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Zur Situation in den Aachener Kindertages stätten

Zur Situation in den Aachener Kindertagesstätten

Die Situation in der Kindertagesbetreuung in Aachen ist angespannt. Hilde Scheidt, Bürgermeisterin und Vorsitzende des städtischen Kinder- und Jugendausschusses, hatte für den 23.09.2022 zu einem offenen Austausch zur aktuellen Situation in Kindertagesstätten, die unter erheblichem Personalmangel leiden, eingeladen. Am Austausch teilgenommen haben viele betroffene Parteien, unter anderem Elternvertreter, die zuständigen Personen aus Verwaltung und Politik, Personalräte, Vertreter der Fachschulen für Sozialpädagogik und Fachkräfte selbst.

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Text: Lasse Falter

Aktuelle Situation in Aachener Kindertagesstätten

Hintergrund des gemeinsamen Treffens ist der sich immer mehr zuspitzende Mangel an Fachkräften in Aachen. In den insgesamt 145 Kindertagesstätten fehlte bereits im Frühjahr Fachpersonal im Umfang von mehr als 100 Vollzeitstellen, 50 Stellen in den 56 städtischen Kitas sind nicht besetzt. Der Mangel geht inzwischen so weit, dass einige Einrichtungen nur noch verkürzte Betreuungszeiten anbieten können und die Fachkräfte der städtischen Kindertagesstätte am Höfling offiziell Überlastungsanzeigen stellten. Die Einrichtung blieb daraufhin über eine Woche geschlossen.

Bereits im Februar dieses Jahres hatte der Ausschuss sich mit einem gemeinsam verfassten Brief an die Landesregierung gewandt. Darin forderte man den Einsatz von Verwaltungskräften, um die Leitungen zu entlasten, sowie den Einsatz von pädagogisch geschulten Zusatzkräften. Zudem gab es die Forderung, die Alltagshelfer, die während der Corona-Pandemie hinzugezogen wurden, dauerhaft beizubehalten. Sie wurden 2020 eingestellt, um den Fachkräften bei alltäglichen Aufgaben zur Seite zu stehen. Die Gelder sind bisher jedoch nur bis zum Ende des Jahres genehmigt. Mittel- und langfristig forderte man bereits die Schaffung von zusätzlichen Ausbildungs- und Studienplätzen, wofür jedoch auch mehr Lehrpersonal benötigt werde – an beidem mangelt es ebenso.

Gründe für den Mangel an Fachkräften

Dass dieser Aufruf aus dem Frühjahr an die Landesregierung die Lage nicht entspannt hat, zeigt sich nun erneut an der Notlage der Einrichtungen. Deshalb hofft man nun, im Austausch weiterzukommen, unkonventionelle Ansätze und Ideen zu entwickeln und nicht nur tatenlos zuzuschauen, wie das System zusammenbricht.

Die Gründe für den Mangel an Fachkräften sind vielfältig, vor allem jedoch spitzt sich die Lage durch die wachsende Nachfrage nach Betreuungsplätzen für Kinder zu. So hat sich bundesweit der Anteil von Kindern, die im Alter von unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen betreut werden, von 2007 bis 2021 von 15 auf 33 Prozent mehr als verdoppelt. Zurückzuführen ist diese Entwicklung vor allem auf die 2002 im Europäischen Rat beschlossenen Barcelona-Ziele, die „zur Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen“ eine Betreuungsquote von 33 Prozent für Kinder unter drei Jahren und für ältere eine Quote von 90 Prozent innerhalb der EU vorsehen. Der Europäische Rat entscheidet über die allgemeine Ausrichtung der EU-Politik, besitzt dabei aber keine Befugnis für die Erlassung von Rechtsvorschriften. Seit 1996 haben Familien mit Kindern ab drei Jahren in Deutschland ein Recht auf einen Betreuungsplatz. Dem folgte auf Bundesebene 2013 ein Gesetzesbeschluss, der Familien mit Kindern ab einem Jahr ein Recht auf einen Betreuungsplatz in der Kindertagesbetreuung verspricht. Inzwischen werden etwa 700.000 unter Dreijährige in Kindertageseinrichtungen betreut. Die Betreuungsquoten verteilen sich jedoch fast ausschließlich auf die Kinder ab einem Jahr. Im ersten Lebensjahr liegt die Quote bei lediglich ungefähr zwei Prozent, im zweiten Lebensjahr schon bei 37 Prozent und im dritten bereits bei 64,5 Prozent.

Rechtlicher Anspruch auf U3Betreuung stellt das System vor Schwierigkeiten

Dass dieser rechtliche Anspruch – und der damit einhergehende rasante Anstieg der Nachfrage zur Kinderbetreuung – das Fachpersonal und das System der Kindertagesbetreuung vor Probleme stellt, zeigt sich nun bundesweit und auch in Aachen im Mangel an Fachpersonal. Trotz steigender Personalzahlen lässt sich der Nachfrage aktuell nicht nachkommen. Es fehlen Schätzungen zufolge bundesweit 100.000 pädagogische Fachkräfte, bis 2030 wird mit bis zu 230.000 fehlenden Fachkräften gerechnet. Dieser Mangel beginnt bereits bei der Ausbildungsinfrastruktur. Hier fehlt Lehrpersonal, um Erzieherinnen und Erzieher auszubilden. Die Klassen sind voll, es lassen sich an den Fachschulen nicht mehr Kapazitäten schaffen. So bildet in Aachen die Käthe-KollwitzBerufsschule bereits fünfzügig 150 Erzieherinnen und Erzieher pro Jahrgang aus und stößt damit an ihre Grenzen. Zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer zu finden sei zudem ein Problem, da es Quereinsteigerinnen und -einsteigern unnötig schwergemacht werde und sie nicht so gut entlohnt würden wie reguläre Lehrkräfte. In den letzten zweieinhalb Jahren ergab sich ein zusätzliches Problem: Viele Auszubildende haben ihren Abschluss während der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung nicht abgeschlossen.

Belastungsfaktoren zehren an den Kräften aller

Beim Austausch im Centre Charlemagne sollte nun allen Parteien die Möglichkeit gegeben werden, sich zur aktuellen Situation und zu eigenen Ideen und Anliegen zu äußern.

Man befinde sich in einer Krisensituation, es müsse dringend gehandelt werden, waren sich alle am Austausch Beteiligten einig. Die Fachkräfte arbeiten unter enormen Belastungen, die Krankenstände sind hoch, die Stimmung ist angespannt. Sowohl auf Seiten der Mitarbeitenden als auch bei den Eltern, die natürlich auf die vertraglich festgehaltene Betreuungszeit bauen und nicht vor verschlossenen Türen stehen möchten. Zusätzlicher Belastungsfaktor für das Per-

sonal sind die in den letzten Jahren immer höher gestiegenen Ansprüche und Standards in der Kinderbetreuung, die lange nicht mehr nur die Betreuungs, sondern auch frühkindliche Bildungsansprüche umfassen. Man sehe diese hohen Standards nun durch die aktuelle Lage gefährdet, was es zu verhindern gilt. Dr. Castillo vom Fachbereich Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit berichtet auf Nachfrage über seine medizinische Sicht auf die Situation des Fachpersonals. Die Arbeit als pädagogische Fachkraft in der Kindertagesbetreuung sei eine Arbeit, die an der Gesundheit vieler Beschäftigter nage. Die psychosozialen Belastungen seien hoch, es komme nicht selten zu Burn-outs oder anderen Erkrankungen. Insgesamt handle es sich um ein Berufsfeld mit vielen Belastungsfaktoren, die beim Personal zu gesundheitlichen Schäden führen können. Dass diese Arbeitsbedingungen mögliche Interessierte abschrecken könnten, lässt sich schwer bestreiten.

Verschiedene Ideen der beteiligten Parteien werden gesammelt

Den Vertretern des Elternbeirats ist es am wichtigsten, dass die Betreuung gewährleistet bleibt, auch unkonventionelle Lösungsansätze werden dabei begrüßt. Genannt werden hier zum Beispiel Großeltern, die zum Vorlesen in die Kitas kommen, um das Personal zu entlasten. Heinz Zohren, Geschäftsführer von ProFutura, ist sich sicher, dass das System keine Lösungen mehr liefern kann, sie müssen außerhalb gesucht werden. Konkret bedeutet das für ihn, vorerst das Fachkräfteprinzip einzuschränken und fachfremde Personen einzusetzen. Dieser Vorschlag trifft im Centre Charlemagne auf unterschiedliche Reaktionen, für manche ist es undenkbar, andere sehen in der Abweichung vom Fachkräfteprinzip die einzige Rettung. Klar ist für Hilde Scheidt, dass diesen Personen dennoch auch Perspektiven geboten werden müssen, beispielsweise in Form von Modulen zur Weiterbildung. Für Kerstin Löhrer, stellvertretende Vorsitzende des Personalrates der Verwaltung, ist klar, dass man zurückfahren und die Kernzeiten soweit möglich reduzieren müsse, ansonsten sei die Qualität der Arbeit und die Gesundheit der Mitarbeitenden zu sehr gefährdet. Eine Betreuung von 7:30 Uhr bis 16:30 Uhr sei nicht mehr tragbar. Eine Befragung unter allen Aachener Eltern, die ihre Kinder in Einrichtungen zur Tagesbetreuung untergebracht haben, bei der jedoch nur 199 Eltern teilnahmen, ergab zuletzt, dass dies für 40 Prozent auf keinen Fall gehe. Der Rest sei bereit, geringfügig reduzierte Betreuungszeiten – bis zu fünf Stunden pro Woche – zu akzeptieren.

Idee von einem Aachener Modellprojekt

Man hoffe nun auf Unterstützung von der Landesregierung. Es brauche eine Perspektive aus Düsseldorf. Dabei kommt die Sprache auf die Möglichkeit, in Aachen ein Modellprojekt zu entwerfen und sich damit an die Landesregierung zu wenden. Dies stößt auf großen Zuspruch bei den Anwesenden. Wichtig sei nun, alle ins Boot zu holen und sich gemeinsam an die Ausarbeitung eines solchen Modellprojekts zu machen. Auch Bildungswerke und Arbeitsamt sollen beteiligt werden. Bereits nach den Herbstferien will man sich zusammensetzen, um gemeinsam weitergehende Ideen zu erarbeiten, denn es ist klar: „Die Lage ist brenzlig, wir stehen kurz vor dem Kollaps, jetzt muss gehandelt werden. Alle sitzen im selben Boot.“

Trotz der angespannten Situation sind die Teilnehmer und Teilnehmerinnen am Ende zuversichtlich gestimmt. Die Möglichkeit, sich für die Ausarbeitung des Aachener Modellprojekts einzutragen, wird von vielen wahrgenommen. Ob nun bald fachfremdes Personal oder „Vorlese-Omas“ in den Aachener Kitas zum Einsatz kommen und ob die weiteren Maßnahmen, die nun gemeinsam ausgearbeitet werden, das System ausreichend entlasten können, wird sich zeigen.

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