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Interview mit der Choreografin Phoebe Jewitt
von Christina Szegedi
Phoebe, dein neuestes Werk für TanzLuzern heisst «HOPE». Es ist ein Doppelabend, zusammen mit einer Choreografie von Mthuthuzeli November. Habt ihr das Thema gemeinsam gewählt? Und gab es einen bestimmten Moment, in dem du dachtest: «Darüber möchte ich ein Stück machen»?
Phoebe Jewitt: Ich glaube, es war so, dass wir beide bereits eigenen Ideen hatten und dann diskutiert haben, was der gemeinsame Nenner sein konnte. Letztlich entschied Wanda Puvogel, Tanzdirektorin von TanzLuzern, dass «HOPE» am besten passt. Im Allgemeinen ist «Hoffnung» immer in meiner Arbeit präsent.
Man nimmt dich als sehr hoffnungsvollen Menschen wahr. Würdest du dich selbst als von Natur aus positiv beschreiben?
Ich denke, ich bin grundsätzlich ein positiver Mensch. Das bedeutet nicht, dass ich keine Sorgen oder Ängste habe oder keine negativen Szenarien sehe – im Gegenteil. Aber eine optimistische Sicht auf das Leben hilft mir sehr. Manchmal bin ich fast unbeirrbar hoffnungsvoll. Es ist die Hoffnung, die uns durch schwierige Zeiten trägt, und es ist die Hoffnung, die uns auch in guten Zeiten begleitet.
Was hilft dir, die Hoffnung wiederzufinden, wenn du mal einen Tiefpunkt hast?
Ich spreche mit Menschen, mit meinen engsten Vertrauten. Durch diese Gespräche und das Gefühl von Gemeinschaft finde ich die Hoffnung wieder. Ausserdem gibt es so viel Schönheit um uns herum, man muss gar nicht weit gehen, um sie zu finden.
Von aussen betrachtet strahlst du Positivität aus. Selbst in Proben verbreitest du diese Energie, so nach dem Motto: «Okay, packen wir’s an, egal was heute kommt.» Das spiegelt sich auch in deiner Choreografie wider.
Oh, das ist schon zu hören. Ich versuche immer, positiv zu bleiben – schliesslich machen wir Kunst, und das ist an sich schon eine wunderbare Sache. Positivität ist ansteckend: Je positiver ich bin, desto mehr wirkt sich das auf die Menschen um mich herum aus, und desto produktiver wird die Atmosphäre im Studio. Ich geniesse es wirklich, mit Menschen zusammen zu sein, und ich liebe es, Witze zu machen und Spass zu haben (ich verspreche, wir arbeiten trotzdem hart!). Als ich noch Tänzerin in der Companie war, war ich immer diejenige, die herumalberte. Jetzt mache ich das etwas weniger – leider –, weil ich nun verantwortlich für den Verlauf der Proben bin. Trotzdem ist es mir sehr wichtig, Freude und Humor im Arbeitsprozess zu bewahren.
Du hast vorhin Musik erwähnt. Welche Rolle spielt Musik in deinem Prozess? Kommt sie zuerst, oder beginnst du mit einem Bild?
Oft ist Musik der Samen, aus dem alles wachst. Ich höre etwas – zum Beispiel Bang Bang von Nancy Sinatra – und sofort lauft in meinem Kopf ein Film ab; die emotionale Reise nimmt Gestalt an. Für «HOPE» arbeite ich eng mit der Komponistin Minouche Briot zusammen – das ist einfach wunderbar, weil wir die Welt musikalisch und körperlich gemeinsam erschaffen können. Ich liebe es zu erforschen, wie Musik und Tanz sich verweben – sie verbinden und trennen sich, aber sie stehen immer in Beziehung.

Wie war dein Weg als Tänzerin und Choreografin – reibungslos, oder voller Herausforderungen?
Der Anfang war ziemlich herausfordernd. Ich musste unglaublich hart arbeiten. Ich begann spät mit dem Tanzen und war zunachst weit zurück. Es brauchte viel Arbeit, um aufzuholen, aber ich genoss die Herausforderung, weil ich meine Leidenschaft entdeckt hatte. Erst nach einer Weile fand ich heraus, was mich wirklich inspirierte und welche Art von Arbeit ich machen wollte. TanzLuzern wurde schliesslich zu dem Ort, wo ich künstlerisch inspiriert, gefordert und zugleich unterstützt wurde. Ich hatte auf meinem Weg das Glück, wunderbare Menschen – Künstler*innen, Lehrer*innen, Direktor*innen und meine Familie – zu treffen, die mir geholfen haben, meinen Weg zu finden. Jetzt stehe ich erneut an einem Punkt, der auf seine ganz eigene Weise herausfordernd ist.
Du hast unsere Zeit mit den 1960ern verglichen. Was fühlt sich ähnlich an?
Ich habe die 60er-Jahre natürlich nicht selbst erlebt – und dieses Jahrzehnt hatte für verschiedene Gemeinschaften ganz unterschiedliche Bedeutungen –, aber ich war immer inspiriert von der Revolution der Jugend jener Zeit. Da war dieser plötzliche Schub an Optimismus, die Sehnsucht nach Freiheit und der mutige Ausdruck von Individualität. Musik, Mode und Kunst wurden zum Ausdruck dieses Geistes, und vieles davon ist bis heute prägend. (Und es ist auch Teil meiner Lieblingsmusik!)
Was mich fasziniert, ist der Kontrast: ein starkes Gefühl von Liebe und Zuversicht vor dem Hintergrund von Krieg, politischer Unruhe und technologischer Unsicherheit. Diese Spannung erscheint heute erstaunlich vertraut. Hoffnung und Optimismus – in den 60ern so lebendig trotz aller Umbrüche – sind aktueller denn je.
In meinem Stück leben die Figuren in einer simulierten Welt, einer Art zeitlosen Kapsel, die sich selbst neu kalibriert – wie ein Computerprogramm. Diese Idee knüpft auch an die 1960er-Jahre an – an die Anfange des Programmierens, den Wettlauf ins All und den unstillbaren Drang der Menschheit, voranzukommen. Das Bühnenbild ist inspiriert von *2001: Odyssee im Weltraum* mit seiner Vision einer Kapsel ausserhalb der Zeit. Zeitreisen, die damals so viele Menschen faszinierten, ziehen sich ebenfalls durch meine Arbeit. Vielleicht war es schon immer so – ein menschlicher Weg, um zu träumen, zu entfliehen und an eine Zukunft zu glauben, die vom Optimismus getragen ist.
Gibt es Choreografen oder Künstler aus den 1960ern, die dich inspirieren?
Ich würde nicht sagen, dass meine Inspiration von einem bestimmten Choreografen kommt – obwohl man hier und da ein paar spielerische Anspielungen erkennen könnte. Mich bewegt vielmehr der kulturelle Wandel der 60er: die Emotion, die jugendliche Revolution und die Welle des Wandels in der Popkultur. Ich fühle mich von der Musik, der Kunst, der Kühnheit von Modeikonen wie Twiggy und dem rebellischen Geist dieser Ära angezogen. Es war eine Zeit, die nicht von Idolen geprägt war, sondern von gewöhnlichen Menschen – berühmt oder nicht –, die zusammenkamen, um Normen in Frage zu stellen und etwas Besseres zu schaffen. Diese kollektive Energie und dieser Mut inspirieren mich am meisten.
Welche Hoffnung haben die Figuren in deinem Stück?
Sie sind Wesen, die jenseits unseres Zeitverständnisses existieren und sowohl die Schönheit als auch den Schmerz unserer Welt in sich tragen. Sie halten das Leid und den Verlust, aber auch Freude, Optimismus und den Glauben an Veränderung. Ihre Hoffnung ist es, im Publikum Gemeinschaft und Reflexion zu wecken, Liebe und Hoffnung für die Zukunft zu inspirieren. Hoffnung ist eine Notwendigkeit – in guten wie auch in schlechten Zeiten. Ich denke, das ist ihre eigentliche Botschaft.

In deinem Stück erkenne ich auch deutlich das Thema Erinnerung. Es scheint eine wichtige Rolle zu spielen.
Ja, das Thema Erinnerung zieht sich wie ein roter Faden durch meine Arbeit. Es fasziniert mich, weil Erinnerung unsere Art ist, durch die Zeit zu reisen. Sie hilft uns, Zeit zu begreifen – und zugleich, unsere Vorstellung von ihrer Linearität zu überwinden. Auch in meinem Stück verläuft die Zeit nicht linear: Erinnerung, Gegenwart und Zukunft existieren nebeneinander.
Ich stelle mir vor, dass die Erfahrung für das Publikum ebenfalls mit Erinnerungen verbunden sein wird, da Musik uns so schnell zurückversetzen kann.
Ja, mir ist wichtig, dass die Figuren zwar eine gemeinsame Erinnerung erleben, das Publikum jedoch zugleich eigene, individuelle Erinnerungen – und damit auch eine neue kollektive – erfährt. Die Musik weckt bei jedem Menschen andere Assoziationen – und doch entsteht im Moment der Aufführung etwas Neues, eine gemeinsame Erinnerung.
Zum Schluss: Was sind deine persönlichen Hoffnungen für die Menschheit und die Tanzwelt?
Ich würde sagen, ich bin Realistin und hoffnungsvolle Träumerin zugleich (darf ich beides sein?). Wenn ich von meiner hoffnungsvollsten Seite spreche, wünsche ich mir, dass wir lernen, besser aufeinander zu achten – und auf unseren Planeten, für die Generationen, die nach uns kommen.
Für die Tanzwelt wünsche ich mir, dass wir weiterhin Kunst schaffen, die Menschen berührt und inspiriert. Kunst ist ein kraftvolles Mittel zur Reflexion, zum Vorausblicken, zum Sammeln von Energie – und um sowohl gute als auch schwierige Zeiten zu verarbeiten. Ich hoffe, dass wir auch in Zukunft ein Live-Publikum haben werden – als Choreografin ist das immer eine offene Frage. Zugänglichkeit ist in unserer zunehmend technologischen Welt ein immer wichtigeres Thema, aber nichts kommt einer Live-Performance gleich.

