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Eltern eines besonderen Kindes

Jeder Mensch hat seine Stärken und Schwächen

Juliana kam drei Wochen zu früh zur Welt. Mein Bruder befand sich zu der Zeit gerade geschäftlich im Nahen Osten. Immer noch überwältigt und geschockt von der Diagnose klingelt einige Tage nach der Geburt bei mir im Krankenhaus das Telefon. Die Verbindung war nicht besonders gut und dennoch vernehme ich die Freude in der Stimme von Julianas einzigem Onkel: „Herzlichen Glückwunsch!“ … Sofort schießt es mir durch den Kopf: „Oh je, er weiß es noch gar nicht.“ Mir steigen Tränen in die Augen und ich überlege kurz, wie ich ihm die traurige Nachricht übermittle, dass seine Nichte nicht so ist, wie er es sich vielleicht vorgestellt hat: „Sie hat das Down-Syndrom“ sage ich kurz und bündig. „Ich weiß. Ja und?“ Die Freude ist nach wie vor in seiner Stimme. Und ich war sprachlos. Das war die schönste Reaktion, die ich seit der Diagnosemitteilung erhalten hatte. Kaum einer beglückwünschte uns zur Geburt unserer Tochter. Die meisten waren einfach nur tief betroffen. Die bunten Luftballons gab es nicht, dafür bekamen wir das Buch „Trostgedanken“ geschenkt. Manchmal wünsche ich mir, alle Menschen wären so unbefangen und vorurteilsfrei wie mein Bruder, der allem „Andersartigen“ stets mit positiver Neugierde und Aufgeschlossenheit gegenübertritt. Auch bei ihm war dies nicht immer so: Sein Zivildienst, den er in einer Organisation für Menschen mit Behinderung abgeleistet hat, ist für ihn eine sehr gute Lebensschule

Sich anderer annehmen bedeutet, dem Leben einen Sinn geben.

Hannah Arendt

gewesen und hat ihm in vielen Dingen die Augen geöffnet: „Jeder Mensch hat seine Stärken und Schwächen“, so denkt er heute.

Die Reaktion meines Bruders hatte in mir damals etwas ausgelöst. Als ich nach dem Telefonat meine kleine Tochter in den Armen hielt, wusste ich, dass ich sie so lieb haben würde, wie sie war, dass sie für mich das wundervollste Geschöpf auf Erden sein würde, und dass wir zusammenhalten würden und gemeinsam neue Träume träumen würden. Und irgendwann war auch ich so weit: „Ja, und? “

Vergleiche: Außergewöhnlich. Conny Rapp, Edition Jakob van Hoddis

Zu erfahren, dass das eigene Kind eine Behinderung hat oder unter einer schweren Krankheit leidet, ist eine der schwersten Belastungen für Mütter, Väter und die ganze Familie. Viele Fragen stellen sich: Warum? Haben wir etwas falsch gemacht? Bin ich, sind wir Schuld daran? Was kommt nun alles auf uns zu? Wie wird es weitergehen? Was müssen wir alles umstellen in unserem bisherigen Leben? Schaffen wir das? Dies kann, vor allem zu Beginn, sehr verunsichernd sein und sehr sensibel machen. Eltern brauchen in dieser Zeit außerdem meist noch viel Kraft für eventuelle Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte. Jede Mutter, jeder Vater hat seine eigene, persönliche Weise, diese neue Situation zu verarbeiten. Wichtig kann es nun als Paar sein, sich möglichst trotzdem kleine Inseln der Zweisamkeit zu schaffen: Etwas gemeinsam zu unternehmen, das beide freut, sich als Paar zu erleben. Und miteinander offen und ehrlich zu reden – über alles, was einen belastet oder auch freut. Auch die Familie und FreundInnen lernen meist langsam, mit der veränderten Situation umzugehen. Dabei spielen oft Unsicherheit, Mangel an Erfahrung oder Ängsten und Betroffenheit eine Rolle. Auch hier kann häufig ein offenes Gespräch hilfreich sein, und deutlich zu sagen, wo und wie man sich Unterstützung von den anderen wünscht.

Unterstützung für Familien mit einem Kind mit Behinderung

Familien mit Kindern mit Behinderungen werden von verschiedenen Gesundheitsdiensten begleitet, vor allem von den Psychologischen Diensten und den Diensten für Kinderrehabilitation und Kinderneuropsychiatrie (Gesundheitsbetriebe Bozen, Brixen, Bruneck und Meran). Sie werden auch in der Begleitung und Pflege des Kindes unterstützt (durch finanzielle Leistungen, Arbeitsfreistellungen der Eltern ...). Informationen und Beratung dazu bieten die zuständigen Sozialsprengel. Außerdem gibt es in Südtirol eine Reihe von Eltern und Betroffenen, die sich in privaten Sozialorganisationen für die Belange ihrer beeinträchtigten oder erkrankten Kinder engagieren und Beratung anbieten. Informationen dazu erhalten Sie beim Dachverband für Soziales und Gesundheit und beim Amt für Menschen mit Behinderung (Adressen siehe Adressenverzeichnis). Auch können diese Familien eine für sie kostenlose Familienbegleitung erhalten (mehr Informationen dazu finden Sie im Adressenverzeichnis).