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Neue Orte für Arbeit
Die Suche nach dem perfekten Arbeitsort führt durch Wohnzimmer, Bällebäder und Wellnesscenter. Und sie wirft die Frage auf, was Unternehmen den Menschen bieten können, die nicht in Büros ihr Geld verdienen, sondern in Lagerhallen und Fabriken. Der Spielraum ist groß.
Ein Beitrag von Mirjam Stegherr
Zwanzig Schreibtische stehen im kreisrunden Raum. Ringsherum bieten drei Meter hohe Fenster Tageslicht. In der Decke brennen Leuchtbänder, angeordnet wie Sonnenstrahlen. Der Boden ist mit einem sandfarbenen Teppich ausgelegt. Es gibt ein paar Pflanzenkübel, im hinteren Teil steht ein Raumteiler. Die Tische sind braun, die Stühle rot und orange: So sieht es aus, das Großraumbüro von BMW im Jahr 1973. Der Konzern hat gerade seine Firmenzentrale eröffnet, die als modernstes Bürogebäude Deutschlands gilt und mit den Türmen in Form eines Kleeblatts als „Vierzylinder“ zu einer Ikone von München wird.
„Gestaltet für die Zukunft von morgen“: Das Motto für den damaligen Bau gelte noch heute, sagt Nicole Haft-Zboril, Bereichsleiterin Immobilienmanagement bei der BMW Group. Die Arbeitswelt im Hochhaus sei auch 50 Jahre später hochmodern: Büros ohne Wände, flexibel und kommunikativ. „Die Aufgaben in einem Unternehmen wie unserem sind so vielfältig, dass wir nicht ein Design für alle vorschreiben, sondern die Räume so gestalten, dass sie zu den Bedarfen der Teams passen“, sagt Haft-Zboril. Einige Etagen haben mehr Einzelplätze, andere mehr Begegnungsstätten. Es gibt Bereiche mit Whiteboards und Schreibtischreihen, große und kleine Sitzecken mit hohen Lehnen und sogar einen Steharbeitsplatz in einer weißen Telefonzelle.
Fokussieren, zusammenarbeiten, erholen: In diese drei Zonen teile die BMW Group ihre Arbeitswelten ein. Auch wenn der Turm längst unter Denkmalschutz steht, wurde er oft modernisiert. Die Teppiche sind heute grau, die Tische weiß und Möbel rund, zumindest zum Teil. Weltweit gibt es diese Einteilung in drei Zonen mit ähnlichen Farben und Elementen. In Frankreich baumeln Korbsessel von der Decke. In Tokio gibt es ein Plateau aus Holz, auf dem Stühle um Teetische stehen, an denen sich ebenso gut arbeiten, diskutieren wie mit Fernblick auf die Stadt entspannen lässt. Eben Corporate Design mit lokalem Kolorit.
Was moderne Arbeit ausmacht und wie die passenden Räume dafür aussehen, diskutieren Wissenschaft und Unternehmen. „Wir schauen nicht nur nach innen, sondern lassen uns vielfältig inspirieren. So verbessern wir uns kontinuierlich und prüfen, was die nächsten Entwicklungen sind“, sagt Haft-Zboril. Ein wichtiger Anlaufpunkt dafür ist das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Stefan Rief leitet den Forschungsbereich Organisationsentwicklung und Arbeitsgestaltung. „Wir befinden uns in einer Umbruchsituation“, sagt er. „Gerade nach der Pandemie nutzen Angestellte verstärkt mobile Arbeitsformen und haben höhere Ansprüche an ihren Arbeitsort, der zu ihren individuellen Bedürfnissen passen muss.“
Raumkonzept fürs Metaverse
Mit dem Homeoffice haben Büros eine große Konkurrenz. Viele Meetings finden ohnehin online statt. Auch wenn die Zoom-Fatigue hoch und die Situation befremdlich sei, von vielen Augenpaaren angestarrt zu werden, könne die virtuelle Kooperation zunehmen, sagt Rief. Denn im Metaverse werden Treffen vielleicht bald menschlicher. Auch dafür lohne sich ein Raumkonzept. Bis dahin aber gelte: Innovationen funktionieren dann besser, wenn Personen vor Ort zusammenkommen. Firmen müssten sich überlegen, wie sie ihre Angestellten wieder in die Büros locken.
Auf der Holztreppe im Atrium liegen Filzkissen. Zwei Mitarbeiterinnen haben sich auf eine Stufe gesetzt. Wenn sie nach oben blicken, können sie alle Etagen sehen, abgeschlossen mit einer Reling aus Beton, hinter der ein langes Holzband verläuft, an dem ab und an Kollegen mit Laptops sitzen. Überall sind offene Büros, kleine und große „Wohnzimmer“, zum Beispiel der „Prinzessinengarten“ aus Europaletten um Grünpflanzen oder das „ICC“ mit kreisrunden Bänken und Hockern in weinrot. Auch auf der Dachterrasse gibt es Platz für Meetings und ein großes Basketballfeld.

Alles soll offen sein und interaktiv im Headquarter von Zalando. 2019 hat das Unternehmen in Berlin seinen Campus eröffnet. Das zentrale Gebäude sieht aus wie ein Doppel-X. In den Außenschenkeln liegen Großraumbüros und Konferenzräume, in denen es ruhiger zugeht. Durch die Mitte führt ein „Catwalk“, der Mitarbeitende an Plätze lotsen soll, an denen sie aufeinandertreffen. Ein Weg für die Serendipity: zufällige Begegnungen, die zu Austausch und neuen Projekten führen.
Die Arbeitsumgebungen sollen Innovationen fördern, Kooperationen stärken und flache Hierarchien spiegeln, sagt Raimund Paetzmann, Vice President Real Estate and Logistics Network Expansion bei Zalando. Dafür könnten Angestellte mitbestimmen, wie sich der Campus verändert.