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Kulinarisches aus der Antike

Vegetarische Tisana

Text: Franziska Kopeczky

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Du möchtest am „Puls“ der Zeit sein und dich mit Fleischkonsum und Vegetarismus auseinandersetzen? Dann könnte es dich interessieren, dass puls ein römischer Getreidebrei war, die Römer in der antiken Komödie als pultiphagi – „Breifresser“ beschimpft wurden und der griechische Philosoph Pythagoras den Vegetarismus quasi erfunden hat.

In der griechisch-römischen Antike ernährte sich der Großteil der Bevölkerung vor allem vegetarisch. Aufgrund der begrenzten Konservierungsmöglichkeiten – Salzen, Räuchern und Lufttrocknen - gab es Frischfleisch vermehrt im Herbst und Winter und auch nach kultischen Handlungen mit Tieropfern. Üblich war das Schlachten von Schweinen, Rindern, Schafen und Ziegen. Kleintiere, wie Hasen und Geflügel, wurden lebend auf den Märkten angeboten. Ab dem 4. Jahrhundert nach Christus wurde Fleisch Teil der öffentlich zugeteilten Lebensmittelrationen, was auf eine Änderung der Essgewohnheiten hindeutet.

Obwohl in der griechisch-römischen Antike ohnehin wenig Fleisch gegessen wurde, gab es in dieser Zeit dennoch eine bewusste Auseinandersetzung mit Fleischkonsum und Vegetarismus. So zeichnete sich das mythologische „Goldene Zeitalter“ laut einigen Schriftstellern unter anderem dadurch aus, dass damals noch kein Fleisch verzehrt wurde, sondern alle Menschen und Tiere friedlich miteinander lebten. In ethnographischen Schriften der Antike gehört der vorrangige bzw. ausschließliche Verzehr von Fleisch und Milch zum Barbarentopos.

Während der ökologisch motivierte Vegetarismus eine neuere Entwicklung sein dürfte, spielten Überlegungen zum Wohl von Tier und Mensch bereits in der antiken Philosophie eine Rolle. Der Philosoph Pythagoras (6./5. Jh. v. Chr.) sprach sich für eine „Enthaltung von allem Beseelten“ aus. Seine Anhänger verschmähten auch Eier, da diese den Keim des Lebens enthalten. Wer sich heute entscheidet, Vegetarier*in zu werden, folgt den Fußstapfen Senecas, der sich von philosophischen Rhetoren begeistern ließ und zumindest eine Zeit lang ebenfalls Vegetarier war. Veganer dürfte Apollonios von Tyana (1. Jh. n. Chr.) gewesen sein, der auch Kleidung aus tierischen Materialien ablehnte.

Das Grundnahrungsmittel der griechisch-römischen Antike war Getreide. Die widerstandsfähige Gerste wurde nach und nach durch Weizen verdrängt, dessen höherer Glutengehalt das Brot besser aufgehen lässt. Weitere Getreidesorten, die in der Antike je nach Region in unterschiedlichem Ausmaß angebaut wurden, waren Emmer, Dinkel, Einkorn, Hafer, Roggen und Hirse. Importiert wurden Reis und Sorghum.

Dies sind Erkenntnisse der Archäobotanik, lateinische Begrifflichkeiten für Getreide und Getreideprodukte dürften in der Antike nicht einheitlich verwendet worden sein. Dementsprechend widersprüchlich fallen auch Worterklärungen in Lexika und Wörterbüchern aus. Je nach Buch bedeutet polenta entweder „Gerstengraupen“ (= „Rollgerste“) im Unterschied zu (p)tisana, „Gerstengrütze“, oder aber bezeichnet Gerstenerzeugnisse im Allgemeinen. Puls, das Gericht der Römer in republikanischer Zeit schlechthin, wird mit „Emmerbrei“ oder „Dinkelbrei“ übersetzt; jedoch gab es auch puls fabata, einen „Bohnenbrei“.

Wer die antiken Bezeichnungen verwirrend findet, braucht aber nicht zu glauben, dass sich die Küchensprache inzwischen vereinfacht hätte. Als Beispiel soll die Erklärung einer Pinzgauerin zur Alpenkulinarik dienen:

„Das „Muas“ im Pinzgau ist in der Steiermark ein „Sterz“ und in Südtirol ein „Riebl“. Das südtiroler „Muas“ ist im Pinzgau aber ein „Koch“. Allerdings gibt es dafür verschiedene Vokabel, je nachdem ob man sich gerade im Oberpinzgau, im Unterpinzgau, oder im Saalachtal befindet.“

Der Getreidebrei war die Vorstufe zum Brot, für das die Körner feiner zerkleinert werden müssen. Das Brot war im frühen Griechenland ein Luxusprodukt, die einfache Bevölkerung aß Brei. In Rom kam das Brot überhaupt erst im 2. Jh. v. Chr. auf, verdrängte die übliche puls aber nicht völlig. Dass die Griechen das Brot schon viel länger kannten als die Römer, wird in der Komödie Mostellaria von Plautus (geschrieben ca. 200 v. Chr.) aufgegriffen, die in Athen spielt. In dieser preist der Sklave Tranio die Qualität der Holzsäulen vor dem Haus und meint, dass diese nicht das Werk eines pultiphagus barbarus, eines „ausländischen Breifressers“, sind.

Als Vertreter von heute üblichen Getreidebreien dürfte den meisten Leser*innen Grießkoch bekannt sein. Auch in der Antike gab es bereits süße Breivariationen. Zunehmend Eingang in die österreichische Küche finden aber auch Rezepte mit Couscous und Bulgur. Die im Anschluss vorgestellte tisana dürfte wohl am ehesten dem heutigen Gerstenbulgur entsprechen. Informationen zu antikem Autor und Werk finden sich in der vorherigen Ausgabe des GeWitters.

Originalrezept Zutaten für 6 Portionen

100 g Gerstenbulgur* 200 g Kichererbsen (eingelegt) 100 g Tellerlinsen (trocken) 150 g Erbsen (gefroren)

100 g Kohlsprossen 1Pkg Suppengrün (Karotte, ½ Stange Porree, Sellerie, etc.) 1 EL Olivenöl

½ Bund Dill

½ Bund Petersil

½ TL Fenchelsamen

1 TL Oregano (getrocknet) 1 TL Liebstöckel (getrocknet)

Apicius, De Re Coquinaria 4,4,2 Tisanam barricam*

Infundis cicer, lenticulam, pisa. Defricas tisanam et cum leguminibus elixas. Ubi bene bullierit, olei satis mittis et super viridia concidis porrum, coriandrum, anethum, feniculum, betam, malvam, coliculum molle, et viridia minuta concisa in caccabum mittis. Coliculos elixas et teres feniculi semen satis, origanum, silfi, ligusticum. Postquam triveris, liquamine temperabis. Et super legumina refundis, agites. Coliculorum minutas super concidis.

* Mit „barrica“ könnte „farrica“ gemeint sein, was „aus Getreide“ bedeutet. Dieser Zusatz wäre hier redundant, da das Wort „tisana“ ja schon Gerstengrütze bedeutet.

Tisana

Du weichst Kichererbsen, Linsen und Erbsen ein. Du zerreibst Gerste und kochst sie mit den Hülsenfrüchten. Sobald es gut kocht, gibst du genügend Öl hinzu und über das

Grünzeug schneidest du Porree, Koriander, Dill, Fenchel, rote Rübe, Malve, weiche Sprossen, und gibst kleingeschnittenes Grünzeug in einen Kochtopf. Du kochst Sprossen und zerreibst genügend Fenchelsamen, Oregano, Silphium und

Liebstöckel. Nachdem du sie zerrieben hast, schmeckst du es mit Liquamen ab. Und du gießt es über die Hülsenfrüchte und rührst um. Du schneidest die zerkleinerten Sprossen darüber.

Angepasstes Rezept

Viridia, wörtlich „Grünes“, kommt im Originaltext zweimal vor. Für das vorliegende Rezept wurde gemäß üblichen Arbeitsschritten angenommen, dass es sich bei der ersten Nennung um Gemüse handelt, bei der zweiten um frische Kräuter. Das liquamen, eine würzige Fischsauce, wurde zugunsten der VegetarierInnen weggelassen und einfach durch Salz ersetzt. Thailändische Fischsaucen wären im Bedarfsfall eine geschmackliche Annäherung. Für die ausgestorbene Gewürzpflanze silphium musste bereits in der Antike ein Ersatz gefunden werden, der dann aber mit demselben Begriff bezeichnet wurde. Bei diesem Ersatz könnte es sich um das heute noch verwendete Asant handeln. Experimentierfreudige Würzexperten mögen sich durch das Originalrezept inspiriert fühlen! •

*erhältlich z.B. beim Bioladen Matzer in Graz

Zubereitung

1. Die Tellerlinsen in einer Schüssel großzügig mit Wasser bedecken und etwa drei Stunden einweichen. Alternativ können auch 200 g Linsen aus der Dose verwendet werden.

2. Gerstenbulgur, Kichererbsen, Tellerlinsen und Erbsen in einen großen Topf geben und großzügig mit Wasser bedecken.

Die Kohlsprossen obenauf legen. Zugedeckt aufkochen und etwa 5 Minuten köcheln lassen. Währenddessen das Gemüse und die Kräuter kleinschneiden.

3. Die Kohlsprossen mit einem Löffel herausholen und auf einen Teller geben. Öl, Gemüse, Dill und Petersil in den Topf geben und bei Bedarf noch etwas Wasser zugeben. Zugedeckt etwa 10 Minuten köcheln lassen.

4. Währenddessen die weichen Kohlsprossen kleinschneiden und in einem Mörser Fenchelsamen, Oregano und Liebstöckel zerreiben. Falls du keinen Mörser besitzt, kann dieser verfeinernde Arbeitsschritt ausfallen.

5. Sobald Linsen und Bulgur weich sind, die restlichen Zutaten beimengen. Zuletzt das Gericht mit Salz abschmecken.

Franziska Kopeczky studiert Lehramt Latein und Geschichte an der Uni Graz.

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