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DIE GESCHICHTE DER E – GITARRE
Die Geschichte der elektrischen Gitarre ist untrennbar mit den drei Namen Martin, Gibson und Dopyera verbunden, obwohl keiner von ihnen je eine EGitarre gebaut hat!
Etwa 60 Jahre nach Martins ersten Innovationen ging der Sohn eines Einwanderers aus England daran, die Gitarre nach seinen Vorstellungen zu verändern. Orville Gibson (1856 – 1918) war Laie auf dem Gebiet des Instrumentenbaus und ging deshalb mit unkonventionellen Ansichten ans Werk. Sein großes Vorbild waren Violinen, deren Konstruktionsprinzip er auf die Gitarre zu übertragen versuchte.
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Nachfrage nachzukommen:
„The Gibson
Mandolin-Guitar Co. Ltd.“. So fing alles an …
Die Zeit nach dem ersten Weltkrieg war die erste große Ära der Schallplatte.
Christian Frederick Martins (1796 –1873) wichtigste Leistung bestand darin, den Korpus seiner AkustikGitarren in den 1840er Jahren so umzubauen, dass er mit Metallsaiten spielbar wurde. Seine Instrumente wurden dadurch lauter, prägnanter im Ton und universeller einsetzbar. Martins Modelle wurden mit jedem neuen Entwicklungsschritt robuster, größer und – als Folge davon –beliebter und begehrter.
Das Resultat dieser einfachen, aber nachvollziehbaren Überlegung war eine Gitarre mit gewölbter Decke, gewölbtem Boden (beides aus massivem Holz geschnitzt) und einem Hals, der deutlich nach hinten gewinkelt war. Gibsons Idee funktionierte, und seine Instrumente fanden so viele Anhänger, dass in seiner Heimatstadt Kalamazoo im USBundesstaat Michigan 1902 eine Firma gegründet wurde, um der rasant steigenden
Grammophone gehörten zur Einrichtung eines gutsortierten Haushalts, wie heute der CD-Player. Eines Tages müssen die Dopyera-Brüder, die in Los Angeles Saiteninstrumente bauten, ihr heimisches Grammophon zerlegt haben. Jedenfalls begannen sie ein System der Klangverstärkung auf rein akustischem Weg zu entwickeln, ähnlich dem, dass damals die Schellack-Platten zum Klingen brachte.
Die Dopyeras stanzten aus dünnem Blech einen flachen Trichter, setzten ihn mit der Öffnung nach unten in einen Gitarrenkorpus und platzierten den Steg auf der Spitze des Trichters. Das Resultat war ein Instrument von bis dahin ungekannte Lautstärke, das sofort von den Musikern angenommen wurde. Gemeinsam mit ein paar Geldgebern und Partnern gründeten die Dopyeras eine Firma, der sie (als gute junge Amerikaner) den Namen National gaben. Nach internen Differenzen gründeten einige Dopyera-Brüder später eine zweite Firma, und diesmal erinnerten sie sich offenbar an ihre Herkunft, denn der Firmenname Dobro lässt sich sowohl als Wortschöpfung aus DOpyera BROthers verstehen, wie auch vom tschechischen Wort dobre (= gut) ableiten.
Diese Instrumente, egal ob von National oder Dobro, kennen wir heute unter der Bezeichnung Resonator-Gitarren, und auch Jahrzehnte nach ihrer Erfindung sind sie immer noch im Gebrauch, trotz aller Entwicklungen auf dem Sektor der E-Gitarre.
George D. Beauchamp & Adolph Rickenbacher
Damit hatte Beauchamp aber nicht nur den elektromagnetischen Tonabnehmer erfunden, er hatte ihn auch auf einer Gitarre mit massivem Korpus montiert und somit den Vorläufer der „Solidbody“ kreiert.
In der Nachbarschaft der Dopyera-Brüder arbeitete ein emigrierter Schweizer namens Adolph Rickenbacher. Er erledigte in seiner Firma diverse Metallarbeiten für die Dopyeras und war schnell bereit, mit Beauchamp zu kooperieren. Wir erinnern uns, George Beauchamp spielte Hawaii-Gitarre, deshalb war es nicht überraschend, dass die erste Gitarre, die mit dem neuen Tonabnehmer ausgerüstet war, ebenfalls ein Instrument war, das flach auf den Schoß gelegt wurde.
Während der Prototyp noch aus
Holz gefertigt war, ging das Instrument mit einem Korpus aus Aluminium in die Serienfertigung. Auch kein Wunder, denn Rickenbacher besaß ja eine Metallfabrik. Später änderte er seinen Namen in „Rickenbacker“, weil dies für Amerikaner leichter auszusprechen war.
So ungewöhnlich wie Konstruktion und Material der ersten serienmäßig hergestellten elektrischen HawaiiGitarre war damals auch ihre Form. Diese erste Rickenbacker hatte einen kleinen kreisrunden Korpus und einen vergleichsweise langen, schlanken Hals. Wer dieses Modell einmal gesehen hat, versteht, warum es in Musikerkreisen als „Bratpfanne“ bekannt wurde.
Charlie Christian und die GibsonGitarre
Kurze Zeit, nachdem Beauchamp seine Erfindung patentieren ließ
(1932) zogen andere Firmen mit ähnlichen Entwicklungen nach, allen voran Gibson. Dort ging man 1935 allerdings sofort einen Schritt weiter und baute nicht nur Hawaii-Gitarren mit Tonabnehmern, sondern rüstete auch eine „konventionelle“ Gitarre damit aus.
Dieses Modell ES150 besaß allerdings noch einen hohlen Korpus und war auch ohne Tonabnehmer voll funktionsfähig. Bis sich Gibson entschließen konnte, Gitarren aus massivem Material zu bauen, mussten noch fast 20 Jahre vergehen.
Neue Erfindungen haben immer dann eine gute Chance erfolgreich zu werden, wenn ein Prominenter sie benutzt. Mit der ES150 ist untrennbar der Name des amerikanischen Jazz-Musikers
Charlie Christian (1916 – 1942) verknüpft, und mit ihm wird in der Regel im gleichen Atemzug der Klarinettist
Benny Goodman erwähnt.
Dank der Verstärkung war Christian in der Lage, die Gitarre auch als Solist zu spielen und sich selbst in einer gut besetzten Bigband zu behaupten. Benny Goodman holte ihn in sein Orchester und gab ihm ausreichend Gelegenheit, seinen Stil zu entwickeln.
Neben Christian war es ein zweiter schwarzer Gitarrist, der maßgeblich dazu beitrug, die elektrische Gitarre populär zu machen: T-Bone Walker. Der Texaner gab dem Blues neue Impulse, denn mit seiner EGitarre entwickelte er ganz neue Ausdrucksformen.
Der neue Gitarrentyp etablierte sich jedenfalls sehr rasch, und trotz der Produktionsprobleme , die amerikanische Instrumentenbauer im Krieg hatten, wurde die Modellpalette immer reichhaltiger. Neue Tonabnehmer wurden entwickelt, es gab Gitarren mit zwei oder sogar drei Exemplaren, und ab Ende der 40er Jahre baute Gibson sogar Modelle mit Cutaway (dt. = Korpus Ausschnitt) , einer Spielhilfe, die den Solisten noch einmal neue Möglichkeiten eröffnete, da sie nun problemloser in den hohen Lagen des Griffbretts agieren konnten.
Je mehr E-Gitarren und Verstärker benutzt wurden, desto größer wurde auch der Bedarf an Werkstätten, die fachgerechte Reparaturen machen konnten. In der Nähe von Los Angeles hatte sich Leo Fender niedergelassen und reparierte Radios, Plattenspieler und Verstärker. Immer wieder kamen Musiker zu ihm, um nicht nur den Verstärker aufmöbeln zu lassen, sondern auch Schäden an ihren Gitarren beheben zu lassen. Auf diese Weise bekam Fender zahllose defekte die Reparaturen so schwierig waren. Schließlich hatte er Instrumentenbau nie gelernt, und an so einer aufwendig gebauten Gitarre mit großem Korpus konnte allerlei kaputt gehen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, als es auch in der Instrumentenbranch e langsam wieder besser lief, gründete er mit seinem Kompagnon George Fullerton eine Firma, um Verstärker und E-Gitarren zu bauen. Dem damals herrschenden Trend in der Musik entsprechend baute Fender Hawaii- oder wie man sie mittlerweile nannte –Steel-Gitarren und ein Modell einer „normalen“ Gitarre, in dem Fender gesammelte
Überlegungen vereinigt wurden. Die Gitarre hatte einen massiven Korpus (außer bei den erwähnten HawaiiGitarren hatte bis dahin keine Firma so etwas in Serie produziert), ein Cutaway, zwei Tonabnehmer und einen relativ simpel konstruierten Hals, der mit vier Schrauben am Hals verankert war.
Die erste FenderGitarre war das Modell Esquire. Fenders grundlegende Idee hinter diesem Konzept war, ein Instrument zu schaffen, das nicht nur einfach herzustellen, sondern auch einfach zu reparieren war. Diese Gitarre ließ sich mit einem Schraubenzieher und einem Lötkolben in alle Einzelteile zerlegen und auch wieder zusammenbauen. Die Gelehrten streiten sich heute, wann dieser erste Fender auf den Markt kam und wie sie hieß. Die gegenwärtig akzeptierte Meinung lautet: Es war der Esquire, und es war um 1950. Heute kennen wir dieses in jeder Beziehung revolutionäre Instrument unter dem Namen Telecaster.
Leo Fenders Einfluss auf die Geschichte der E-Gitarre sind mit den wenigen Worten zu seinem Erstlingswerk längst nicht umfassend beschrieben. Kurz nach der Esquire (im Laufe der folgenden Jahre auch als Broadcaster, Nocaster und eben Telecaster bekannt) entwickelte er den ersten Precision-Bass und 1954 kam mit der Stratocaster eine weitere E-Gitarre auf den Markt – wie die Telecaster ein Instrument, das wir uns heute in Pop, Rock, Jazz oder Blues kaum wegdenken können. Fenders größter Verdienst im Zusammenhang mit der Geschichte der E-Gitarre ist aber wohl sein Konzept, Gitarren mit massivem Korpus am Fließband zu bauen.
Ein Gitarrist, der ganz in der Nähe von Leo Fender lebte, hatte sich seit den 20er Jahren – wie auch Beauchamp – mit dem Problem der Verstärkung seiner Gitarre auseinandergesetzt. Er hatte mit Grammophon-Nadeln und Mikrofonen experimentiert und kam, sobald funktionierende elektromagnetische Tonabnehmer zu haben waren, sehr schnell zu dem

Schluss, dass der hohle Korpus einer Gitarre weitgehend zu vernachlässigen war, ja das dieser sogar stört, da er bei bestimmten Lautstärken unerwünschte Rückkopplungen (engl. Feedback) erzeugt.
Dieser Gitarrist, niemand anderes als der legendäre Les Paul, machte erst ein paar Versuche bei sich zu Hause und ging dann zu Gibson, um eine Serienfertigung anzuregen. Obwohl er gegen Ende der 40er Jahre Amerikas populärster und erfolgreichster Gitarrist war, flog er bei Gibson beinahe raus, als er mit seinem Plan einer Solidbody kam. „Wir bauen keinen Besenstiel mit Saiten!“, so oder ähnlich soll sich der Gibson-Chef damals aufgeregt haben.
Gibson hielt sich –nicht ganz zu Unrecht – für die renommierteste Instrumentenfirma des Landes und war stolz auf Tradition und handwerkliche Qualität. Eine Gitarre, die aus einem Holzbrett ausgesägt wurde, kam nicht in Frage. Allerdings gab es da einen CountryMusiker namens Arthur Smith, der mit seinem, Guitar Boogie‘ mehr als eine Millionen Platten verkaufte. Diese Zahl war damals schon bemerkenswert genug, viel erstaunlicher noch war die Tatsache, dass er den Titel auf einer der neuen Fender-Gitarren gespielt und damit die Nachfrage nach dem Modell angekurbelt hatte.
Das alles blieb Gibson nicht verborgen und so entschloss sich die Geschäftsleitung, ein Konkurrenzmodell zu bauen, um den Markt nicht schon von vornherein zu verlieren. Man erinnerte sich an Les Paul und seinen Vorschlag. Les Paul steuerte ein paar Ideen bei, kassierte von jedem verkauften Exemplar Tantiemen und stellte seinen werbewirksamen Namen zur Verfügung.
1952 erblickte Gibsons erste Solidbody das Licht der Welt. Wir haben schon gehört, dass die Firma viel auf ihr Renommee hielt. Das neue LesPaul-Modell sollte dafür ein Beispiel geben. Der Korpus war aus zwei Schichten Holz aufgebaut, unten eine Lage Mahagoni, darauf eine Decke aus Ahorn. Die Decke war darüber hinaus gewölbt und mit einer Leiste eingefasst. Zur Krönung des Ganzen wurde die Gitarre in goldfarbener Lackierung geliefert. Diese Details wurden gewählt, um das Instrument möglichst konkurrenzlos zu machen, denn Gibson ging davon aus, dass Fender derartige Qualität nicht liefern konnte. Damit hatten sie sicherlich Recht, allerdings wollte Fender so etwas auch gar nicht anbieten. Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser Konkurrenz wurden Fenders erste Entwürfe einer Solidbody, die Telecaster und die Stratocaster sowie Gibsons Les Paul die erfolgreichsten EGitarrenmodelle, die je gebaut wurden.
Wie es nach den 50ern weiterging
Nachdem die Gibson Les Paul 1952 und die Fender Stratocaster 1954 auf dem Markt waren, tat sich nichts Revolutionäres mehr auf dem Sektor der elektrischen Gitarre. Alles, was in den folgenden Jahrzehnten als Neuerung annonciert wurde, war im Grunde nur eine mehr oder weniger gelungene Variation bereits bekannter Details. Wirkliche Neukonstruktionen gab es nur noch zwei
Mal. 1958 stellt Gibson seine SemiAcoustic-Reihe vor. Es handelt sich dabei um Modelle, die echte Bindeglieder zwischen der Gitarre mit akustisch funktionsfähigem Korpus und solchen mit massivem Korpus darstellen. Gibson hat dazu seine Thin-LineReihe aus dem Jahr 1955 modifiziert. Der bis dahin flache, aber hohle Korpus bekam ein massives Mittelsegment. Die Rückkopplungsempfi ndlichkeit wurde dezimiert, gleichzeitig verlängerte sich das Sustain. Die Modelle ES-335, ES-345 und ES-355 avancierten ebenfalls zu Klassikern.
Noch ein weiteres Mal konnte Gibson mit einer wirklichen Erfindung auf den Markt kommen, als 1963 die FirebirdReihe vorgestellt wurde. Diese Gitarren verfügten über ein einteiliges Hals-Korpussegment. Der Hals war also weder eingeleimt noch eingeschraubt, sondern durchgehend: Hals und Korpusmittelstück waren eine Einheit. Firebirds zählen zwar heute auch zu den Klassikern unter den E-Gitarren, damals, in der ersten Hälfte der 60er Jahre, waren sie jedenfalls ein kommerzieller Misserfolg für Gibson.
Alle heute existierenden EGitarren lassen sich auf eine Handvoll Modelle zurückführen: Gibson ES-150, Fender Telecaster, Fender Stratocaster, Gibson Les Paul, Gibson ES-335 und Gibson Firebird waren (und sind heute noch) die Maßstäbe, an denen sich alle anderen Konstrukteure orientiert haben. Form, Farbe und Materialauswahl sowie die Bestückung mit elektrischen Bauteilen lassen sich beinahe beliebig variieren, etwas wirklich Neues entsteht dabei allerdings nicht. Bestes Indiz für diese These scheint die Tatsache, dass diese Klassiker auch heute noch keine Konkurrenz durch Neukonstruktionen fürchten müssen. Im Gegenteil, es gibt eine Menge Musiker, die ein altes Stück einem neuen vorziehen. Fazit: Da es an der E-Gitarre offenbar nichts Grundlegendes mehr zu verbessern gibt, muss es sich wohl um ein perfektes Instrument handeln, dessen Entwicklungsgeschic hte spätestens 1963 geendet hat.
Und trotzdem gibt es immer wieder interessante Entwicklungen. Bahnbrechend waren in den 80er Jahren die so genannten MIDI-Gitarren (MIDI steht für „Musical Instrument Digital
Interface“). Sie eröffnete den Gitarristen eine Klangwelt, die bis dahin den Keyboardern vorbehalten war
Letztes
Vorläufig letzter Stand der Entwicklung stellt die Variax von Line6 dar. Diese so genannte „Modeling-Gitarre“ kann dank digitaler Technik die Klang-Eigenschaften verschiedener klassischer EGitarren-Modelle abrufen. Vereinfacht gesagt finden sich in einem einzigen Instrument die Sounds einer Stratocaster, einer Les Paul, ein Tele etc. und sogar von akustischen Modellen. Auch für Bassisten gibt es solche Instrumente. Zweifellos ein revolutionärer Ansatz für den EGitarrenbau.
