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Neues Bauen in Vorarlberg

Dr. Wilfried Amann, Vorstand der Hypo Vorarlberg, und Dr. Verena Konrad, Direktorin des Vorarlberger Architektur Instituts, im Gespräch über Geschichte und Anliegen des Preises, die Effekte guter Baukultur und die gesellschaftlichen Herausforderungen, die dem Bauen zugrunde liegen.

Dr. Amann, die Hypo Vorarlberg lobt seit 1987 den Bauherrenpreis aus. Wie kam es zu der Initiative, einen Architekturpreis für Vorarlberg zu stiften, und welche Bedeutung hat dieser Preis für Ihre Bank?

Amann: Es ging damals darum, den Vorarlberger/innen qualitätsvolle, innovative und nachhaltige Architektur näherzubringen, indem man besondere Projekte ins Rampenlicht stellt. Dazu muss man wissen: Die internationale Aufmerksamkeit, die unsere Baukultur heutzutage genießt, war damals noch nicht in diesem Ausmaß gegeben. Wir waren damals gewissermaßen unserer Zeit voraus. Als größter Wohnbaufinanzierer des Landes – wir haben letztes Jahr rund 2000 private Immobilien finanziert – ist es uns ein Anliegen, anspruchsvolle Bauprojekte zu fördern. Deswegen haben wir den Preis nach der erfolgreichen Premiere im Jahr 1987 regelmäßig ausgeschrieben.

Eine Frage an Sie beide: Die Bauwirtschaft, Architektur und Baukultur haben in Vorarlberg scheinbar einen hohen Stellenwert. Ist das tatsächlich so und wie sehen Sie deren Rolle im wirtschaftlichen und kulturellen Kontext?

Amann: Das Haus-Bauen ist aus der Vorarlberger Identität nicht wegzudenken. Die Menschen hier sind sehr darauf bedacht, gut zu leben und zu wohnen, das merken wir auch an der ungebrochen hohen Nachfrage nach Wohnbaufinanzierungen. Für den Vorarlberger ist eine Immobilie mehr als nur eine reine Wertanlage, sie vermittelt Werte, Status und ist überdies eine gute Altersvorsorge. Und dann gibt es den emotionalen Aspekt: Ein Haus bauen oder eine Wohnung erstehen heißt immer auch, sich sesshaft zu machen, quasi ein Bekenntnis zum Wohnort abzugeben. Es drückt Verbundenheit aus und den Wunsch nach Beständigkeit. Beides ist bei den Vorarlberger/innen – zumindest in meiner Empfindung – schon sehr ausgeprägt. Konrad. Viele Menschen machen sich Gedanken und verfolgen mit der Art und Weise, wie sie wohnen, bauen und Räume gestalten, nicht nur persönliche Ziele als Ausdruck der individuellen Lebensgestaltung, sondern bedenken auch die Wirkung eines Bauwerks für Gesellschaft und Umwelt. Besonders ist sicher auch, dass viele Menschen professionelle Partner/innen suchen – z.B. in der Architektur und im Handwerk – und hier auch Ansprüche an Planung und Ausführungsqualität stellen. Wenn der Anspruch an Qualität von vielen Seiten kommt, hat ein Projekt auch gute Chancen, zu etwas Besonderem zu werden. Baukultur ist natürlich auch ein wirtschaftlicher Faktor – bezogen auf die Auftraggeber/innen geht es um große Investitionen, aber es gibt auch volkswirtschaftliche Effekte.

Die Bodenpreise sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Auch die Baukosten steigen kontinuierlich. Wie bewerten Sie, Herr Dr. Amann, diese Entwicklung?

Amann: Als Ökonom und Bankenvorstand muss ich sagen: Der Boden, auf dem gebaut werden kann, ist eben beschränkt, und wenn die Nachfrage steigt, etwa durch die ständig wachsende Bevölkerung, dann steigen auch die Preise. Persönlich halte ich diese Entwicklung für herausfordernd. Gerade weil das Bauen und die eigenen vier Wände für die Vorarlberger Identität so wichtig sind, sollten die Kosten nicht völlig aus dem Ruder laufen. Wenn sich am Ende niemand mehr ein Eigenheim leisten kann, hat auch niemand mehr etwas davon – die finanzierenden Banken, die Architekt/innen und die Bauunternehmer/innen nicht.

Gerade das Wohnen wird immer teurer. Frau Dr. Konrad, was müsste aus Ihrer Sicht geschehen, um hier stärker entgegenzuwirken?

Konrad: Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Jeder Mensch muss wohnen und eine der größten Errungenschaften unserer Zivilisation ist, dass wir allen Menschen würdigen Wohnraum zugestehen. Das ist die Grundannahme, die zu dem führte, was wir „sozialen Wohnbau“ nennen und die gleichbedeutend ist mit dem Zugang für alle Menschen zu Gesundheitsvorsorge und Bildung. Der private Wohnungsbau kennt diese Verpflichtung nicht, jedoch die Verpflichtung, dem nicht schädlich entgegenzuwirken. Derzeit ist das Verhältnis angespannt. Die Preise für Grundstücke sind in den letzten fünf Jahren weiter gestiegen, die Finanzierung einer Wohnung wird – vor allem dadurch – für immer mehr Menschen zu einem Problem – in der Miete wie auch im Eigentum. Wir sind hier als Gesellschaft dringend gefordert, zu neuen solidarischen Formen des Miteinanders zu kommen, denn im Wohnbau geht es gegenwärtig vielfach eben nicht nur um das Wohnen in seiner Funktion, sondern um Profit und Betongold, um die Sicherung von Kapital und Vorsorge. Konkreter Ausdruck dieser Entwicklung ist z.B. der neue Leerstand. Diese Auswirkungen betreffen die gesamte Gesellschaft und sind daher nicht nur privat argumentierbar. Eine der größten politischen Herausforderungen der Gegenwart ist ein neuer Dialog und Ausgleich, der Interessen klar formuliert und Grundbedürfnisse nicht in Frage stellt.

Die Einreichphase des Bauherrenpreises lag mitten im Corona-Lockdown. Was hat die Hypo Vorarlberg dazu bewogen, den Preis dennoch fortzusetzen?

Amann: Es war keine leichte Entscheidung. Auf der einen Seite ist der Bauherrenpreis für uns als Wohnbaubank natürlich von ganz großer Bedeutung, auf der anderen Seite wollten wir auch unseren Beitrag zur Bewältigung dieser Krise leisten. Letztlich haben wir einen guten Mittelweg gefunden: Der Bewerbungsprozess lief vollkommen digital ab, damit wurde niemand einem Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Und eine Preisverleihung ist auch geplant, notfalls ohne Live-Publikum und als digitales Event. Das halte ich für vertretbar. Dem Virus gegenüber in allem klein beizugeben, halte ich auch für den falschen Weg.

Der Preis wird alle fünf Jahre ausgeschrieben, mit 146 Einreichungen gab es 2020 eine deutliche Steigerung an Einreichungen im Vergleich zu 2015. Welche Rückschlüsse ergeben sich aus diesem langen Intervall und dem großen Interesse der Einreicher/innen, Frau Dr. Konrad?

Konrad: Es freut mich, dass es so viele Einreichungen gab und ich werte das als Zeichen für die Bedeutung dieses Preises. Viele Auftraggeber/innen wünschen sich Anerkennung für ihre Leistungen und wir vermitteln diese Anerkennung durch die Sorgfalt und Aufmerksamkeit, die wir in die Arbeit zum Bauherrenpreis der Hypo Vorarlberg legen. Viele wünschen sich Rückmeldung und Gespräch, konstruktive Kritik und wollen die eigene Begeisterung teilen. Für uns hat der Preis noch eine weitere Perspektive. Fünf Jahre, das ist ein halbes Jahrzehnt. Mich interessiert, was wir aus den realisierten Projekten in dieser Zeitspanne herauslesen können. Welche Themen und Anliegen haben Niederschlag gefunden in diesen Bauwerken? Was war den Auftraggeber/innen wichtig, welche Themen haben Planer/innen besonders fokussiert, worin wurde investiert, worin nicht? Der Preis ermöglicht uns eine architektursoziologische und architekturhistorische Rückschau im Kleinen.

Herr Dr. Amann, warum ist es für die Hypo Vorarlberg so wichtig, die Rolle der Bauherrinnen und Bauherren hervorzuheben?

Amann: Weil qualitätsvolles Bauen eben beides braucht: innovative Architekt/innen ebenso wie mutige Bauherrinnen und Bauherren. Das Verhältnis ist nicht nur materieller Natur. Damit bei den Architekt/innen die Ideen sprudeln, müssen sie wissen, welche Ansprüche der/die Auftraggeber/in stellt – dann laufen sie zur Höchstform auf. Nur im fruchtbaren Zusammenspiel dieser beiden kann Neues entstehen.

Unter den prämierten Projekten sind auch einige, bei denen die Planer/innen selbst die Bauherr/innen sind. Wie kommt es zu dieser besonderen Konstellation, Frau Dr. Konrad, und welche Auswirkungen hat das auf die realisierten Objekte?

Konrad: Das kommt immer wieder vor und zeigt, wie wichtig es ist, dass Auftraggeber/innen und Planer/innen an einem Strang ziehen. Wenn diese Rollen in einer Person oder Familie zusammenkommen, ist das bestimmt etwas einfacher. Viele Architekt/innen, die in Vorarlberg arbeiten, leben auch hier und tun das, was sie Bauherr/ innen empfehlen, natürlich auch selbst.

Zum Abschluss eine Frage an Sie beide: Ökologie und Energieeffizienz sind in der Vorarlberger Architektur schon lange ein integraler Bestandteil der Planungen, neu hinzugekommen ist die verstärkte Berücksichtigung städte- und ortsbaulicher sowie landschaftsrelevanter Aspekte. Welche Herausforderungen sehen Sie in diesem Bereich?

Amann: Es wird natürlich in Zukunft verstärkt darum gehen, verdichtet und in die Höhe zu bauen. Der Boden wird nicht mehr werden, deswegen müssen wir das, was wir haben, möglichst gut nutzen. In Vorarlberg haben wir ohnehin einen hohen Standard, wenn es darum geht, unsere Gebäude harmonisch in die Landschaft einzufügen. Das liegt zum einen an den verwendeten Materialien, zum anderen an dem hohen Stellenwert, den die Menschen der Natur einräumen. Die Herausforderung wird sein, noch mehr Menschen zu animieren, die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen. Der Bauherrenpreis der Hypo Vorarlberg kann hier hoffentlich auch in Zukunft ein wertvoller Wegweiser sein.

Konrad: Ich kann das nur bestätigen. Die Entwicklung geht neben der Bedeutung von ökologischen Aspekten für das Gebäude in Form von Material und Technik immer mehr auch dahin, sich als Teil einer Gemeinschaft zu begreifen und zu überlegen, welche Auswirkungen das eigene Handeln und die eigene Entscheidung auf größere Systeme hat – auf die Nachbarschaft, das Dorf und die Stadt, welchen Beitrag ein neues Gebäude leistet, um Landschaft zu erhalten und zu ergänzen, um den Fußabdruck klein zu halten und einen positiven Beitrag zu leisten für Kultur und Umwelt.