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Sporthalle der Zukunft in Düren

Vorher, nachher: Wer die ehemalige Gärtnerei sah (oben), brauchte viel Vorstellungskraft, um eine moderne Sportstätte (andere Fotos) zu visualisieren.

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von Simon Adane und Lasse Falter

Wer an Düren denkt, denkt dabei vermutlich nicht sofort an hochmoderne, digital ausgestattete Sporthallen. Jedoch findet man hier genau das. Düren ist mit seinem in Deutschland einzigartigen Bewegungszentrum Städten wie Aachen, aber auch den anderen Großstädten in Deutschland um Längen voraus. Die Resonanz geht durch ganz Deutschland und reicht bis nach Brasilien.

In der alten Stadtgärtnerei in der Mariaweilerstraße neben dem Stadtpark konnte Wolfgang Schmitz, seit 30 Jahren beim Kreissportbund Düren und Geschäftsführer des Bewegungszentrums Düren, sein Anliegen verwirklichen und eine moderne Sportstätte errichten. Hier werden vielfältige Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung, motorischen Testung von Kindern und auch für den Leistungssport geboten. Das Zentrum wurde 2020 eröffnet und feiert bald sein drittes Bestehen. Nach zwei Jahren unter Coronamaßnahmen – ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, um ein neues Projekt zu starten – läuft nun seit dem Sommer 2022 alles rund.

In unserer modernen, digitalisierten Welt drohen Bewegungsdrang, Sport, Spaß und körperliche Fitness mehr und mehr aus dem Alltag zu verschwinden. Ein Vereinssterben wird immer weiter zu einer Problematik, und Kinder, die sich regelmäßig ausreichend bewegen, sind schon lange keine Selbstverständlichkeit mehr. Daraus ergeben sich oft Mängel in Bereichen wie Koordination, sportAnna Kaiser, verantwortlich für das Bewegungszentrum, führt durch die Halle und zeigt Station für Station, was hier alles vielfältig genutzt werden kann. Faszinierend, was die Kinder machen können und was dabei getestet werden kann. Bei den Testungen soll keine Prüfungsatmosphäre entstehen. Die Kinder kommen in die Halle und durchlaufen, in Kleingruppen aufgeteilt, spielerisch Stationen, an denen sie von Mitarbeitern des Bewegungszentrums begleitet werden. Die Mitarbeiter halten die Ergebnisse fest und werten sie aus. Die so ermittelten Förderbedarfe und Stärken der Kinder können an die Eltern weitergegeben werden. Bei Bedarf werden zudem Elterngespräche geführt, um gemeinsam über Fördermöglichkeiten zu beraten. Das Bewegungszentrum arbeitet mit einem breit gefächerten Netz aus Sportvereinen, Ärzten und Therapeuten, die helfen können. Kinder haben laut Anna Kaiser große Freude am Besuch im Bewegungszentrum. Im Kindergarten kommen sie zweimal im Jahr, in der Grundschulzeit jährlich und dann noch je einmal in der 5. sowie 7. Klasse. Es entsteht eine „Bewegungsbiografie“ der Kinder, aus der sich die Entwicklung ablesen lässt. Natürlich findet all dies unter Einhaltung von Datenschutzbestimmungen und freiwillig statt. Niemand muss sein Kind in das Bewegungszentrum schicken, die Kinder haben in der Regel jedoch große Freude am Programm und kommen gerne mit ihrer Kindergartengruppe oder Schulklasse.

motorische Fähigkeiten und Stabilität. Um auf genau solche Probleme aufmerksam zu machen, wurde das BZ Düren gegründet. Das Zentrum ist eine Anlaufstelle für Kindergärten und Schulen, um mit modernster Technik und spielerischer Herangehensweise Kinder und Jugendliche auf ihre sportlichen Fähigkeiten zu testen und somit koordinativen Schwächen bei Bedarf vorzubeugen. Hier weiß man, dass der Grundstein für körperliche Fitness und Gesundheit im Kindesalter gelegt wird, und versucht, unterstützend anzusetzen. Fast drei Jahre lang stellte Wolfgang Schmitz der Stadt Düren sein Konzept vor, Personen jeden Alters eine Möglichkeit für Bewegung zu bieten, bis seine zukunftsträchtige Vision eines solchen Zentrums verwirklicht werden konnte. Gemeinsam mit der Stadt Düren, dem Dürener Service Betrieb und dem Kreissportbund Düren e. V. wurde das Bewegungszentrum als zentrale Anlaufstelle für die motorischen Bewegungstests der Schulen und Kindergärten der Stadt Düren erschaffen. Elf Kindertagesstätten, 19 Grund- und zehn weiterführende Schulen werden hier begleitet. Unsere Redaktion konnte das Bewegungszentrum besichtigen und sich einen Überblick über das vielfältige moderne Equipment verschaffen, welches nicht nur für Kinder und ihre Bewegungstests genutzt wird, sondern auch bei Leistungssportlern und im Breitensport Anwendung findet. Die Dürener Nachrichten titelten zuletzt „Hier könnte selbst Cristiano Ronaldo trainieren“.

Moderne Ausstattung wie bei Real Madrid und Stecksysteme aus der Eifel

Der ehemaligen Stadtgärtnerei mit ihrer unter Denkmalschutz stehenden Halle sieht man von außen nicht an, dass sie reichlich Platz für verschiedene moderne Geräte und Angebote bietet. Sie wurde zu einer großen Sporthalle umgebaut und saniert.

Anna Kaiser fällt dabei auf, dass Kinder aus ländlicheren Regionen wie der Eifel, wo naturgemäß mehr draußen gespielt werden kann, im Durchschnitt besser abschneiden als Stadtkinder. Vielleicht ein Anlass, städtische Sozialräume kinderfreundlicher zu gestalten?

Beim Betreten der Halle steht man zunächst vor einem Bewegungsparcours mit Stangen zum Balancieren, Kästen zum Klettern, Matten und vielen anderen Gerätschaften, die man auch aus einer normalen Sporthalle kennt. Besonders ist hier jedoch das System. kju:b Sports ist für den Bau dieser Geräte verantwortlich, sie produzieren Stecksysteme für Sporthallen und auch für zu Hause. Mithilfe dieser Systeme lässt sich je nach Bedarf ein individueller Bewegungsparcours einrichten. Es handelt sich sogar um ein regionales Produkt, kju:b Sports ist eine Firma aus der Eifel. Die rechte Wand ist mit Klettergriffen versehen, sodass man sie von vorne bis hinten entlangklettern kann. Hier wird Balance, Rückwärts- und Vorwärtslaufen, die Fähigkeit, mit geschlossenen Beinen hin und her zu springen, und alles Weitere, was sich über die motorische Entwicklung erfassen lässt, getestet.

Auf ein Sportgerät ist der Geschäftsführer besonders stolz. Dies ist der Speedcourt der Firma Globalspeed. Der Speedcourt ist eine Plattform, welche mit unzähligen Sensoren bestückt ist und jegliche Form von Bewegung erkennen und aufzeichnen kann. So lassen sich alleine oder im Team gewisse Trainingsprogramme durchlaufen, während der Computer die Bewegungen der Sportler aufnimmt, die danach analysiert werden können. Besonders ist, dass es sich bei dem System von Globalspeed um ein Produkt aus dem Profisport handelt, wie man es sonst nur bei Bayern München, Real Madrid und wenigen anderen Vereinen findet. Berühmt geworden ist das Produkt beim Profifußball von Real Madrid. In Düren trainieren die Kinder und Leitungssportler der Powervolleys aus Düren oder der Ladies in Black aus Aachen und bald auch der 1. FC Düren auf der Plattform. Das System wird zudem bei den Tests für ältere Kinder genutzt, die den Bildschirm und das Feld kognitiv verknüpfen können.

Eigens neue Geräte entwickelt

An der linken Wand befindet sich der Cortextrainer, ein aus der Rehabilitation bekanntes Produkt, welches jedoch hier auch für die Kinder genutzt wird. Es ist ein Standgerät, um Rumpfstabilität, Beweglichkeit, Koordination und Konzentration zu trainieren. Gemeinsam mit EPL, der Herstellerfirma, konnte im BZ Düren ein Gerät für Kinder entwickelt werden: das Cortex Kids mit angepasster Größe und anderen Spielen, speziell für Kinder ab vier Jahren. Das Gerät ist mit einem Bildschirm ausgestattet und bereitet den Kindern großen Spaß. Außerdem gibt es auch noch einen mobilen Cortextrainer für Kinder, die Technik befindet sich dabei in einem Teddybär-Rucksack, den die Kinder sich aufsetzen und der mit einem Laptop verbunden wird. Er dient dem gleichen Zweck wie das Standgerät. Das BZ Düren ist auch mobil unterwegs und kann für die Testungen dann den Teddybär nutzen. Anna Kaiser erzählt, dass dies häufig das Highlight für Kinder ist, von dem sie ihren Eltern berichten.

Nach der Runde durch die Halle kommen wir wieder am Anfang an, hier hängt an der Wand ganz unscheinbar noch eine weitere Innovation, sogar hier im Bewegungszentrum entwickelt. Wolfgang Schmitz erzählt, dass sie für das Volleyballtraining eine Blockwand entworfen und mit einer Schreinerei gemeinsam umgesetzt haben. Die Wand lässt sich nach oben und unten bewegen und wird für individuelle Blockübungen genutzt. Diese eigene kleine Erfindung hat sogar Wellen bis nach Brasilien geschlagen, berichtet Schmitz. Im Internet entdeckt, habe man das Gerät dort kopiert.

Trainieren in der „Disko“

Trainieren in der „Disko“

Ein weiteres Highlight ist der sogenannte PRAMA-Raum. Abgesehen von dem ansprechenden Design und den verschiedenen Lichtquellen ist er wohl die modernste und beste Möglichkeit für ein Zirkeltraining. Die sieben Stationen können individuell vom Trainer eingestellt werden und bieten immer für zwei Personen gleichzeitig eine Trainingsoption. Verschieden aufblinkende Felder, um eine Übung nach Vorgabe genau zu erfüllen? Kein Problem!

Es lässt sich jegliche Varianz, Intensität und Schwierigkeit genauestens einstellen. Das macht die „Disko“ aber lange noch nicht zu einem Vergnügungsort. Koordination und Kondition werden bis an die persönlichen Grenzen geführt und sind definitiv auch für Fortgeschrittene eine Herausforderung. Der PRAMA-Raum wird von Sportvereinen, zum Breitensport und auch für Rehabilitation im neurologischen Bereich genutzt. Zu letzterem wird sogar zurzeit von wissenschaftlichen Mitarbeitern eine Studie zum Nutzen des PRAMA-Raums durchgeführt. Die Halle bietet vielfältige Möglichkeiten für alle Altersstufen und Leistungsklassen. Ein üblicher Tag im Bewegungszentrum Düren beginnt morgens mit Bewegungstests für Kinder, mittags trainieren Leistungssportler mit dem vielfältigen Equipment und nachmittags gibt es Kurse für Erwachsene und Kinder wie Eltern-Kind-Turnen oder Zirkeltraining im PRAMA-Raum für Erwachsene. Die 15 Mitarbeiter haben dabei einiges zu tun. In den Ferien gibt es zudem noch Ferienspiele. Einige Angebote lassen sich sogar mit der Krankenkasse als Präventionsmaßnahme abrechnen (mehr dazu unter: bz-dueren.com).

Bisher ist die Resonanz positiv, das Bewegungszentrum ist bereits deutschlandweit bekannt und hat sogar beim 50. Geburtstag der Maus an „Maus bewegt“ teilgenommen. Zudem trainieren hier auch noch zwei Schüler der Christophorus-Schule in Düren für die kommende Special Olympics in Berlin, das größte inklusive Sportevent der Welt. Man ist froh, dass etwas Besonderes, Zeitgemäßes und Lebendiges geschaffen wurde. Alles hat großen Aufforderungscharakter, die Kinder und Erwachsenen, die hierherkommen, sind begeistert und nutzen die Halle gerne. Wünschenswert wäre es, wenn andere Städte Düren nachziehen würden und es bald in Deutschland weitere ähnliche Projekte gäbe. Zum Abschied teilt uns Wolfgang Schmitz noch mit: „Alle, die mal hier waren, wollen wiederkommen!“