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Editorial Felix Ehrlenspiel, Chris Englert, Norbert Hagemann, Daniel Memmert, Ines Pfeffer und Mirko Wegner

Originalarbeit

Selbstbestimmte Motivation im späten Kindesalter

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Zusammenhang mit Sportvereinspartizipation und psychologischen Basisbedürfnissen

Jan Beck und Dennis Dreiskämper

Institut für Sportwissenschaft, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Zusammenfassung: Die Self-Determination Theory (SDT; Ryan & Deci, 2000) beschreibt eine gute Vorhersagbarkeit intrinsischer Motivation bei Jugendlichen und Erwachsenen im sportbezogenen Kontext. Studien zu diesen Zusammenhängen der SDT sind im Kindesalter dagegen rar. Deshalb soll die vorliegende Untersuchung zum einen den von Deci und Ryan (2000) vorhergesagten Zusammenhang zwischen psychologischen Basisbedürfnissen und Selbstbestimmung im späten Kindesalter (M = 10.51) überprüfen (N = 252). Zum anderen soll für die bessere Prädizierbarkeit der Sportpartizipation die intrinsische Motivation verschiedener sporttreibenden Gruppen verglichen werden. Mithilfe eines, auf das Kindesalter angepassten, Fragebogens wurden psychologische Basisbedürfnisse und Motivationsregulationen erhoben. Ein Strukturgleichungsmodell zeigt den vorhergesagten Zusammenhang. Es erweist sich, dass ein Unterschied innerhalb dieser Konstrukte zugunsten Sporttreibender aufgrund der Sportvereinspartizipation vorliegt. Weiter zeigen Besuchsanteile der Sportarten schwache Effekte auf motivationale Größen. Grundsätzlich zeigen die Ergebnisse, dass Fragebogenerhebungen zur SDT im späten Kindesalter valide durchgeführt werden können. Dennoch bleibt die Suche nach Gründen und Prädiktoren der Sportvereinspartizipation weiterhin forschungsrelevant.

Schlüsselwörter: Kinder, Motivation, Selbstbestimmungstheorie, Sportpartizipation, Sportverein, Sportbeteiligung, körperliche Aktivität

A Self-Determination Perspective on Sport Club Participation and Basic Psychological Needs in Late Childhood

Abstract: According to self-determination theory (SDT; Ryan & Deci, 2000), there is good predictability of intrinsic motivation in sports-related contexts for adolescents and adults. However, studies regarding this issue in childhood are rare. First, the present study will examine the association between basic psychological needs and self-determination proposed by Deci and Ryan (2000) in late childhood (N = 252, M age = 10.51). Second, for a better understanding of sports participation, the intrinsic motivation between different sporting groups is compared. A questionnaire, adapted for children, assessed basic psychological needs and regulations of motivation. A structural equation model shows the proposed relationship. Members of sport clubs showed more fulfilled basic psychological needs and had higher intrinsic motivation. Furthermore, overall participation in different kinds of sports had weak effects on motivational quantities. These results support the use of questionnaires regarding SDT in late childhood. However, the search for reasons and predictors of sport participation in sport clubs remains relevant.

Keywords: self-determination theory, basic psychological needs, children

Motivation beschreibt das Streben eines Individuums vom aktuellen Lebenszustand zu einem positiv bewerteten Zielzustand (Rheinberg & Vollmeyer, 2012). Deci und Ryan (1985, 2000) haben mit der Self-Determination Theory (SDT) eine ausführlich untersuchte und breit anerkannte Theorie veröffentlicht, die eben dieses Streben und dessen qualitativ unterscheidbare Dimensionen genauer beschreibt. Die Theorie geht von drei Basisbedürfnissen – Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit – aus, die alle Individuen von Natur aus befriedigen wollen. Sie beeinflussen die Selbstbestimmung, sprich das Gefühl des „Aufgehens“ in einer Tätigkeit, genauso wie das Gefühl der Kontrolle und des Zwangs. Dabei wird Motivation im Sinne der Selbstbestimmung nicht in klar voneinander abgegrenzten Konstrukten aufgefasst, sondern als Motivationsqualität auf einem Kontinuum angegeben.

Die SDT wurde in mehreren Kontexten als theoretische Grundlage der Motivation genutzt, darunter auch als Basis für sportliche Aktivität. So liefert sie eine gute Vorhersagbarkeit der selbstbestimmten Motivation in sportlichen Aktivitäten (Teixeira, Carraça, Markland, Silva & Ryan, 2012). Studien, die zeigen, dass diese sogenannte intrinsische Motivation ein Prädiktor für sportliche Aktivität an sich und dessen langfristige Beibehaltung darstellt, beziehen sich jedoch eher auf Erwachsene und Adoleszente (Sebire, Jago, Fox, Edwards & Thompson, 2013). Es liegt

relativ wenig Evidenz zum Einfluss von intrinsischer Motivation auf das Sporttreiben von Kindern vor. Die Forschungsarbeit von Sebire et al. (2013) und die Arbeit von Sebire, Edwards, Fox, Davies, Banfield, Wood und Jago (2016) bilden eine Ausnahme in der Forschung im Kindesalter. Sie untersuchten, wie die psychologischen Basisbedürfnisse und Selbstbestimmung den Zeitaufwand für körperliche Aktivität beeinflussen. Eine Förderung der psychologischen Basisbedürfnisse und somit der Selbstbestimmung in Bezug auf körperliche Aktivität scheint im Kindesalter als Grundlage für Sporttreiben im Erwachsenenalter also unabdingbar. So zeigen auch Gillison, Standage und Skevington (2006), dass durch häufigeres Sporttreiben die Lebensqualität gesteigert werden kann. Bisherige Forschung beschränkt sich in der Ursachenerklärung dennoch auf den Zeitaufwand des Sporttreibens und weniger auf fähigkeitsorientierte Erklärungen, um eine Möglichkeit der Förderung anzubieten. Dies ist aus mindestens zwei Perspektiven überraschend: Zum einen scheint intrinsische Motivation ein der Kindheit inhärentes Konstrukt zu sein (z. B. im freien Spiel). Zum anderen zeigen bereits ältere Studien (Zastrow, 1996) die Notwendigkeit einer positiven sportartspezifischen Fähigkeitseinschätzung (z. B. „Im Handball bin ich konditionsstark.“) statt des Fokus auf motorischer Fertigkeitsselbsteinschätzung. Fähigkeitsselbsteinschätzung im Sinne des physischen Selbstkonzepts (Marsh & Redmayne, 1994) und das Bedürfnis der Kompetenz sind aufgrund der (In-)Stabilität grundsätzlich unterschiedlich, könnten aber durchaus reziproke Effekte aufweisen. Diese sportartspezifische Fähigkeitsselbsteinschätzung könnte dabei auch in Verbindung mit anderen Basisbedürfnissen wie Autonomie stehen (DeCharms, 1968). Betrachtet man Kinder in Randsportarten vor dem Hintergrund einer potentiell höheren sportartspezifischen Fähigkeitsselbsteinschätzung, als Kinder in anderen Sportarten, so könnte sich auch ein Effekt für die selbstbestimmte Motivation zeigen. Daher beschäftigt sich diese Studie mit der wahrgenommenen Selbstbestimmung und der Motivationsqualität von nicht- und sporttreibenden Kindern. Neben einer Überprüfung der validen Erhebung der Konstrukte der SDT lautet eine weitere Fragestellung, ob die wahrgenommene Selbstbestimmung von Kindern von der Partizipation in einer Randsportart abhängt.

Self-Determination Theory

Die SDT besteht aus mehreren Subtheorien, von denen hier die Organismic Integration Theory (OIT) und die Basic Psychological Need Theory betrachtet werden sollen. Die Basic Psychological Need Theory befasst sich mit der Befriedigung dreier Basisbedürfnisse: Kompetenz, Autonomie und soziale Eingebundenheit. Von diesen Bedürfnissen wird angenommen, dass sie bei erfolgreicher Befriedigung zum natürlichen Entwicklungsverlauf und zu Wohlbefinden führen (Ryan & Deci, 2000). Kompetenz spiegelt das Bedürfnis nach dem Gefühl, erfolgreich und effektiv zu sein, wider. Tätigkeiten, in denen Individuen selbst Entscheidungen treffen können, die für sie wichtig sind, befriedigen das Bedürfnis nach Autonomie. Soziale Eingebundenheit beschreibt das Bedürfnis nach dem Gefühl der Zugehörigkeit und der sozialen Akzeptanz. Alle drei Bedürfnisse teilen sich die Eigenschaft der individuellen Wahrnehmung, um befriedigt zu werden. So können zwei Menschen die gleiche Leistung erbringen, allerdings durch diese Leistung eine deutlich unterschiedliche psychologische Befriedigung erfahren.

Die OIT umfasst unter anderem die hierarchische Gliederung der extrinsischen Motivation und intrinsischen Motivation auf dem Kontinuum der Selbstbestimmung. Da es sich um ein Kontinuum handelt, hängen die Konstrukte lückenlos zusammen und können nicht immer deutlich unterschieden werden. Intrinsische Motivation stellt die selbstbestimmteste Form der Motivation dar, die durch das natürliche Streben nach Neuheiten, Entdeckung und Übung repräsentiert ist (Ryan, 1995). Da das Individuum hierbei keinen äußeren Zwängen unterliegt, wird die intrinsische Motivation internalen Ursachen zugeschrieben. Im Gegensatz dazu werden Handlungen, dessen Ursachenzuschreibung external wahrgenommen werden, als extrinsisch motiviert bezeichnet. Beide Theorien stehen miteinander in Verbindung (Deci & Ryan, 2000). Die Stärke der Befriedigung von Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit sagt intrinsische Motivation vorher.

Körperliche Aktivität als Prädiktor für Selbstbestimmung

Die Self-Determination Theory zeigt zum aktuellen Forschungsstand eine gute Vorhersagbarkeit der selbstbestimmten Motivation in sportlichen Aktivitäten (Gillison et al., 2006; Sebire et al., 2013; Wilson, Rodgers, Blanchard & Gesell, 2003), insbesondere bei Altersgruppen ab 12 Jahren. Diese Untersuchungen nehmen zum Großteil an, dass die Dauer körperlicher Aktivität von der Selbstbestimmung und somit von psychologischen Bedürfnissen beeinflusst wird. Demnach ist ein hoher Zeitaufwand körperlicher Aktivität die Konsequenz hoher selbstbestimmter Motivation, sportlich aktiv zu sein. Dies stimmt mit der Annahme von Deci und Ryan (2000) überein, dass psy