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Titelstory
„MAN MUSS NICHT STUDIERT HABEN, UM GLÜCKLICH UND ERFOLGREICH IM BERUF ZU SEIN.“
Über einen roten Teppich betritt man den ROTWILD Store in Mülheim-Kärlich. Wie Statuen stehen E-Bikes auf Podesten - übersichtlich und ordentlich. Es ist das Gegenteil eines zugestellten Fahrradladens, aber dennoch kein Museum. Man fühlt sich wohl. Zur Linken befindet sich eine ansehnliche Sesselecke, die an sportliche Autositze erinnert. Blickt man geradeaus, befindet sich dort ein Tresen mit der Kasse und einem freundlich strahlenden Matthias Knigge dahinter. Der 38-Jährige Geschäftsführer wirkt entspannt und aufgeschlossen. Seine gute Laune ist ansteckend und sofort kommt man ins Gespräch. Alles locker, keine Spur von Hochnäsigkeit - und das obwohl sich der zweifache Unternehmer auf das Erreichte eine Menge einbilden könnte. Stattdessen macht er zwei Cappuccino und wir nehmen in den Sesseln Platz. Machen auch Sie es sich gemütlich und lernen den Jungunternehmer, die Radbranche und ROTWILD kennen. Aber Achtung, jederzeit kann Kundschaft kommen, denn kaum dass sich die Öffnungszeit nähert, klingelt das Telefon, Pakete werden geliefert oder abgeholt und der erste Kunde erscheint vor der Tür.
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HHerr Knigge, Sie haben zwei Unternehmen, richtig? Unternehmen - das hört sich immer so groß an. Man sieht sich selbst aber nie so groß. Ich habe in Cochem an der Mosel ein Fahrradgeschäft namens SCHALTWERK inklusive Fahrradverleih und den ROTWILD Store hier in Mülheim-Kärlich.
Seit wann gibt es den ROTWILD Store in Mülheim-Kärlich? Seit 2016. Wir führen hier keine anderen Marken, Kinderfahrräder und sonstigen Modelle. Ich vergleiche das mit Porsche. Wenn man zu Porsche fährt, hat man auch ein gewisses Preisniveau, Hochwertigkeit und meist ein ausgewähltes Sortiment. Auch hier ist die Marke der rote Faden.
Das Geschäft in Cochem haben Sie bereits 2009 gegründet. Wie unterscheidet es sich vom ROTWILD Store? Im SCHALTWERK gibt es alles von A bis Z. Da kommt der Papa mit dem Kinderrad seines Sohnes, das repariert werden muss oder eine Oma mit ihrem Hollandrad. Zusätzlich zum Fahrradladen haben wir in Cochem auch den Fahrradverleih mit um die 100 Leihrädern. Das läuft allein schon aufgrund des Tourismus sehr gut und ist ein

großes Geschäftsfeld geworden. Ich verbringe den Großteil meiner Arbeitszeit allerdings in Mülheim-Kärlich und kümmere mich hier selbst um alles. Das bereitet mir Freude.
Wie sehen Ihre Aufgaben aus? Ich mache alles. Ob ich Räder aus dem Lager hole und für die Ausstellung fertigmache, Rechnungen schreibe oder alles rund um Online erledige, Versandetiketten ausdrucke und Inspektionen in der Werkstatt organisiere - alles. Besonders gerne berate ich aber die Kundinnen und Kunden. Meine Arbeitstage dauern oft von morgens um sieben bis abends neun oder halb zehn.
Arbeiten Sie auch selbst an den Rädern und greifen zum Werkzeug? Ja klar. Reparaturen kommen hier aber selten vor, grundsätzlich mache ich sehr viele neue Räder fertig. Für Reparaturen nehme ich Räder mit nach Cochem. Dort habe ich meinen Mechaniker, der mit solchen Aufgaben vertraut ist. Denn wenn hier viel los ist, kann ich nicht für vier Stunden in der Werkstatt verschwinden.
Die Leidenschaft für Räder steckt aber in Ihnen. Das auf jeden Fall, aber wenn ein Geschäft wächst, hat man als Geschäftsführer immer weniger Zeit zum Schrauben. Der Fokus rückt auf andere Sachen, die auch wichtig sind. Denn der ganze Apparat muss funktionieren und die Leidenschaft zum Schrauben ist keine Kernkompetenz dafür. Ich mag den Austausch mit den Kunden. Wie kann man sich Ihre Kunden vorstellen? Kommen viele aus der Region? Ja, inzwischen ist das so, aber als der Laden 2016 eröffnet wurde, kannten ihn natürlich noch nicht viele. Ich verkaufe viel deutschlandweit, weil ich mit ROTWILD ein sehr großes Einzugsgebiet habe. Auch nach Spanien, Schweiz, Italien und Österreich habe ich schon verkauft. Die Leute fahren mitunter 200 oder 300 Kilometer, wegen der E-Bikes.
Sie sind gewiss nicht der einzige ROTWILD-Händler, warum fahren die Kunden so weit zu Ihnen? Alle, die ROTWILD verkaufen in Deutschland, haben auch noch andere Marken und sind nicht auf diese eine spezialisiert. Das sind alles ganz klassische Fahrradgeschäfte. Sie haben Trekkingräder, Kinderräder, Mountainbikes - möchten unterschiedliche Bereiche abdecken, verfügen deshalb aber immer nur


über eine begrenzte Anzahl von Rädern der jeweiligen Marke. Ein Monostore wie meiner hier in Mülheim-Kärlich ist zwar für den Inhaber riskant, wenn die Produkte der Marke, auf die man sich spezialisiert hat, am Markt nicht gut ankommen. Bei ROTWILD mache ich mir da aber keine Gedanken, weil sie von Jahr zu Jahr immer gefragter werden und die Produkte wirklich sehr gut sind. Auch Lieferschwierigkeiten können für Monoläden schwerwiegende Folgen haben. In Corona-Zeiten ist das ein heikles Thema. Doch auch in diesem Punkt läuft es mit ROTWILD gut. Zum einen hat die Marke ohnehin keine hohe Stückzahl und zum anderen wird immer Ware geliefert, weil sie grundsätzlich nur Räder bauen, die tatsächlich gebraucht werden.
Sie sind demnach ein ROTWILD-Experte. Ja, ich bin wohl derjenige, der im Laufe der Jahre die meisten ihrer Räder verkauft hat.
Was macht die Marke aus? Sportlichkeit, hoher Standard, Wertbeständigkeit, Innovation. Natürlich kommt es auch auf den Verkäufer an, doch das macht die Marke nicht besser. Es gibt nicht wenige gute Hersteller, aber ROTWILD ist die Kirsche oben drauf.
Wie sind Sie zu ROTWILD gekommen? Vermutlich so, wie die meisten zu Marken kommen. Ich kannte die Firma schon, als es noch keine E-Bikes gab und ROTWILD deutlich weniger bekannt war. Wenn man ein Fahrradgeschäft führt, wie ich das in Cochem, schaut man sich genau an, welche Marken am Markt sind und was sie im Programm haben. Wenn man sein Angebot erweitern möchte, sucht man in der Regel nach hochwertigen Produkten und schaut, ob es sich um deutsche Hersteller handelt. Was kennt man aus den Fachzeitschriften? Dann schreibt man die Marke an und wenn es zusammenpasst, ist das in der Regel kein Problem. Es ist also kein Zufall, sondern eine bewusste Entscheidung. Wo sind Sie aufgewachsen? 1983 kam ich in Braunschweig zu Welt, aber bereits etwa zwei Jahre später zogen wir nach Koblenz um und haben in Ehrenbreitstein gewohnt. Mein Vater hatte Architektur studiert und kam nach Koblenz in die Verwaltung. Hier blieben wir bis 1990 und zogen dann ebenfalls aus beruflichen Gründen nach CochemFaid. Ich ging damals in die zweite Klasse. Mit dem Fahrrad zur Grundschule zu fahren war ein Highlight. Später besuchte ich die Realschule in Cochem, war Teil der Fahrrad-AG und verband mit dem Radfahren Freiheit sowie Unabhängigkeit. Nach der Schule machte ich eine Lehre zum Zweiradmechaniker.

War das schon immer Ihr Berufswunsch gewesen? Nein, das war fast ein Zufall. In Cochem gab es damals nur einen Fahrradladen. Dort hatte mein Vater sein Rad gekauft, ein KHS Montana. Ich fand das toll und bin damit gerne gefahren. Auch begleitete ich meinen Vater, wenn er das Rad zur Reparatur brachte - so fing alles an. Manchmal fuhr ich nach der Schule zum Laden, habe dort immer wieder mal ausgeholfen und mein Interesse wuchs. Dann kam die Fahrrad-AG hinzu und das Thema Rad hatte mich ergriffen.
Verbinden Sie nur positive Erinnerungen mit Fahrrädern? (lacht) Ich hatte einmal das alte Klapprad von meinem Opa, das mir gar nicht gefiel. Also fuhr ich es gegen die Wand, so dass die Gabel verbogen war. Ich wusste genau, dass am nächsten Tag Sperrmüll war und hoffte daher auf ein neues Rad. Dummerweise ging mein Plan nicht auf. Ich bekam kein neues Fahrrad und das Klapprad war kaputt, also hatte ich gar keins. Da war ich etwa zehn Jahre alt und fand die Situation absolut nicht schön. Wie ging es nach Ihrer Ausbildung weiter? Eigentlich wäre ich gerne im Geschäft meines Ausbilders geblieben, aber er konnte mich nicht übernehmen. Das war ein kleiner Laden. Deshalb wechselte ich nach Zell zu einem Autohändler, der auch Fahrräder verkaufte. Für ihn war ich vier Jahre tätig. Mir war aber immer klar, dass es sich dabei lediglich um eine Zwischenstation handelte. Denn ich war Mädchen für alles - Verkauf, Werkstatt und das übliche Geschäft. In Cochem gab es damals im
alten Postgebäude ein Café mit Fahrradverleih. Dort half ich nebenbei aus und es passte irgendwann gut zusammen, dass der Inhaber in andere Räumlichkeiten umziehen und ich einen eigenen Fahrradladen haben wollte. Er sagte zu mir: “Dann starte dein Geschäft doch hier in Cochem und übernimm zusätzlich meinen Fahrradverleih.” Das tat ich dann.

Haben Sie den Job in Zell gekündigt und sofort Ihren eigenen Laden eröffnet? Nein, nach der Kündigung habe ich 2008 zunächst den Betriebswirt bei der Handwerkskammer Koblenz gemacht. Das war mir wichtig, damit ich kaufmännisch gut aufgestellt bin und nicht nur Ahnung von der technischen Seite habe. Betriebswirt des Handwerks nennt sich dieser Abschluss. Im April 2009 eröffnete ich mein Geschäft in Cochem.
Das war also ein gut geplantes Vorhaben. Wenn man feststellt, dass man das, was man macht, nicht für den Rest seines Lebens machen möchte, muss man seine Rückschlüsse daraus ziehen und ins Handeln kommen. In Cochem gab es zu dem Zeitpunkt bereits zwei Fahrradläden, aber auf keinen davon traf das zu, was ich vorhatte. Manche Ladenbesitzer mögen keine Veränderungen, gehen nicht mit der Zeit und belassen alles jahrzehntelang gleich. Ich dachte innovativer. Als Fahrrad-Experte hatten Sie sich bestimmt bereits im Vorfeld einen Namen gemacht. Bekanntheit ist immer das A und O, definitiv. Ich habe schon früh auch Fahrräder aus den Nachbardörfern repariert und die Leute kannten mich. Das war bestimmt von Vorteil, weil ich nicht bei Null anfangen musste. Außerdem hatte ich zusätzlich den Fahrradverleih und wusste, dass von dieser Seite im Sommer einiges reinkommt und mir eine Basis sichert.

Wollten Sie etwas ganz anders machen als die Mitbewerber? Ja, ich bin ein kreativer Mensch und habe schon immer viel gezeichnet. Mein Vater ist Architekt, meine Schwester hat Grafikdesign gemacht - wir sind eine künstlerisch angehauchte Familie. Insofern hatte ich durchaus einen Blick darauf, wie das alles auszusehen hat. Trotzdem: Wenn ich heute auf die alten Fotos schaue, wird mir ganz komisch. Damals waren andere Dinge angesagt und natürlich habe auch ich mich weiterentwickelt. Eines war mir aber damals wie heute wichtig: Ich wollte nie einen überfüllten Laden

haben, in dem überall Räder stehen oder von der Decke hängen. In Cochem hatte ich anfangs nur knapp 35 qm Fläche, in der Werkstatt etwa 15qm. Ich gestaltete den Laden im modernen Design mit viel Holz und einem grünen Teppich, an dem man mich im Internet erkannte. Denn ich habe schon damals auch online überregional verkauft und auf den Fotos war immer der grüne Teppich präsent. (lacht)
Hatten Sie von Anfang an hohe Ziele? Nein, anfangs wollte ich lediglich einen gut laufenden, kleinen Fahrradladen haben, von dem man leben kann. Doch wenn man in die Selbstständigkeit reinwächst, ist okay nicht gut genug. Man strebt nach mehr. Mit dem heutigen Umfang hätte ich trotzdem nicht gerechnet. Das ist mir mit der Marke ROTWILD gelungen. Es sind teure Räder - und wenn man viele davon verkauft, kann man sich vergrößern. So kam eines zum anderen. Haben Sie auch schon in Ihren Anfängen in Cochem ROTWILD-Räder verkauft? Nicht von Anfang an, aber bereits Ende 2009 ging das Schritt für Schritt los und steigerte meine Einnahmen. Dadurch konnte ich mehr investieren und auch mehr Ware kaufen, die wiederum verkauft werden konnte. Dieser Kreislauf schaukelte sich zunehmend nach oben. Ich habe dann in Cochem zusätzlich eine Halle übernommen, die mir mehr Lagerfläche bot und in der auch Leihräder Platz fanden, so dass ich den Verleihpool erweitern konnte. Als nächstes bekam ich einen Mitarbeiter hinzu, der bei mir seine Ausbildung machte und auch heute noch bei uns arbeitet. So wuchs das Geschäft. Irgendwann war auch die Halle voll und ich machte mir Gedanken über den nächsten Schritt.
Wie kamen Sie auf die Idee, den Store in Mülheim-Kärlich zu eröffnen? Ich hatte bereits Kunden in der Koblenzer Umgebung und habe mich mit der Zeit gefragt, ob es nicht sinnvoll wäre, vor Ort etwas zu eröffnen. 2015 habe ich mich hier umgeschaut und 2016 das Geschäft aufgemacht. Zunächst nur im überschaubaren Umfang und als Outlet Store. Ich habe viel Auslaufware verkauft. Günstig einkaufen, zum
guten Preis verkaufen - so hat man immer ein schnell drehendes Geschäft. Bloß gab es irgendwann keine Auslaufware mehr, weil Kunden in der Saison alles kauften, was ROTWILD produzierte. Seit 2019 ist das daher ein ROTWILD Store und wir verkaufen nur aktuelle Ware. Letztes Jahr habe ich das komplette Gebäude übernommen und bin somit zum Vermieter der sechs hier ansässigen Unternehmen geworden.
Wenn man Sie erzählen hört, klingt das alles wie ein Klacks, aber es ist eine Leistung, sich einen Kundenstamm aufzubauen und das Business so wachsen zu lassen. Für diejenigen, die sich für Räder interessieren und bereit sind dafür zu bezahlen, spricht das Produkt für sich. ROTWILD ist eine hervorragende Marke. Wer einen Porsche haben will, holt sich einen Porsche, weil er nichts anderes fahren möchte - so ist es teilweise bei den Radfahrern auch: Sie wollen ROTWILD haben. Ich mache daher wenig Werbung. Das meiste läuft über Mundpropaganda. Zufriedene Kunden sind entscheidend und ich lege viel Wert auf den Kundenservice.
Sie vergleichen ROTWILD gerne mit Porsche, warum? Das, was Porsche in der Automobilbranche ist, ist ROTWILD in der Radbranche. Beide Marken sind gut miteinander vergleichbar. Es sind innovative deutsche Hersteller mit hochqualitativen Produkten. Nicht grundlos baut ROTWILD die Räder für Porsche.
Wer sind Ihre Kundinnen und Kunden? Vom Arbeiter über den Anwalt bis zum Firmenchef - alles ist dabei.
Gibt es besondere Herausforderungen in Ihrer Branche? Die Radbranche ist nicht einfach. Nahezu jedes Einzelteil ist von einem anderen Hersteller und jeder ist nur für sich verantwortlich. Wenn also ein Kunde mit seinem Fahrrad kommt und zum Beispiel etwas reklamieren möchte, muss ich an den Gabelhersteller, den Felgenhersteller oder einen anderen herantreten - je nach dem, um welches Teil es geht. Das läuft alles separat ab, deshalb ist die Radbranche viel komplizierter als die Automobilbranche.
Je komplizierter das ist, desto wichtiger sind Sie. Total. Allerdings ist das sehr anstrengend und aufwendig, deshalb kümmere ich mich gerne selbst um alles. Denn jedes Unternehmen hat eigene Regularien und ich kenne mich mit ihnen aus. Manche haben längere Lieferzeiten, bei anderen geht es schneller. Mir ist guter Kundenservice sehr wichtig, deshalb habe ich einige Austauschteile da, muss aber manchmal auch Sachen anfordern. Natürlich spielt dabei auch die Vertrauensbasis eine Rolle. Viele Kunden bleiben bei ihrem Fahrradhändler - die Beständigkeit ist hoch. Jetzt, in Zeiten der knappen Räder, wechseln einige jedoch die Marke - und nicht selten in die nächsthöhere Preiskategorie.

Wir leben gerade in Zeiten der knappen Fahrräder? Durch Corona wurden deutlich mehr Räder gekauft. Da die Urlaubsplanung wegfiel, haben viele in neue Fahrräder investiert. Als ich mich einmal wunderte, dass ein Ehepaar spontan Räder für über 20.000 Euro kaufte, sagten sie mir: “Wir machen üblicherweise Urlaub auf den Malediven - das ist auch nicht billiger.” Ich spreche hier von Menschen, die vorher keine Erfahrung mit E-Bikes hatten.
ROTWILD hat sich auf E-Bikes spezialisiert? Richtig. E-Bikes der Marke gab es schon 2011, aber die waren ganz anders als heute. Man kann das mit Pkws vergleichen. Was konnten Autos früher, was können sie heute? Damals produzierte ROTWILD parallel auch noch herkömmliche Räder. Seit 2020 sind es ausschließlich E-Bikes. Das Modell, das wir hier sehen, wurde Ende 2019 vorgestellt und war und ist der Kracher. Die 750er-Serie von ROTWILD ist sehr gefragt - das war übrigens auch schon vor Corona so. Der Ausverkauf ist stets garantiert, die Pandemie hat den Verkauf lediglich beschleunigt. Was kostet so ein E-Bike von ROTWILD in etwa und gibt es eine Story dahinter? Das Modell, von dem ich gerade sprach, kostet 11.500 Euro. Es wurde von einem Designer entwickelt, der früher für Canyon gearbeitet hat und gerne E-Bikes entwerfen wollte. Für Canyon kamen E-Bikes damals nicht in Frage, daher wechselte er vor einigen Jahren zu ROTWILD und lebt dort seitdem seine Kreativität aus. Das ist übrigens eines der besten Räder auf dem Markt. ROTWILD produziert nur bis zu 7.000 Räder pro Jahr.
In den Medien ist immer wieder zu lesen, dass mit E-Bikes die Unfallgefahr zugenommen hat. Das betrifft aber nicht die E-Mountainbikes, da sie eher abseits der Straßen unterwegs sind. Ich denke schon, dass die Unfallgefahr auf Fahrradwegen und Straßen zugenommen hat, weil Autofahrer und unerfahrene Radfahrer die Geschwindigkeit dieser Räder nicht gut einschätzen können.
Warum sind E-Bikes so gefragt? Früher sagten manche zum E-Bike “Gehhilfe” und wollten nichts damit zu tun haben. Mittlerweile hat sich das gedreht und sie sagen: “Das


hätte ich mir schon viel früher kaufen sollen.” Viele wollen sich nach Feierabend den Kopf frei fahren, die frische Luft genießen, haben aber nicht viel Zeit. Sie wählen das E-Bike, weil sie damit schneller vorankommen und ihre Strecke fahren können. Auch der Spaßfaktor ist nicht zu unterschätzen. Diejenigen fahren häufiger pro Woche als zuvor und bekommen somit oft sogar noch mehr Bewegung ab als ohne Motor. Man fährt übrigens in einem Pulsbereich, der für viele gut ist. Der sportliche Aspekt ist da. Im Grunde spricht alles für ein E-Bike, außer eventuell die Anschaffungskosten, aber in dem Fall gibt es auch das Fahrradleasing.
Muss man als Fahrradhändler innovativ denken? Wenn man bestehen und Erfolg haben möchte, ja. Innovation im Laden ist wichtig. Das fängt im Kleinen an. Man muss moderner werden, aber es gibt immer noch Fahrradgeschäfte, in denen kein einziger Computer steht und es kein richtiges Kassensystem gibt. Das liegt oft an branchenfremden Inhabern. Man darf aber nicht vergessen: Es gibt auch den Kunden nach dem Kauf, der bestenfalls irgendwann wieder etwas kaufen wird. Gute Beratung und Menschlichkeit sind wichtig. Wer ungern mit Menschen zu tun hat, wäre in diesem Beruf fehl am Platz.
Wie sind Sie privat? Ich lebe mit meiner Freundin und unserem anderthalbjährigen Sohn in Büchel und versuche die Zeit mit ihnen zu genießen, auch wenn ich wirklich viel arbeite. Denn auch am Sonntag habe ich nicht komplett frei, sondern schaue beim Fahrradverleih in Cochem vorbei. Außerdem fahre ich selbst gerne Rad und interessiere mich für Autos. Üblicherweise bin ich regelmäßig am Nürburgring und habe dort ein Team, das für SCHALTWERK Werbung macht. Die Verbindung zum Motorsport ist da und darüber lerne ich übrigens immer wieder neue Menschen kennen, die nicht selten zu meinen Kunden werden. Wollten Sie nie in die Ferne? Meine Schwester lebt seit über 15 Jahren in Australien und auch ich habe früher manchmal gesagt, dass ich mir dort gerne etwas aufbauen würde, aber nein, hier bin ich glücklich. Das ist so eine schöne Region. Nicht grundlos kommen viele Menschen zum Radfahren an die Mosel.
Sie wirken zufrieden und scheinen alles richtig gemacht zu haben. Ja, so wie es gekommen ist, ist es genau richtig. Viele sagen “Ach hätte ich doch studiert!”, aber ich sehe es anders. Jeder kann auch ohne Studium viel erreichen und mit kleinen Mitteln Großes schaffen. Den ROTWILD Store hätte ich ruhig schon früher eröffnen können, aber alles andere würde ich wieder genauso machen.

ALEXANDRA KLÖCKNER
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