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Ein Kraftort seit 250 Jahren
Die Kapelle Maria Einsiedeln, die beim Burgweiher steht und von der Pfarrei St.Otmar verwaltet wird. (Bild: Stephan Wunderlin)
Die schlichte Kapelle ist ein kleines Bijou mit spannender Geschichte. Eigentlich gehört sie zur Pfarrei Bruggen, wird aber seit langem von der Pfarrei St.Otmar verwaltet und genutzt. Durch die Öffnung des nahegelegenen Burgweiher-Areals soll auch die Kapelle mehr Öffentlichkeit bekommen.
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Auf dem Bänkli vor der Kapelle Maria Einsiedeln sitzt eine junge Frau. Sie hat die Augen geschlossen und hält ihr Gesicht in die Sonne. Die Frau geniesst die ersten Strahlen der milden Frühlingssonne. Ruhig ist es hier bei der Kapelle im Gebiet Schönenwegen, abseits des hektischen Verkehrs der Fürstenland- und der Zürcherstrasse. Es ist ein idyllisches Fleckchen Erde, nur der Lärm der nahegelegenen Baustelle im Waldacker durchbricht die Stille gelegentlich. Die Kapelle Maria Einsiedeln in unmittelbarer Nähe zum Tröckneturm und den beiden Burgweihern ist eine hübsche Oase, die zum Innehalten, Nachdenken und Beten einlädt. Das schlichte Kirchlein mit dem kleinen Glockenturm ist der Muttergottes von Einsiedeln gewidmet. Gut geschützt hinter ein paar hohen Bäumen ist die Kapelle von der Strasse her kaum erkennbar – obwohl sie hier schon lange steht. Sehr lange sogar: seit 250 Jahren. Zuvor gab es an derselben Stelle ein gemauertes Bildstöckchen ohne Turm und Glocke, noch viel früher ein Wegkreuz. Hauptmann und Kirchenpfleger Johannes Boppart hatte 1680 den Bildstock gebaut. 90 Jahre später wollte der Offizial des Klosters St.Gallen, Pater Iso Walser, im Westen der Stadt eine neue Kapelle mit Turm und Glocke bauen.
Gebaut trotz Widerstand
In einem Artikel von 2007 schreibt der St.Galler Theologe und ehemalige Pfarrer der evangelischen Kirchgemeinde Tablat Walter Frei: «Als Pater Iso Walser am 1.Mai 1770 sein Vorhaben der Gemeindeversammlung in Bruggen vorlegte, stiess er auf Ablehnung, obwohl er versicherte, für die Bürger würden weder für den Bau noch für den Unterhalt Kosten entstehen.» Gegen den Pater und die «fürstäbtische Landeshoheit» seien grobe Worte gefallen. Der Offizial schritt «allen Wiederstand zum Trotz» zur Tat. Er liess das alte Bildstöckchen abreissen und verpflichtete als Bauherr den Feldkircher Ferdinand Beer, den Neffen von Johann Michael Beer, der im Gebiet der Fürstabtei viele Kirchen gebaut und auch am Neubau des Klosters beteiligt war. Am 2.Juli 1770, am Fest Maria Heimsuchung, setzte Pater Iso den Grundstein, fast drei Monate später, am 29.September 1770, wurde die Kapelle eingeweiht.

Ein Blick ins Innere der Kapelle Maria Einsiedeln
In den vergangenen 250 Jahren ist die Kapelle sowohl aussen als auch innen sanft renoviert worden. So wurde beispielsweise die Fensterglasmalerei durch moderne Glasarbeiten ersetzt und die Holzbänke wurden aufgefrischt. Von der Originaleinrichtung von 1770 ist noch die Statue auf dem Altar erhalten, eine Kopie der Einsiedler Gnadenmadonna. Sie ist 117 Zentimeter hoch und das Herzstück der kleinen Kapelle, die seit der Gründung der einheitlichen Kirchgemeinde St.Gallen (1925) von derselben unterhalten wird. Die Statue ist aus Holz, geschnitzt wurde sie von Gabriel Loser, einem Bruder des Klosters St.Gallen. In den Chroniken heisst es: Die Madonna ist «als Himmelskönigin mit Krone und Zepter dargestellt, aber anders als die Einsiedler Madonna noch immer nicht geschwärzt» und ohne prunkvolles Gewand.
Viele Taufen, wenig Hochzeiten
Am 2.Juli 1771 zogen die «Gläubigen der historischen Gemeinde Straubenzell» erstmals mit Kreuz und Fahnen nach Schönenwegen, um Maria, die Himmelskönigin, zu ehren. Dieser Festzug wurde lange Zeit jedes Jahr wiederholt. Heute kümmert sich die Pfarrei St.Otmar um die Kapelle. Sie ist komplett ins Pfarreileben eingebunden. Einmal pro Woche, am Montag um 9 Uhr (ausser zwischen Dezember und Februar), wird eine Messe gefeiert und am Sonntagabend der Rosenkranz gebetet. Wegen des Coronavirus findet beides bis Ende der Sommerferien nicht statt. Allerdings gibt es bereits jetzt Pläne, dass danach weitere Eucharistiefeiern zu anderen Tageszeiten stattfinden. Am Sonntag bleibt die Kapelle weiterhin für die Bevölkerung geöffnet. Mesmerin Nicole Osthues gefällt die familiäre Atmosphäre in der kleinen Kirche. «Wir durften schon einige Tauffeiern durchführen», sagt sie.
Die Feierlichkeiten zum 250-Jahr-Jubiläum werden wegen des Coronavirus auf nächstes Jahr verschoben. Die Pfarreiverantwortlichen möchten die Kapelle aber bereits heute über das St.OtmarQuartier hinaus bekannt machen, da sie auch am Jakobs- und am Kolumbansweg liegt. Eine gute Gelegenheit hierfür bietet die Öffnung des Burgweiher-Areals, die für diesen Frühsommer vorgesehen ist. Das kleine Bijou soll weitere Zugänge erhalten. Eine Idee der Verantwortlichen besteht darin, dass neu drei Tafeln über die Geschichte der Kapelle informieren sollen sowie über den Kraftort, den sie für viele seit 250 Jahren ist. (lom)