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In zwei Welten zu Hause
«Wir fühlen uns in der Schweiz sehr wohl»
Rund 8000 Menschen mit tibetischen Wurzeln leben hierzulande – die ersten kamen als Flüchtlinge in den 60er-Jahren, unter anderem nach Rikon ZH. Wir haben uns dort umgesehen und nachgefragt, wie es der tibetischen Gemeinschaft heute geht.
Text: Ralf Kaminski Bilder: Marion Nitsch
Auf den ersten Blick sieht hier nichts anders aus als in anderen kleinen Schweizer Gemeinden an einem Sonntagvormittag. Rikons Strassen sind nicht besonders belebt, ab und zu fährt ein Auto vorbei, gelegentlich sieht man Spaziergänger. Die Läden sind alle geschlossen, und auch die Fabrik des Pfannenherstellers Kuhn Rikon ennet der Töss ist still und verlassen.
Doch aus einem Haus direkt gegenüber erklingen ungewohnte Töne. Die traditionelle tibetische Musik kommt aus dem zweiten Stock, der – wie üblich am Sonntag – voller Leben ist. 25 Kinder im Alter von 6 bis 16 Jahren üben unter Anleitung ihres Lehrers Bula Gakschu (26) einen tibetischen Tanz. Die älteren Teenager ganz hinten sehen dabei schon recht geübt und grazil aus, die Kleinen zuvorderst tanzen noch etwas aus der Reihe. In der Pause spielen die kleineren Kinder um die Säulen des Raums Fangis, während sich die älteren in die Küche nebenan zurückziehen. Die meisten von ihnen besuchen den Tanzunterricht seit Jahren und haben ihr Können an zahlreichen tibetischen Festen und Veranstaltungen demonstriert. Und sie tun das gerne. «Es macht Spass, und es ist mir auch wichtig, auf diese Weise einen Zugang zu meinen tibetischen Wurzeln zu erhalten», sagt eine 15Jährige. Diese Wurzeln sind allen wichtig, die hier sind. Sie waren zwar noch nie in Tibet, würden aber alle gern irgendwann einmal hinfahren. Und haben von ihren Eltern und Grosseltern natürlich viel über ihre ursprüngliche Heimat gehört – viel Schönes, aber auch viel Schlimmes.
Sechs Jahre im Gefängnis Zum Beispiel Tenzin Dolma Karusher: Die 16Jährige ist in Tibet geboren, war aber gerade ein Jahr alt, als ihre Mutter mit ihr nach Indien flüchtete, wo
Bilder. Comet Photoshopping/Dieter Enz, Keystone
Das Kloster


Abt Geshe Thupten Legmen beim Altar im Gebetsraum des Tibet-Instituts in Rikon. Es befindet sich in einer idyllischen Umgebung hoch über dem Ort.

Yeshi Dolma Karusher ist unter schwierigen Umständen aus Tibet geflüchtet.
sich die tibetische Exilregierung und der Dalai Lama befinden. Heute geht sie in Schaffhausen ins Gymnasium und möchte später Medizin studieren. Sie fühlt sich beiden Welten verbunden, der Schweiz ebenso wie Tibet, und übersetzt für ihre Mutter, die nur gebrochen Deutsch spricht. Sie lebt seit 2009 in der Schweiz und ist als Reinigungskraft tätig.
Yeshi Dolma Karusher war 20 Jahre alt, als sie im Juni 1992 in der tibetischen Hauptstadt Lhasa mit anderen jungen Leuten für die Rückkehr des Dalai Lama und gegen die unfairen Lebensbedingungen für Tibeterinnen und Tibeter demonstrierte. Die Kundgebung wurde von der Polizei mit aller Härte niedergeschlagen.
Karusher wurde verprügelt, verletzt und verhaftet, als Anführerin sass sie während der ersten Monate in einer engen, fensterlosen Einzelzelle. Sie war sechs Jahre inhaftiert. Noch heute, lange nach ihrer Flucht, zeugen ihre zitternden Hände von dieser furchtbaren Zeit.
22 tibetische Sprachschulen Die Tanzkurse in Rikon finden alle zwei Wochen statt, Sprachkurse jeden Sonntag. Nach Altersstufen getrennt lernen die Kinder, tibetisch zu lesen und zu schreiben. Sprechen tun sie es in ihren Familien ohnehin meist. Die Kinder sind aufmerksam bei der Sache, aber machen sie das auch gern? Die Mehrheit ist sich einig: Es ist ihnen wichtig, die Sprache ihrer Eltern zu beherrschen. Untereinander sprechen sie aber
meistens schweizerdeutsch. «Die Eltern sind sehr wichtig», erkärt Tsering Rabgang, ein pensionierter 67-Jähriger, der seit einem Jahr als Sprachlehrer im Einsatz ist. «Denn nur einmal pro Woche hier zu üben, reicht nicht. Sie müssen das auch zu Hause fördern.» Wie wichtig es den Eltern ist, dass ihr Nachwuchs die Sprache beherrscht, zeigt sich daran, dass es im ganzen Land 22 solche tibetische Sprachschulen gibt, mit 45 Lehrpersonen und rund 450 Schülerinnen und Schülern.
Arbeitsplätze für Geflüchtete Genaue Zahlen gibt es nicht, aber nach Schätzungen leben rund 8000 Tibeterinnen und Tibeter in der Schweiz und Liechtenstein, die Jüngsten sind oft bereits die vierte Generation. Es war ein Schweizer IKRK-Delegierter in Nepal, der nach dem Aufstand der Tibeter gegen die Besetzung Chinas 1959 anregte, dass die Schweiz ein ganzes Kontingent aufnimmt. Die ersten kamen 1961, insgesamt waren es 1000 Menschen.
Die Gebrüder Kuhn, deren Pfannenfabrik Arbeitskräfte brauchte, setzte sich dafür ein, dass ein Teil dieser Menschen sich 1964 in Rikon ansiedelte. Sie stellten nicht nur Arbeitsplätze zur Verfügung, sondern engagierten sich auch, um ihnen die Integration zu erleichtern. Rikon war damals eine von rund 20 Ortschaften, die Tibeterinnen und Tibeter aufnahmen – fast immer in Verbindung mit Fabriken, die froh waren um Arbeitskräfte.
Und einige arbeiten auch noch immer bei Kuhn Rikon, etwa Thubten Gelek Dhakyel. Seit über 30 Jahren ist der 59-Jährige dort in der Herstellung von Deckeln tätig. «Früher waren wir viele Tibeter, heute sind es noch ein gutes Dutzend», sagt er. «Viele sind inzwischen pensioniert, und die Jungen haben heute andere berufliche Möglichkeiten.» Seine Grosseltern gehören zur ersten Flüchtlingsgeneration, er kam 1984 als junger Mann aus Indien nach, fand erst Arbeit in einer Spinnerei, dann bei Kuhn Rikon. Seine vier Kinder haben gute Jobs und sind bestens integriert.
«Die meisten, die hier geboren sind, konnten sich ein gutes

Links: Eine Kartonfigur des Dalai Lama wacht über den Gebetsraum des TibetInstituts.
Unten: Karma Choekyi, Präsidentin der Tibeter Gemeinschaft Schweiz & Liechtenstein.
Leben in der Schweizer Mittelklasse aufbauen», sagt Karma Choekyi (58), die Präsidentin der Tibeter-Gemeinschaft Schweiz & Liechtenstein. «In den vergangenen 20 Jahren sind aber zahlreiche weitere Tibeterinnen und Tibeter als Einzelpersonen in die Schweiz geflüchtet.»
Viele von ihnen arbeiteten in Restaurants, in der Pflege oder in Reinigungsjobs und haben nur ein bescheidenes Einkommen. «Und etwa 250 stecken unter schwierigen Umständen in langwierigen Asylprozessen», erklärt Choekyi. «Es sind viele junge Leute darunter, sie dürfen weder arbeiten noch die Sprache lernen noch an Anlässen der tibetischen Gemeinschaft teilnehmen, weil sie sich im Land nicht frei bewegen dürfen.»
Chinesische Spione Auch sonst gebe es problematische Entwicklungen, sagt die Präsidentin, die in Zürich einen eigenen Laden führt und mit einem Italiener verheiratet ist. «Wir hören immer wieder von Begegnungen mit Chinesen, die versuchen, unsere Gemeinschaft zu spalten.» Viele getrauten sich auch nicht, hier an politischen Demonstrationen teilzunehmen. Denn oft mischten sich chinesische Spione in die Menge. «In der Folge büssen dann die Verwandten in Tibet. Viele vermeiden deswegen jeglichen Kontakt mit ihren Familienmitgliedern dort, auch ich.»
In den Gesprächen kommt die grosse Dankbarkeit gegenüber der Schweiz zum Ausdruck. «Sie war damals das erste Land, das ein Flüchtlingskontingent aufnahm, und wird deshalb bis heute von Tibetern in der ganzen Welt geschätzt», sagt Tsering Dorjee (71). Er repräsentierte ab 1974 für elf Jahre den Dalai Lama und die tibetische Exilregierung in der Schweiz.
Dorjee betrachtet die Schweiz bis heute als eines der besten Länder für Tibeter. «Wir fühlen uns wohl hier und sehr akzeptiert – wohl auch, weil wir uns
Karma Choekyi Präsidentin Tibeter-Gemeinschaft




immer gut angepasst haben.» Was könnte die Schweiz besser machen? «Wie in vielen anderen westlichen Ländern kollidieren auch hier Geschäftsinteressen und Menschenrechtsanliegen. Ich würde mir wünschen, dass die Menschenrechte wieder erste Priorität hätten.»
Künftig zwei Dalai Lamas? Durch seine Tätigkeit hatte Dorjee regelmässig mit dem Dalai Lama zu tun. «Seine Heiligkeit» ist inzwischen 86 Jahre alt – wie wird es weitergehen, wenn er irgendwann stirbt? «Er selbst sagt, dass sein Nachfolger in einem freien Land geboren wird», sagt Dorjee. «Aber es ist schon jetzt klar, dass auch China einen Nachfolger ernennen wird.» Es werde wohl also zwei geben. «Entscheidend aber ist, wen die Mehrheit der tibetischen Bevölkerung anerkennen wird, und das wird derjenige sein, der in Freiheit geboren wurde.»
So sieht das auch Geshe Thupten Legmen, der Abt des Tibet-Instituts, seit 1968 das spirituelle Herz der Schweizer Tibeter-Gemeinschaft – und damals das erste buddhistische Kloster ausserhalb Asiens. Es thront hoch über Rikon in einer wunderschönen Landschaft.
Die Gebrüder Kuhn waren massgeblich an seiner Entstehung beteiligt. «Sie fanden, dass die geflüchteten Tibeterinnen und Tibeter auch eine spirituelle und kulturelle Heimat brauchen und unterstützten den Bau organisatorisch und finanziell», sagt Philip Hepp (60), der sich seit 2005 um den weltlichen Teil des Klosters kümmert.
Geshe Thupten Legmen Abt des Tibet-Instituts
Die Schule
Jeweils sonntags findet in Rikon Tanz- und Sprachunterricht für tibetische Kinder und Jugendliche statt.
Den Glauben erhalten So kann sich Abt Legmen (58) ganz auf seine spirituellen Aufgaben konzentrieren. Neben ihm leben sieben weitere Mönche im Tibet-Institut, alle in bescheidenen Zimmern, in denen kaum mehr als ein Bett und ein Schreibtisch Platz haben. Vier von ihnen leben permanent dort, vier wechseln alle drei bis sechs Jahre. Die meisten kommen wie Legmen aus tibetischen Klöstern in Indien und sollen hier etwas lernen, das sie dorthin zurückbringen können.
Die Mönche sind regelmässig im Land unterwegs, bieten spirituelle Unterstützung und halten Rituale ab, für Feierlichkeiten oder bei Todesfällen. «Unsere spirituellen Dienste sind in letzter Zeit gefragter als auch schon», erzählt Legmen. Gleichzeitig räumt er ein, es sei eine Herausforderung, den Glauben weiterzugeben und zu erhalten. «Ob sich die Jungen für ihre Wurzeln interessieren, hängt stark davon ab, was die Eltern ihnen vorleben.»
Zum Schluss spazieren wir mit Abt Legmen und Philip Hepp durch den Park des Instituts. Über schmale Wege an grünen Hängen, vorbei an flatternden bunten Gebetsfahnen zu einer kleinen weissen Stupa mit goldener Spitze, die im Sonnenlicht glitzert – ein Fleckchen Tibet mitten in der Schweiz. MM

Wanderung zu Richard Löwenherz. Schlemmen in der Küche des Sternekochs Étretat
Hut nach Mass anfertigen Paris und die Normandie mit der Excellence Royal
Excellence – kleine Schweizer Grandhotels
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Busanreise nach Paris.
Tag 2 Paris
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Ganztagesausflug* nach Honfleur mit Stadtrundgang und Mittagessen. Nachmittags Besuch einer Calvados-Brennerei inkl. Degustation.
Tag 5 Caudebec-en-Caux > (Étretat)
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Stadtrundgang* in Rouen, der Stadt der 100 Türme. Am Nachmittag Schloss Vascoeuil mit grossem Garten und unzähligen Skulpturen (Fr. 55).
Tag 7 Vernon
Busausflug* nach Giverny. Besuch Wohnhaus und Garten von Claude Monet oder malerische E-Bike-Tour entlang der Seine (Fr. 80).
Tag 8 Paris > Schweiz
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17.04.–24.04., 24.04.–01.05., 01.05.–08.05., 08.05.–15.05., 15.05.–22.05., 22.05.–29.05., 29.05.–05.06., 05.06.–12.06. *, 12.06.–19.06., 19.06.–26.06., 26.06.–03.07., 28.08.–04.09., 11.09.–18.09., 18.09.–25.09., 25.09.–02.10., 02.10.–09.10., 09.10.–16.10.
* Reise mit leicht geändertem Reiseverlauf
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