4 minute read

Kirche Kunterbunt: kreativ, frech und wild

Die Seelsorgerinnen Ramona Casanova und AnneDominique Wolfers organisieren als Erste im Bistum St.Gallen die Kirche Kunterbunt. Sie bringt Kindern und Erwachsenen den Glauben auf unkonventionelle Weise näher. Da darf es auch einmal laut und chaotisch werden.

Am Ende eines Gottesdienstes kommt der Segen – auch in der Kirche Kunterbunt. Und doch ist dieser Segen etwas anders. «Wir lassen bei jeder Segensbitte Konfetti regnen», sagt Ramona Casanova. Die bunten Papierschnipsel fliegen aus einer «Kanone», die sie und ihre Seelsorgekollegin Anne-Dominique Wolfers selbst aus WC-Rollen, Ballonen und Konfetti gebastelt haben. «Die Kinder freuen sich sehr darauf», sagt Ramona Casanova. «Für viele ist es der Höhepunkt des Nachmittags.» Für die beiden Seelsorgerinnen ist es der passende Abschluss zweier wilden, chaotischen und kunterbunten Stunden, der zeigen soll, dass auch diese Art von Kirche unter dem Segen Gottes steht.

Advertisement

Chaotisch wie bei Pippi Langstrumpf

Ramona Casanova und Anne-Dominique Wolfers sind Pionierinnen. Die Seelsorgerinnen der Seelsorgeeinheit Zentrum sind die Ersten im Bistum St.Gallen, die das Projekt der Kirche Kunterbunt umsetzen. Es ist eine Kirche, die einmal im Monat stattfindet und Kinder ebenso ansprechen soll wie Erwachsene. «Es ist eine Form von Familienkirche, die wir uns für die Zukunft gut vorstellen können», sagt Anne-Dominique Wolfers. Die Kirche Kunterbunt ist die deutsche Version von Messy Church, was so viel wie «unordentliche Kirche» heisst und auf Themen wie Kreativität, Gastfreundschaft und gemeinsamem Feiern basiert. 2004 wurde die Messy Church erstmals in England durchgeführt, inzwischen gibt es über 5000 davon im englischsprachigen Raum, aber auch in den Niederlanden, in Dänemark und in Schweden.

Matthias Koller Filliger von der Fachstelle Partnerschaft, Ehe, Familie des Bistums St.Gallen und die Seelsorgerinnen Ramona Casanova und Anne-Dominique Wolfers

Im Laufe der Jahre schwappte die Bewegung auf die Landes- und die Freikirchen in Deutschland über, und mittlerweile ist sie auch in der Schweiz angekommen. Hauptziel der Kirche Kunterbunt ist es, Kindern im Alter zwischen 5 und 12 Jahren und ihren Bezugspersonen einen einfachen, oft auch spielerischen Zugang zum Glauben zu ermöglichen. Den Namen hat das Projekt von der Villa Kunterbunt, dem Haus von Pippi Langstrumpf, da es in dieser Kirche ähnlich kreativ, frech und fröhlich zu und her gehen soll wie bei Astrid Lindgrens weltberühmter Romanheldin.

Viermal haben Ramona Casanova und Anne-Dominique Wolfers die Kirche Kunterbunt bisher durchgeführt. Sie fand jeweils am Mittwochnachmittag statt und es nahmen durchschnittlich zwischen 15 und 20 Kinder und Erwachsene teil. Die Kirche Kunterbunt ist immer gleich aufgebaut: Zuerst gibt es eine Willkommenszeit, in der die Teilnehmenden ankommen können. Dann folgt die Aktivzeit mit kreativen Stationen zu einem biblischen Thema. Dabei wird gebastelt, gespielt oder experimentiert, manchmal im Pfarreiheim oder in der Kirche, manchmal im Park oder in der Begegnungszone. Nach der Aktivzeit gibt es einen gemeinsamen Zvieri und danach einen feierlichen Abschluss mit dem Konfettisegen.

Experimentieren in der Kirche Kunterbunt

Das Wichtigste für die beiden Seelsorgerinnen ist: Alle können mitmachen, müssen aber nicht. «Bei uns kann jedes Kind so sein, wie es ist», sagt Anne-Dominique Wolfers. Gerade für aktive Kinder sei der traditionelle Gottesdienstbesuch nicht immer einfach, da sie dort oft stillsitzen müssen. «In der Kirche Kunterbunt müssen sie das nicht. Im Gegenteil. Hier können sie auch einmal ein bisschen lauter sein», sagt sie und lacht. «Wir wollen eine lebendige Kirche und die kann auch wild und frech sein», sagt Ramona Casanova. Die Kirche Kunterbunt ist aber nicht einfach ein weiterer Spiel- und Spassnachmittag. Sie ist mehr. «Kinder und Erwachsene können gemeinsam den christlichen Glauben neu entdecken», so die Seelsorgerin.

Auf das ganze Bistum ausweiten

Matthias Koller Filliger freut sich über das Engagement der beiden Seelsorgerinnen. Für ihn ist die Kirche Kunterbunt ein wichtiges Angebot. «Die Kirche muss familienfreundlicher werden, und die Kirche Kunterbunt kann ein erster Schritt in diese Richtung sein», sagt der Mitarbeiter der Fachstelle Partnerschaft, Ehe und Familie im Bistum St.Gallen. Zudem würden mit dem Konzept alle Familien angesprochen. «Damit gelingt es uns vielleicht, auch jene Familien für Gott zu begeistern, die bisher wenig Bezug zum Glauben und zur Kirche hatten.» Er hofft nun, dass sich das Projekt im ganzen Bistum ausweitet. Hierfür gibt es im April 2022 eine Informationsveranstaltung der Fachstelle mit Vertreterinnen aus Deutschland, aber auch mit den beiden Seelsorgerinnen aus St.Gallen und in ökumenischer Zusammenarbeit mit der Evangelisch-reformierten Landeskirche St.Gallen. Bereits jetzt stösst das Projekt auf Interesse. «Wir haben schon die eine oder andere Anfrage bekommen, ob man uns an einem solchen Nachmittag über die Schultern schauen darf», sagt Anne-Dominique Wolfers. Man darf. «Wir freuen uns, wenn die Kirche Kunterbunt auch in anderen Pfarreien ihren Platz hat.» (lom)

Weitere Infos zur Kirche Kunterbunt gibt es auch unter kirche-kunterbunt.de.

Nächste Kirche Kunterbunt:

Mi 5.Januar, 15–17 Uhr Pfarreizentrum St.Otmar (Zertifikatspflicht)

kathsg.ch

3

This article is from: