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Seeblick auf Amrum

Die Küche der kurzen Wege

Familie Hesse investiert 1,6 Millionen Euro in ihr Seeblick Genuss und Spa Resort auf Amrum – fast die Hälfte davon für eine digitalisierte Küche. Auch bei den Lieferanten setzt man auf kurze Wege, auf Nähe und Region. Von Susanne Plaß

Gunnar Hesse, was gibt‘s heute Abend zum Kabeljau? – Selbstgepflückten Queller und Salzkräuter! Inseln sind Sehnsuchtsorte inmitten Neptuns Reich, mit dem Gefühl von Freiheit. Auf der feinsandigen Perle Amrum im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer lebt Familie Hesse unter 2300 Insulanern. In normalen Jahren kommen 1,32 Millionen Übernachtungsgäste auf die Nordseeinsel. „Seit Ausbruch der Pandemie in 2020 haben wir einen Rückgang an Touristen von 25 Prozent zu verzeichnen“, sagt Frank Timpe, Tourismuschef auf Amrum. Er freut sich, dass seine Insel seit Mai am Modellprojekt Nordfriesland teilnimmt und wieder Urlaubsgäste unter strengen Corona-Regeln empfängt. Die zehn Hotels auf der Insel durften in den beiden Lockdowns nur beruflich Reisende aufnehmen und schlossen das Jahr 2020 mit einem Minus von über 17 Prozent ab. Keine Zeit zum Klagen hat Familie Hesse mit ihrem VierSterne-Superior-Hotel Seeblick Genuss und Spa Resort in Norddorf. Sie zogen die geplanten Modernisierungsmaßnahmen um zwei Monate vor. Nach fast 40 Jahren intensiver Beanspruchung musste das Küchenreich von Gunnar Hesse komplett erneuert werden. Der Sohn von Angelika und Hartmut Hesse wurde 1977 auf Amrum geboren und wuchs im Familienbetrieb Seeblick auf. 1913 als Villa Platzer erbaut, übernahm Angelika Hesse die Pension ihrer Eltern 1982, ließ sie abreißen und das heutige Häuser-Ensemble bauen. Als ihr Mann im Jahr 2000 starb, kam Sohn Gunnar mit seiner Frau Nicole zurück. Beide hatten ihre Meisterprüfungen als Koch und Hotelfachfrau in der Tasche und wollten sich in der Welt umschauen. Sie blieben auf Amrum und zogen ihre Kinder Jannis und Jule groß, die einmal als fünfte Generation das gastgewerbliche Erbe antreten sollen. 2007 übernahmen Nicole und Gunnar Hesse die Geschäftsführung. Mithilfe der Kieler Tourismusberater Cordes & Rieger fanden sie einen neuen, maritimen Stil für ihr Vier-Sterne-Superior-Hotel. Neben einer der Insel angepassten Einrichtung gehört im digitalen Zeitalter eine aussagekräftige Internetseite und das Netzwerken

über die Social-Media-Kanäle dazu. Eine Königsdisziplin für die „Seeblicker“, wie sie sich selbst nennen. „Der Tourismus auf Amrum hat sich verändert. Es gibt weniger Sylt-Flüchtige, dafür viele Stammgäste, die die Ruhe auf Amrum lieben und zuhause anspruchsvolle Küche kennen. Daher denken wir, dass wir mit der neuen Küche, unserer Feinheimisch-Ausrichtung und zeitgemäßer Modernisierung des Hotels langfristig punkten können“, erklärt Gunnar Hesse.

Palux macht das Rennen

Allein 680.000 Euro der investierten 1,6 Millionen Euro entfielen auf das neue Küchenparadies. Nach zweijähriger Planung stiegen Gunnar Hesse, sein Team und Sohn Jannis im Januar 2020 ins Detail ein. Neben neuen Geräten sollten die Arbeitsabläufe vereinfacht, die Laufwege optimiert werden. Auch Mitarbeiter mit wenig Fachkenntnissen oder Sprachbarrieren sollten sich leicht zurechtfinden. Gunnar Hesse: „Wir haben verschiedenen Küchenherstellern unsere Ansprüche aufgegeben und um Angebote gebeten. Geräte wie Kombidämpfer auf Gas-Basis, Induktion für den Herd, Bräter, Nudelkocher, Warmhalteplatten und viele Kühlfächer war unsere Vorgabe. Die Firma Palux aus Bad Mergentheim zeichnete uns auf Anhieb unsere Traumküche.“ Kai-Uwe Jeserich von Palux: „Der Neubau einer Küche ist leichter, als eine bestehende zu modernisieren. Ich war im ersten Lockdown 2020 erstmals auf Amrum. Wichtig war im Seeblick auch, dass nicht nur zur Hochsaison mit teils 400 Essen am Abend alles reibungslos klappen muss, sondern auch in den Wintermonaten mit wenig Personal kurze Wege in der Küche zum Erfolg führen.“ Durch die neue Küche stieg der Strombedarf auf 130 KW. Patron Hesse: „Zu unserem Blockheizkraftwerk benötigten wir daher eine Energie-Optimierungsanlage, die in Spitzenzeiten für 30 Prozent Einsparungen sorgt. Für unsere Küche der kurzen Wege wollten wir viele Kühlschränke – auch im Herdblock. Dafür mussten die Transformatoren des Induktionsherdes in drunter liegenden Keller verlegt werden. Ein Novum - auch für Palux! Alle Kühlanlagen wurden an die Wärmerückgewinnung angeschlossen.“ Nachhaltigkeit ist den „Seeblickern“ wichtig, dafür tragen sie das Prüfsiegel „gesicherte Nachhaltigkeit“ und „klimaneutral“ des privaten Deutschen Instituts für Nachhaltigkeit & Ökonomie.

Gekocht wird feinheimisch

Im Februar 2021 traf die Profiküche auf Amrum ein. Das Prachtstück in den 100 Quadratmeter großen Räumlichkeiten ist der 360 Zentimeter lange Maître Herdblock mit zwei vollflächigen Induktionsherden. Praktisch sind die 30 Kühlschubladen. Alle Posten haben das, was sie brauchen, direkt vor oder neben sich platziert. Im Nebenraum sorgen die Spülstraße der Firma Winterhalter für sauberes Geschirr und die Hygieneanlage von Dr. Schnell für die automatisierte Dosierung des Putzwassers. Damit nicht genug an Investitionen in die Zukunft: „Unser cloudbasiertes Kassenprogramm der Bremer Firma Gastronovi ist genial. Wir haben damit nicht nur volle Kostenkontrolle und bessere Personalplanung, auch unsere Gäste profitieren durch direkte Bestellung über unsere Homepage in der Küche“, erklärt der Patron begeistert mit Blick auf den Monitor am Pass. Sein Gastkoch beim Schleswig-Holstein Gourmet Festival (SHGF), Simon Tress vom Bio Restaurant & Hotel Rose im schwäbischen Hayingen, brachte ihn auf die Idee.

Impressionen von der Nordsee: Der Seeblick von außen, neue Juniorzimmer und -suiten, die Terrasse – und ein „strandguter“ Hinweis aufs Angebot

Gunnar Hesse in seiner neuen Küche von Palux – sowie Austern nach Art des Hauses und ein typisch „feinheimischer“ Teller Seit Mai darf Gunnar Hesse wieder Feinheimisch-Gerichte anbieten. Über den Sylter Zwei-Sterne-Kollegen Johannes King ist der Amrumer an die Kooperation Feinheimisch gekommen. „Seit einem Jahr bin ich im Vorstand aktiv. 60 Prozent unserer Produkte müssen aus Schleswig-Holstein stammen. Es kommen immer öfter Gäste aufgrund unserer frischen Regionalküche in den Seeblick“, freut sich der 44-Jährige. „Die Logistik auf einer Insel ist dabei herausfordernd. Wir mussten Produzentenwege finden: Unser Feinheimisch-Gemüsehändler beliefert uns dreimal wöchentlich mit Frischware und bringt auch Käse von kleinen Käsereien mit. Edeka hat die Regional- und Landprodukte ins Sortiment aufgenommen und beliefert uns mit Fleischprodukten von unserem Metzger. Wir wollen so die gesamte Wertschöpfungskette in der Region halten.“

Plankenoptik und Knoten im Tau

Gefragt nach typischen Amrumer Gerichten, sprudelt es aus dem passionierten Koch heraus: „Fisch in der Salzkruste, Kabeljau mit selbstgepflückten Queller und Salzkräutern, Amrumer Wildauster, Pastrami vom Inselrind mit Kapern, die wir aus Löwenzahl und Fichten herstellen. Als Dessert gibt es Amrumer Sanddorn mit Karotte oder Deichkäse vom Backensholzer Hof gratiniert mit unserem Fichtenhonig.“ Ideen für neue Gerichte holt sich das Mitglied der Köche-Fußballmannschaft auf Reisen und bei den Gastköchen des SHGF. Nicole Hesse kümmert sich um das Hotel und die 50 Mitarbeiter. Rechtzeitig fertig wurde die Modernisierung von 20 der 48 Zimmer und Suiten. Alle Juniorzimmer in den Farben Blau, Weiß und Beige erhielten einen nachhaltig produzierten Designboden in Plankenoptik von der Firma Amtico, 1,60 Meter große Betten und neues Interieur im maritimen Stil: Geknotete Taue dienen als Garderoben, umschlingen einen Hocker oder machen sich als Lampenständer steif. Hinter dem Treibholz an der Wand sorgen LED-Lichter für Atmosphäre. Unterstützung bei der Einrichtung holten sich die Seeblicker bei Baur Wohnfaszination (www.baur-bwf.de) und bezogen auch heimische Gewerke wie den Bodenleger Böge und Erichsen aus Breklum sowie Fliesen Rohde aus Heide in ihr nachhaltiges Wohnkonzept mit ein. Nicole Hesse ließ zudem eine neue Hotline Hotelsoftware aufspielen: „Sie bietet neben dem Hotelprogramm, Wellnesstool, Restaurantkasse, Buchhaltung, DATEV auch weitere Schnittstellen sowie ein besseres PreisLeistungs-Verhältnis.“ Jetzt freuen sich die engagierten Seeblicker auf ihre Gäste!

PROFILE

• Das Vier-Sterne-Superior-Hotel Seeblick Genuss und Spa

Resort liegt in Norddorf auf der Nordseeinsel Amrum • Aus der ehemaligen Villa Platzer von 1913 entstand 1982 unter Angelika Hesse das heutige Hotel-Ensemble • Nicole und Gunnar Hesse übernahmen 2007 die

Geschäftsführung und etablierten einen maritimen Stil • Als Küchenchef setzt Gunnar Hesse auf frische, regionale Produkte – gerne direkt von der Insel • Der Seeblick ist engagiertes Mitglied beim Verein

Feinheimisch – Genuss aus Schleswig Holsten • 2020/21 investierte Famile Hesse 1,6 Millionen Euro in ihren Betrieb, die Hälfte davon für eine Palux-Küche • Neben Palux investierte man in Winterhalter, Dr. Schnell,

Gastronovi, Hotline und regionale Innenausstatter • www.seeblicker.de

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