
3 minute read
Hölderlin-Zentrum: Hölderlins Andenken
Hölderlins Andenken Hölderlins Andenken Andenken
© Alamy Stock Fotos
Advertisement
Erste Ausstellung im Hölderlin-Zentrum zur Hymne „Andenken“
Das „Hölderlin-Zentrum“ in der Villa Wertheimber ist im Entstehen und mit ihm ein neuer Ausstellungsraum, in dem zukünftig Wechselausstellungen zu Hölderlin gezeigt werden. Diese Ausstellungen werden die HölderlinThemen in der Villa Wertheimber abrunden, zu denen die Hölderlin-Wohnung, die Bibliothek und das Editionsarchiv von D.E. Sattler sowie die umfangreiche Sammlung des Stadtarchivs zu Hölderlin gehören.
Die Eröffnung der ersten Ausstellung ist bereits für den 11. Juni geplant, zwei Tage vor der Verleihung des Hölderlin-Literaturpreises am 13. Juni. Sie stellt das Gedicht „Andenken“ in den Mittelpunkt und wird für eine gewisse Zeit in einer Klimavitrine auch die Original-Handschrift der letzten Strophe zeigen, die sich im Eigentum der Stadt Bad Homburg befindet. Der Rest des Manuskripts ist verloren, der vollständige Gedichttext wurde aber in Leo von Seckendorfs Musenalmanach von 1808 überliefert. Hölderlin-Preisträger Rüdiger Safranski bezeichnet „Andenken“ als Meisterwerk.
Geschrieben hat Hölderlin die Hymne 1803, in einer Zeit, in der seine psychische und physische Zerrüttung wuchs und in der er kurz vor seinem zweiten Aufenthalt in Homburg stand (1804). Erst im Juni 1802 war der 32-Jährige aus Bordeaux zunächst zu seiner Mutter in Nürtingen zurückgekehrt. Weit über 3000 Kilometer hatte er auf Hin- und Rückweg zurückgelegt – zu Fuß. Seine Erwartungen, die er in seine „Auswanderung“ nach Frankreich gelegt hatte, hatten sich offenbar nicht erfüllt. Hölderlin fühlte sich als Dichter in seiner Heimat nicht anerkannt – „Aber sie können mich nicht brauchen“, schrieb er an seinen Freund Casimir Ulrich Böhlendorff. Von seinem dreimonatigen Aufenthalt als Lehrer im Haus des Hamburger Kaufmanns und Konsuls Daniel Christoph Meyer und den Gründen für seinen schnellen Aufbruch weiß man wenig.
Hölderlin hatte durchaus positive Eindrücke von der Hafenstadt am Atlantik. Sie spiegeln sich in dem Gedicht „Andenken“ wider. Auf einem Hügel am rechten Ufer der Garonne in Lormont gegenüber dem nördlichen Stadtteil von Bordeaux sitzend, soll er oft die Stadt, die umliegenden Gärten und den Zusammenfluss der Garonne mit der Dordogne zur Gironde betrachtet haben, an deren Trichtermündung Seeschiffe vorbeizogen. Dieses Motiv greift Hölderlin poetisch auf, und es soll auch die grafischen Elemente der Ausstellung bestimmen. Zum Beispiel mit einem historischen Stahlstich „Schiffe im Hafen von Bordeaux“. Das Gedicht geht jedoch weit über die konkreten Erinnerungen hinaus. Hölderlin fasst in ihm seine Gefühswelt zusammen und resümiert:
„Was bleibet aber, stiften die Dichter“.
Der Satz wurde zu einem weltberühmten, vielfach verwendeten Zitat. Vernissage: Freitag, 11. Juni, um 19.00 Uhr mit Oberbürgermeister Alexander Hetjes.

Ob die Öffentlichkeit an der Vernissage am 11. Juni teilnehmen kann, ist abhängig von der Corona-Lage zu diesem Zeitpunkt und von den dann geltenden Vorschriften
Anmeldungen sind auf jeden Fall notwendig: kultur@bad-homburg.de.
Friedrich Hölderlin
Andenken
Der Nordost wehet, Der liebste unter den Winden Mir, weil er feurigen Geist Und gute Fahrt verheißet den Schiffern. Geh aber nun und grüße Die schöne Garonne, Und die Gärten von Bourdeaux Dort, wo am scharfen Ufer Hingehet der Steg und in den Strom Tief fällt der Bach, darüber aber
Hinschauet ein edel Paar Von Eichen und Silberpappeln;
Noch denket das mir wohl und wie. Die breiten Gipfel neiget Der Ulmwald, über die Mühl, Im Hofe aber wächset ein Feigenbaum. An Feiertagen gehn Die braunen Frauen daselbst Auf seidnen Boden, Zur Märzenzeit, Wenn gleich ist Nacht und Tag, Und über langsamen Stegen, Von goldenen Träumen schwer,
Einwiegende Lüfte ziehen.
Es reiche aber, Des dunkeln Lichtes voll, Mir einer den duftenden Becher, Damit ich ruhen möge; denn süß Wär unter Schatten der Schlummer. Nicht ist es gut, Seellos von sterblichen Gedanken zu sein. Doch gut Ist ein Gespräch und zu sagen Des Herzens Meinung, zu hören viel Von Tagen der Lieb,
Und Taten, welche geschehen. Wo aber sind die Freunde? Bellarmin Mit dem Gefährten? Mancher Trägt Scheue, an die Quelle zu gehn; Es beginnet nämlich der Reichtum Im Meere. Sie, Wie Maler, bringen zusammen Das Schöne der Erd und verschmähn Den geflügelten Krieg nicht, und Zu wohnen einsam, jahrlang, unter Dem entlaubten Mast, wo nicht die Nacht durchglänzen
Die Feiertage der Stadt,
Und Saitenspiel und eingeborener Tanz nicht.
Nun aber sind zu Indiern Die Männer gegangen, Dort an der luftigen Spitz An Traubenbergen, wo herab Die Dordogne kommt, Und zusammen mit der prächtgen Garonne meerbreit Ausgehet der Strom. Es nehmet aber Und gibt Gedächtnis die See, Und die Lieb auch heftet fleißig die Augen, Was bleibet aber, stiften die Dichter.
