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Porträt Thomas Hampson

IM GLEICHGEWICHT

In Thomas Hampson vereint sich eine kostbare Stimme mit einem scharfen Sänger-Intellekt und erlesener Gestaltungskunst. In Dortmund zeigt er einen Ausschnitt aus seinem gewaltigen Opernrepertoire.

JIYANG CHEN

Von der »Fülle des Wohllauts« spricht Thomas Mann in seinem »Zauberberg«. Fast könnte man glauben, die Stimme von Thomas Hampson sei damit gemeint. Selbst der sonst so kritische Sängerkenner Jürgen Kesting schrieb einmal von der »blühenden Schönheit seines Singens«. Kein Wunder, verfügt der Amerikaner doch über einen der schönsten Baritone der jüngeren Gesangsgeschichte: Balsamisch warm, weich und voll ist diese Stimme, von einem betörenden Timbre, die leichte Höhe auf einem sicheren Klangfundament fußend, dazu wandlungsfähig und textgenau. Mit diesem edlen Instrument hat sich Thomas Hampson ein Repertoire erarbeitet, das umfassend und außergewöhnlich ist: Allein 200 Aufnahmen zeugen von der großen stilistischen Bandbreite und dem famosen Können des Sängers – viele davon ausgezeichnet mit den wichtigsten Musikpreisen wie dem »Grammy«, dem »Gramophone Award« oder dem »ECHO Klassik«. Von Operettenliedern über Songs von Cole Porter und Kurt Weill bis hin zu nahezu allen Opernpartien seines Fachs erstreckt sich sein Repertoire, hinzu kommt der gewaltige Kosmos des Kunstliedes, in dem er sich ebenfalls mit traumwandlerischer Sicherheit bewegt.

Doch nicht nur damit verblüfft Thomas Hampson, sondern auch und vor allem mit der konstanten Qualität seiner Interpretationen. Sie sind Resultat eines enormen Anspruchs an sich selbst und der akribischen Vorbereitung, die der Sänger mit fast schon philosophischem Eifer betreibt. Damit findet er immer wieder zu Ergebnissen, die überraschen und unsere Ohren für bisher Ungehörtes öffnen. Zum Beispiel in seiner Einspielung der »Wunderhorn«- Lieder, deren Partituren er mit kammermusikalischer Sorgfalt ausgeleuchtet und so zahlreiche leicht zu übergehende Details zu Tage gefördert hat. Dabei war der Weg als Sänger keinesfalls vorgezeichnet: 1955 in Spokane, Washington, in eine nicht besonders musikalische Familie geboren – der Vater war Nuklearingenieur –, wurde die Gesangslehrerin Marietta Coyle auf sein Talent aufmerksam. »Gott hat dich zum Sänger bestimmt, und du hast die Pflicht, einer zu werden«, soll sie ihm gesagt haben. Und Thomas Hampson folgte ihrem Rat.

Nach dem Studium in Amerika besuchte er Meisterkurse bei der legendären Elisabeth Schwarzkopf, die er rückblickend als »die intensivste Arbeitszeit meines Lebens« bezeichnet hat. »Es gab keine zwei Phrasen, die wir ohne Unterbrechung gesungen haben. Ich bin damals meist übers Wochenende zu ihr nach Zürich gefahren. Dort haben wir sechs bis sieben Stunden am Tag miteinander gearbeitet – oft nur an einem einzigen Lied. Um es am Schluss, wenn die Kraft dazu noch reichte, einmal durchzusingen. Es war eine extrem feine Arbeit an der Glaubwürdigkeit des Ausdrucks, daran, wie die Stimme verwendet werden kann.« Zur gleichen Zeit war der junge Bariton Ensemblemitglied an der Oper in Düsseldorf, wo er zunächst für drei Jahre kleine Rollen sang. »Disziplin und Handwerk« habe er dort gelernt, erinnert er

sich an diese für ihn so wichtigen Lehrjahre: »Als ich an die Deutsche Oper am Rhein engagiert wurde, war sie das größte Ensemble-Haus der Welt. Nirgendwo sonst gab es mehr Sänger pro Repertoire als hier. Das heißt, dass ich in meinen kleinen Rollen, etwa als Heerrufer in ›Lohengrin‹, mit berühmten Kollegen zusammen auf der Bühne stehen durfte. Abend für Abend habe ich mit diesen erfahrenen Sängern gesungen und konnte von ihnen lernen.« 1984 wechselte Thomas Hampson dann nach Zürich, wo er im berühmt gewordenen Mozart-Zyklus unter Nikolaus Harnoncourt in der Regie von Jean-Pierre Ponnelle sang.

Mozart war in diesen frühen Jahren so etwas wie das stimmliche Zentrum für Thomas Hampson, seine vokale Heimat sozusagen. »Er schreibt Musik, die unmittelbar aus unseren Herzen kommt«, beschreibt er die andauernde Leidenschaft für den Salzburger Meister. »Das heißt, dass diese Musik ein Widerklang unserer Existenz ist. Er hat Werke geschrieben, die wirklich nur aus der Seele und dem Herzen kommen. Oft spüre ich in seiner Musik auch seine eigene Einsamkeit. Und das rührt uns an. Aber Einsamkeit – oder besser gesagt: ›solitude‹ – ist der einzige Weg, die wahre Persönlichkeit zu erkennen.« Mit dem Grafen aus Mozarts »Figaro« gab Thomas Hampson 1988 dann auch sein Debüt bei den »Salzburger Festspielen« – und war fortan auf allen großen Bühnen gefragter Gast. Stetig hat er sein Repertoire dabei erweitert, den lyrischen Partien folgten große Bariton-Rollen wie Verdis Simon Boccanegra und sogar dramatische Schwergewichte wie Scarpia und Jago. Daneben singt er aber auch ebenso selbstverständlich den Danilo in Lehárs »Die lustige Witwe«.

Dass Thomas Hampson seit über 40 Jahren mit einer derart konstanten Qualität auf der Bühne steht, verdankt er nicht zuletzt seiner klugen und überlegten Karriereplanung. Den Verlockungen des Betriebes hat er stets bewusst widerstanden. »Vor allem am Anfang meiner Karriere habe ich nie Opernrollen angenommen, von denen ich dachte, dass sie die Flexibilität meiner Stimme im Liedgesang gefährden könnten«, erklärt er seine Maxime. »Diese Balance zwischen Oper und Lied war immer vorhanden. Nicht weil ich unbedingt Liedsänger werden wollte, sondern um ein Sänger zu sein, der alles singen konnte. Meine Stimme war immer ein ausgeprägt lyrischer Bariton. Wenn ich als junger Sänger schon die schweren deutschen oder italienischen Partien gesungen hätte – erstaunlicherweise wurden sie mir tatsächlich angeboten –, wäre das sicher nicht gut gegangen.« Glücklicherweise ist alles gut gegangen und Thomas Hampson, der mittlerweile 63 Jahre ist, kann seine Kunst noch immer mit einem enthusiastischen Publikum teilen.