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Den Samichlaus wecken

Bei den Geisselmachern

Mit Kraft und Technik: Geisselmacher Daniel Werren probiert eine seiner Geisseln aus (grosses Bild). Sie werden von Hand gedreht und geflochten.

Bis Mitte Dezember darf im Bezirk Lenzburg im Kanton Aargau gechlöpft werden. Mit langen Geisseln wecken Kinder und Junggebliebene den Samichlaus. Ein Besuch beim einzigen Geisselmacher in der Region.

Text: Simon Koechlin Bilder: Anne Gabriel-Jürgens

Bei Werrens zieht man buchstäblich am selben Strang. Daniel Werren ist einer der letzten Geisselmacher der Schweiz – und seine Mutter Monika geht ihm in der Werkstatt im Aargauer Dorf Egliswil zur Hand. Gerade flicht Daniel Werren dünne, mehrere Meter lange Seile, die aus Jute und Flachs bestehen, zu einer Geissel zusammen. Das Endstück ist an einem Metallapparat fixiert, den Monika Werren mit einer Kurbel bedient. So dreht sie die Seile, die sogenannten Schenkel, ineinander.

Währenddessen verzwirnt Daniel Werren am anderen Ende alle 30 Zentimeter die Seile zu einzelnen Abschnitten. Die Übergänge ergeben eine Art Knoten. «Das ist die einfachere im Aargauer Bezirk Lenzburg, der ohne Werrens Geisseln wohl nicht mehr existieren würde. «Man erzählt sich, dass der Chlaus am Gofersberg in Lenzburg wohnt», sagt Daniel Werren. «Aber einst spielten ihm Lausbuben einen Streich.» Sie streuten dürre Erbsen auf die Treppe, die zur Wohnung des Samichlaus’ führt. Als der Chlaus zu später Stunde heimkehrte, rutschte er aus und purzelte die Treppe hinunter. «Das ärgerte ihn so, dass er sich schwor, den Kindern keine feinen Sachen mehr zu bringen und die Weihnachtszeit zu verschlafen.» Seither versuchen die Kinder jedes Jahr, den Chlaus Abend für Abend mit lautem Geisselknallen zu wecken.

Geisselart, die wir herstellen, die Innerschweizer Geissel», sagt Werren. Die andere, aufwendigere Ausführung, heisst Lenzburger oder LüthiGeissel. Sie wird quasi aus einem Guss in einem gleichmässigen, sich verjüngenden Verlauf von hinten nach vorne zusammengedreht.

Vorweihnachtsbrauch der Kinder Die LenzburgerGeissel, erzählt Werren, sei biegsamer und erzeuge einen besseren Klang. «Aber die Innerschweizer Geissel ist für Anfänger und Kinder besser geeignet, weil man bei einer Reparatur einfach einen Abschnitt ersetzen kann.» Kinder sind auch die Hauptprotagonisten des ChlausChlöpfens – jenes Vorweihnachtsbrauches

Eigene Regel für Geisslechlöpfer Weil dies etwas länger dauert, besucht der Samichlaus die Kinder in Lenzburg nicht am 6. Dezember, sondern am zweiten Donnerstag im Dezember. Dann findet der Lenzburger Chlausmarkt statt. Für die Geisslechlöpfer gibt es sogar einen Paragrafen im regionalen Polizeireglement: Von Anfang November bis am Sonntag nach dem Chlausmarkt dürfen die Geisseln von 6 Uhr morgens bis 22 Uhr geschwungen werden.

Zwar schwingen auch Erwachsene in dem Bezirk gern die Geissel und nehmen an den zahlreichen ChlöpfWettbewerben teil. Aber Werren stellt die meisten von rund 400 Geisseln pro Jahr für Kinder und Jugendliche her. Auch am heutigen Samstagnachmittag sind die Kunden praktisch ausschliesslich Eltern, die die Geisseln ihrer Kinder reparieren lassen oder ihnen eine neue kaufen

Geisselmacher Daniel Werren (rechts) mit Mutter Monika Werren (links) und seinem Kollegen Mario Birrer wollen. Eine Geissel muss der Grösse des Chlöpfers angepasst sein, deshalb benötigen Kinder ungefähr alle zwei Jahre eine grössere. Reich wird Werren mit seinem Handwerk, das er in der Freizeit ausübt, allerdings nicht: Eine Geissel kostet je nach Länge und Machart zwischen 40 und 400 Franken.

Der Zwick macht den Knall Daniel Werren hat das Geisselseil inzwischen fertig gedreht. Nun übergibt er es seinem Kollegen Mario Birrer, der bei ihm vor einigen Jahren die Geisselmacherausbildung gemacht hat und ihm nun Herbst für Herbst hilft. Birrer legt die Geissel auf den Boden, stellt sich mit dem Fuss auf einen Knoten nach dem anderen und rollt die Geissel etwas hin und her. «Das macht sie geschmeidiger», erklärt er. Danach befestigt er das Seil an einem ungefähr hüfthohen Stock und bindet dann den sogenannten Zwick ans vordere Ende: Dieses Stück Nylon, das am Ende etwas ausgefasert ist, erzeugt den Knall. Der Zwick muss beim Schwingen für einen kurzen Moment Überschallgeschwindigkeit erreichen. Dann bildet sich in der Luft ein Vakuum und darum herum ein Überdruck. Je stärker und kräftiger die Bewegung, desto lauter der «Chlapf». Könner erreichen mit einer Chlausgeissel eine Lautstärke von über 100 Dezibel, so viel wie ein Presslufthammer.

Trotzdem ist Geisselchlöpfen laut Daniel Werren nicht eine blosse Kraftsache. «Männer machen es eher mit der Kraft, Frauen gehen mehr mit der Technik heran. Wenn jemand beides hat, dann ist es ein Spitzenchlöpfer.» Sagts, und holt eine prächtige Geissel aus seinem Fundus und bringt sie auf das Strässchen vor der Werkstatt. Nacheinander zeigen er und Mario Birrer, wie man die Geissel zum Knallen bringt. Sie holen aus, schwingen das Seil auf Augenhöhe hin und her – bei den blitzartigen Richtungsänderungen ertönt jeweils ein Knall. Link, rechts, links, rechts; immer schön im Takt. Mit Kraft und Technik. Hier sind zwei Könner am Werk. MM

geisselmacherei.ch

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