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Zwischen "Mutti" und "Volksverräterin"
Zwischen "Mutti" und "Volksverräterin": Deutschland nach 16 Jahren Merkel
King's College London German Writing Competition Winner: Zuzanna Szczypek
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Für die Weltpolitik war es schon eine kleine Sensation als Angela Merkel 2005 Kanzlerin wurde. Bereits am Anfang ihrer Karriere als Kanzlerin musste sich Merkel mit viel Skepsis und vielen Vorurteilen auseinandersetzen.
Am Ende ihrer Kanzlerschaft, also 16 Jahre später, sind Umfragen zufolge etwa 80 Prozent der Menschen in Deutschland mit ihrer Arbeit als Kanzlerin zufrieden. Das erscheint zunächst etwas unverständlich, denn gerade auf europäischer Ebene war Merkel oftmals mehr als nur umstritten. In rechten Kreisen des politischen Milieus wurde Angela Merkel fast schon zu einer Verkörperung des Bösen gemacht: „Merkel muss weg“ wurde zu einem weit verbreiteten Slogan und Symbol der Spaltung der Gesellschaft, insbesondere im Osten der Republik. Das Jahr 2015 mit der sogenannten Flüchtlingskrise wird von dieser politischen Richtung das Hauptargument der Propaganda gegen die Politik und die Person der Kanzlerin.
Merkel ermöglichte damals Hilfe in der humanitären Katastrophe, und die damit verbundene Migration wurde ihr als negative Konsequenz vorgeworfen, die sie persönlich durch ihren politischen Alleingang zu verantworten habe. Bis heute sehen sie Rechte als Volksverräterin.
Doch die scheinbar stark polarisierende Person Merkels ist faktisch gar nicht so umstritten, wie es oftmals den Anschein hat. Eine laute Minderheit verzerrt die eigentliche Realität: Denn auf der anderen Seite wurde die Kanzlerin im Volksmund auch als Mutti bezeichnet – ein Spitzname, mit dem sich wohl nicht allzu viele Politikerinnen schmücken dürfen. Der Spitzname geht auf viele Geschichten zurück, wie ihren Umgang mit Kolleg*innen, aber die wohl schönste handelt von ihrer Mutterfigur, die Schutz bietet. So wurde Angela Merkel von vielen Flüchtenden als europäische, schützende Mutter betrachtet, die sich um ihre Kinder sorgt.
Sowohl ihre Person als Frau als auch ihre Konsequenz abseits von strikter Theoriepolitik wurde ihr hoch angerechnet. Ein berührendes Symbol dafür ist ein Fall, der medialen Wellen schlug, als eine geflüchtete Mutter ihr Kind im Dank verpflichtet Angela nannte. Merkels humane Seite wurde mehrmals auch in ihrer wichtigen politischen Position sichtbar, was viele Menschen als sympathisch werten, Kritiker*innen jedoch als mangelnde Seriosität und Objektivität.

Trotzdem konnte der Machtmensch Merkel viele Leute, auch über Parteieingrenzen hinweg, durch Entschlossenheit und Handeln nach bestem Wissen und Gewissen überzeugen.
Sechzehn Jahre Merkel – was bleibt? Die jetzt produzierten Merchandise- Artikel wie Merkel- Räuchermännchen? Die berühmte Merkel-Raute? Ihre Begeisterung für den Fußball und ihr Jubel bei den Spielen? Oder das Pandemiemanagement? Die Eurokrise? Die Flüchtlingskrise? Die Korruptionsaffären ihrer Partei?
Die Gesellschaft ist gespalten. Vielleicht auch so sehr wie niemals zuvor. Aber ist das Merkels Erbe? Merkels wahres Erbe ist die europäische Idee von Frieden, Freiheit und Demokratie. Auch deshalb kann man zu den Schlussworten kommen, die eigentlich von ihren Gegnern etabliert worden sind:
Danke, Merkel!
Zuzanna Szczypek
Highgate School