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Angst vor Spinnen?
Wieso fürchten sich Menschen speziell vor Tieren wie Spinnen, Schlangen, Mäusen und Ratten? Viele Ängste, die unbegründet erscheinen, waren früher durchaus sinnvoll oder sind es heute noch. So können Schlangen und Spinnen tatsächlich giftig sein, während Nagetiere Krankheiten übertragen. Die Angst vor solchen Tieren ist tief in uns verankert und wahrscheinlich genetisch bedingt – Fachleute sprechen von Preparedness. Klar, sind eigentlich Gefahren wie ansteckende Krankheiten oder der Strassenverkehr heutzutage bedeutender. Doch in einer Studie reagierten bereits wenige Monate alte Kinder mit geweiteten Pupillen, wenn man ihnen Bilder von Spinnen zeigte. Bei Bildern von Blumen in derselben Farbe war dieser Effekt deutlich weniger stark.
Wie entstehen Phobien? Neben angeborenen Neigungen zur Furcht vor gewissen Tieren oder Situationen spielen oft traumatische Erfahrungen eine Rolle, erklärt Psychotherapeut Gianandrea Pallich, der an der Universität Zürich die GruppenKurztherapie für die Bewältigung der Spinnenphobie mitentwickelt hat. «Viele Betroffene erzählen von einem spezifischen Erlebnis – etwa, wie sie als Kind im finsteren Keller in ein Spinnennetz gelaufen sind.» Zudem werden Ängste an Menschen weitergegeben, etwa durch Geschichten, Filme oder das Verhalten der Eltern.

Wie verbreitet sind Phobien? Mehr als jede zehnte Person leidet einen Teil des Lebens an einer Phobie, darunter deutlich mehr Frauen als Männer. Bei den Tierphobien ist diejenige gegenüber Spinnen die häufigste. Von einer ausgeprägten Spinnenphobie – im Fachbegriff Arachnophobie – sind 5,6 Prozent der Frauen und 1,2 der Männer betroffen. Rechnet man diejenigen Menschen mit ein, die nur eine leichtere Furcht vor Spinnen haben, kommt man auf fast 25 Prozent.
Wie wirkt sich eine Phobie im Alltag aus? Betroffene versuchen eine Begegnung mit dem Auslöser ihrer Phobie möglichst zu vermeiden. Wie stark dieses Verhalten ihren Alltag prägt, hängt ganz von der Art der Phobie ab. Während man Schlangen und Ratten hierzulande relativ gut ausweichen kann, sind Begegnungen mit Spinnen wahrscheinlicher. «Menschen mit einem Horror vor den achtbeinigen Tierchen vermeiden meist Wiesen, Wälder, Keller und Estriche und öffnen die Fenster möglichst wenig. Entdecken sie eine Spinne in ihrer Wohnung, erstarren sie vor Schreck und benötigen Hilfe, um den Eindringling hinauszubefördern», sagt Pallich. Auch Menschen mit sozialen Phobien schränken ihren Lebensstil oft stark ein.
Ist das Vermeidungsverhalten überhaupt sinnvoll? Nein, im Gegenteil: Es verstärkt die Phobie. Denn mit dem Ausweichen verbaut man sich selber positive Erfahrungen. Wenn man nichts gegen die Ängste unternimmt, bleiben sie oft ein Leben lang bestehen und schränken Betroffene stark ein.
Was kann man dagegen tun? Sehr vielversprechend ist eine Expositionstherapie. Dabei nähert man sich dem Objekt der Panik in einem geschützten Rahmen behutsam an, am besten in Begleitung eines Verhaltenstherapeuten oder einer anderen Fachperson. Es geht darum, die Angst auszuhalten und zu erleben, dass das Befürchtete nicht eintritt. So wird das Vertrauen in die Sicherheit Schritt für Schritt gestärkt.
Wo kann ich mich behandeln lassen? Für die Behandlung spezifischer Phobien empfehlen Experten eine Psychotherapie. Die Therapie der Spinnenphobie an der Universität Zürich zum Beispiel findet bewusst in einer Gruppe statt. «So können sich die Teilnehmenden gegenseitig motivieren und werden durch die Fortschritte der anderen ermutigt», erklärt Pallich. Zu Beginn erhalten die Teilnehmenden Informationen über lokale Spinnen und schauen sich Bilder an. Danach beobachten sie echte tote und lebendige Spinnen – begleitet von Therapeutinnen und Therapeuten, die zum ruhigen Atmen anleiten. Nach vier Stunden gelingt es den meisten, eine lebendige Spinne zu fangen und wieder zu befreien oder gar in die Hand zu nehmen.
Seminare für Menschen mit Spinnen- oder Schlangenphobie bietet auch der Zoo Zürich an. Das Vorgehen bei Angst vor Schlangen ist fast gleich wie bei Spinnen. Am Ende haben Kursteilnehmende die Möglichkeit, eine lebendige Schlange zu berühren.
Dann ist man für immer geheilt? Nach der Therapie sollte man sich regelmässig wieder Spinnen, Schlangen oder Ratten beziehungsweise Bildern davon aussetzen. Hilfreich dabei sind spezielle Apps, etwa die an der Universität Basel entwickelte App Phobys (phobys.com) für Menschen mit Spinnenphobie. Weiter kann man sich Dokumentarfilme anschauen von Tieren, die Angst machen. Und bei der ersten Gelegenheit sollten Betroffene eine lebendige Spinne mit einem Karton und einem Behälter einfangen und aus der Wohnung befördern. Vielen hilft es, wenn sie dabei ruhig mit der Spinne reden. MM