serie aus und steht so für die große Diversität, die uns als Menschheit als eine Familie ausmacht und die die marie so schön hochleben lässt."

tOmi Scheiderbauer, Künstler

„Die Begriffswahl war eine leichte: als Künstler entspricht man mit seinem Lebensstil nicht unbedingt dem alemannischen Lebensideal (schaffa, schaffa…), d.h. es braucht da schon einen langen Atem, das eigene Leben als „ghörig“ zu akzeptieren. Die aktuellen LGBT-Debatten inspirierten mich dann, den traditionellen Begriff „GHÖRIG“ mit einer offenen, anderen Lebensführung zu kombinieren. Dieser Kontrast schafft Diskussionspotential. Und dieses Statement dann als Karte zu erhalten, erhöht dieses noch.“

Marbod Fritsch, Künstler

Zuversicht ist – auch –Übungssache

Kann und darf man zuversichtlich sein in Zeiten großer Ungewissheit? Man muss, sagt Melanie Wolfers, 51, Philosophin, Autorin und Ordensfrau. Zuversicht klammere Gefühle wie Angst und Sorge nicht aus. Sie wachse dort, wo der Mensch seine Handlungsspielräume erkenne und nutze. Zuversicht könne man üben und habe rein gar nichts mit dem „Glücksterror“ falscher Heilsversprechen zu tun. Wir haben Melanie Wolfers zum Interview gebeten.

Interview: Simone Fürnschuß-Hofer, Fotos: Ulrik Hölzel

Wann wurde denn bei Ihnen in letzter Zeit Ihre Zuversicht auf den Prüfstand gestellt? Gerade in jüngerer Zeit, als ich es beruflich eigentlich extrem dicht gehabt hätte, hat ein Mensch, den ich sehr liebe, einen Unfall gehabt, sodass ich mich um ihn kümmern musste. Das hat mein berufliches Arbeiten völlig auf den Kopf gestellt und zudem hat mich zeitgleich auch noch Corona ordentlich erwischt und mich in große Sorge wegen der Ansteckungsgefahr gebracht ... Das hat mich schon mürbe gemacht und einmal mehr habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, auf die eigenen Gedanken zu achten. Wenn man in einer Angstfantasie drinsteckt, kann schnell aus der Maus ein Elefant werden. Mich nicht in der schwarzen Gedankenwelt einzunisten, dem Gedankenkarussell zu entkommen, all das gute Drumherum nicht zu übersehen, wenn wir in einer Krise stecken, das halte ich für ganz entscheidend.

Zuversichtlich sein ist also auch Übungssache?

Ja. Zuversicht ist keine Glückssache, sondern eine Haltung, die wir einüben können. Mein aktuelles Buch handelt von den Quellen der Zuversicht. So kann es beispielsweise helfen, sich an überstandene, bewältigte Krisen zu erinnern und aus dieser Erinnerung an die eigene Lebenskraft Zuversicht zu schöpfen. Viele Untersuchungen zeigen außerdem, wie gut es tut, sich gerade auch in einer Krise in der Natur zu bewegen. Gehen bringt uns körperlich und seelisch über den Berg. Glückshormone werden ausgeschüttet, Körper und Seele werden gestärkt.

Wieso tun wir uns denn in Krisenzeiten so schwer, auch das Gute in unserem Leben wahrzunehmen?

Die Forschung spricht vom Negativitätsbias: Unser Gehirn konzentriere sich evolutionsbedingt automatisch auf das Schwierige, weil uns das frühe Erkennen von Gefahr einst Überlebensvorteile gebracht hat.

Wo liegen noch – unbewusste – Stolperfallen?

In der weit verbreiteten Vorstellung, dass Glück bedeutet, dass es uns die ganze Zeit gut geht und das Leben nur aus emotionalen Höhepunkten besteht. Doch das ist eine Märchenerzählung ersten Ranges. Das Leben besteht aus lichten und dunklen Farben und vielen Grautönen. Aber wenn ich mit dieser Vorstellung rumlaufe, immer gut drauf sein zu müssen, dann führt mich das erst recht in eine Krise. Denn wenn es mir einmal elend geht, mache ich mir auch noch den Vorwurf, selbst schuld an der Misere zu sein bzw. etwas falsch zu machen. Die Vorstellung, dass das Leben nur aus Angenehmem bestehen soll, schwächt unsere Widerstandskraft, mit Krisen umzugehen. Diese gehören aber zum Leben dazu. Das Vertrauen in Menschen, auf die man wirklich bauen kann, ist DIE Quelle von Zuversicht schlechthin.

INTERVIEW

Und wie ist es mit der erlebten Ohnmacht: aushalten oder gegen Windmühlen ankämpfen?

Unsere Gesellschaft lebt in dem Glauben, alles immer sicherer machen, alles kontrollieren zu können. Aber auch die Erfahrung von Ohnmacht gehört zu unserem Leben: dass ich älter werde, dass ich Dinge nicht mehr so kann, dass mich Schicksalsschläge ereilen. Ich glaube, dass uns Corona deutlich vor Augen geführt hat, nicht alles im Griff zu haben. Es gilt als Gesellschaft die Einsicht zu integrieren, nicht alles kontrollieren zu können und anzuerkennen, dass vieles sich unserer Verfügbarkeit entzieht. Auch das hat etwas mit Realismus zu tun.

Manchmal provoziert angesichts der gegenwärtigen Krisen oder individueller Schicksalsschläge der Appell zur Zuversicht geradezu, evoziert Widerstand. Wie lässt sich zwischen wahrhaftigem Zuspruch und Schönreden unterscheiden?

Ein Mensch, den keine Sorge erfüllt angesichts der Klimakatastrophe, des Krieges und der Energiefrage, der zunehmenden Armut in vielen Ländern etc. – ein Mensch, der da keine Angst oder keinen Schmerz verspürt, ist vorsätzlich blind oder naiv und redet sich die Dinge schön. Zuversicht heißt nicht, dass ich keine Angst kenne, sondern dass ich die Probleme sehe, aber mich davon nicht lähmen lasse, sondern meine Handlungsspielräume erkenne und wahrnehme. Dem gegenüber steht ein billiger Trost wie „Wird schon wieder!“, der im Grunde erneut verletzt, da ich in meiner Not nicht gesehen werde. Das Vertrauen in Menschen, auf die man wirklich bauen kann, ist DIE Quelle von Zuversicht schlechthin. Zu wissen, dass mich jemand unterstützt, sich interessiert, mich wahrnimmt. Auch im „Hoffnungsbarometer“ der Schweiz zeigt sich die Erfahrung von Solidarität als Zuversichtsquelle par excellence.

Wie schafft man es denn, einem Mitmenschen gute Impulse zu geben ohne Gefahr zu laufen, ihn mit „guten Ratschlägen“ zu vergraulen?

Zuhören und bei der Person sein. Fragen stellen, die die Perspektive ein Stückchen erweitern, das ist das Um und Auf. Wegzukommen vom Warum hin zu ressourcenorientierten, vielleicht auch überraschenden Fragen, die nach vorne schauen lassen. Zum Beispiel der Frage, was der Person denn jetzt guttäte oder auch, ob man aus der Krise etwas lernen kann.

Können Sie im Zusammenhang mit dem Thema Zuversicht dem Zugang der „Positiven Psychologie“ etwas abgewinnen? Ja sehr, ihr werte- und ressourcenorientierter Blick gefällt mir. Kritisch sehe ich sie nur dort, wo sie naiv daherkommt; wo im Populärwissenschaftlichen mit „Drei Tipps zum Glück“ oder „Wie du garantiert angstfrei lebst“ geworben wird, denn dann entsteht schnell ein Glücksterror. Doch wir sind nicht einfach unseres Glückes Schmied. Wir wachsen mit sehr unterschiedlichen Bedingungen auf und haben unser Leben nicht nur selbst in der Hand. Das zu glauben, ist eine ungnädige Siegermentalität. Ganz zu schweigen von der Einsamkeit, in die man schlittert, wenn man nicht zeigen kann, dass es einem nicht gut geht.

Zurück zu den globalen Krisen und zum Punkt Selbstermächtigung: Was sagen Sie jemandem, der davon überzeugt ist, mit seinem Tun, seinen kleinen Schritten, nichts bewirken zu können?

Ich möchte mit Greta Thunberg antworten, die sagt: „Eine einzelne Person kann die Welt nicht verändern, aber eine einzelne kann andere beeinflussen, so dass sie die Welt zusammen verändern.“ Gesellschaftlicher Fortschritt ist fast immer das Ergebnis von vielen Leuten, die viele Schritte gehen und irgendwann gemeinsam etwas erreichen. Man braucht keine Mehrheit, um Dinge zu verändern. Denn in einem Netzwerk muss man nicht alle auf einmal überzeugen. Wie bei einer Reihe Dominosteine reicht es, nur den nächsten anzustoßen, der seinerseits seinen Nächsten anstößt und so weiter.

„Mut beginnt nicht erst bei nobelpreisverdächtigen Großtaten. Sein eigentliches Revier ist der konkrete Alltag!“, ein Zitat aus ihrem Mut-Buch. Welchen Mut meinen Sie?

Viele Menschen sind sehr viel mutiger, als sie von sich selbst glauben. Mut beginnt nicht erst dann, wenn ich ein Kind aus dem brennenden Haus rette, Mut beginnt bei den kleinen Weichenstellungen im Alltag. Etwa, wenn ich es wage, jemandem meine Liebe einzugestehen, im Arbeitsteam eine ungewöhnliche Idee einzubringen, mich einzulassen auf die eigene Intuition. Wage ich es, mich zu zeigen und das Risiko der Enttäuschung einzugehen? Genau das schmeckt doch nach echtem Leben! Ich glaube, jeder Mensch will mutig sein. Denn ich kann mich umso mehr bejahen, je mehr ich im Einklang mit mir selbst und meinen Überzeugungen gelebt habe und nicht, indem ich danach geschielt habe, möglichst unverletzt durchs Leben zu kommen oder wie ich bei anderen ankomme.

Ist unsere Mutbereitschaft nicht oft insgeheim an die Bedingung des Gelingens geknüpft?

Das glaube ich nicht. Wenn wir Menschen aufmerksam werden auf die Mut-Momente in unserem Leben und uns daran erfreuen, dann stärkt uns allein das schon. Und immer, wenn ich es wage, eine Sache zu tun, obwohl ich etwas Angst davor habe, ist das wie ein Mut-Muskeltraining. Ich glaube tatsächlich, dass wir nicht immer nur auf das Ergebnis schauen. Aber zugleich ist es natürlich wichtig, dass wir uns nicht nackt und schutzlos den rauen Stürmen des Lebens ausliefern.

Was aber, wenn die Reaktion auf unser Mutigsein eine Beschämung ist?

Mit Beschämung wird häufig und unbewusst operiert – eine miese Tour des Miteinander-Umgehens! Da darf man sich ruhig auch anschauen, was das über die andere Person aussagt. Für einen selbst ist in so einer Situation wichtig, sich das unangenehme Gefühl der Beschämung einzugestehen und sich – statt sich selbst noch eine Ohrfeige zu geben – wohlwollend in den Arm zu nehmen. Vielleicht hilft auch die Frage weiter: Woran will ich mein Selbstwerterleben festmachen: an meinem

Mut, meiner Überzeugung zu folgen, oder an der Wirkung, wie ich bei den anderen ankomme?

Aber die Scham ist ein schreckliches, regelrecht an einem klebendes Gefühl.

Absolut. Ich erlebe es immer wieder als sehr befreiend, in einem vertrauenswürdigen Rahmen über die eigene Scham zu sprechen und zu spüren, da fühlt jemand mit mir. Die Empathie des anderen wirkt wie eine Leiter, die einen aus dem Loch herausholt, in das man sich vor lauter Scham verkrochen hat.

Angst vor Scham und Verletzung ist auch das Thema bei Ihrem Zwischentöne-Abend, wo Sie – auch ganz schön mutig – in einen musikalisch-philosphischen Dialog treten ... Ja, und ganz ehrlich, ich finde das sehr aufregend, weil ich dort quasi mit Instrumenten spreche. Aber selbst, wenn ich mich verhaspeln werde, glaube ich nicht, dass jemand hämisch grinsen würde, vor allem, wenn ich mich auch mit meinen Gefühlen zeige. Das schafft doch Nähe, das macht menschlich.

Vielen herzlichen Dank für das Gespräch.

Bücher (Auszug):

Die in Flensburg geborene Melanie Wolfers ist Philosophin, Theologin und Mutmacherin. Seit 2004 lebt die Expertin für Lebensfragen und Spiritualität in der Ordensgemeinschaft der Salvatorianerinnen in Wien. Melanie Wolfers schöpft aus ihrer langjährigen Erfahrung als Seelsorgerin, sie ist Bestseller-Autorin, Rednerin und betreibt einen eigenen Podcast – siehe unten. www.melaniewolfers.de

ZUVERSICHT

Die Kraft, die an das Morgen glaubt

Entscheide dich und lebe!

Von der Kunst, eine kluge Wahl zu treffen

Trau dich, es ist dein Leben

Die Kunst, mutig zu sein

Montforter Zwischentöne 2022: Sehnsucht und Verwandlung

Festival mit neuen Formaten vom 1. bis 30.11.2022. Musikalische Meditationen zu Beginn, Konzerte zu Sonnenaufgang, Visual Art, ein „Begräbnis der Fakten“ als „Nachruf auf die Wahrheit“, Klavierkonzerte, Ballade „Die Füße im Feuer“, Musik aus unterschiedlichen Welten im Dialog mit Videokunst, das Oratorium „Triumph der Zeit“ von Händel, die „Temporäre Universität“, Musikalische Dialoge an „Drei Abenden über die Weisheit,“ das Konzert des Hugo-Siegerteams (Wettbewerb für neue Konzertformate), ein Adventskonzert und Küchentisch-Gespräche im Rahmen von Salon Paula

Melanie Wolfers ist am Mi, 23. November, 19:00-20:30 Uhr, im Alten Hallenbad Feldkirch zu Gast. Titel des Abends: Flight, Fight oder Freeze? Über Furcht, Scham und Wagnis. Ein alltägliches Thema auf der Bühne und im Leben: Der Auftritt vor Publikum, die Angst vor dem Fehler, dem Verglichen-Werden, der Beschämung. Das Musik-Ensemble führt vor, die Expertin für Lebensfragen und Spiritualität kommentiert im Dialog mit den Musikerinnen und Musikern.

Podcast-Tipp:

„GANZ SCHÖN MUTIG – dein Podcast für ein erfülltes Leben“ mit Melanie Wolfers

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ERFINDERGEIST

MIT MISSION

Im vorderen Bregenzerwald findet sich einer der schönsten Arbeitsorte Vorarlbergs. Architekt und Lichtdesigner Georg Bechter (44) hat in Hittisau das elterliche Bauernhaus samt Stadel zum Gestaltungsbüro mit firmeneigener Beleuchtungswerkstatt umgebaut. Wo früher Kühe standen und Stroh gelagert wurde, arbeiten heute 20 Menschen. 2021 hat er dafür den Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit gewonnen. Auch sonst gibt es einige Aha-Momente, wenn man mit dem erfinderischen Geist über innovative Gestaltung, solides Handwerk und das firmeneigene Versprechen spricht.

Text: Brigitta Soraperra

Fotos: Adolf Bereuter © Georg Bechter Licht

Geboren ist Georg Bechter Ende der 1970er Jahre in eine Bregenzerwälder Bauernfamilie. Er wollte immer Handwerker sein, sagt er, nach der Tischlerlehre habe er aber realisiert, dass er nun zwar das Handwerk könne, „aber nicht gestalten“. Da fiel ihm die Möglichkeit eines Studiums ins Auge. „Ich habe dann in Stuttgart an der Akademie der Bildenden Künste Design und Architektur studiert. Dort wurde recht konzeptionell gearbeitet, was mir sehr entgegen kam.“ Nach dem Abschluss arbeitete er zunächst in einem Architekturbüro in Wien und als Assistent an der Stuttgarter Akademie. 2007 machte er sich als Architekt selbstständig und fiel von Anfang an mit unkonventionellen Arbeiten auf. Mittlerweile beschäftigt sein Büro „Georg Bechter Architektur“ drei Projektarchitekt:innen und realisierte beispielsweise ein Haus aus Stroh, ein Loft in der Scheune, ein Turmhaus und ein Baumhaus. Auch im sozialen Wohnbau ist man tätig und hat in Langenegg das Sozialzentrum gestaltet. Alle Gebäude bestechen durch Schönheit, natürliche Materialien und innovative Ideen. „Wir kennen keinen Standard und machen uns immer wieder neu auf die Suche nach der besten Lösung“, sagt der kreative Mastermind, und: „Wir wollen Räume entwickeln, die dem Zweck entsprechen, Ressourcen schonen und die Menschen mit Herz und Seele erfreuen, begeistern und überraschen.“

„WIR WOLLEN RÄUME ENTWICKELN, DIE

DEM ZWECK ENTSPRECHEN, RESSOURCEN

SCHONEN UND DIE MENSCHEN MIT HERZ

UND SEELE ERFREUEN, BEGEISTERN UND ÜBERRASCHEN.“

Regionale

Wertschöpfung

Als dann die ersten größeren Aufträge kamen, habe er sich überlegt, wohin er die Produktion auslagern könnte: „Nach Italien, China oder so." Da das für ihn allein aber nicht zu stemmen war und er zu diesem Zeitpunkt bereits mit Zuarbeiterinnen aus Hittisau arbeitete, die in Heimarbeit für ihn tätig waren, dachte er sich: „Es gefällt mir, wenn ich Leuten hier Arbeit geben und die Wertschöpfung in der Region behalten kann.“ Dies war der Startschuss für die neue Firma, „Georg Bechter Licht“ wurde geboren und zeichnete sich –genauso wie sein Architekturbüro – von Beginn an durch Erfindergeist und Innovation aus. Mit dem Baldachin-System beispielsweise befreite Georg Bechter Lampen von deren Deckenbaldachin, indem er sie organisch in Wände und Flächen integrierte. Dafür wurde er 2015 mit seinem ersten Staatspreis für Design ausgezeichnet. Auch seine weiteren, überraschenden Beleuchtungslösungen erhielten zahlreiche Preise. „Nachträglich gesehen ist das Beste, was uns passiert ist, dass wir nicht aus der Lichtbranche kommen, sondern aus der Architektur und vom Handwerk“, meint Georg Bechter. „Alle Herausforderungen haben bei uns zu guten Innovationen geführt, und wir trauen uns an Themen ran, bei denen andere schon lange aufgegeben haben. So klein, so fein und flächenbündig. Wir machen alles, was auch handwerklich schwierig ist. Das schätzen die Leute: Innovation, handwerkliche Machbarkeit und gutes Design.“

„Lauter Blödsinn halt“

Begeisterung und die Lust am Tüfteln sind seit jeher auch seine eigenen Triebfedern. Dass er 2010 zusätzlich eine eigene Lichtfirma gründete, entstand eher zufällig aus einem Hobby. Neben der Architektur habe er immer wieder Design-Gegenstände entwickelt, erzählt der 44-Jährige: „Eine Hängematte, einen Schaukelstuhl und eine zusammenklappbare Badewanne aus Latex, lauter Blödsinn halt“, meint er schmunzelnd. Im Rahmen von „Handwerk und Form“, einem Gestaltungswettbewerb, der vom Werkraum Bregenzerwald regelmäßig ausgerichtet wird, entstand sein erstes Beleuchtungsobjekt: eine kleine, reduzierte Lampe in organischer Form, die ein äußerst angenehmes Umgebungslicht erzeugt. Ursprünglich habe er für diese Lampe eine Produktionsfirma gesucht. Weil jedoch das Jahr 2009 und Wirtschaftskrise war, gab es zwar Interesse, „man hat sich aber vor allem die Rechte sichern wollen und nichts dafür bezahlen“, erzählt Georg Bechter. „Ich habe damals einen alten Stadel gehabt, die Maschinen waren da, das Handwerk konnte ich, und so habe ich begonnen, die Leuchten selber herzustellen.“ Und weil er es „eigentlich blöd fand“ nur ein einziges Licht zu verkaufen, entwickelte er eine kleine Lichtfamilie, mit der er als Quereinsteiger zu den internationalen Lichtmessen nach Mailand und Köln fuhr. „Zum Glück war die erste Lampe so gut, dass ich zuschauen konnte, wie das mit dem Verkaufen geht.“

Wohlfühlort

Als die Nachfrage immer größer wurde und immer mehr Mitarbeitende dazukamen, machte sich Georg Bechter auf die Suche nach einem neuen Firmenstandort, an dem er seine beiden Geschäftsfelder vereinen konnte. Aus der Familie kam der Vorschlag, das leerstehende Bauernhaus der Eltern zu adaptieren. Die Idee gefiel ihm und es lag für ihn auf der Hand, an diesem Ort, den sein Vater mit sehr viel Herzblut aufgebaut hatte, mit nachhaltigen Materialien zu arbeiten. „Hier waren 40 Jahre Stroh und Heu drin, also war klar, dass wir mit einer Strohdämmung arbeiten und den Lehm aus der eigenen Baugrube verwenden.“ Aber nicht nur aufgrund der Ressourcenschonung, sondern auch weil mit dem umgebauten Gebäude gestalterisch ein kleines Juwel entstanden ist, wurde es 2021 mit dem Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Im Übrigen bereits der dritte Staatspreis für Georg Bechter. „Der neue Ort ist ein Gewinn“, erklärt der Bauherr nicht ohne Stolz, „die Leute fühlen sich vom ersten Augenblick an wohl, wenn sie reinkommen." Mit dem Bau habe er vor allem aber in die Mitarbeiter:innen investiert. „Es geht darum, sie mit einem schönen Arbeitsplatz wertzuschätzen. Wenn ich die besten Leute brauche, dann muss ich ihnen etwas bieten.“ Deshalb gibt es hier neben bezahlten Pausen auch eine „gute Fee“. Mit dem Einzug habe man sich statt eines Hausmeisters eine Köchin geleistet, die dreimal in der Woche für alle kocht. Dazu trifft man sich im zauberhaften Wintergarten mit Blick auf die sattgrünen Hittisauer Kuhweiden und den firmeneigenen Biogarten.

Versprechen:

1. WIR GLAUBEN DARAN, DASS SCHÖNHEIT NACHHALTIGKEIT BEDEUTET.

2. WIR SCHONEN MIT UNSEREN PRODUKTEN RESSOURCEN.

3. WIR BAUEN AUF REGIONALE WERTSCHÖPFUNG.

4. WIR FORCIEREN KREISLAUFWIRTSCHAFT, IM PRODUKTDESIGN UND IM BAUWESEN.

5. WIR SCHAFFEN LANGLEBIGE QUALITÄT. www.georgbechterlicht.at und www.bechter.eu

Kreativer Unternehmer

Georg Bechter hat nie eine kaufmännische Ausbildung gemacht, dennoch ist er in allem, was er tut, ein bedachter Unternehmer. „Menschenverstand“ und „Logisch denken“ sieht er als seine Stärken, „und das Querdenken!“. Es ärgert ihn, wenn man im unternehmerischen Bereich rein betriebswirtschaftlich vorgeht. „Es ist unverständlich, dass man auf die Zahlen von vor fünf Jahren hört, um etwas Zukünftiges zu entwickeln. Architekt:innen und Entwickler:innen haben die Aufgabe, 20 Jahre voraus zu schauen, deshalb muss man den Kreativen zuhören, wenn es um kreative, innovative Dinge geht, und nicht den Betriebswirten." Als Querdenker habe er eine andere Meinung darüber, was sich seine Firma leisten kann und was nicht, obwohl natürlich auch er als Arbeitgeber gut rechnen müsse. „Wir stecken sehr viel in die Entwicklung und Forschung rein, dafür machen wir keine bezahlte Werbung.“ Er orientiere sich an den Bedürfnissen des Marktes: „Wir haben überlegt, wie wir als junges Unternehmen punkten können und

TIPP

Im Rahmen des Schaffarei-Veranstaltungsformats „GutePraxis“, einem Projekt der Vorarlberger Arbeiterkammer, findet am 4. November eine Exkursion zu „Georg Bechter Licht“ nach Hittisau statt. Am Nachmittag wird zudem das Lichtforum von Zumtobel Group besichtigt. Infos und Anmeldungen für alle Interessierten unter www.schaffarei.at

REPARATURCAFÉS

CARLA REPARATURCAFÉ ELEKTRO ALTACH

Möslestraße 15, 6844 Altach (carla Einkaufspark Altach)

Jeden 1. Freitag im Monat von 13 bis 16.30 Uhr carla@caritas.at, T 05522 200 1520 REPAIR CAFÉ BLUDENZ

Klarenbrunnstraße 46, 6700 Bludenz (carla store)

Jeden letzten Freitag im Monat von 13 bis 16.30 Uhr christine.erath@caritas.at, T 05552 200 26 00

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Jeden 1. Samstag im Monat von 9 bis 12 Uhr, T 0650 264 74 46, Roswitha Steger

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Riedgasse 6 im Hof, 6850 Dornbirn

Jeden 3. Mittwoch im Monat von 17.30 bis 20.30 Uhr hallo@reparaturcafedornbirn.at

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Hirschgraben 8, 6800 Feldkirch (Polytechnische Schule)

Jeden 1. Samstag im Monat von 9 bis 12 Uhr info@reparaturcafe-feldkirch.at, T 0699 192 870 66

REPARATURCAFÉ GÖFIS

Büttels 6, 6811 Göfis

Jeden 3. Samstag im Monat von 9 bis 12 Uhr reparaturcafe-goefis@aon.at

REPARATURCAFÉ KLOSTERTAL

dabei beobachtet, dass Lieferzeiten auf den Baustellen immer ein großes Thema sind. Der normale Lichthandel hat vier bis sechs Wochen. Wir hatten den Ehrgeiz, das früher zu schaffen und liefern mittlerweile 90 Prozent innerhalb von zehn Tagen.“ Erklärend fügt er hinzu: „Wir sind auch deshalb effizient, weil wir sogar die Verpackung selber entwickeln.“

Das Versprechen

Obwohl das unkonventionelle Denken weiterhin nicht zu kurz kommen soll, wird das Team laufend durch neue Mitarbeiter:innen mit einschlägigen Fachkompetenzen ergänzt. Aufgrund der regionalen Wertschöpfungskette kam der Betrieb gut durch die Coronazeit und hat neue Großaufträge bekommen. Georg Bechter rechnet mit einem Wachstum von 20 bis 25 Prozent in diesem Jahr, „weil Samen aufgehen, die in den letzten Jahren gesät wurden“. Umso mehr sieht er sich als visionärer Gestalter und Unternehmer auch in einer globalen Verantwortung: „Die zwei größten Aufträge haben wir mit dem Thema der Nachhaltigkeit gewonnen." Gemeinsam mit seinem Team wurde entschieden, in die Kreislaufwirtschaft zu investieren und sich und seinen Kund:innen ein Versprechen zu geben, das sich auch auf der Firmen-Homepage findet. „Man muss es ernst meinen, damit wir weiterkommen“, sagt Georg Bechter mit Hinblick auf den Klimaund Umweltschutz, für den ein Bauunternehmen eine ganz besondere Verantwortung habe.

Arlbergstraße 100, 6751 Innerbraz (Gemeindebauhof)

Jeden 2. Samstag im Monat von 14 bis 16 Uhr info@klostertal-arlberg.at, T 0664 843 71 33

REPARATURCAFÉ LAUTERACH

Alte Säge, (Lebenshilfe), Hofsteigstraße 4, 6923 Lauterach

Jeden 2. Samstag im Monat von 9 bis 12 Uhr repcafe.lauterach@hotmail.com

REPAIRCAFÉ RANKWEIL

Köhlerstraße 14, 6830 Rankweil (Werkstätte der Lebenshilfe)

Jeden 1. Freitag im Monat von 14 bis 16.30 Uhr

REPAIR CAFÉ RHEINDELTA

Dr-Schneider-Straße 40, 6973 Höchst

Jede gerade Kalenderwoche am Freitag von 14 bis 16 Uhr repaircafe.rheindelta@gmx.at

NÄHTREFF SATTEINS

Kirchstraße 8, 6822 Satteins (Untergeschoß Pfarrsaal)

Jeden ersten Freitag im Monat 8.30 bis 11.30, 19 bis 22 Uhr

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DER SUPERTRAMP-MANN

Text: Hans Platzgumer

Vor einem knappen halben Jahrhundert, im November 1975, brachte die britische Popband Supertramp ihr viertes Album auf den Markt und gab ihm den Titel ‚Crisis? What Crisis?‘. Die Songs der Platte waren nicht sonderlich erfolgreich und sind heute weitgehend vergessen, der Titel des Albums und die optische Gestaltung aber könnten aktueller kaum sein. Krise? Welche Krise? Auf dem Cover sehen wir einen Mann in Badehose und mit Sonnenbrille, der sich scheinbar unbeirrt von seiner Umgebung in einem Liegestuhl entspannt. Er selbst ist wie sein Badetuch, Sonnenschirm, der Longdrink auf seinem Tischchen und sein Transistorradio koloriert. Alles außerhalb seines direkten Umfeldes aber ist grau und trostlos. Dort herrscht offensichtlich die große Krise, zumindest aus ökologischer Sicht. Nichts als eine Industrielandschaft mit unzähligen qualmenden Schloten umgibt den Mann. Er nimmt sein Sonnenbad auf einer Schutthalde, in verseuchtem Brachland, er trotzt den Umständen, er will sich die kleine Oase inmitten der Zerstörung, das Einzige, was ihm geblieben ist, nicht nehmen lassen. Er ignoriert das Außen, so gut es ihm gelingt. In seinem Gesichtsausdruck aber ist zu lesen, dass er sehr wohl Bescheid weiß, wie es um seine Umwelt steht und dass die Tage gezählt sind, die ihm in seiner vermeintlichen Idylle bleiben.

Heute befinden sich viele von uns in der Situation dieses Mannes. Krisen über Krisen umgeben uns, Krisen, so komplex und überwältigend, dass wir

ICH KANN NICHT ALLES AUF DIE POLITIK, AUF CHINA, AUF NESTLÉ ODER COCA-COLA SCHIEBEN. ÄNDERE ICH MEIN VERHALTEN NICHT, BIN ICH NICHT BESSER ALS DIE BIG PLAYERS, HÖCHSTENS HARMLOSER. DANN DARF ICH NICHT DARÜBER JAMMERN, KEINE MACHT ZU BESITZEN, SONDERN DIE WELT KANN FROH DARÜBER SEIN, DASS ICH NICHTS ZU SAGEN HABE.

nicht wissen, wie mit ihnen umzugehen ist. Selbst in Vorarlberg sind die Auswirkungen der umfassenden Umwelt- und Selbstzerstörung unübersehbar, die der Mensch seit Jahrzehnten betreibt, getrieben von den Zwängen der kapitalistischen Struktur, in der er sich verfangen hat. Nur zu zögerlich beginnt er, wenn überhaupt, diese zu überdenken. Während das grundsätzliche Umdenken weiterhin auf sich warten lässt, werden die Enklaven immer kleiner, die uns bleiben. Auch in Vorarlberg muss ich Tag für Tag mitansehen, wie Böden unvermindert versiegelt werden und Zufluchtsräume, einer nach dem anderen, verschwinden. Der Verkehr auf unseren Straßen nimmt zu statt ab, die Pkw werden größer und schwerer, Lkw- oder Motorradfahrer immer rücksichtsloser. Der Tourismus schreibt Rekordzahlen, Skigebiete werfen ihre Schneekanonen an. Die Liste der Dinge, die sich in die falsche Richtung entwickeln, ließe sich beliebig lange fortführen – auch wenn einer wachsenden Anzahl von Menschen und Unternehmen bewusst ist, dass eine Veränderung unseres Verhaltens einsetzen muss. Es gibt sie, die Ausnahmen von der Regel. Doch wie es so schön heißt, bestätigen diese die Regel nur. Solange sich nicht im Großen etwas ändert oder neue Regeln von der Politik vorgeschrieben werden, fühlen sich zu viele unter uns nicht dazu motiviert, ihren Lebensstil zu ändern. Muss alles von oben her befohlen werden? Funktioniert Läuterung tatsächlich nur über Maßregelungen und Verbote? So scheint es, leider aber fehlt es auch der Politik am nötigen Mut, an der nötigen Einig-

keit, der nötigen Durchsetzungskraft, sie handelt zögerlich, zaghaft und schließt sich dem allgemeinen Greenwashing an. Im Großen und Ganzen bleibt alles, wie es ist. Uns hier geht es ja noch verhältnismäßig gut. Bislang sind wir vom Schlimmsten verschont geblieben, was Naturkatastrophen, Flüchtlingsströme, was Hunger, Armut, Bombenhagel betrifft. Wir haben das Glück, uns auf einer dieser Inseln zu befinden, auf denen das Dasein noch halbwegs funktioniert. Doch wir müssten Augen und Ohren verschließen, um nicht zu verstehen, dass außerhalb unserer kleinen Welt die Dinge kollabieren und somit auch unser Spielraum enger wird.

Angesichts der kaum lösbaren Krisen, in denen sich die Menschheit inzwischen wiederfindet, angesichts der Ohnmacht, die uns überkommt, wirkt es nur menschlich, wenn Zeitgenoss*innen auf die Überforderung wie dieser Supertramp-Mann reagieren. Sie schätzen, sofern sie überhaupt bewusst am Weltgeschehen teilnehmen, die Lage als aussichtslos ein und wollen ihr privates Leben in vollen Zügen genießen, so lange es sich machen lässt. Doch die Umstände haben sich seit den 1970er-Jahren verändert. Als Supertramp dieses Album veröffentlichten, glaubten wir Menschen noch an die Zukunft. Damals war das Wissen über die globalen Folgen unserer Ausbeutung und Zerstörung der Natur, darüber, wie das Kleinste mit dem Größten zusammenhängt, noch nicht weit genug verbreitet. Zustände konnten als lokale Phänomene abgetan werden. Heute gilt solches Unwissen nicht länger, heute sehen wir, dass wir unsere Zukunft

womöglich verspielt haben. Wer glaubt noch daran, dass die Welt in absehbarer Zeit zu einem besseren, lebenswerteren Ort wird? Heute ist permanenter Wohlstandsverlust das Schlagwort, das in westlichen Industrienationen die Runde macht. In anderen Teilen der Welt geht es bereits um Krieg und Hunger. In Supertramps Zeiten – ich erinnere sie gut – war der Gedanke an die Apokalypse noch ein Spiel. Es machte Spaß, sie sich auszumalen, wohl weil man davon ausging, rechtzeitig vor ihr flüchten zu können. Gruselfilme, Horrorgeschichten machen immer Spaß, solange sie nicht wirklich werden. Heute aber ist das Szenario unseres Untergangs allzu drängend, überaus realistisch geworden. Wenn wir so weitermachen wie bislang, ist es nur eine Frage der Zeit, eine Frage danach, ob uns Jahre oder Jahrzehnte bleiben, mehr nicht.

Angesichts dieses Zeitdrucks, den alle spüren, in Anbetracht der gewaltigen Ausmaße und Komplexität unserer selbstgemachten Probleme wirkt, was auch immer wir versuchen, rein kos-

metisch, zu klein, für manche geradezu lächerlich. Also setzen sie sich lieber auf ihren kolorierten Sonnenstuhl und chillen – was ein anderes Wort für Resignieren sein könnte. Sie stellen ihr Ich in den Vordergrund, weil unser Wir keine Chance mehr zu haben scheint. Wie viele haben den sogenannten ‚Klimabonus‘, diese 500 Euro, die jeder und jede, egal wie bedürftig, ungefragt vom Staat erhalten hat, direkt in ihr Auto oder einen Billigflieger gesteckt? Tatsächlich weiß ich es von einigen. Ungefähr dreimal Volltanken war dieser Klimabonus wert oder einen Kurztrip nach Mallorca. Eine Politik, die Fahr- oder Flugstreckenverbote meidet, nicht einmal Tempobeschränkungen durchsetzt, dafür Kohle- und Atomkraftwerke, sogar Gas-Fracking wiederbelebt, darf sich nicht wundern, wenn ihre Klima-Ideen oftmals zynisch anmuten.

So menschlich es sein mag, auf die Herausforderungen, die vor uns stehen, mit einem Kopf-in-den-Sand oder „Hinter uns die Sintflut“ zu reagieren, es ist auch erbärmlich. Es hilft dabei, die

Welt schneller an den Abgrund zu bringen. Ich kann nicht alles auf die Politik, auf China, auf Nestlé oder Coca-Cola schieben. Ändere ich mein Verhalten nicht, bin ich nicht besser als die Big Player, höchstens harmloser. Dann darf ich nicht darüber jammern, keine Macht zu besitzen, sondern die Welt kann froh darüber sein, dass ich nichts zu sagen habe.

Was haben Sie mit Ihrem Klimabonus gemacht? Was werden Sie mit dem nächsten, der früher oder später kommen wird, machen? In welcher Welt wollen Sie leben, heute, morgen? Und was sind Sie bereit für eine solche Welt zu tun? Auf welchen von all dem Unfug, mit dem wir dazu beitragen, die Welt kaputt zu machen, sind Sie bereit zu verzichten? Denken Sie noch darüber nach oder haben sie bereits damit begonnen, ihr Konsumverhalten zu verändern? Jeder und jede einzelne kann und muss sich heute, 47 Jahre nach Crisis? What Crisis?, die Frage stellen, ob er*sie der Supertramp-Mann sein will oder nicht. Jede*r muss prüfen, inwieweit sie*er Teil einer positiven Veränderung ist, oder wie weit die Hoffnung bereits aufgegeben wurde. An diesen Fragen kommt niemand vorbei, das ist sie heute, die unbequeme Wahrheit, auf die Al Gore uns 2006 hingewiesen hat.

Auch ich gehe ein solches Abwägen Tag für Tag aufs Neue ein. Es ist Teil meines Bewusstseins geworden, ein Teil in meinem Kopf, den ich den anderen Bildern der Zerstörung entgegenstelle, die in den Medien ununterbrochen auf uns niederprasseln. Auch wenn die Veränderung meines persönlichen Verhaltens global gesehen keinen Unterschied macht, für mich macht sie es sehr wohl. Mein eigenes, kleines, persönliches Leben wird dadurch ein wenig besser, lebenswerter, heller. Wenn ich schon längst kein Held bin, wenigstens bin ich nicht der Supertramp-Mann. Und der Klimabonus? Der ist irgendwann auch auf meinem Konto eingegangen und dort versickert. Von ihm kann ich mir weder etwas kaufen noch erwarten. Aber ich erschaffe mir meine eigenen kleinen Klimaboni, jeden Tag ein bisschen mehr davon.

WENN KUNST

„World Love“ steht in Großbuchstaben auf seinem lässig-legeren Pullover, darunter eine Regenbogenflagge, harmonische Berührungen und unsere Erde als allumfassendes Herz. Mit einer mächtigen Portion Liebe, gegenseitiger Anerkennung und großem Ideenreichtum möchte Domingo Mattle (27) die Welt reformieren.

Text: Florian Gucher Fotos: Domingo Mattle

DIE LEINWAND VERLÄSST

„DIE HIP-HOPKULTUR HAT MICH

SEHR BEREICHERT, AUCH WENN SIE

HEUTE KÜNSTLERISCH KAUM

MEHR EINSCHLAG IN MEINE WERKE

FINDET UND ICH VIELMEHR IN DIE

BREITE GEGAN-

GEN BIN. NACH

EINER GEWISSEN

ZEIT WILL MAN

EINFACH DORTHIN, WO NIEMAND

ZUVOR WAR.“

Er kann die tote Dekorationskunst in den Wohnhäusern der „Upper-Class“ nicht ausstehen: Domingo Mattles künstlerische Arbeiten sind keine zum auf die Wand Hängen und Prahlen, sondern vielmehr Vorboten von Lebensphilosophien, die in gesellschaftliche Strukturen einwirken sollen oder es gar schon tun. Kunst muss schließlich um die Welt gehen und Niederschlag in konkreten Aktionen finden, um lebendig zu bleiben. Hier setzt Mattles Schaffen an, das so innovativ ist wie er selbst und Grenzen der Kunst wie selbstverständlich sprengt. Seien es düstere Stillleben mit hochmodernem Teint, Slogans mit tiefgreifendem Inhalt, überspitzt wiedergegebene Anlehnungen an alte Meister wie Da Vinci oder verstörend wirkende Bildnisse, die beim zweiten Blick etwas Harmonisches beinhalten. Die Kunst des Vorarlbergers ist schwer auf einen Nenner zu bringen. Doch Domingo Mattle provoziert nicht nur gerne, sondern tritt bewusst in Aktion und das alles, um die Welt um sich herum nur ein bisschen harmonischer zu machen. Dabei sind es durchaus Werke, die das Große im Kleinen suchen und oftmals auf so reduzierte Weise zum Nachdenken anregen, wie Mattle es schafft, Hochkomplexes in wenige Worte, Gesten oder Figurationen herunterzubrechen und doch glasklare Aussagen zu produzieren. Shirts mit Schriftaufzügen wie „Nature is non fungible“ oder „Emotion = Currency“ (soviel wie: „Die Natur ist nicht ersetzbar“ und „Emotion = Währung“) loten nicht nur das Denken in Zwischenräumen real-virtueller Sphären aus, sondern zeigen zeitgleich, wie der Künstler das Gute im Leben nie aus dem Sinn verdrängt. Domingo Mattle setzt dort an, wo es vielleicht einer Veränderung bedarf, um unser Dasein ein Stück lebenswerter zu machen.

Ein breites Spektrum

Dabei gibt sich Mattle als ein schriller, bunter Vogel voller Hoffnung und Tatendrang. Oder als ein kreativer „Sherlock Holmes“, wie er sich auf seinem Instagram-Account selbst bezeichnet. Von klassischer Malerei über Design und Mode bis hin zur Objektkunst, es gibt kaum ein Me-

tier, in dem er sich nicht schon ausprobiert hat:

„Die einzige Konstante in meiner Kunst ist die Veränderung“, bringt es Mattle lächelnd auf den Punkt. Und damit mag er recht haben: Begonnen als Break-Dancer, der die internationale Bühne im Eiltempo eroberte, fand er schließlich über Graffiti und Street-Art den Weg in die Bildende Kunst und ist seitdem so vielseitig tätig wie nur möglich: „Die Hip-Hop-Kultur hat mich sehr bereichert, auch wenn sie heute künstlerisch kaum mehr Einschlag in meine Werke findet und ich vielmehr in die Breite gegangen bin. Nach einer gewissen Zeit will man einfach dorthin, wo niemand zuvor war.“ Vom einstigen friedlichen Sprührebellen ist vielleicht nicht mehr so viel übrig und doch scheint sich sein Lebensmotto über die Jahre und einzelnen Stationen hinweg nur noch stärker herauskristallisiert zu haben. Heute ist es vielmehr ein Engagement, das viele Bereiche umfasst und von einem ins andere geht, ohne jedoch die Verbindungslinien aus dem Auge zu verlieren. Kunst ist Teil des Ganzen. Doch: „Bloße Bilder bringen noch keine Veränderung“, so der aus Götzis stammende Kunstschaffende selbst. Mattle ist niemand, der stillsitzt, er will vielmehr dort für Verbesserungen anregen, wo es noch nicht rundläuft. Wobei sein Engagement weit über die Kunst hinausreicht, wie ihm die klassische Vorstellung des Künstlerdaseins sowieso zuwiderläuft: „Mein Ziel ist es, nicht mehr Künstler zu sein. Ich will den Punkt miterleben, wo die Kunst ihre höchste Vollendung erfährt, sich selbst genügt und keine Figur dahinter mehr braucht.“ In Domingo Mattles Schaffen verschränken sich Kunst und Business wie von selbst, da es nicht zuletzt sein Anspruch ist, nicht nur theoretisch zu faseln, sondern die Dinge beim Namen zu nennen und anzupacken. Und das auch fernab der Kunst in Gefilden, die einem Kunstschaffenden fast ungewöhnlich scheinen. Nicht aber, wenn man die Bestrebungen Mattles kennt: „Oftmals gilt es, mit Argusaugen wie ein Alien auf die Menschheit zu blicken und einfach zu beschreiben, was sich tut. Vieles bringt auf diese Weise die gewünschten Lösungen, die alleine durch ein Bild nicht möglich wären. Deshalb sind es auch andere, vornehmlich unternehmerische Tätigkeiten, die mich beschäftigen.“ >>

„BLOSSE BILDER BRINGEN NOCH KEINE VERÄNDERUNG“

Mit flachen Hierarchien und Teamgeist

Ganz dieser Vorstellung entspricht auch die von ihm gegründete Agentur mit dem sprechenden Titel „Not a company“, die starre, altbackene Konventionen eines Unternehmens ad acta legen und bewusst aufbrechen möchte. Und das wohlgemerkt nicht, ohne die Dinge mit einem gewissen Augenzwinkern zu sehen. Statt strengem Chef prunkt ein vieräugiger imaginärer Tiger im South-Park-Stil an seinem Platz, der die Rolle des Gründers gehörig hinterfragt, um den kollektiven Leistungen mehr Raum zu geben: „Das Problem ist, dass man zu sehr an Unternehmensgründer wie Steve Jobs glaubt, die nahezu heiliggesprochen werden und alles andere überschatten. Man lässt sich zu sehr von der ‚Founder-Mentality‘ beeinflussen. Dieses Problem lässt sich erst lösen, wenn kein Firmenchef mehr da ist.“ Das Unternehmen selbst tritt dafür ein, Kluften zu überwinden und ist dabei äußerst breit und vielschichtig angelegt. Von Klamottenprojekten über die Förderung junger Verrückter bis hin zu den Fragen, wie ein ideales Unternehmen in Zukunft aussehen könnte, spannt es einen weiten Bogen, mit Blick darauf, bereichernde Dinge (wieder) nach Vorarlberg zu bringen. Aber auch zu zeigen, dass es alternative Möglichkeiten gibt, unser Leben zu begreifen und zu gestalten: „Die Welt ist nichts anderes als ein großes Videospiel. Als Künstler geht es mir darum, dem Schöpfer so nahe wie möglich zu kommen und die Matrix zu cracken“, bringt Mattle einen passenden Vergleich.

Vom Überdenken und Beibehalten

Domingo Mattle jedenfalls lebt sich kreativ wie künstlerisch aus, experimentiert mit allen möglichen Ansätzen, um alles nicht Funktionierende, alles was wütend, traurig und bedrückt macht, vergehen zu lassen. In einem seiner Werke wird ganz seiner Vorstellung gleich die „Erschaffung Adams“ von Michelangelo in zeitgenössische Sphären transferiert. Als Wandgemälde auf grauer Betonmauer zeigt die Arbeit, dass noch eine Menge Arbeit vor uns liegt, ohne jedoch den hoffnungsfrohen Blick in die vor uns liegende Zeit aus dem Auge zu verlieren: „Die Zukunft ist kreativ und kindlich. Ich selbst bin Kind geblieben und glaube, dass man dasselbe auch auf gesellschaftliche Systeme anwenden sollte. Unser Ziel muss es sein, der Zukunft nicht im Weg zu stehen oder das Neue gegen das Alte auszuspielen wie auch umgekehrt.“

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So funktioniert die

Die marie ist Mitte November zum ersten Mal Gastgeberin des Treffens der insgesamt sieben Straßenzeitungen Österreichs. Für uns ein Anlass, um Ihnen ein paar zentrale Fragen zu unserem Projekt, das vor fast genau sieben Jahren gestartet ist, zu beantworten.

Welche Philosophie steckt hinter dem Projekt der marie?

Wir verstehen uns als Sprachrohr für die Anliegen von Randgruppen unserer Gesellschaft. marie ist ein Angebot zur Selbsthilfe für Menschen an oder unter der Armutsgrenze, die ihren Lebensmittelpunkt in Vorarlberg haben. Ziel ist die Förderung des Miteinanders von Menschen am Rande der Gesellschaft. Die marie ist ein parteiunabhängiges, soziales und nicht auf Gewinn ausgerichtetes Projekt.

Wer sind unsere Verkäufer:innen?

Zusammengefasst sind es von Armut betroffene Menschen jeder Schattierung: Menschen mit Fluchthintergrund, Armuts- und Arbeitsmigrant:innen aus Süd- und Osteuropa, Arbeitslose, prekär Arbeitende. Durch die selbstständige Tätigkeit erhalten Menschen einen niederschwelligen Zugang zu Arbeit, die als Sprungbrett dienen kann. Sie erhalten eine neue Struktur im Alltag, Kontakt zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen und ein Stück ihrer Würde zurück.

Wie viel Geld bekommen die Straßenverkäufer:innen?

50 Prozent des Verkaufserlöses. Bei der marie sind das aktuell pro verkaufter Zeitung 1,40 Euro (plus Trinkgeld).

Wo finde ich die Straßenverkäufer:innen?

Vorwiegend sind sie vor Supermärkten (Spar, Hofer, Lidl), auf Märkten oder in Fußgängerzonen zu finden.

Wie erkenne ich eine Straßenverkäuferin bzw. einen Straßenverkäufer?

Alle sind mit einem Ausweis ausgestattet, den sie sichtbar am Körper tragen.

Gibt es Verkaufsregeln für Straßenverkäufer:innen?

Ja, Während des Verkaufs soll nicht gebettelt, die Zeitung soll in nüchternem Zustand angeboten werden und die Verkäufer:innen sollten möglichst nur einzeln und nicht in Gruppen unterwegs sein.

Wer macht die Straßenzeitung marie?

Bei der marie sind zwei Redakteur:innen angestellt, ein Mitarbeiter kümmert sich zusätzlich um die Buchhaltung und den Inseratenverkauf. Es gibt zudem mehrere freie Mitarbeiter:innen (Journalist:innen, Grafikerin), die auf Honorarbasis für unsere Straßenzeitung arbeiten. Das bedeutet jede:r, die/der für uns arbeitet, wird dafür entlohnt.

Wie finanziert sich die marie?

Hauptsächlich durch den Verkauf der Straßenzeitung bzw. über Inserate. Die marie kommt ohne öffentliche Gelder aus. Das bedeutet, dass wir das notwendige Geld für Personal, Druck und Produktion selbst erwirtschaften.

Haben Sie noch Fragen, Anregungen, Wünsche? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail an redaktion@marie-strassenzeitung.at oder rufen uns an unter 0677 615 386 40

Lösen Sie es in 60 Sekunden

Beginnen Sie die Kopfrechnung mit der Zahl im Feld ganz links. Rechnen Sie von links nach rechts – Kästchen für Kästchen. Die Lösung im leeren Feld rechts eintragen. Jede Rechnung unabhängig von der Schwierigkeit sollte in weniger als 60 Sekunden gelöst werden. Keinen Taschenrechner verwenden!

SCHACHECKE

Die Spielsaison 2022/23 der 2. Bundesliga West startete diesmal außergewöhnlich früh. Vom 23. bis 25. September 2022 wurden bereits die ersten drei Runden gespielt. Den Auftakt bildeten die „internen“ Begegnungen in den jeweiligen Bundesländern. Die vier Vorarlberger Mannschaften aus Bregenz, Dornbirn, Lustenau sowie der 2. Mannschaft aus Hohenems trafen sich in der Nibelungenstadt zum Kräftemessen auf den 64 Feldern.

Als Ausrichter dieser Veranstaltung agierte der Schachklub Hohenems und unter den Augen des Internationalen Schiedsrichters Gerhard Fröwis entwickelten sich spannende Partien, deren Ausgang allerdings nicht immer dem Spielverlauf entsprach und so gab es die eine oder andere Tragödie, die in der Schachszene sicherlich noch einige Zeit nachhallen wird. Von den Vorarlberger Mannschaften erwischte Hohenems

GM Vitaly Kunin (Bregenz)

IM Dennis Breder (Hohenems)

2. Bundesliga West, Hohenems 2022

Wie erreicht Weiß am Zug entscheidenden Materialvorteil?

mit zwei Mannschaftssiegen und einem Unentschieden den besten Start. Ebenfalls zwei Mannschaftssiege konnte Lustenau einfahren, allerdings mussten sie sich auch einmal geschlagen geben. Nicht ganz so erfreulich verlief dieses Wochenende für Dornbirn mit einem Sieg und Bregenz, das lediglich ein Unentschieden bzw. einen Mannschaftspunkt erreichte.

Die Favoritenstellung liegt wieder einmal bei den Tiroler Teams. Es ist zu erwarten, dass Mayrhofen/Zillertal und Absam den Meistertitel unter sich ausmachen. Eine kleine Vorentscheidung gab es allerdings schon in der zweiten Runde beim direkten Duell der beiden Titelanwärter. Dabei behielten die Spieler aus dem Zillertal knapp die Oberhand.

Und nun bringen wir drei Kombinationen aus Partien von diesem Wettbewerb und wünschen Ihnen viel Spaß beim Lösen dieser Schachaufgaben.

Philipp Lins (Hohenems)

Christian Rüscher (Dornbirn)

2. Bundesliga West, Hohenems 2022

Auch hier kann Weiß am Zug entscheidendes Material gewinnen. Wie?

Uros Nisavic (Lustenau)

Johannes Mundorf (Hohenems)

2. Bundesliga West, Hohenems 2022

Wie nützt Schwarz am Zug die unsichere weiße Königsstellung aus?

auf Seite 34

Lösungen

Ein Ausschnitt aus der Präsentation des Canale-Grande-Projekts, für das Architekt Gerold Strehle bereits viel Rückenwind erhalten hat. Es geht dabei um die ökologische und funktionale Aufwertung des Rheintaler Binnenkanals.

Ich vertraue euch hier eines meiner unvergesslichen Erlebnisse an“, schreibt uns Gerold Strehle, 48, Architekt und Umweltgestalter, als wir ihn vor bald einem Jahr im Rahmen unserer Recherchen zum Ideenwettbewerb „Ideenkanal“ kontaktieren.

Sein Projekt „Canale Grande“ hat es in die Endauswahl geschafft und ein Ticket fürs Ideencamp ergattert. So also erzählt er uns von den Ursprüngen seiner Vision: „Zu Besuch bei einer Freundin in Bern lernte ich an einem heißen Sommertag das „Marzili Bad“ kennen. Es liegt an der Aare, im Herzen der Stadt. Sauberes Wasser aus dem Berner Oberland fließt hier durch das Zentrum. Ich war überrascht, als meine Freundin unmittelbar nach dem Eintritt ins Bad nicht den Weg in Richtung Schwimmbecken einschlug. Stattdessen flanierten wir an der Aare entlang flussaufwärts. Eine halbe Stunde später gingen wir schließlich an einer flachen Stelle ins Wasser und ließen uns die Strecke zurück bis ins Marzili Bad hinuntertreiben. Diese Form des „Spazierenbadens“ war sehr eindrucksvoll.“ Konkret poppt die Erinnerung wieder auf, als sich Gerold Strehle vor gut einem Jahr mit dem Hochwasserschutzprojekt RHESI* auseinandersetzt. Hierbei sticht ihm der parallel zum Rhein und 24 Kilometer durch das Vorarlberger Unterland fließende Rheintaler Binnenkanal alias „Kobler“ bzw. „Koblacher Kanal“ ins Auge. Seitdem lässt ihn diese eine Idee nicht mehr los: Ein mit sauberem Rheinwasser gefluteter Binnenkanal von Koblach bis Hard, der seine neun Anrainergemeinden mit neuen Naherholungsräumen und das Rheintal mit ökologischer Vielfalt bereichert.

EIN CANALE GRANDE FÜR VORARLBERG?

Ein Canale Grande mitten durchs Rheintal? Als nicht besonders attraktive Variante gibt es ihn bereits, den Rheintaler Binnenkanal, vielen besser bekannt als „Kobler“ oder „Koblacher“. Aber was wäre, wenn? Wenn dieser 24 Kilometer lange Wasserlauf, mit frischem Rheinwasser gespeist, neuen Lebensraum für Mensch, Tier und Pflanzen eröffnen würde? Eine erfrischende Vision lädt zum Mitdenken und Ideenspinnen ein.

Text: Simone Fürnschuß-Hofer

Fotos: shutterstock

Den Rhein anzapfen

Konkret geht seine Idee so: Auf Höhe Koblach, dort, wo der Binnenkanal ganz knapp neben dem Rhein läuft, könnte im Rahmen des RHESIJahrhundertprojekts Frischwasser vom Rhein in den Binnenkanal geleitet werden. Dieser Sanierungsschritt wäre insofern nötig, als dass der Binnenkanal seit jeher die Funktion hat, die anliegenden Gemeinden zu entwässern. Bedeutet: Sowohl landwirtschaftliche Abwässer wie auch die der Kläranlage Hohenems münden in den „Kobler“, sodass sich in diesem mit Stickstoff angereicherten Gewässer weder Fische noch Menschen tummeln wollen. Gerold Strehle: „Mit der Verbindung zum Alpenrhein und der damit erschlossenen Frischwasserzufuhr wäre das Gewässer über seine gesamte Länge nachhaltig saniert. Wenn man im Zuge dessen auch die Uferzonen renaturiert, hätte man nicht nur einen ökologischen Mehrwert, sondern würde auch Erholungsflächen für 80.000 Einwohner gewinnen.“ Der Landschaftsarchitekt lässt seiner Idee Flügel wachsen, projektiert unter dem Arbeitstitel „Canale Grande“ und forscht akribisch. So wälzt er nicht nur kommunale Entwicklungspläne, sondern auch: das Papier zur Biotopvernetzung, das Vorarlberger Mobilitätskonzept, Bevölkerungsprognosen, Studien über identitätsstiftende Raumplanung, Referenzprojekte. Ihm ist bewusst, dass so ein Mammutprojekt nur im Zusammenspiel mit bestehenden Projekten und Ressourcen gelingen kann. Der Synergie- und Mehrwert-Faktor wären laut Strehle enorm: Beschattete Radwege, Spiel- und Naturerlebnisräume, ein „Biotopkorridor“ zwischen Hang und Tal, Artenvielfalt und Lebensraumerweiterung für heimische Tierarten. Zu Wasser und zu Lande.

Zwischen Freizeitpläsier und Umweltschutz gilt es eine gute Balance zu finden, damit nicht nur der Mensch, sondern auch die Tier- und Pflanzenwelt von Renaturierungsprojekten profitiert.

Hausboote und Flussbäder?

„Rein statistisch gesehen, kann man nicht davon ausgehen, dass alle Gewässer, die jetzt fließen, in Zukunft auch noch fließen werden. Renaturierte Fließgewässer werden gerade im Sommer entscheidend sein für die Lebensqualität in einer Gemeinde.“

Mit der Verschränkung von starker Vision und fundiertem Konzept holt sich Gerold Strehle im Frühjahr 2022 den Business Award bei der EUSALP (Europäische Strategie für den Alpenraum). In Zeiten des Klimawandels und der sinkenden Wasserspiegel sehe er den Canale Grande auch als eine Antwort auf die bevorstehenden Bewässerungsprobleme, sagt Strehle, denn: „Rein statistisch gesehen, kann man nicht davon ausgehen, dass alle Gewässer, die jetzt fließen, in Zukunft auch noch fließen werden. Renaturierte Fließgewässer werden gerade im Sommer entscheidend sein für die Lebensqualität in einer Gemeinde.“ Natürlich ist da auch viel Schwärmerei dabei, dessen ist er sich bewusst, wenn er aus seinen Reiseerinnerungen an französischen Kanal-Charme oder holländische Hausboot-Idylle schöpft und daraus ein kleines Wunschkonzert für Vorarlberg ableitet: Eine schwimmende Siedlung mit Hausbooten in Hard, Flussbäder in Mäder und Lustenau, ein Boot-Shuttledienst vom Bodensee zur Senderbrücke, Alleen auf den Dammkronen im Bereich der Einmündung der Dornbirner Ache, eine Radwegschnellverbindung von Koblach bis Lauterach oder ein Restaurant-Schiff am nahegelegenen „Häusleberg“.

Müllberg mit Aussicht

„An diesem Punkt spießt sich in Wirklichkeit Visionäres mit ökologischen Vorgaben“, so Rudi Alge, seines Zeichens Umweltbeauftragter der Gemeinde Lustenau. Nachdem sich Gerold Strehle die Zustimmung aller neun Anrainergemeinden geholt hat, die Canale-Grande-Initiative auf Möglichkeiten und Unmöglichkeiten zu prüfen, koordiniert Alge die daraus entstandene „Vorstudie zur ökologischen und funktionalen Aufwertung des Rheintal-Binnenkanals“. Als Ökologe hat er naturgemäß weniger das Freizeitpläsier als den Umwelt- >>

Gerold Strehle, in Linz geboren, heute in Bregenz wohnhaft, studierte in Wien und Paris Architektur, die Landschaftsarchitektur sieht er mehr als „ein Steckenpferd“.

schutz im Sinn. Lebensraumgestaltung müsse immer auch für Tiere und Pflanzen gedacht werden, sagt er. Dem Binnenkanal als „wichtigster regionaler Grünachse“ und Strehles Idee der Frischwasserzufuhr attestiert er gleichwohl ein großes Potenzial und gibt Einblick in erste Überlegungen: „Als Anrainergemeinden haben wir uns sehr schnell darauf verständigt, dass dort, wo der Binnenkanal in der freien Landschaft fließt, der Naturschutz und die ökologische Aufwertung im Vordergrund stehen müssen. Beim Cineplexx Hohenems Richtung Altach, wo der Wasserlauf breiter, aber noch nicht gut gestaltet ist, ist er durchaus auch für die umliegende Wohnbevölkerung besser erschließbar und für die Naherholung vor der Haustür nutzbar – mittels Bänkle, Beschattung oder Trittsteinen.“ Einer weiteren Idee Strehles steht er offen gegenüber: „Ja, wieso nicht den Deponieberg beim Abfallwirtschaftszentrum Loacker mit Wegen zugänglich machen und mit einer Aussichtsplattform versehen.“ Das sei visionär im wörtlichen Sinne. „Und identitätsstiftend“, ergänzt Gerold Strehle: „Als höchste topografische Erhebung in der Rheinebene bildet der ehemalige Häusleberg eine Landmarke ersten Ranges. Seine Funktion als Deponieanlage wird in den nächsten Jahren beendet, ein Nachnutzungskonzept in Zusammenhang mit dem Binnenkanal und der Dornbirner Ache kann ich nur empfehlen. Man hat vom Müllberg aus nämlich ein Wahnsinnspanorama.“ Referenzprojekte würden zeigen, dass und wie es funktionieren kann, negativ besetzte Räume in einen neuen Kontext zu setzen und anziehend zu gestalten.

Nächster Halt: Landhaus Und wie geht es nun weiter? Aktuell wurde Gerold Strehle damit beauftragt, den Status Quo aus den beteiligten Gemeinden abzuholen und alle noch erforderlichen Grundlagen zu erheben. Ein nächster Meilenstein wird der Schritt in Richtung Landesregierung sein. Hier werden sich aufgrund der Querschnittsmaterie (Wasserwirtschaft, Raumplanung, Umwelt- und Klimaschutz) gleich drei Landesräte mit dem Thema zu befassen haben. Auch wenn bis dahin wohl noch viel Wasser den Rhein hinunterfließt, bleibt zu hoffen, dass die Begeisterung fürs Canale-Grande-Projekt nicht versiegen wird und das Potenzial des „Koblers“ als regionale, blau-grüne Lebensader im wahrsten Sinne neu aufblühen darf.

* Das Hochwasserschutzprojekt RHESI soll das St. Galler und Vorarlberger Rheintal für 300.000 Bewohner:innen sicherer machen. Die Abflusskapazität des Alpenrheins wird durch eine Verbreiterung des Gerinnes wesentlich erhöht. Auch die Trinkwasserversorgung, der Flussraum selbst, Natur und Naherholung sollen vom Projekt profitieren. Baubeginn soll vor 2030 sein, die Fertigstellung der gesamten Strecke von der Rhein- bis zur Illmündung wird rund 20 Jahre in Anspruch nehmen.

Impressum

Grundlegende Richtung

Die Straßenzeitung marie versteht sich als Sprachrohr für die Anliegen von Randgruppen unserer Gesellschaft. marie ist ein Angebot zur Selbsthilfe für Menschen an oder unter der Armutsgrenze, die ihren Lebensmittelpunkt in Vorarlberg haben. Ziel ist die Förderung des Miteinanders von Menschen am Rande der Gesellschaft und der Mehrheitsgesellschaft. Die Hälfte des Verkaufspreises von 2,80 Euro verbleibt den Verkäufern. marie ist ein parteiunabhängiges, soziales und nicht auf Gewinn ausgerichtetes Projekt.

Redaktion marie – Die Vorarlberger Straßenzeitung, Graf-Maximilian-Straße 18, 6845 Hohenems, Telefon: 0677 61538640, eMail: redaktion@marie-strassenzeitung.at, Internet: www.marie-strassenzeitung.at Redaktion: Frank Andres, Simone Fürnschuß-Hofer MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Guntram Gärtner, Florian Gucher, Christine Mennel, Daniel Mutschlechner, Hans Platzgumer, Eva Renner-Martin, Barbara Schmiedehausen, Brigitta Soraperra Zeitungsausgabestellen: Dornbirn: Kaplan Bonetti Sozialwerke, Kaplan-Bonetti-Straße 1, Montag, Mittwoch und Freitag von 8 bis 9 Uhr Bregenz: dowas, Sandgrubenweg 4, Montag und Donnerstag 8.30 bis 10.30 h Feldkirch: Caritas-Café, Wohlwendstraße 1, Montag bis Freitag 8.30 bis 14 h Bludenz: do it yourself, Kasernplatz 5-7/3b, Montag und Mittwoch 14 bis 16 h Anzeigen Kontakt: anzeigen@marie-strassenzeitung.at Medieninhaber und Herausgeber Verein zur Förderung einer Straßenzeitung in Vorarlberg, ZVR-Zahl 359044778, 6833 Klaus eMail: redaktion@marie-strassenzeitung.at

Vorstand

Frank Andres, Obmann

Christina Vaccaro, Obmann-Stellvertreterin, Schriftführerin

Oliver Mössinger, Kassier Druck: Russmedia Verlag GmbH, Schwarzach Auflage: 15.000 Exemplare, Erscheinungsweise monatlich Layout/DTP/Bildbearbeitung :TAGWERK Grafik|Design Monika Dür Bankverbindung & Spendenkonto Raiffeisenbank im Rheintal, IBAN: AT94 3742 0000 0648 3580, BIC: RVVGAT2B420 © 2022 marie. Alle Rechte vorbehalten.

© Christian Schramm

Vortragsreihe 2022

Auf die Seele schauen. Das Gute im Blick behalten.

Holger Thiel | Emotionale Kompetenz Do, 03. November 2022 | 19.00 Uhr | Kulturhaus Dornbirn

Jutta Waltl | Die Bedeutung des WohlbefindensGrundsätze der Positiven Psychologie Di, 08. November 2022 | 19.00 Uhr | Kulturhaus Dornbirn

Anmeldung erforderlich!

T 05572 32421 | office@promente-v.at www.promente-v.at/aktuell Eintritt frei!

Bildungshaus Batschuns

Ort der Begegnung

Krieg in der Mitte Europas: Ist der Pazifismus am Ende? | Vortrag und Workshop

PD Dr. Hartwig von Schubert, Hamburg | D

Vortrag: Do 24. Nov. 19.30 h

Workshop: Fr 25. Nov. 9.00 – 12.00 h

Reden ist Gold ... | Spezielle Gesprächssituationen und besondere Auftritte

Renée Hansen, Wirtschaftspsychologin M.A. | D Mo 28. Nov. 9.00 h – Di 29. Nov. 17.00 h

Spiele mit Pfiff für die Gruppenarbeit

Olaf Möller, Dipl. Sozialpädagoge, Schauspieler | D Sa 3. Dez. 9.00 – 17.00 h

Info, Ort und Anmeldung: bildungshaus@bhba.at T 05522 44290-0 | www.bildungshaus-batschuns.at

Lehrgang Interkulturelle Kompetenz 2023

Leben und Arbeiten in interkult. Zusammenhängen

Start: 14. – 15. März (4 Module)

Leitung: Mag. a (FH) Lisa Kolb - Mzalouet, Wien

Bitte Detailinformationen anfordern!

© Christoph Hofer chilidesign
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Suppe zum November-Blues

Kastaniensuppe und Eva Cassidy wärmen das Herz

Zutaten:

• 500 g gegarte Kastanien

• 800 ml kräftige Suppe (am besten Hühnersuppe)

• 20 g Butter

• 1 Zwiebel

• 1 TL Zucker (oder noch besser: Kastanienhonig)

• 50 ml roter Portwein

• 150 ml Rahm

• ½ Zitrone

• Salz, Pfeffer

• Zimt

• Schnittlauch

Zubereitung:

Butter im Topf zerlassen, gehackte Zwiebel unter Rühren anbraten, 400g der Kastanien mitbraten, Zucker oder Honig einrühren, mit Portwein ablöschen und etwas einkochen lassen. Mit Suppe aufgießen und einige Minuten auf kleiner Flamme köcheln. Rahm dazugeben und Suppe fein pürieren. Mit Zitronensaft und Gewürzen abschmecken. Restliche Kastanien in etwas Butter und Zucker in der Pfanne karamellisieren und in der Suppe mit Schnittlauch servieren.

Von Daniel Mutschlechner, probelokal.com

Wie gerne erinnere ich mich an die jährlich wiederkehrenden Höhepunkte meiner Kindheit: Den Geburtstag, den Heiligen Abend und den letzten Schultag vor den Ferien. Und natürlich an die Ankunft eines Paketes aus der Südsteiermark. Onkel Franz schickte uns nämlich jedes Jahr einen prall gefüllten Sack mit wild gesammelten Kastanien. Das war ein Feiertag.

Papa briet sie im Garten auf offenem Feuer. Wie das knisterte und duftete! Und immer dann, wenn ich mir beim Öffnen der Schale die Finger verbrannte, erinnerte mich Gota an ihren Geheimtipp: Die Finger kühlen nämlich am besten, wenn man sie fest an die Ohrläppchen presst. Das mache ich noch heute.

Gelegentlich koche ich mir aus den Kastanien eine Suppe, die sich wie eine warme Decke um den Körper hüllt. Erst recht, wenn Eva Cassidy dazu den Blues spielt (siehe Musiktipp). Vakuumierte, geschälte Kastanien sind inzwischen übrigens ganzjährig im Handel erhältlich. Man könnte die Suppe also theoretisch auch im Frühling zubereiten. Aber ich versichere Ihnen: Sie schmeckt nur im November!

Musiktipp: Kürzlich bin ich beim Stöbern in meinem Plattenschrank auf Aufnahmen von Eva Cassidy gestoßen. „Simply Eva“ nennt sich das zauberhafte Album voller Blues und Folk. Ihre Interpretation von „Autumn Leaves“ passt wunderbar zu diesen Herbsttagen. Traurig, dass die amerikanische Musikerin bereits kurz nach Veröffentlichung ihres ersten Albums nach schwerer Krankheit sterben musste. Ihre Musik klingt weiter – und wie! Weitere Rezeptgeschichten und Musiktipps finden Sie auf www.probelokal.com

VOM FREMDSEIN IM EIGENEN LAND

Wir sind gewohnt oder daran gewöhnt worden, Fremdsein auf Menschen anderer Herkunftsstaaten, anderer Kulturen und Sprachkreise zu beziehen. Aber das Fremdfühlen kann auch innerhalb der „eigenen“, der Geburts- und Amtsnation stattfinden. Oder zuschlagen.

Text: Barbara Schmiedehausen

Foto: Hanno Thurnher

Für manche Menschen ist das Fremdsein ein Paket, das sie schon bei der Geburt mitbekommen haben. Das wird von den leiblichen Eltern mitgegeben, schon mit deren Nationalität, Ethnie vererbt. Manchmal übergeht das Fremdgefühl eine Generation, um die nächste dann umso feindseliger anzuspringen. Ich glaube mittlerweile, dass ein Teil meines Selbst immer noch von der Flucht meiner Großmutter 1939 von Polen nach Wien geprägt ist. Die im Deutschen mehr schlecht als recht radebrechende Oma, die mit ihren vier Kindern zeitlebens Polnisch gesprochen hat, in ihrer Muttersprache kaum Pausen machte, so viel hatte sie zu sagen, hat meine Neugier geweckt, alles verstehen zu wollen. Die Oma-und-Papa-Sprache habe ich nicht gelernt, sehr wohl aber ein Bewusstsein dafür, wie wichtig es ist, sich ausdrücken zu können, seine Standpunkte präzise vermitteln zu können. Sprechen ist nur dann selbstverständlich, wenn man auch gehört und verstanden wird, wenn man als zugehörig eingestuft wird aufgrund seiner Aussagen. Meine Oma war zeitlebens eine Ausländerin für die Wiener in Kaisermühlen, vielleicht sogar für die Verwandten ihrer österreichischen Schwiegerkinder. Dabei war sie eine gebildete Frau, hatte – durchaus un-

„WIESO?
MIR HENDS DOCH SO SCHÖA DO!“

üblich für ein 1911 geborenes Waisenkind in Polen – eine Ausbildung zur Lehrerin gemacht und mit Hingabe, aber zu ihrem lebenslangen Leidwesen nur kurz, unterrichtet. Und in der neuen Heimat, die eine solche nicht geworden war, musste sie Mäntel in der Oper aufhängen und putzen bei fremden Leuten. Und sich verächtlich machen lassen von Menschen, die ihr intellektuell nicht das Wasser reichen konnten, aber das wenigstens auf Österreichisch.

In einer fast unheimlichen Folgerichtigkeit war meine Geschichte ebenfalls von Umzügen, wenn auch nicht so gravierenden, geprägt. Ich bin 15-mal übersiedelt. Allein das löst in Vorarlberg schon ungläubiges Staunen aus, weil man hier geboren, von zu Hause in eine Wohnung

und dann ins Eigenheim zieht. Meistens. Ganz wenige gehen (!) für ein paar Jahre nach Innsbruck und kehren nach der Ausbildung zurück. Noch weniger gehen nach Wien und bleiben dann dort. Im Verein der Vorarlberger treffen sich die Wichtigen, in den zahlreichen Vorarlberger Lokalen mit Kässpätzle und Mohrenbräu auch die weniger Wichtigen, und „streifen das Heimweh ab“ – eine Formulierung, die ich so noch nie anderswo gelesen oder gehört habe. Kann man Heimweh ausziehen, an einen Haken hängen, glücklich sein, und beim Gehen wieder anziehen wie einen schlechtsitzenden Mantel?

Jedenfalls wurde ich als Kind von Wien nach Oberösterreich verzogen, in eine Mietwohnung zunächst und dann ins große selbst gebaute Haus. Und gleich nach der Matura war ich dann schon in Salzburg, auch da nur auf Durchgang, und dann in Wien und mehr zu Hause als anderswo je zuvor (außer vielleicht im Wald) und nachher auch nicht mehr, und dann in Innsbruck und wieder in Wien, mein Heimweh abstreifen, und dann aber nach Vorarlberg. Mit Mann und Kindern, denn ich habe einen „Eingeborenen“ geheiratet unterwegs, und der musste dann irgendwie und irgendwann doch zurück, weil Heimweh abstreifen nicht mehr funktioniert hat. Und mir war die Gerechtigkeit (der Mann war ungern, aber trotzdem und wegen meiner Karriere in Wien) wichtiger als meine Zugehörigkeiten und Freundschaften und Verwandtschaften in Wien damals, man hätte ja auch wieder (zurück) gehen können bei Missfallen, so war das ausgemacht, aber das wurde dann nichts, weil die Kinder. Und der Mann. Und überhaupt haben wir es hier ja so schön, und die große Stadt, das ist nichts für eine Familie. Stimmt ja auch irgendwie, und trotzdem sind 1,9 Millionen Wiener nicht allesamt unglücklich. Aber. Das sind innerösterreichische Ansichten, damit gewinnt man hier keinen Blumentopf. Zwanzig Jahre später. marie fragt, ob ich etwas schreiben möchte. Ich darf was vorschlagen. Wieso fällt mir Fremdsein ein? Weil die marie-VerkäuferInnen vielfach Fremde auf den ersten Blick sind? Weil sie mich daran erinnern, dass ich auch nicht ganz von hier, aber noch wahnsinnig viel besser dran bin? Weil Fremdsein nie wirklich aufgehört hat, obwohl ich weder geflüchtet noch meinen Staat gewechselt habe? Man fragt mich nach zwanzig Jahren immer noch, woher ich komme. Ich habe mir angewöhnt, den frühen Wien-Teil meiner Biografie auszuklammern. Es macht mich ein bisschen weniger unsympathisch, wenn ich aus Oberösterreich komme, habe ich gelernt.

Also doch für immer fremd trotz Eigenheim und ausgezeichneten passiven Dialektkenntnissen? Sprache trägt in Vorarlberg noch wesentlicher zum Anderssein, zum Anders-wahrgenommen-werden, bei, als überall sonst in Österreich (und ich habe faktische Spracherfahrung an mindestens vier verschiedenen anderen Orten „innerösterreichisch“ – auch so ein Wort, das es nur hier gibt).

„DAS SIND ‚INNERÖSTERREICHISCHE‘ ANSICHTEN, DAMIT GEWINNT MAN HIER KEINEN BLUMENTOPF.“

Du wirst gehört, aber eben sofort als „andersd“ eingeschachtelt und konnotiert und in einer anderen Heimat, einem innerösterreischischen Fremdort, zugewiesen. Kein Tschusch, kein Türk, kein Flüchtling, aber anders. Und das bleibt auch so, egal wie lange man hier lebt, egal wie gut man „Heile“ sagt oder „Schübling“. Dagegen gibt es keinen VHS-Kurs und kein Einheiraten. Man sollte auch nicht zu oft betonen, man fühle sich (immer noch nicht, nie?) nicht gänzlich zugehörig. Wieso? Mir hends doch so schöa do!

Ironie des Schicksals: Meine beiden Töchter (geboren in Tirol und in Wien, seit frühesten Tagen in Vorarlberg) können sich keinen anderen Ort zum Studieren und Sein vorstellen als Wien. Wenigstens leben sie jetzt in der Muttersprache.

Sudoku

So geht‘s: Füllen Sie die leeren Felder so aus, dass in jeder Reihe, in jeder Spalte und in jedem Block (= 3×3-Unterquadrate) die Ziffern 1 bis 9 genau einmal vorkommen. Viel Spaß!

DAS SYSTEM AUF

DEN KOPF STELLEN

Finnland macht dem Rest der Welt vor, wie Obdachlosigkeit beendet werden kann. Ortsbesuch in Helsinki.

Text: Lukas Gilbert, Foto: Amol Tyagi via Unsplash

Viljo ist erschöpft. Gerade erst ist der schlanke 40-Jährige, der sein grünes Basecap tief ins Gesicht gezogen trägt, von einem Ausflug auf eine der Inseln vor der Küste Helsinkis zurückgekommen. Sein Vermieter, die Blue Ribbon Foundation, betreibt dort ein Haus mit Sauna, Grillplatz und Booten. Viljo und die anderen Mieter:innen können die Angebote nutzen – und tun das vor allem während des lange herbeigesehnten finnischen Sommers. Jetzt macht es sich der Ex-Wohnungslose in seiner Zweizimmerwohnung gemütlich, in der eine US-amerikanische Sitcom über den Fernseher flimmert. Viljo ist einer von rund 1000 ehemals Wohnungslosen, die ein Zuhause in einer der Wohnungen der Blue Ribbon Foundation in Helsinki gefunden haben. Seit 2007 bietet die Organisation Wohnungen für Menschen ohne Zuhause an und ist damit wichtiger Teil der finnischen Housing-First-Strategie. Die simple Idee dahinter: Wohnungslose brauchen als Erstes eine eigene Wohnung – weil Wohnen ein Menschenrecht ist, aber auch, weil sich viele Probleme erst in den eigenen vier Wänden lösen lassen. Hilfe beim Umgang mit Ämtern, vielleicht auch bei der Bewältigung von Suchterkrankungen: All das kommt nach dem Einzug. Wenn die Betroffenen das wollen. Das Prinzip stellt das lange auch in Finnland praktizierte Stufenmodell auf den Kopf. Danach müssen Obdachlose zunächst in verschiedenen Arten von Unterkünften ihre sogenannte Wohnfähigkeit unter Beweis stellen. Erst auf der letzten Stufe wartet ein eigenes Zuhause. In Finnland wartet es nun auf der ersten.

„Eine eigene Wohnung zu haben – das ist essenziell! Wir alle brauchen einen Rückzugsort“, erklärt Onni Huusko den Kerngedanken. Der 33-Jährige ist einer der Ansprechpartner:innen für Viljo und die anderen Bewohner:innen des weitläufigen, mehrstöckigen Baus. Und auch für Gäste der angegliederten Tagesaufenthaltsstätte, die sich mit Billardtisch, Sofaecke und Kaffeetresen atmosphärisch zwischen Wohnzimmer und Jugendzentrum bewegt. Eine Notunterkunft könne in akuten Krisensituationen sicherlich auch hilfreich sein, sagt Huusko: „Aber wie sollst du dein Leben organisieren, wenn du nur von Tag zu Tag lebst und dir ständig Gedanken darüber machen musst, wo du als nächstes schläfst?“ Deshalb sei das Kernprinzip von Housing First so wichtig: „Menschen brauchen erst eine Wohnung, dann können sie beginnen, sich ein Leben drum herum aufzubauen. Können zum Beispiel trocken werden – oder was auch immer ihr Ziel ist.“

Die Zahlen geben Huusko und seinen Mitstreiter:innen recht: Finnland ist der einzige EU-Staat, in dem die Zahl obdach- und wohnungsloser Menschen Jahr für Jahr zurückgeht. Ende der 1980er-Jahre zählte das Land mit seinen gut fünf Millionen Einwohner:innen noch 20.000 Wohnungslose; heute haben weniger als 4000 Menschen keine eigene Wohnung. Die meisten von ihnen schlafen bei Bekannten oder bei der Familie. Die Zahl der Menschen, die tatsächlich obdachlos auf der Straße oder in Notunterkünften übernachten, wird in ganz Finnland auf 655 geschätzt. Zum Vergleich: Allein in Hamburg leben

laut offizieller Zählung knapp 2000 Menschen auf der Straße. Tendenz steigend. Die öffentlichen Unterkünfte sind in der Hansestadt zudem oft eine Sackgasse: Mehr als 10.000 Menschen sind dort seit mehr als fünf Jahren untergebracht und finden keine Wohnung.

Der Unterschied zum Elend in fast allen großen Metropolen Europas, in denen der Anblick von oftmals kranken Menschen, die in verdreckten Hauseingängen schlafen, mittlerweile zum Stadtbild gehört, ist in Helsinki sofort zu erkennen. Wer im Sommer durch die belebten Straßen schlendert, an den charakteristischen Felsen vorbei, auf denen junge Menschen bis mitten in die nicht dunkel werdende Nacht zusammensitzen, durch den Hafen oder rund um den Bahnhof, der stellt fest: Sichtbare Obdachlosigkeit spielt hier kaum eine Rolle. Was macht Finnland anders? Wer obdachlos wird, kann sofort Einrichtungen zur Wohnunterstützung aufsuchen, die eng mit sozialen Organisationen wie der Blue Ribbon Foundation zusammenarbeiten. Dort besprechen die Betroffenen mit Sozialarbeiter:innen, welche Art der Unterbringung für sie geeignet ist. Im Regelfall ist das eine eigene Wohnung mit eigenem, unbefristetem Mietvertrag ohne angegliederte Unterstützungsangebote. Mehr als 7000 Wohnungen stellt allein der größte finnische Housing-First-Anbieter, die Y-Foundation, übers Land verteilt ausschließlich für Wohnungslose bereit. Die Stiftung, die einst von einem Bündnis finnischer Städte und Organisationen wie dem Roten Kreuz ins Leben gerufen wurde, ist von Beginn an zentral mit Housing First verbunden und mittlerweile viertgrößter Vermieter im Land. Hinzu kommen Wohnungen von anderen Organisationen wie der Blue Ribbon Foundation oder der finnischen Diakonie.

Die Alternative ist ebenfalls eine eigene Wohnung mit eigenem, unbefristetem Mietvertrag, aber verknüpft mit Hilfsangeboten und oft in größeren Einheiten. Welche Art Wohnung passend ist, entscheiden die Betroffenen. Von letzteren Angeboten machen insbesondere Menschen mit Suchtproblemen oder psychischen Erkrankungen Gebrauch. Menschen wie Viljo. Als er seine Wohnung zum ersten Mal verlor, habe ihn das völlig aus der Bahn geworfen, sagt Viljo. Schon vorher hatte er Probleme mit Drogen, doch auf der Straße seien die immer schlimmer geworden. „Eine eigene Wohnung zu haben, das ist wichtig für mich, um klarzukommen.“ Viljo hat sich bewusst für eine Wohnung innerhalb einer größeren Wohngruppe entschieden. Sogenannte Wohnbegleiter:innen, meist Menschen mit medizinischer Ausbildung, sind rund um die Uhr erreichbar. Sie helfen bei alltäglichen Problemen oder wenn es Konflikte zwischen Bewohner:innen gibt. Seit fünf Jahren wohnt er mittlerweile in dem Wohnkomplex im Viertel Vallila in Helsinkis nördlicher Innenstadt. Seine Sozialhilfe stockt Viljo mit Hausmeisterjobs

WOHNUNGSLOSE BRAUCHEN ALS ERSTES EINE EIGENE WOHNUNG – WEIL WOHNEN EIN MENSCHENRECHT IST, ABER AUCH, WEIL SICH VIELE PROBLEME ERST IN DEN EIGENEN VIER WÄNDEN LÖSEN LASSEN.

im Haus auf. Auf dem breiten Balkon, den er sich mit den anderen Mieter:innen auf der Etage teilt, pflanzt er Tomaten, Zucchini und Basilikum an: „Eine richtige kleine Farm“, sagt er und lächelt zufrieden. Der finnische Weg gibt Menschen aber nicht nur eine Wohnung und damit Würde. Es rechnet sich auch, wie es von Seiten der Stadt Helsinki heißt. Der Staat stellt zwar Geld für die vielfältigen Hilfsangebote bereit, um neue Wohnungen zu akquirieren oder um neue Wohnanlagen zu bauen, doch berücksichtige man Kosten für medizinische Behandlungen oder Polizeieinsätze, spare der finnische Staat durch seinen Housing-First-Ansatz 15.000 Euro pro Jahr und Person. Die zuständige Umweltministerin Maria Ohisalo formuliert es so: „Es ist in Ordnung, wenn die Beseitigung von Armut und Obdachlosigkeit teuer ist. Nicht nur, weil die Anstrengungen menschlich richtig sind, sondern auch, weil sie sich langfristig finanziell lohnen.“

15 Gehminuten von Viljos Wohnung entfernt, mitten im ehemaligen Arbeiter:innen- und heutigen Szenestadtteil Sörnäinen, bietet Janne Hukka frischen Kaffee an. Der Journalist, blaues Businesshemd, die dunklen Haare seitlich ausrasiert, ist Gründer und Geschäftsführer des Straßenmagazins „Iso Numero“. Er beobachtet die finnische Sozialpolitik seit Jahren. Housing First, das sei eine sehr zielgerichtete Politik, die sich auf ein bestimmtes Phänomen von Wohnungslosigkeit konzentriere: die Langzeitwohnungslosigkeit. „Housing First wurde eingeführt und so ausgestaltet, um dieses Problem zu lösen. Und damit ist Housing First sehr erfolgreich. Das ist über alle Parteigrenzen hinweg unumstritten.“ Deshalb bleibe der Ansatz selbst bei Regierungswechseln stets bestehen. Es gebe aber auch Probleme, die Housing First nicht lösen könne. Denn: Um Anspruch auf eine Wohnung zu haben, muss man finnische:r Staatsbürger:in oder zumindest ins Sozialsystem integriert sein. „Wir arbeiten bei Iso Numero fast nur mit Menschen, die nicht in das Housing-First-System integriert werden. Und was wir dabei sehen ist, dass deren Probleme eben nicht >>

nachhaltig gelöst werden“, sagt Hukka. „Diese Menschen können zwar in einer Notunterkunft schlafen, aber das verbessert ihre Situation nicht nachhaltig. Ihre Probleme bleiben bestehen.“

„MENSCHEN BRAUCHEN ERST EINE WOHNUNG, DANN KÖNNEN SIE

„ES GEHT DARUM, UNSERE ANGEBOTE ÜBERFLÜSSIG ZU MACHEN.“

Lamîia gehört zu denen, die bislang nicht vom finnischen Erfolgsmodell profitieren. Vor acht Jahren kam die 42-Jährige aus Bukarest nach Finnland. Nach dem Tod ihres ersten Mannes sah die Rumänin sich gezwungen, im Ausland Geld für den Lebensunterhalt ihrer Kinder zu verdienen. Die ersten Jahre habe sie entweder auf der Straße oder im Wald geschlafen und tagsüber gebettelt. Heute verkauft sie das Straßenmagazin und schläft in einem Mehrbettzimmer in einer ganzjährig geöffneten Unterkunft speziell für Osteuropäer:innen. Aussicht auf einen Job oder auf eine Wohnung nach dem Housing-First-Modell hat sie nicht. „Ich würde gerne mit meinen Kindern in einer Wohnung hier in Finnland leben, sie hier in die Schule gehen lassen. Das ist mein großer Traum“, sagt sie mit strahlendem Lächeln. Hoffnung, dass das Wirklichkeit wird, hat sie nicht. Stattdessen wechselt sie sich mit ihrem heutigen Ehemann ab: Eine:r von beiden ist in Rumänien und kümmert sich um die Kinder, eine:r ist in Finnland. Wie genau die Situation von Zugewanderten wie Lamîia verbessert werden soll, dazu äußert sich das zuständige Ministerium nicht. Nur so viel: Die Beendigung von Wohnungslosigkeit sei für die finnische Regierung ein Schlüsselziel. Niemand sei von diesem Ziel ausgenommen. Als Housing First in den 2000er-Jahren eingeführt wurde, sei die Ausgangslage noch eine andere gewesen, erklärt Janne Hukka. Doch Fluchtbewegungen und insbesondere die EU-Osterweiterung hätten die Situation verändert. Auf diese Art der Obdachlosigkeit reagiere die finnische Gesellschaft bislang nicht. Hukkas Sorge ist, dass der Erfolg von Housing First viele Finn:innen blind für bestehende Probleme macht. Um die Erfolgsgeschichte fortzuschreiben, müsse das Modell weiterentwickelt werden, sagt er.

Zurück in der Blue Ribbon Foundation führt Paula Ahonen in ihr helles Büro. Sie leitet den Wohnkomplex, in dem auch Viljo wohnt, und macht auf ein weiteres Problem aufmerksam: Bis zu zwei Jahre müssen manche auf eine Wohnung warten, weil es insbesondere in Helsinki schlicht nicht genügend Wohnraum gebe. Während dieser Wartezeit schliefen die Menschen meist bei Bekannten oder bei der Familie, teilweise in Notunterkünften. Außerdem betont sie:

BEGINNEN, SICH EIN LEBEN DRUM HERUM AUFZUBAUEN.“

„Es ist wichtig, ausreichende Unterstützungsangebote zu schaffen. Einfach nur die Wohnung bereitzustellen, funktioniert nicht für alle.“ Die Unterstützungsangebote der Stiftung beschränken sich nicht auf die eigenen Mieter:innen. Sie gelten auch für andere Ex-Obdachlose, die über die Stadt verteilt in Wohnungen leben. Zudem sei es insbesondere bei größeren Wohnanlagen wichtig, die Nachbarschaft mit ins Boot zu holen, sagt Paula Ahonen. Aufzuklären, Sorgen ernst zu nehmen und den Nachbar:innen die Möglichkeit zu geben, Wohnanlagen und Bewohner:innen kennenzulernen.

Viljo geht jetzt den nächsten Schritt. Er zieht um in eine neue Wohnung. An diesem Nachmittag packt er sein Hab und Gut zusammen. Die neue Wohnung ist nicht mehr Teil eines größeren Komplexes, er wird dort ohne Wohnbegleiter:innen auf dem gleichen Flur leben. Fast zwei Jahre hat er darauf gewartet, entsprechend groß ist seine Vorfreude. „Viljos Weg ist unser Ziel“, sagt Paula Ahonen: „Es geht darum, unsere Angebote überflüssig zu machen.“ Allerdings gebe es auch Mieter:innen, die das Wohnen in größeren Wohnkomplexen und die Gemeinschaft mit anderen Ex-Wohnungslosen auf Dauer schätzen. Niemand werde gedrängt, seine Wohnung zu verlassen.

Lässt sich das Modell auf andere Länder übertragen? Wenn der politische Wille da ist, auf jeden Fall, ist sich Ahonen sicher. Juha Kaakinen, langjähriger Chef der Y-Foundation, ohne dessen Wirken der finnische Erfolg kaum vorstellbar wäre, fasste es auf einer europäischen Housing-First-Konferenz im März so zusammen: „Wenn ihr den Plan hattet, 100 Housing-First-Wohnungen bereitzustellen, hängt als erstes eine Null dran. Macht 1000 daraus. Wenn ihr einen Zeitplan von acht Jahren hattet, macht vier Jahre daraus und sagt nicht, dass es unmöglich wäre. Es ist schwierig, und das soll es auch sein, aber es ist möglich.“

Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Hinz&Kunzt / International Network of Street Papers International

LÖSUNGEN

Schachecke

1.Txg7+! Der einzige Gewinnzug. Nach anderen Fortsetzungen ist es Schwarz, der klar auf Gewinn steht. 1...Kxg7 [Die Alternative 1... Kh8 verliert nach 2.Tg8+! Dxg8 3.Dxd4+ ebenfalls eine Figur.] 2.Lc3 Diese Fesselung des schwarzen Turms führt zu großem Materialvorteil. 2...h4 3.Lxd4+ Die Stellung ist für Schwarz aufgrund der Materialverhältnisse völlig hoffnungslos.

1.Td8+! [Die Fortsetzung 1.Da5?? mit der Doppeldrohung 2.Dd8# und 2.Dxe1 scheitert an 1...Dh5+ 2.Lh3 Th1#.] 1...Kc7 2.Da5+ b6 [Nach 2...Kc6 gewinnt Weiß mit 3.Dxe1 den schwarzen Turm.] 3.Dxa7+ Kxd8 4.Dxf7 Weiß hat entscheidendes Materialübergewicht.

1...Dxf2+! Der einzige Zug, der gewinnt. 2.Kh1 Df3+ [Auf 2...Tc2? kann sich Weiß mit 3.Lxg7+! ins Remis retten. Durch präzise Damenzüge erzwingt der Anziehende ein Dauerschach.]

3.Kg1 De3+ Weiß gab bereits auf, da nach 3.Kh1 durch 3...Sf2+ die Dame verloren geht und 3.Kg2 Tc2+ 4.Kh3 Sg5+ 5.Kh4 Th2# zum Matt führt. Neben der Partiefortsetzung hätte auch 3...Sg5 gewonnen, allerdings etwas komplizierter, wie die nachstehende Variante zeigt: 4.Lxg7+ Kxg7 5.Dd7+ Kg6 6.Dd6+ Kh5 und der weiße König zappelt im Mattnetz. Rechenrätsel Für Anfänger = 12 Für Fortgeschrittene = 36 Für Genies = 17

Sudoku

Reden über das gute Leben

Für das Art Work zeichnet Daniela Fetz verantwortlich. Sie ist Künstlerin, Kommunikationsdesignerin, Projektentwicklerin und Koordinatorin im Verein S-MAK Stickerei-Museum. Archiv. Kommunikation. Ihr Interesse gilt Archiven und der Konservierung von Daten, Emotionen und Traditionen.

Der Literatur- und Medienwissenschaftler Simon Ganahl und der Sammler Reinhard Häfele sprechen darüber, wie sich in einer digitalisierten Welt unser Verhältnis zu den Dingen verändert hat. Damit gemeint sind sowohl analoge als auch digitale Dinge, zu denen wir mehr oder weniger in Beziehung treten, wenn sie aussortiert oder für die Zukunft aufbewahrt werden sollen. Wer trifft die Entscheidung, welche Dinge erhaltenswert sind und welche nicht? Was besitzt Erinnerungswert? Was beim Einen auf dem Müll landet, könnte doch für andere oder in Zukunft vielleicht einmal von Bedeutung sein?

Wann: Sonntag, 20.11., 10.30 Uhr

Wo: Theater am Saumarkt, Feldkirch

Was: Gesprächsrunde zum Thema Mensch-Ding-Beziehungen Moderation: Margarete Zink, Projekt- und Ideenentwicklerin, Interviewerin, Kuratorin

Plaudernetz: Gutes Gespräch, gutes Gefühl

Österreichweit leben zirka 1,5 Millionen Menschen alleine, 600.000 fühlen sich regelmäßig einsam. Schon vor Corona waren viele Menschen von Einsamkeit betroffen, die Einschränkungen der letzten beiden Jahre haben die Situation nicht einfacher gemacht.

Deshalb hat die Caritas ein Telefon-Service namens „Plaudernetz“ ins Leben gerufen. Beim Plaudernetz können alle Menschen anrufen, die sich gerade eine/n Gesprächspartner*in wünschen. Menschen, die gerne etwas erzählen wollen, die auch gerne zuhören oder sich einfach austauschen möchten. Unter 05 1776 100 wird man anonym mit einem/r freiwilligen Plauderpartner*in verbunden und schon beginnt das Plaudern.

Plaudernetz richtet sich insbesondere an ältere Menschen, die von Einsamkeit und sozialer Isolation betroffen sind und niemanden zum „Plaudern“ haben. Mit Plaudernetz wird darüber hinaus flexibles, ortsunabhängiges freiwilliges Engagement für die Plauderpartner*innen möglich, also auch für jene Menschen, die nicht (mehr) mobil sind. Plaudernetz stärkt zudem Solidarität und Zusammenhalt – denn es begegnen sich Menschen am Telefon, die sich sonst nicht treffen würden.

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Stress zu Hause?

Das Leben stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen.

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Jeden Montag von 17:00 - 19:00 Uhr oder nach Vereinbarung. Beratungsleistungen sind kostenlos! Freiwillige Kostenbeiträge willkommen.

MEKKA DER JAZZMUSIK

Die aktiven Jazzclübler, mit Obfrau Martha Bösch (Foto Mitte vorne), ObfrauStellvertreter Walter Weber (3. von links vorne) und Gründungsmitglied Helmut Gassner (2. von rechts vorne).

Text: Frank Andres, Fotos: Lucas Hämmerle, Jazzclub Lustenau

WEr ist eine musikalische Institution in Vorarlberg. Und das seit 1975. Doch wer sind die Menschen, die hinter den Kulissen die Fäden beim Jazzclub Lustenau ziehen? Die marie hat drei der Macher:innen im ehemaligen Zollhaus, der Heimat des Jazzhuus, zu einer Plauderstunde getroffen.

as kommt Ihnen zuerst in den Sinn, wenn sie den Namen Lustenau hören? Kilbi? Die Fußballklubs FC und Austria? Der blaue Platz? Millennium Park? Andere Ideen? Nein? Dann helfe ich Ihnen ein wenig auf die Sprünge. Es gibt ihn seit 1911 und kommt aus der Tube. Klingelt's? Genau: der weltberühmte Lustenauer Senf der Familie Bösch. Es gibt in der größten Marktgemeinde Österreichs aber nicht nur kulinarische, sondern auch musikalische Leckerbissen zu erleben. Denn nur einen Steinwurf vom „Senfer“ entfernt, im ehemaligen Zollhaus, befindet sich das „Jazzhuus“. Die erste Adresse für Freunde gepflegter, hochkarätiger Jazzmusik. Doch viele werden wahrscheinlich nicht wissen, wer für diese Erfolgsgeschichte verantwortlich zeichnet. Ich gebe es zu, ich wusste es auch nicht. Deshalb begab ich mich auf Spurensuche und traf drei Mitglieder, die den Verein bestens kennen: Martha Bösch (Obfrau), Walter Weber (Obfrau-Stellvertreter) und Helmut Gassner (Gründungsmitglied).

Lässiger Abend

Es ist das Jahr 1975. Im Saal des Gasthaus Linde steht Vibraphonist Jupp Zeltinger mit seiner Band auf der Bühne. Es ist das erste Konzert des Jazzclub Lustenau. Die heutige Obfrau Martha Bösch erinnert sich, als ob es gestern gewesen wäre. „Ich war damals 16 Jahre alt. Die Stimmung und die Musik waren großartig. Es war ein lässiger Abend.“ Und auch einer der Gründungsväter des Vereins und Mitorganisator der Konzert-Premiere, Helmut Gassner, schwelgt in Erinnerungen. „Es gab damals keine Notausgänge. Im Saal wurde noch geraucht. Der Boden hat beim Konzert gewackelt.“ Und die Stimmung, so sagt der heute 70-Jährige, sei absolut friedlich gewesen. „Obwohl der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt war, gab es keinen Stress und keine Schlägerei.“

NÄCHSTE KONZERTE:

Freitag, 18. November 2022, 20.30 Uhr

Madeleine Joel & the Hildeguards „ALLES oder NICHTS –eine Hommage an Hildegard Knef“

Freitag, 16. Dezember 2022, 20.30 Uhr

Marc Perrenoud Trio („Weihnachtsjazz“)

Wo? Rheinstraße 21, Lustenau

Achtung: Sichert Euch einen Platz durch rechtzeitiges

Erscheinen: keine Vorbestellungen, keine Reservationen!

Konzerte im Wochentakt

Trotz des großartigen Premierenabends veranstaltet der Jazzclub in den ersten drei Jahren aber nur wenige Konzerte. Das ändert sich 1979. Da gibt es bereits zehn Auftritte von Jazz-Stars wie John Scofield, Chet Baker oder Joe Henderson. Die erste Hochblüte erlebt der Verein 1987. In diesem Jahr übersiedelt der Jazzclub vom Gasthaus Linde in das ehemalige Zollhaus. „Da veranstalteten wir fast jeden Freitag ein Konzert“, erzählt Walter Weber (57), seit 1984 beim Jazzclub Lustenau und heute Obfrau (!)-Stellvertreter. Lustenau wird zum Mekka der Jazzmusik. Es folgen legendäre Auftritte von Michel Petrucciani, Wayne Shorter, Wolfgang Muthspiel oder Archie Shepp.

INFOBOX www.jazzclub.at

Konzerte seit 1975: über 650

400 Mitglieder, davon 20 „aktiv“

Mitgliedsbeitrag: 10 Euro, regelmäßige Informationen und 5 Euro Ermäßigung bei allen Konzerten

Obfrau: Martha Bösch

Kontaktadresse für Bands per e-Mail: walter.weber@unisg.ch

ES GAB DAMALS KEINE NOTAUSGÄNGE. IM SAAL WURDE NOCH GERAUCHT. DER BODEN HAT BEIM KONZERT GEWACKELT.

Publikum hautnah dabei

Aber wie schafft es ein kleiner Verein solche Jazzgrößen nach Lustenau zu locken? Für Walter Weber gibt es dafür gleich mehrere Gründe. Lustenau liege zuerst einmal geographisch gut, in der Mitte von Jazz-Metropolen wie Paris oder Wien. „Wenn Musiker zum Beispiel auf der Durchreise sind, und einen Tag spielfrei haben, spielen sie gerne ein Konzert im Jazzclub.“ Zudem sei die Atmosphäre im „Jazzhuus“, in dem maximal 100 Besucher Platz finden, etwas ganz Besonderes. „Auf unserer kleinen Bühne werden selbst große Stars manchmal richtig nervös. Im Unterschied zu den großen Konzerten spüren sie bei uns das Publikum hautnah. Zudem ist die Akustik im Saal großartig“, betont Walter Weber. Und der letzte, aber vielleicht wichtigste Grund für einen Konzert-Halt von Jazzmusikern in Lustenau, ist für den Jazzfan Walter Weber die Betreuung der Gastmusikanten. „Wir haben einen eigenen Flügel, der bei jedem Konzert gestimmt wird, einen Kontrabass und ein Schlagzeug. Das bedeutet, die Musiker brauchen wenig Equipment mitzuschleppen.“

Eigener Geschmack zählt

Seit dem Anfang des Jazzclub Lustenau vor 47 Jahren hat der Verein über 650 Konzerte veranstaltet. Doch deren Anzahl hat sich in den letzten Jahren verringert. „Im Verein sind wir alle ehrenamtlich tätig. Da stößt man zwangsweise an seine Grenzen. Heute veranstalten wir nicht mehr wöchentlich, sondern nur mehr einmal pro Monat ein Konzert. Und wir konzentrieren uns darauf, Musiker zu engagieren, die wir selbst gerne hören. Das klingt etwas arrogant, aber wir sind damit bisher nicht schlecht gefahren“, erklärt Walter Weber. Und der Erfolg gibt dem Jazzclub Lustenau recht.

VERANSTALTER AKZEPTIEREN

DEN KULTURPASS FÜR

FREIEN/ERMÄSSIGTEN EINTRITT

Infos über den Kulturpass unter www.hungeraufkunstundkultur.at

Di., 08.11.

19.30 Uhr, Jüdisches Museum, Hohenems

„WHATEVER HAPPENED TO ANTISEMITISM?“

Vortrag und Gespräch mit Antony Lerman (London) – in englischer Sprache

Mi., 09.11.

19 Uhr, Stadtbibliothek, Dornbirn LITERATURKREIS FÜR SACHBÜCHER

Vortrag/Diskussion

Do., 10.11.

19 Uhr, vorarlberg museum, Bregenz MUTIG UND MENSCHLICH: ERNEST PRODOLLIET, SCHWEIZER VIZEKONSUL UND FLUCHTHELFER IN BREGENZ 1938

Eine Veranstaltung mit Hanno Loewy, Jörg Krummenacher, Simone Prodolliet und Hubert Dragaschnig

Do., 10.11.

19.30 Uhr, Spielboden, Dornbirn NEUE SPIELRÄUME – WAS HAT „SOLIDARITÄT“ MIT WIRTSCHAFT ZU TUN?

Vortrag

Do., 10.11.

20 Uhr, Conrad Sohm, Dornbirn FÄSCHTA

Kabarett

Do., 10.11.

20.30 Uhr, Kammgarn, Hard HOLGER PAETZ: LIEBES KLIMA, GUTE BESSERUNG! ALLE REDEN VOM KLIMA. ABER NUR EINER KENNT SICH AUS ...

Kabarett

Veranstaltungskalender

Fr., 11.11.

9 Uhr, Frauenmuseum, Hittisau FRAUENCAFÉ

Freundschaften beginnen immer mit einer Begegnung Soziales —

Fr., 11.11.

17 Uhr, Vorarlbergmuseum, Bregenz GEGEN DAS VERGESSEN – ERINNERUNGEN AN VERFOLGUNG UND WIDERSTAND IM NAZIONALSOZIALISMUS

Fr., 11.11.

19.30 Uhr, Domino's Hus, Frastanz STRÖMEN FÜR DEN HAUSGEBRAUCH

Mit Daniela Niedermayr-Mathies, Jin Shin Jyutsu Praktikerin Gesundheit

Fr., 11.11.

19.30 Uhr, Theater am Saumarkt, Feldkirch

FLÜSTERZWEIECK „KULT“

Kabarett, Theater

Sa., 12.11.

15 Uhr, Theater am Saumarkt, Feldkirch

HÖR- UND SCHAUBÜHNE STUTTGART PRÄSENTIERT: DAS TRAUMFRESSERCHEN

Kinder

Sa., 12.11.

15 Uhr, Spielboden, Dornbirn THEATER MOMENT: ZWEI FÜR MICH, EINER FÜR DICH

Kinder —

Sa., 12.11.

19.30 Uhr, Theater am Saumarkt, Feldkirch SVENJA FLASSPÖHLER: SENSIBEL. ÜBER MODERNE EMPFINDLICHKEIT UND DIE GRENZEN DES ZUMUTBAREN

Tangenten, Vortrag, Diskussion

Di., 15.11.

19 Uhr, inatura, Dornbirn

DANKBARKEIT UND ZUVERSICHT – ÜBER DIE KRAFT DER GUTEN GEFÜHLE

Dankbarkeit und Zuversicht – über die Kraft der guten Gefühle. Interaktiver Vortrag von Psychotherapeut Bertram Strolz.

Di., 15.11.

19.30 Uhr, Salomon Sulzer Saal, Hohenems

MUSLIMISCH-JÜDISCHER

DIALOG IN DER MIGRATIONSGESELLSCHAFT – MUSLIMISCHE

PERSPEKTIVEN

Vortrag und Gespräch mit Ramazan Demir (Wien) und Hannan Salamat (Zürich)

Di., 15.11.

20 Uhr, Bücherei Hohenems „EINE AHNUNG VOM ENDE DES GLÜCKS“

Lesung mit Eva Schreiber

Do., 17.11.

18.30 Uhr, vorarlberg museum, Bregenz

MUZEN

Meditieren im Museum

Do., 17.11.

19 Uhr, Tyrolia Buch, Spiele, Bludenz WAS DAS HERZ ERWÄRMT

Buchpräsentation von Elmar Simma

Do., 17.11.

19 Uhr, Stadtbibliothek, Dornbirn

DIE MACHT AUF DEM TELLER: DU BIST, WAS DU ISST

Zukunftsforscher Klaus Kofler im Gespräch mit Maria Fanninger und Hannes Royer Vortrag/Diskussion

Do., 17.11.

19.30 Uhr, Theater am Saumarkt, Feldkirch

WERNER BUNDSCHUH, GERNOT

KIERMAYR UND HARALD WALSER: MENSCHENVERÄCHTER

Vorarlberger als Akteure bei Entrechtung und Vernichtung im Nationalsozialismus.

Fr., 18.11.

14 Uhr, inatura, Dornbirn INATURA GOES WILMA Kinder/Kurse/Workshops

Die Erfinderwerkstatt WILMA und inatura machen gemeinsame Sache und laden Kinder ab 8 Jahren zum Erfinden ein.

Fr., 18.11.

14.30 Uhr, Kunsthaus Bregenz KUB ARTCLASS

Treffpunkt für kreative Jugendliche im KUB Atelier. Gestalten, Filmen, Fotografieren, Malen, Formen oder doch ein Ateliersbesuch bei Künstler*innen.

Fr., 18.11.

18 Uhr, Stadtbibliothek, Dornbirn GRUSELNACHT IN DER BIBLIOTHEK

Vorlesen

Fr., 18.11.

18 Uhr, Stadtbibliothek, Dornbirn LESEABENTEUER IM TRESOR Vorlesen

Fr., 18.11.

20 Uhr, Conrad Sohm, Dornbirn MOTHER'S CAKE Musik

Fr., 18.11.

20.30 Uhr, Kammgarn, Hard GALLO PINTO: AMOR Y REVOLUCIÓN

Musik

Sa., 19.11.

15 Uhr, Spielboden, Dornbirn ZOGG + DIE SCHNECKE UND DER BUCKELWAL

Kinder

Sa., 19.11.

21 Uhr, Spielboden, Dornbirn DEPECHE MODE & MORE

Party

So., 20.11.

10.30 Uhr, Theater am Saumarkt, Feldkirch

PARALLELEN – REDEN ÜBER

DAS GUTE LEBEN – HOMO MEDIUS – MENSCH-DING-BEZIEHUNGEN

Vortrag

So., 20.11.

20 Uhr, Conrad Sohm, Dornbirn MILOW

Musik

Mi., 23.11. bis 27.11.

Theater am Saumarkt, Feldkirch FELDKIRCHER LYRIKERPREISE

Literatur

Mi., 23.11.

20 Uhr, Metro Kino, Bregenz FILMSCREENING & TALK – CONCRETE DREAMS

Film

Do., 24.11.

18 Uhr, Kunsthaus Bregenz

ART MEETS LANGUAGE

Sprachkurs ÄT19 UHR | BUCHPRÄSENTATION

Do., 24.11.

19 Uhr, inatura, Dornbirn KREISLAUFWIRTSCHAFT ALS ERFOLGREICHES GESCHÄFTSMODELL DER ZUKUNFT

Vortrag

Do., 24.11.

19.30 Uhr, Jüdisches Museum, Hohenems

THE TRAIN

Film

Do., 24.11.

20.30 Uhr, Kammgarn, Hard RENÉ SYDOW: HEIMSUCHUNG

Kabarett

Fr., 25.11.

19 Uhr, Vorarlbergmuseum, Bregenz JAHRBUCHPRÄSENTATION DES VORARLBERGER LANDESMUSEUMSVEREINS

Buchpräsentation

Fr., 25.11.

20 Uhr, Remise, Bludenz BUNTSPECHT

SUPPORT: LEFTOVERS

Konzert

Sa., 26.11.

17 Uhr, Spielboden, Dornbirn

GOWEST BUNTE STREIFEN: ANIMA – DIE KLEIDER MEINES

VATERS

Film

Sa., 26.11.

18.30 Uhr, Stadtsaal, Bludenz CÄCILIAKONZERT

Musik

Sa., 26.11.

20 Uhr, Spielboden, Dornbirn TIA – THIS IS AFRICA PARTY

FILM

Party

Sa., 26.11.

22 + 23 Uhr, Conrad Sohm, Dornbirn

THE RETRO BRUNCH

90er & 2000er Party

Eine Hommage an die Tamagotchis, Jogginganzüge und Nokia Handys.Feiert mit uns die 90er und 2000er im Conrad Sohm in Dornbirn.

So., 27.11.

15 Uhr, Kammgarn, Hard ALLES NUR LEMMINGE

Tanztheater für ZuseherInnen ab 4 Jahren

Mi., 30.11.

19 Uhr, vorarlberg museum, Bregenz BERNHARD TSCHOFEN: DIE SCHWABENGÄNGERIN

Buchpräsentation

Mi., 30.11.

19.30 Uhr, Spielboden, Dornbirn

ORPHAN: FIRST KILL

Film

Die Firma blum unterstützt die Berichterstattung über privat initiierte, gemeinnützige Projekte in Vorarlberg.

Ausgewählte Höhepunkte

2.11. 3.11. 4.11. Konzerte zu Sonnenaufgang Vokalensemble Company of Music. Es liest Winnie Böwe. Jeweils 7 bis 8 Uhr. Einzelticket 30 EUR Paketpreis 70 EUR für drei Morgenkonzerte.

Altes Hallenbad, Feldkirch

Altes Hallenbad Feldkirch

Festival 1. — 30. November

Feldkirch | Vorarlberg

Freier Eintritt bis 18 Jahre und für Kulturpassinhaber*innen. www.montforterzwischentoene.at 22.11. 23.11. 24.11. Drei Abende über die Weisheit Musikalische Dialoge mit Olympiasieger Toni Innauer, der Philosophin Melanie Wolfers und der Politikexpertin Irmgard Griss. Jeweils 19 bis 20.30 Uhr Einzelticket 30 EUR Paketpreis 70 EUR für drei Abende.

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marie 76/ November 2022 by marie - Die Vorarlberger Straßenzeitung - Issuu