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Gut gekaut und nachgefragt

„Wie groß die Kühe sind! Gefleckte Riesen mit sanften Augen. “

(Florentine, 8 Jahre)

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Habt ihr etwa beim Kaffeetrinken schon mal darüber nachgedacht, ob die Milch gebende Kuh ihre Hörner behalten durfte? Ihr Kalb, für das allein sie dieses nährstoffreiche Superfood ursprünglich produziert, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr an ihrer Seite. Falls ihr vegane Drinks bevorzugt: Was hat es mit samenfesten Getreidearten auf sich im Vergleich zu Hybridsorten? Und was muss sich ändern, um trotz voranschreitender Klimakrise bezahlbare Nahrung für alle zu ermöglichen? Welche Antworten haben die verschiedenen Landwirtschaftsmodelle von konventionell, regional, artgerecht über klimabewusst bis bio-organisch und bio-dynamisch zu bieten? Wir haben uns mit sechs neugierigen Kindern auf den Weg ins Ökodorf Brodowin gemacht, um im Stall, auf Weiden und Feldern Aha-Momente zu sammeln.

Stadtkinder und -jugendliche nehmen landwirtschaftliche Lebensmittel oft nur als bereitgestellte „Fertigprodukte“ im Laden wahr. Vielen fehlt eine realistische Vorstellung davon, woher diese Rüben, Salate, Kohlsorten und Milchprodukte tatsächlich stammen und wie sie erzeugt werden. Der Hof Brodowin produziert nach hohem Demeter-Standard und ist als anerkannter Demonstrationsbetrieb Teil einer vom Bundeslandwirtschaftsministerium geförderten Initiative, die allen Interessierten ungeschminkt zeigt, wie weit gefächert der ökologische Landbau aufgestellt ist und wie er in der Praxis funktioniert. Das zukunftsweisende Unternehmen versteht es als pädagogische Aufgabe, seine Türen und Tore mit einem jährlich stattfindenden Hoffest, individuellen Führungen und einem gut sortierten Hofladen für alle zu öffnen. Konkret werden in Brodowin rund 1.600 Hektar Fläche in täglich harter Arbeit von über 170 fest angestellten Mitarbeiter:innen bewirtschaftet, rund 50 Prozent davon sind Frauen. Etwa 220 schwarz-bunte Milchrinder und ein riesiger Bulle leben im Ökodorf neben 200 bezaubernden Milchziegen und 1.600 Legehennen plus den dazugehörigen Bruderhähnen. Mit romantischen Bilderbuchvorstellungen hatte dies allerdings weniger zu tun als wir dachten.

„Zum Frühstück mag ich Kakao mit Kuhmilch am liebsten, aber die gehört ja eigentlich den

Kälbchen.“ (Enno, 6 Jahre) Deutschland, wie es isst

Der Nahrungsmittelproduktion auf den Grund zu gehen, lohnt sich, denn schließlich ist uns eine gesunde und nachhaltige Ernährung eine Menge wert. Das jedenfalls spiegelt der Ernährungsreport „Deutschland, wie es isst“ wider, der seit 2016 jährlich auf Basis einer repräsentativen Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa unter rund 1.000 Bundesbürger:innen ab vierzehn Jahren zu ihren Ess- und Einkaufsgewohnheiten veröffentlicht wird. Gut schmecken muss es 99 Prozent, dies ist seit Beginn der Befragung unverändert wichtig. Der regelmäßige Konsum von Gemüse und Obst ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, auch die Vorliebe für Milchprodukte ist unverändert hoch, 64 Prozent essen täglich Joghurt, Käse und Co.¹

Der Verzehr von Fleisch und Wurst nimmt etwas ab: 26 Prozent der Befragten essen diese täglich oder mehrmals täglich. Alternativen zu tierischen Produkten nehmen acht Prozent der Befragten nach eigenen Angaben mindestens einmal am Tag zu sich. Der Anteil der Vegetarier:innen und Veganer:innen hat bundesweit zugenommen – auf jetzt zehn bzw. zwei Prozent.

Die Regionalität der Produkte ist bei der Auswahl der Lebensmittel mit 82 Prozent unverändert wichtig. Auch die Nachfrage nach einem staatlichen Tierwohlkennzeichen wächst. 86 Prozent der Befragten ist es wichtig oder sehr wichtig, dass ein solches staatliches Siegel kommt. Fast Dreiviertel der Befragten erwarten von der Landwirtschaft eine artgerechte Tierhaltung, vor allem die zwischen 14- und 29-Jährigen. Doch was sagen Umfragen wirklich aus? Schließlich wollen wir alle gerne von uns behaupten, kritische Konsument:innen zu sein und großen Wert auf die Wahl unserer Nahrung zu legen

„Der riesige Bulle hat bestimmt Superkräfte, auch ohne Hörner.“

(Luan, 7 Jahre)

„Ich will keine Tiere essen und bin Vegetarierin – nur für Schnitzel mache ich manchmal

eine Ausnahme.“ (Elizabeth, 9 Jahre)

Die Unterschiede zwischen der ökologischen und der konventionellen Landwirtschaft scheinen offensichtlich. Doch ist das eine besser als das andere? Im Koalitionsvertrag sind ambitionierte 30 Prozent Ökoflächen bis 2030 als Ziel verankert. Für viele, gerade kleinere Betriebe bleibt es vor allem eine Kostenfrage, ob konventionell oder ökologisch gewirtschaftet werden kann. Für die ökologische Landwirtschaft gelten deutlich strengere Regeln und Gesetze, deren Umsetzung meist mit höheren Produktionskosten verbunden ist, denn dieser Landbau ist eine besonders ressourcenschonende und umweltverträgliche Wirtschaftsform, die sich am Prinzip der Nachhaltigkeit orientiert. Nitrat-, Ammonium- und Harnstoffdünger sowie leicht lösliche Phosphordünger sind im Ökoanbau verboten, während sie im konventionellen Betrieb regelmäßig eingesetzt werden, auch chemisch-synthetischer Pflanzenschutz kommt dort zum Einsatz. So werden die EU-Nitrat-Grenzwerte in Deutschland laut Nitratbericht des Bundesministeriums für Umwelt regelmäßig überschritten, vor allem in Gebieten intensiver Bewirtschaftung.

Die ökologische Landwirtschaft hat dadurch einige Probleme und Herausforderungen zu meistern, die in der konventionellen Landwirtschaft nicht auftreten. Das sind zum Beispiel Krankheiten und Schädlinge, die Tieren wie Pflanzen zusetzen und im Biolandbau nicht mit chemischen oder synthetischen Mitteln bekämpft werden dürfen. Der Ertrag fällt dementsprechend geringer aus. Tiere von konventionellen Höfen stehen meist ganzjährig im Stall, es gibt keinen vorgeschriebenen Auslauf, genverändertes Futter und vorbeugende Medikamente sind erlaubt. Dagegen sind Biolandwirt:innen bei ihrer Tierhaltung an einen flächengebundenen Tierbesatz und Auslaufflächen gebunden. Gefüttert wird mindestens 95 Prozent Biofutter, Gentechnik ist verboten.

Ein direkter Platzvergleich zeigt: Dem Mastschwein aus ökologischer Haltung stehen mindestens 1,3 Quadratmeter im Stall und ein Quadratmeter im Freien zu. Ein Mastschwein aus konventioneller Haltung hat dagegen nur 0,75 Quadratmeter Platz im Stall, Auslauf im Freien ist nicht vorgeschrieben.

Laut EU-Ökoverordnung gelten noch weitere Regeln: Eingriffe wie das Anbringen von Gummiringen an den Schwänzen von Schafen, das Kupieren von Schwänzen, das Abkneifen von Zähnen, das Stutzen von Schnäbeln und die Enthornung dürfen in der ökologischen Tierhaltung nicht routinemäßig durchgeführt werden. Mit spezieller Genehmigung sind diese Eingriffe aber auch auf Biohöfen möglich. Die Haltung von Hühnern in Legebatterien ist in Deutschland seit 2010 untersagt. Insgesamt sind die Mindeststandards für die konventionelle Tierhaltung aber deutlich schwächer.

Im ökologischen Landbau begünstigt Humuswirtschaft und organischer Düngung die Bodenfruchtbarkeit und damit natürliche Prozesse, die gesunde Kulturpflanzen gedeihen lassen. Stoffkreisläufe sind im landwirtschaftlichen Bio-Betrieb dabei möglichst geschlossen. Ihren Erzeugnissen dürfen vor dem Verkauf als Bio-Lebensmittel keine Geschmacksverstärker, künstliche Aromen, Farb- oder Konservierungsstoffe zugefügt werden.

Samenfeste Demeter-Qualität

Der biologisch-dynamische Demeter-Landbau, der auch in Brodowin praktiziert wird, geht noch weit über die EU-Richtlinien hinaus. Das Ideal der biodynamischen Wirtschaftsweise ist die Kreislaufwirtschaft. Es werden genau so viele Tiere gehalten, wie das eigene Land ernähren kann. Deren Mist wiederum düngt den Boden und erhöht die Fruchtbarkeit. Der Hof wird zu einem einzigartigen Organismus, in dem jedes Organ das andere braucht: Mensch, Pflanze, Tier und Boden wirken zusammen. Zusätzlich werden die Naturprozesse durch biodynamische Präparate wie Kräuter und Horndünger nach antroposophischen Lehren geordnet und harmonisiert.

Besonders maßgebend für die Demeter Landwirtschaft ist die ausschließliche Verwendung von samenfeste Getreidesorten. Diese Pflanzensamen werden geerntet und bei der nächsten Aussaat erzielen sie in der Regel den gleichen Ertrag aufs Neue. Als Hybridsorten werden Pflanzensorten

bezeichnet, die durch die Kreuzung von jeweils definierten Inzuchtlinien zustande kommen. Vermeintlicher Vorteil der Hybriden ist ein breites Repertoire an unterschiedlichen genetischen Informationen. Ein großer Nachteil für die Landwirtschaft ist die Tatsache, dass Hybridsaatgut nicht selbst weitervermehrt werden kann und jedes Jahr aufs Neue von Großkonzernen zugekauft werden muss. Durch Patente geraten Bäuer:innen in eine wirtschaftliche Abhängigkeit von Monopolisten.

Milch ist nicht gleich Milch

Damit eine Kuh kontinuierlich Milch gibt, muss sie jährlich ein Kalb gebären. Nach neun Monaten Trächtigkeit kommt dieses zur Welt und wird in der Regel noch am selben Tag von der Mutter getrennt. Das Kalb wird in den ersten Wochen in einer Einzelhaltung vom Menschen ernährt und versorgt, während die Kuh für den menschlichen Konsum gemolken wird. Doch einige Landwirt:innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz stellen sich gegen die gängige Praxis der Mutter-Kalb-Trennung, ein eigenes Siegel macht neuerdings darauf aufmerksam.

Auf die schmerzhafte Enthornung der Kühe aus Platzgründen wird in Brodowin wie auf allen Demeter-Höfen komplett verzichtet, eine Trennung von Kalb und Mutterkuh findet aber auch hier nach wenigen Tagen statt, um mögliche Infektionen zu vermeiden. Wir waren ziemlich erstaunt, drei Tage alte Kälber allein in sogenannten Iglu-Ställen vorzufinden, den sie sich nach einer gewissen Zeit, in der sich das Immunsystem aufgebaut hat, mit Artgenossen teilen. Denn je länger das Kalb am Euter der Mutterkuh hängt, desto weniger Milch bleibt für den Verkauf. Natürlich gibt es Alternativen wie eine mutter- oder ammengebundene Aufzucht, die einige Milchviehhöfe bereits praktizieren. Wenn langfristig die Nachfrage danach steigt und sich ein entsprechender Markt herausbildet, werden andere folgen. Unser tägliches Kaufverhalten im Kleinen hat in der Summe große Kraft für Veränderung. Wenn also nur ab und zu eine Milchtüte oder -flasche mit besonderem Siegel gekauft werden kann, spiegelt sich das trotzdem in den Zahlen wider. Auch Brodowin zeigt sich offen für Veränderungen in diese Richtung. Wir waren jedenfalls ziemlich erleichtert, als wir später viele kleine Zicklein zusammen mit ihren Müttern in ihrem luftigen Stall mit Auslauf erleben durften.

Warum billiges Essen der Erde schadet

Gerade im urbanen Umfeld trügt unsere Wahrnehmung von einem grünen Wandel in der Nahrungsmittelbranche. Umfragen zeigen immer wieder, dass Verbraucher:innen großen Wert auf ökologisch erzeugte Produkte legen, allerdings stimmen die Erhebungen in der Regel nicht mit der Realität überein. Laut foodwatch machten Bio-Produkte 2019 lediglich 6,4 Prozent des gesamten Lebensmittelumsatzes in Deutschland aus. In Europa liegt Luxemburg mit 18 Prozent Umsatzanteil vorn, gefolgt von Frankreich mit 13 Prozent. 2020 lag der Bio-Umsatz in Deutschland bei 14,99 Milliarden Euro – das ist eine Steigerung um immerhin 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Den größten Umsatz erzielen also nach wie vor Produkte aus konventioneller Landwirtschaft, was vor allem an den deutlich niedrigeren Preisen liegen dürfte.

Klimawandel, Fettleibigkeit, Kinderarbeit, Plastikverschmutzung und so weiter – all das sind Probleme und Kosten, die wir beim Lebensmitteleinkauf nicht berücksichtigen. Wie können diese versteckten Kosten so integriert werden, dass wir für unser Essen auch den wirklichen Preis zahlen und damit die tatsächlichen Kosten unserer Lebensmittel voll abdecken? Der Ladenpreis konventioneller Milcherzeugnisse müsste etwa 30 Prozent teurer sein, der von biologischen vergleichsweise nur etwa zehn Prozent. Denn nicht einberechnet im aktuellen Preis sind der Ausstoß von Treibhausemissionen, der Energieverbrauch und der Einsatz von Stickstoffdünger. Im Vergleich konventioneller mit ökologischen Produktionspraktiken führen vor allem der Verzicht auf mineralischen Stickstoffdünger beim Pflanzenanbau sowie ein geringerer Einsatz von industriell produziertem Kraftfutter bei der Nutztierhaltung in allen untersuchten Lebensmittelkategorien zu einer niedrigeren Gewinnspanne und Preisaufschlägen für ökologische Produkte.

Den wahren Kosten von Lebensmitteln geht Dr. Tobias Gaugler am Institut für Materials Resource Management der Universität Augsburg in seinen Forschungen nach. „Für viele negative Klima-, Umwelt- und Gesundheitsfolgen, die sich aus der Produktion von Lebensmitteln ergeben, kommen aktuell weder die Landwirtschaft noch die Konsumierenden auf. Die hiermit verbundene Preis- und Marktverzerrung stellt – ökonomisch gesprochen – eine Form von Marktversagen dar, der es mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu begegnen gilt. Ausgehend von unseren Ergebnissen und dem ‚polluter pays principle‘ der UN folgend müssten insbesondere Produkte aus konventioneller Nutztierhaltung deutlich mehr kosten, als dies aktuell in Deutschland der Fall ist.“ Weitere gravierende Folgen wie die gesellschaftlich-sozialen Auswirkungen von Antibiotikaresistenzen oder die ökologischen Folgen des Einsatzes von Pestiziden wurden in den Berechnungen nicht berücksichtigt.²

„Vanilleeis aus Bio-Ziegenmilch schmeckt lecker cremig nach Blumen und Stall.“

(Zooe, 9 Jahre)

„Ziegen sind ganz schön neugierig, mein T-Shirt haben sie auch schon probiert.“

(Mila, 9 Jahre)

Bio-Siegel weisen den Weg

Beim Einkaufen fällt es immer wieder auf: Das Wort „Bio“ prangt in unterschiedlichen Schriftarten und Formen auf Verpackungen. Dabei handelt es sich meist nicht um ein Bio-Siegel, sondern um ein Logo oder einen Produktnamen. Die gute Nachricht: Begriffe wie „Öko“, „ökologisch“, „Bio“, „biologisch“ und „aus kontrolliert ökologischem Anbau“ sind durch die EGÖko-Verordnung geschützt und dürfen nur verwendet werden, wenn das Produkt nach ökologischen Richtlinien produziert und verarbeitet wurde. Verbraucher:innen können sich darauf verlassen, dass drin ist, was draufsteht. Zusätzlich findet sich auf der Verpackung aber noch mindestens ein offizielles Bio-Siegel.

Das europaweit einheitliche EU-Bio-Logo in Form eines aus Sternchen geschwungenen Blattes erleichtert es, Bio-Produkte auf den ersten Blick zu erkennen, denn das Zeichen muss seit 2010 auf jedem verpackten BioLebensmittel stehen. Alle weiteren relevanten Siegel haben wir online für euch beschrieben und zusammengefasst, darunter auch das neue Siegel für die kuhgebundene Kälberaufzucht.

Wie ist eine gesunde und nachhaltige Ernährung möglich?

Kommt darauf an, was euch wichtig ist, denn wir haben die Wahl. Mit unserem Konsumverhalten können wir viel bewirken und der Politik einen Schritt voraus sein. Schon kleine Neuausrichtungen bringen viel, etwa der Lebensmittelverschwendung im eigenen Kühlschrank Einhalt gebieten. Der nächste Wochen- oder Ökomarkt in der Nähe ist immer ein guter Ort für nachhaltigeren Konsum. Sicher scheint, dass etwa Demeter-Produkte, Bioland-Erzeugnisse oder die auf dem regionalen Ökomarkt angebotenen Produkte höhere Standards aufweisen als die preisgünstigeren Alternativen aus dem Discounter.

Wer Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität schützen möchte, sollte mit seinem Einkauf ökologische Anbausysteme unterstützen, die auf Mineraldünger und synthetische Pflanzenschutzmittel verzichten und durch Fruchtwechsel Vielfalt auf die Felder bringen. Unter Klimaschutzaspekten ist Bio aber nicht per se besser. Die direkten Emissionen des Ökolandbaus sind zwar geringer, doch eine konventionell angebaute Tomate, die im Folientunnel wächst, ist hinsichtlich Energie- und Ressourcenverbrauch im Zweifel vorteilhafter als eine Biotomate, die aus Spanien importiert wird.

In der ökologischen Haltung von Tieren gelten deutlich strengere Standards als in der konventionellen Tierhaltung. Das garantiert aber nicht zwangsläufig, dass es den Tieren gut geht. Denn neben mehr Platz und Auslauf ist auch der Umgang mit den Tieren entscheidend. Expert:innen streiten außerdem, ob die Ökostandards überhaupt ausreichen, um wirklich artgerechte Tierhaltung zu gewährleisten. Eindeutig höhere Nährwert-, Protein- und Vitamingehalte konnten Bioprodukte bislang nicht liefern. Wer sich gesundheitsbewusst ernähren möchte, sollte deshalb insgesamt mehr Obst und Gemüse mit kurzen Lieferwegen kaufen. Mangos aus Indien oder Avocados aus Mexico gehören zum Vollsortiment eines jeden Supermarktes, sind aber wahre Ressourcenfresser und damit nicht als regelmäßige Lieblingsspeise zu empfehlen. Weniger Fleischkonsum und ein den Jahreszeiten entsprechender, regionaler Einkauf wirkt sich auf jeden Fall positiv auf die Klimabilanz aus. Achtet neben den wichtigsten Siegeln vor allem auf all eure Sinne und gebt krummen Karotten, fleckigen Äpfeln und alten Sorten eine Chance. Pastinake, Mangold, Topinambur, Erdbeerspinat oder Mairübe – historische Obst- und Gemüsesorten werden zum Glück immer beliebter, bei Spitzenköch:innen als auch Gartenfreund:innen. Sie sind einfach anzubauen, lassen sich problemlos vermehren und enthalten viele Nährstoffe. Wer einmal eine Goldparmäne, einen Rosenapfel oder einen aromatischen Berlepsch probiert hat, möchte sie nicht mehr missen. Es geht darum, den Wert unserer Lebensmittel zu erkennen, neu schätzen zu lernen und für unsere Kinder erfahrbar zu machen. Führungen werden auch von Molkereien, Mühlen oder Bäckereien angeboten, viele Fachleute freuen sich, ihr Wissen weitergeben zu können. Oder wie wäre es mal mit Urlaub auf dem Bauernhof? Auch Bio-Kisten können innerhalb der Familie ausgesucht und individuell zusammengestellt werden und wer Lust hat, besucht die „eigenen“ Landwirt:innen dann auf ihren Feldern und Höfen. Denn kaum etwas wirkt nachhaltiger als aufregende Erlebnisse zum Riechen, Anfassen und Staunen in der Natur.

Fotos: Silke Weinsheimer, Text: Susanne Ikes

1 Quelle: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, bmel.de 2 Quelle: Studie der Universität Augsburg “How much ist he dish“ / food-monitor.de