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KLEINANZEIGEN

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Der Lockdown hat dazu geführt, in vielen Bereichen aufzuräumen. Auch in überfüllten Handtaschen.

FOTO: HAILEY_COPTER_ADOBESTOCK.COM

Ordnung Handy statt Handtasche?

Bis vor einiger Zeit bin ich ohne Handtasche nicht aus dem Haus gegangen. Natürlich habe ich sie passend zur Kleidung gewählt und die wichtigsten Utensilien entsprechend ausgetauscht. Eigentlich war es auch nur das, was ich wirklich brauchte. Portemonnaie, Brieftasche mit verschiedenen Ausweisen, Handy und Schlüssel.

Trotzdem blieb in jeder Tasche eine Menge zurück, die ich immer mit mir herumschleppte. Sie kennen das sicher, wenn Sie mit dem Gebrauch von Handtaschen vertraut sind. Ob Brausetablette gegen Schmerzen und Fieber, Mininähzeug, Kugelschreiber, Kamm, Knirps und Papiertaschentücher, alles hatte in jeder Tasche seinen Platz.

Dann kam Corona und im Lockdown führte der weiteste Ausflug in den nächsten Supermarkt. Natürlich kam ich nicht in Verlegenheit, eines dieser vielen Dinge aus meiner Handtasche dort zu brauchen. Nicht einmal den Regenschirm, denn im Falle von Regen nahm ich lieber meine Regenjacke oder wartete ab, bis es wieder trocken war. Die Handtasche blieb zu Hause. Jetzt verließ ich nur noch mit Geld und Handy das Haus. Denn im Handy ist vieles gespeichert, was ich im Zweifelsfall immer und überall brauchen könnte. Man ahnt ja gar nicht, wie hilfreich das Mobiltelefon beim Einkaufen ist. Das fängt schon mit der Fahrt zum ausgesuchten Laden an. Wenn er in einem Stadtteil liegt, der nicht in der Nachbarschaft ist, führt einen das eingebaute Navi sicher dorthin. Dank Frei-

sprechanlage verliert sogar zähflüssiger Verkehr den Schrecken. Ich habe einen Freund, der solche Umstände als Freiheitsberaubung ansieht. Ich nutze die „geraubte“ Zeit, um Telefonate zu führen, vor allem solche, die ich schon länger aufgeschoben habe, weil der Unterhaltungsfaktor eher gering ist. Im Auto empfinde ich solche Gespräche weniger störend und bin am Ende erleichtert, dass ich sie endlich von meiner To-do-Liste streichen kann. (Nur, damit wir uns nicht missverstehen, ich rufe in solchen Momenten aber auch gerne mal Freunde an.) Selbst eine Einkaufsliste lässt sich über das Smartphone führen. Ach ja, mein Sohn möchte noch eine Hafermilch mitgebracht haben. Kein Problem. Nur die Auswahl ist mittlerweile riesig. So groß, dass ich mit dem Auftrag, sie zu kaufen, überfordert wäre, hätte ich nicht das Bild des richtigen Produkts per WhatsApp geschickt bekommen. Das funktioniert wie die Bilderbücher der Allerkleinsten. Ein Blick aufs Foto und die bestellte richtige Hafermilch landet im Einkaufswagen. Mittlerweile bieten die großen Supermarktketten Rezepte im Internet an und liefern gleich eine Liste der benötigten Zutaten mit. Auch hier spart man sich handschriftliche Erinnerungen. Der Lockdown hat bei vielen in den eigenen vier Wänden für Ordnung gesorgt. Bei mir in meinen Handtaschen. Heute gibt es keine Quittungen, Notizen und Visitenkarten mehr, die achtlos hineingeworfen und irgendwann entsorgt wurden. Hatte ich früher immer große Taschen, mit denen ich mühelos in ein Kurzwochenende hätte starten können, benutze ich jetzt kleine Modelle, in die nur das passt, was ich wirklich brauche. Für mehr ist kein Platz. Für eines aber immer – das Handy. Als ich mir neulich eine neue Tasche kaufte, interessierte mich vor allem das Fach, das für Mobiltelefone vorgesehen war. Schließlich will ich es nicht mehr suchen müssen, wenn es unter all den Dingen liegt und klingelt. Nicht selten war das Gespräch schon weg, bevor es angefangen hatte. Das passiert jetzt nicht mehr. Barbara Herles, 63, besuchte die Deutsche Journalistenschule Fazit: Was in vielen Jahren Gewohnheit geworden ist, lässt sich nicht so einfach änund studierte an der Ludwig- dern – auf Dauer geht es auch in Zukunft Maximilians-Universität in Mün chen. Mehr als 20 Jahre lang organisierte sie für eine überre- nicht ohne Handtasche. Nur anders: Was nicht dringend gebraucht wird oder keinen gionale Tageszeitung nationale und internationale VeranstaltunPlatz hat, bleibt zu Hause. gen. Seit Anfang 2020 arbeitet sie freiberuflich. Barbara Herles

„Für mehr ist kein Platz. Für eines aber immer – das Handy. ”

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