Lydia 01/2019 – 448914

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D 12013 ISSN 0939-138X

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Frieden finden mit

meinen Eltern

Veränderung ist möglich – aber wie?

Erkenntnisse in der Sabbatzeit

Hoffnungsbote werden Feride Jäger

Vom Sehnen und Suchen Zerrissen zwischen zwei Welten

Korsika

Neuheiten

Insel der Schönheit

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Ganz persönlich Ellen Nieswiodek-Martin Da, wo wir leben, können wir Friedensboten sein, indem wir uns in unserem Umfeld für Freiheit statt Mauern, für Lösungen statt Streit einsetzen.

„Suche Frieden und jage ihm nach“ Als Teenager habe ich mit meinen Eltern ein Jahr lang in Berlin gewohnt. Wir wohnten direkt hinter der Mauer, die Berlin damals in einen Ost- und einen Westsektor teilte. Aus unserer Wohnung im dritten Stock schauten wir auf den „Todesstreifen“ hinter der Mauer.

Tagsüber eine öde Fläche, die von einer Straße durchzogen wurde. Hier patrouillierten in regelmäßigen Abständen die Jeeps der Grenzsoldaten. Nachts kreisten die Scheinwerfer und leuchteten das Gelände aus. Ohne Pause.

Vorher hatte ich im ländlichen Raum gelebt, war gewohnt, draußen zu spielen. Und hier diese Mauer, die verhinderte, dass man weitergehen konnte. Als Zwölfjährige interessierten mich weniger die politischen Hintergründe.

Die Mauer begrenzte meinen Forscherdrang, meine Neugier und meine Freiheit.

Als wir längst aus Berlin weggezogen waren, lernte ich in der Schule die historischen und politischen Hintergründe des geteilten Deutschlands kennen. Mehr als alles Wissen hinterließen die persönlichen Eindrücke ihre Spuren: zum Beispiel, als wir zu Verwandtenbesuchen durch „die Zone“ fuhren. Das Gefühl an den Grenzübergängen, wenn die Grenzbeamten mit den Gewehren und strenger Miene um unser Auto herumliefen und wir nicht wussten, wonach sie suchten. Natürlich taten sie nur ihre Pflicht. Aber das wusste ich damals nicht.

28 Jahre, zwei Monate und 27 Tage lang trennte die Berliner Mauer die Menschen in Ost und West. Sie wurde weltweit zum Symbol für den Kalten Krieg.

Wer weiß, ob sie es heute noch wäre – wenn sich nicht Tausende von Christen seit den Achtzigerjahren mit regelmäßigen Gebeten und später auch Demonstrationen für

Frieden und Freiheit eingesetzt hätten. Die bekanntesten Friedensgebete – die ich nur aus dem Fernsehen kenne – gab es in der Nikolaikirche in Leipzig. Seit September 1982 fanden dort jeden Montag Friedensgebete statt.

Im Sommer 1989 begannen die Menschen in Leipzig, nach diesen Gebeten durch die Straßen zu ziehen und friedlich für Freiheit zu demonstrieren – das waren die sogenannten Montagsdemonstrationen. Sie zeichneten sich vor allem durch den friedlichen Umgang miteinander und mit der Polizei aus.

Wenige Monate später, am 9. November 1989, wurde die Grenze nach Westdeutschland geöffnet. Für mich kein Zufall, sondern die Antwort auf tausende Gebete.

Das alles ist dreißig Jahre her. Vor diesem Hintergrund verstehe ich auch die Jahreslosung 2019: Dem Frieden nachjagen – das bedeutet nicht nur, sich um den persönlichen inneren Frieden zu bemühen, sondern auch, sich für Frieden in unserem Land und unserer Gesellschaft stark zu machen.

Da, wo wir leben, können wir Friedensboten sein, indem wir uns in unserem Umfeld für Freiheit statt Mauern, für Lösungen statt Streit einsetzen. Im Matthäusevangelium sagt Jesus: „Glücklich sind die, die sich um Frieden bemühen, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden“ (Matthäus 5,9).

Ich möchte das üben und darin besser werden.

Machen Sie mit?

Ihre

Ellen Nieswiodek-Martin

Lydia 01/2019

3

6 F OTO : T I M O S C H E V E N

Vom Sehnen und Suchen Zerrissen zwischen zwei Welten Interview mit Feride Jäger

34

Maria – die Mutter des Messias

24

Glaube & Lebenshilfe

Beruf & Gesellschaft

32 Wort-Schätze der Bibel Himmel – Debora Sommer

14 Frieden finden mit meinen Eltern Katja Riese

34 Tiefer graben Maria – die Mutter des Messias – Gretchen Hilbrands

18 Der geheime Garten Wie meine Seele im Alltagschaos zur Ruhe kommt – Inka Hammond

52 Ist Gott vergesslich?

Angelika Jackson 62 Hoffnungsbote werden Wie wir unsere Mitmenschen mit Jesus in Berührung bringen können Birgit Fingerhut

72 Heilige heute Traudel und die frischen Brötchen Ingrid Kastirr • Mein zweiter Frühling Susanne Kaufmann • Der Tag, an dem mein Herz stillstand Claudia Köllnberger • Mein T-Shirt hat Mut geschenkt Diana Eisemann

Lydia 01/2019

{inhalt}

62

65 Mein schönstes Erlebnis Silke Kratz

4

Lydia

22 Stell dir vor, du tust nichts – und es verändert sich alles Cornelia Schmid 24 Erkenntnisse in der Sabbatzeit Wie wir lernten, Gottes Gegenwart zu genießen – Dorothee Fünfsinn 26 Veränderung ist möglich – aber wie? Christoph Hickert 46 Auf Trümmern Hoffnung bauen Lieben und Leben in den Herausforderungen im Libanon – Lydia Liechti 54 Auf nach Griechenland!

Mit 54 Jahren nahm ich eine neue Herausforderung an – Ulrike Weber

20

Mutige Schritte in Richtung Heilung

38

60

58

Ehe & Familie

Körper & Seele

{ In jeder Ausgabe }

16 Meine Meinung Wie stark prägt uns unsere Familiengeschichte?

20 Mutige Schritte in Richtung Heilung Sexueller Missbrauch in der Kindheit hielt mich jahrelang gefangen – Sigrid Lang

3 Ganz persönlich „Suche Frieden und jage ihm nach“ Ellen Nieswiodek-Martin

38 Werde ich ewig Single sein?

Stephen Witmer 44 Recht haben oder glücklich sein?

Warum eine schlichte Entscheidung unsere Ehe rettete – Regina Hoppe 50 Zwischendurchgedanken Augenblicke der Auszeit – Saskia Barthelmeß 51 LYDIA-Familientipp Gut mit Konflikten umgehen – Marion Klug 53 Schmunzeln mit LYDIA

30 Mein wunderbarer Februar Wie ich überreich beschenkt wurde Yvonne Völker

12 Leserbriefe 60 LYDIA kreativ – Imke Johannson 64 Liebe Leser

40 Überwunden – Leonie Hoffmann

66 Für Sie entdeckt

58 Das Endgültige ist nicht endgültig Wie ich Heilung nach einer Abtreibung fand – Marie Berg

76 Gut informiert. Neu inspiriert.

68 Unsere Geschichte: In Frieden eingehüllt – Claudia und Fred Jung

82 Nachgedacht Arglos wie die Schneeglöckchen – Noor van Haaften

Auf nach Griechenland!

54

81 Impressum

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Interview mit Feride Jäger

Vom Sehnen und Suchen Zerrissen zwischen zwei Welten

Wenn man ein Wort finden wollte, das Feride Jägers Kindheit beschreibt, müsste es wohl „Zerrissenheit“ sein. Das junge Mädchen war zerrissen zwischen dem muslimischen Vater und der deutschen Mutter, hin und her gerissen zwischen den leiblichen Eltern und der Pflegefamilie. Zerrissen zwischen dem Wunsch nach Frieden und danach, so geliebt zu werden, wie es war. Und immer war da diese Sehnsucht, anzukommen. Erst als Feride Jäger Gott kennen und lieben lernte, kam ihre Seele zur Ruhe.

Wenn ich Erinnerungen an meine Mutter oder meinen Vater hervorhole, dann sind das in der Regel negativ besetzte Gefühle. Ich habe prägende Erinnerungsfetzen, sie fühlen sich zu neunzig Prozent nicht angenehm an.

Ich glaube aber, es muss auch schöne Momente gegeben haben.

Ihre Mutter war Deutsche, Ihr Vater war türkischer Abstammung. Wie lebten Sie als Familie?

Mein Vater war Muslim, beide waren nach islamischem Recht verheiratet. Mein Vater hatte noch eine andere Familie, mit der er zusammengelebt und die er ebenfalls versorgt hat. Er war aber auch Teil unserer Familie. Er war mal da und mal weg.

6

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Wie war das für Sie?

Ich war noch sehr klein, ich habe erst im Nachhinein registriert, dass mein Vater in Verhältnissen gelebt hat, die nicht der westlichen Kultur entsprochen haben. Ich bewerte das nicht. Ich weiß ja bis heute nicht mal, unter welchen Umständen er nach Deutschland gekommen ist.

Mit sechs Jahren kamen Sie in eine Pflegefamilie.

Wie kam das?

Meine leiblichen Eltern und meine Pflegeeltern wohnten in einem Mehrfamilienhaus und waren wohl befreundet. Ich war oft in dieser Familie untergebracht. Es gab viele Umstände, die dazu führten, dass ich dort geparkt worden bin. Bei uns war immer Unruhe: Oft waren Polizei oder Krankenwagen da. Meine Mutter war Gewalt ausgesetzt, außerdem litt sie unter Abhängigkeiten.

F OTO S : T I M O S C H E V E N

Frau Jäger, Sie hatten eine bewegte Kindheit.

Würden Sie davon erzählen?

LY D I A

Interview

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Tiefer graben

Gretchen Hilbrands

Maria die mutter des messias

Vertrauen lernen in der Familie

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Lydia 01/2019

Maria erlebt die Höhen und Tiefen des Mutterseins – Freude über Gelungenes, Unverständnis über manche Entscheidung und tiefer Schmerz, als ihr Sohn am Kreuz stirbt. Doch während sie als Mama ihren Familienalltag managt, lernt sie immer wieder neu, Gott zu vertrauen.

D

ie Geburt im Stall liegt Jahre zurück. Maria ist eine gestandene Familienfrau geworden.

Vieles hat sich in ihrem Leben geändert. Das Projekt Familie, das so klein und ganz anders begann, als sie und Josef sich den Beginn ihrer Ehe vorgestellt hatten, war ein großes Familienunternehmen geworden. Josef hatte Jesus adoptiert, die Familie lebte in Nazareth. „Damit erfüllte sich, was die Propheten vorausgesagt hatten: ‚Man wird ihn den Nazarener nennen‘“ (Matthäus 2,23). Wenige Jahre nach Jesus wurde Jakobus geboren, danach Joses, Simon und Judas sowie mindestens zwei Schwestern (siehe Markus 6,3). Ihre genaue Anzahl ist nicht übermittelt, nur dass es mehrere Schwestern waren. Maria und Josef hatten also eine große Familie.

Von Beruf war Josef selbstständiger Bauhandwerker, der mit Stein und Lehm Häuser baute und Höhlen bewohnbar machte. In der Bibel wird dies als Zimmermann bezeichnet. Sehr wahrscheinlich haben seine Söhne dieses Handwerk, wie damals üblich, ebenfalls erlernt und ausgeübt. Auch Jesus.

Vertrauen heißt, Herausforderungen anzunehmen Schon die Ankündigung der Geburt Jesu hatte einiges bei Maria und Josef auf den Kopf gestellt. Auch das Zusammenleben mit diesem besonderen Sohn war herausfordernd. Wir erfahren nicht viel über Jesu Kindheit – außer in dem Bericht, als Jesus zwölf Jahre alt ist.

Wie jedes Jahr gehen Maria und Josef mit ihren Verwandten nach Jerusalem zum Passahfest. Erwartungsgemäß wird Jesus zuhören, neue Erfahrungen sammeln, sich bei seinen Eltern aufhalten und ihnen gehorsam folgen. Doch Jesus sprengt alle Erwartungen. Im Tempel wundern sich die Besucher über sein enormes Wissen und seine klugen Fragen und Antworten. Ein ungewöhnlicher Zwölfjähriger! Ein Teenager, der sich nicht

scheut, den anwesenden Männern seine Sicht der Dinge Gottes zu erklären.

Auf dem Heimweg sehen die Eltern Jesus nicht, aber sie machen sich keine Sorgen – sicherlich ist er bei Verwandten oder Freunden. Doch schließlich vermissen und suchen sie ihn und sind fassungslos, als sie ihn im Tempel finden. Auf ihre Frage nach dem Grund stellt er die Gegenfrage: „Warum habt ihr mich gesucht? Ihr hättet doch wissen müssen, dass ich im Haus meines Vaters bin!“ (Lukas 2,49) Erstaunlich ist die Reaktion seiner Eltern: „Doch sie verstanden nicht, was er damit meinte“ (Vers 50).

Warum begreifen Maria und Josef dies nicht? Haben sie nach all den Jahren vergessen, dass Jesus der Sohn Gottes ist? Oder ist auch für sie diese Vorstellung noch zu groß, zu anspruchsvoll? Vor allem auch deshalb, weil viele Jahre seit der Geburt vergangen sind und der Alltag ihre Kraft und Aufmerksamkeit verlangt? Ist die Erinnerung an alles mit Gott Erlebte verblasst, weil Jesus nahezu normal als Junge unter seinen Geschwistern lebt? Hat Maria ihren Lobgesang auf Gott und die Begegnung mit dem Engel vergessen? Gott hat so stark in ihrem Leben gehandelt!

Ist es möglich, dies zu vergessen? Und doch – wie leicht vergessen auch wir, was wir in der Vergangenheit mit Gott erlebt haben!

Vertrauen heißt, nicht auf die eigene Kraft zu schauen Gott geht seinen Weg mit uns Menschen in kleinen Schritten. Der Mensch braucht Gottes Wahrheiten und Weisheiten portionsweise, bedarfsgerecht. Vieles, was Jesus uns lehren will, müssen wir Schritt für Schritt erleben, um Gottes Weg zu erkennen und uns vertrauensvoll in die Hände unseres liebenden Vaters zu begeben. Das ist bei uns so, und das war bei Maria und Josef sicherlich nicht anders. Wie schnell vergessen auch wir, wie Gott

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Kรถrper & Seele

Leonie Hoffmann

ร berwunden Von einer zerstรถrerischen Beziehung und der unzerstรถrbaren Liebe Gottes

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Gerade hatte ich mein Abitur abgeschlossen und war beflügelt von einem nie da gewesenen Freiheitsgefühl. In dieser Zeit lernte ich ihn kennen. Ihn, der mir diese große Freiheit mit all ihren Möglichkeiten innerhalb weniger Monate wieder nahm – und beinahe mein junges Leben.

I

ch traf ihn auf einer Sommerparty in meiner Heimatstadt: Alex. Dieser Mann gab mir alles, wonach sich mein junges Herz gesehnt hatte. Tiefe Liebe – und das Gefühl, etwas ganz Besonderes zu sein. Die ersten Monate mit ihm schwebte ich im siebten Himmel.

Ich glaubte, in ihm tatsächlich den Richtigen gefunden zu haben.

Rasend vor Eifersucht Seine „abgöttische Liebe“ zu mir hatte jedoch eine unangenehme Begleiterscheinung. Was ich anfangs als schmeichelhaftes Nähebedürfnis interpretierte, entwickelte sich zunehmend zu einer besitzergreifenden Eifersucht. Wenn mein Blick zufällig den eines anderen Mannes streifte, konnte dieses „Vergehen“ ausreichen, um einen schönen Abend in hitzigen und tränenreichen Diskussionen enden zu lassen. Irgendwann waren es nicht nur andere Männer, auf die er eifersüchtig war, sondern auch Gott. Tatsächlich war seine Eifersucht auf Gott die einzige berechtigte. Denn ja, ich liebte Jesus – sehr sogar!

Schon als Teenager hatte ich ihm mein Leben gegeben.

Eigentlich hatte ich vorgehabt, nach dem Abitur auf einen Missionseinsatz nach Südafrika zu gehen. Doch nun war es der Traum von uns beiden, der mir plötzlich wichtiger war als der deutliche Ruf Gottes. Ich war diesem Mann hoffnungslos verfallen und ohne es zu merken immer mehr in eine emotionale Abhängigkeit von ihm gerutscht. Denn Alex schaffte beides: meine tiefe Sehnsucht nach Liebe und Bestätigung zu stillen und gleichzeitig durch subtile Kritik meine Selbstzweifel zu nähren. So wurde ich süchtig nach dem guten Gefühl, das scheinbar nur er mir geben konnte.

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion zog ich nach nur drei Monaten Beziehung in seine spärlich eingerichtete Wohnung. Er sagte, es sei die einzige Chance, unsere Beziehung zu retten, nachdem ich mit einer Lappalie „sein Vertrauen endgültig zerstört“ hatte. Um mir wieder vertrauen zu können, wollte er mich eine Zeit lang kontrollieren – und ich ließ mich darauf ein. Denn der Gedanke, ihn sonst zu verlieren, versetzte mich in blanke Panik.

Vom Traummann zum Monster Ein paar Tage später eskalierte die Situation zum ersten Mal bei einem seiner nun täglichen Verhöre. Er war der festen Überzeugung, ich hätte in meinem gerade begonnenen Studium einen anderen Mann kennengelernt. „Sag mir endlich die Wahrheit!“, schrie Alex mich immer wieder an. Seine Augen waren weit aufgerissen.

Eisblau und eiskalt. Dieselben Augen, in denen ich früher so viel bedingungslose Liebe gesehen hatte. Zunächst packte er mich nur fest an den Schultern und drückte mich gegen die Wand. Dann schlug er mir mit der flachen Hand ins Gesicht. Dann noch mal. Und noch mal.

Immer fester. Schließlich ballte er seine Hand zur Faust.

In meinem Kopf begann es zu hämmern.

Irgendwann ließ er von mir ab und brach in Tränen aus – scheinbar entsetzt über sich selbst. Nach wenigen Augenblicken kehrte jedoch die Anklage zurück: „Du hast dieses Monster aus mir gemacht! Das gerade wäre niemals passiert, wenn du ehrlich zu mir gewesen wärst!

Ich bin zu so etwas nur fähig, weil ich dich unendlich liebe.“ Damit hatte er mich. Vielleicht habe ich es ja verdient, so behandelt zu werden?, fragte ich mich. Vielleicht liebt er mich tatsächlich mehr als ich ihn – wenn ich ihn so zum Ausrasten bringe?

Heute weiß ich, dass nichts davon wahr ist. Nichts, gar nichts, rechtfertigt Gewalt in einer Beziehung. Damals zog ich es dennoch ernsthaft in Erwägung. Eine Tatsache, die mich im Nachhinein schockiert – genauso wie der Umstand, dass sich meine Gefühle für diesen Mann offensichtlich nicht totschlagen ließen. So traf ich die größte Fehlentscheidung meines Lebens: Ich blieb.

Monate später sagte mir meine Therapeutin: „Wenn man nach dem ersten Schlag nicht geht, geht man auch nicht nach dem zweiten oder dritten.“ Das ist die traurige Wahrheit.

Zwischen Küssen und Schlägen Die sechs Monate zwischen dem ersten und dem letzten Schlag vermischen sich in meiner Erinnerung zu einer zähen grauen Masse. Meine beängstigende Erkenntnis aus dieser Zeit: Man gewöhnt sich an alles. Erschreckenderweise gab es zwischendurch sogar Momente, in denen es mir gelang, mich so in den Augenblick zu versenken und alles andere auszublenden, dass unsere „Liebe“ die einzige Realität war. Der ganze Horror schien dann unwirklich. Es waren jene Momente, in denen ich sein wahres Ich wieder zu erkennen glaubte, den Mann, der „die Liebe meines Lebens“ war. In diesen Momenten fühlte ich mich darin bestätigt, dass er „eigentlich ja ganz anders“ war.

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Zwischendurchgedanken SASKIA BARTHELMESS

Augenblicke der Auszeit

S

eit einigen Jahren erlaube ich mir einen besonderen Luxus. Ich nehme mir einen ganzen Vormittag in der Woche frei – nur für mich und Gott. In meinem Terminkalender steht dann „freier Vormittag“. Schon in den Tagen davor freue ich mich auf diese ungestörten Stunden.

Ich weiß, es ist ein großes Privileg, dass ich mir meine Arbeit selbst einteilen kann. Meine Kinder sind inzwischen alle in der Schule und ich kann entscheiden, wie ich meine Saskia Barthelmeß Tage strukturiere. Doch immer wieder klopft der Zweifel an: Sind diese Pausen nicht purer Luxus? Wie viel Sinnvolles und Hilfreiches könnte ich in dieser Zeit tun? Stattdessen konzentriere ich mich darauf, meine Seele zu fragen: „Wie geht es dir? Was belastet dich? Wie kann die Freude zurückkehren?“ Ich halte mich – bildlich gesprochen – Jesus hin und lasse mir von ihm zeigen, wie es mir wirklich geht. Warum hat mich diese Bemerkung neulich so tief verletzt? Warum fällt es mir schwer, zu der Anfrage Nein zu sagen, obwohl sie mich so stresst? Wie kann ich dankbarer durchs Leben gehen?

Inzwischen sind diese Zeiten unverzichtbar für mich geworden. Denn ich weiß: Ohne sie wäre ich viel unausstehlicher, ungeduldiger und unzufriedener. Sie helfen mir, mich wieder zu finden – im lauten Trubel meines Lebens.

Schon lange habe ich mich danach gesehnt, mir solche kleinen Auszeiten im Alltag zu nehmen, doch immer gedacht: Vielleicht

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später einmal, wenn die Kinder größer sind, wenn dieses und jenes erledigt ist ... Immer gab es irgendetwas zu tun, aufzuräumen, zu erledigen. Bis ich irgendwann merkte: Nur ich allein bin dafür verantwortlich, mir diesen Freiraum zu nehmen, wenn ich ihn brauche. Vielleicht haben andere das nicht so nötig wie ich, aber ich bin nun mal so geschaffen, dass ich Stille brauche, Rückzug und viel Zeit zum Nachdenken und Beten.

Ich muss das Tempo meines Lebens immer wieder herunterfahren, um zu spüren, in welche Richtung ich unterwegs bin.

Ich kann und will nicht warten, bis mir jemand diese Zeiten schenkt, denn das wird niemals passieren. Aber ich darf sie mir ohne schlechtes Gewissen nehmen. Denn Jesus selbst ist mir ein Vorbild. Er nahm sich mitten im Trubel, in der Geschäftigkeit und den Ansprüchen an ihn Zeit, um mit seinem Vater im Himmel zu reden, ihn zu genießen und gestärkt und fokussiert wieder zurückzukehren. Oder Maria aus Bethanien, die – während viele Besucher

Was ich brauche: Für meinen Vormittag der Stille brauche ich einen leckeren Cappuccino mit viel Milchschaum, inspirierende Bücher, die Bibel, Musik, Ruhe und das Sofa ganz für mich. Und manchmal, wenn ich sehr müde bin, nur ein gutes Buch und eine kuschelige Decke. Ich möchte Genusszeit statt Arbeitszeit.

Wie ich nicht aufgebe: Manchmal ist ein Kind krank oder ein dringendes Treffen steht an, und ich muss auf meinen Vormittag verzichten. Aber

da waren und ihre Schwester in der Küche werkelte – sich zu Jesu Füßen setzte und nur Augen und Ohren für ihn hatte. Die Welt bricht nicht auseinander, wenn ich mir eine Auszeit nehme, keine Anrufe annehme und den Computer ausschalte.

So vieles hat Jesus mir in meinen freien Zeiten schon gezeigt über meine Verletzungen, Motive und falschen Sichtweisen. Ich durfte Vergebung aussprechen, Trost annehmen und mich sanft korrigieren lassen. Fast immer gibt es einen Moment, in dem mir die Tränen kommen, weil ich seine Liebe zu mir so sehr spüren kann. Und ich weiß, dass es nichts auf der Welt gibt, das wichtiger und ermutigender ist als diese Augenblicke, in denen ich – unabhängig von meiner Leistung und meinem Benehmen – einfach geliebt und angenommen bin. Aus dieser Liebe heraus kehre ich dann gestärkt wieder zurück in mein volles, lautes Leben.

Saskia Barthelmeß ist Mutter von drei Kindern und lebt in Innsbruck.

ich gebe nicht auf, denn ich weiß, wie wichtig diese Stunden für meine Seele sind. Deshalb trage ich sie mir schon lange im Voraus im Kalender ein.

Was ich mir wünsche: Ich möchte eine Frau sein, die nicht nur funktioniert, sondern wirklich lebt. Die leidenschaf tlich arbeitet, fröhlich dient, selbstlos liebt und großzügig gibt – und sich dann zurückzieht, um sich die Liebe und Kraf t für all das immer wieder von Gott schenken zu lassen.

LY D I A

Gut mit Konflikten umgehen Bei meiner siebten Klasse steht „Familie“ auf dem Lehrplan.

Wir erstellen eine Mind-Map. Lauter schöne Dinge schreiben die Schüler an die Tafel: Liebe, Geborgenheit, Wärme, Geschenke, Essen, Trost, Umarmungen, Heimat, Geschwister, Ausflüge, Feiern, Oma und Opa. Dann kommen auch Dinge wie Streit, Enttäuschung, Ungerechtigkeit und Tränen zur Sprache. Mein Herz seufzt. Das alles kenne ich.

Sowohl aus meiner Herkunftsfamilie als auch aus meiner jetzigen Familie.

Beim Brainstorming fallen den Schülern zum Thema „Konflikt“ noch Kummer, Zerbrochenheit und Wut ein. „Vergebung!“, ruft einer.

Es ist eine Illusion, sich Familie ohne Konflikte vorzustellen.

Konflikte entstehen aus den unterschiedlichen Bedürfnissen der Familienmitglieder und durch die Entwicklungsphasen einer Ehe und der Kinder. Familienleben ohne Konflikte gibt es nicht. Konflikte haben ein großes Potenzial: Sie können tief verletzen und das Leben vergällen oder sie bieten die Herausforderung zur Entwicklung und Veränderung. Je nachdem, wie ich sie betrachte und mit ihnen umgehe.

Familienleben ist wie der Topf, aus dem die Pflanze erwächst.

Ich bin ein Teil des guten Bodens: liebevoll, fürsorglich, reif, interessiert und wertschätzend. Ich schaffe es nicht immer, aber es ist mein Ziel und meine Absicht. Nicht alle Konflikte lassen sich lösen, aber als Erwachsene kann ich dafür sorgen, dass mit dem Auftreten und dem Verlauf des Konflikts die Beziehung nicht endet. Dazu brauche ich Reife, Gnade und ganz viel Liebe. Glaube, Liebe, Hoffnung. Rituale der Liebe. Liebevolle Gedanken; hören, wie Gott zu mir spricht;

Familientipp

erleben, wie er mit mir umgeht in nicht endender Geduld und mich niemals fallen lässt.

Eine Zeit lang, wenn ich müde und abgeschafft nach Hause kam, dort die Unordnung und lässig herumhängende Kinder mitten im Chaos antraf, raunzte ich sie an und machte meinem Unmut Luft. Bis mir klar wurde: Ich möchte nicht, dass die Kinder mit meinem Nach-Hause-Kommen Schimpfen und schlechte Stimmung verHaben Sie auch einen binden. Also habe ich mir das abgewöhnt und stattdessen geübt, sie herzlich zu begrüßen, zu Tipp für andere Eltern umarmen, anzukommen und zu fragen, wie oder wünschen Sie ihr Tag war. Erst dann habe ich gesagt, dass sich Informationen es schlimm aussieht, und sie gebeten, aufzuzu einem bestimmten räumen. Dazu muss ich sagen, dass mir gute Beziehungen wichtiger sind als Ordnung. OrdErziehungsthema? nung lässt sich schnell wiederherstellen – eine Dann schreiben Sie uns: schlechte Beziehung sehr viel langsamer. redaktion@lydia.net Also tue ich alles, was der guten Beziehung dient: Ich zeige Interesse, höre zu, ermutige, danke, vergebe und artikuliere freundlich, was ich will. Und nun erlebe ich staunend berührt, dass aus diesem Topf großartige Persönlichkeiten erwachsen sind, die mir die Werte entgegenbringen, die ich ihnen vorgelebt habe. „Ertragt einander und vergebt euch gegenseitig, wenn jemand euch Unrecht getan hat. Denn auch Christus hat euch vergeben. Wichtiger als alles andere ist die Liebe.

Wenn ihr sie habt, wird euch nichts fehlen. Sie ist das Band, das euch verbindet“ (Kolosser 3,13–14).

Marion Klug

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Claudia und Fred Jung

In Frieden eingehüllt Claudia und Fred Jung haben wohl das Schlimmste erlebt, was Eltern passieren kann: Sie haben ein Kind verloren. Im Alter von zwei Jahren verunglückt ihr jüngster Sohn Joshua auf dem Hof der Familie. Doch statt in ein tiefes Loch der Trauer zu fallen, findet das Ehepaar einen tiefen inneren Frieden. Im Interview erzählen die beiden, wie sie mit dem Schmerz umgegangen sind und was ihnen in dieser schweren Zeit Kraft geschenkt hat.

Am 1. März 2014 ist auf Ihrem Hof ein schlimmer Unfall passiert. Was ist da geschehen?

Fred: Es war ein Samstagmorgen, ich habe mit unseren drei Jüngsten Holz gestapelt. Als wir fertig waren, gingen die Kinder spielen und ich wollte die leere Gitterbox mit dem Stapler wegfahren. Im Augenwinkel habe ich unseren zweijährigen Joshua in einer Hofecke spielen sehen. Als ich einen Moment später zurücksetzte, schrie einer seiner Brüder von hinten: „Papa, der Joshi liegt auf dem Boden und blutet!“ Ich dachte zuerst, er wäre einfach hingefallen. Äußerlich hat man ihm nicht viel angesehen, aber er war bewusstlos – ich muss ihn angefahren haben. Während der Fahrt ins Krankenhaus habe ich gebetet: „Jesus, nimm Joshi und mach du das, was du für richtig hältst, mit ihm.“ Ich habe gemerkt, dass es mehr als eine Verletzung war. Im Krankenhaus kam Claudia dazu, die zu der Zeit in der Stadt gewesen war, und erfasste die Situation als Ärztin sehr schnell.

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Claudia: Wir sind auf die Knie gegangen und haben gebetet. Ein Arzt kam zu uns und erklärte, dass sie Joshua in die Kinderchirurgie der Uniklinik Mannheim fliegen. Während des Fluges und in der Klinik haben die Ärzte über eine Stunde lang versucht, ihn zu reanimieren, jedoch ohne Erfolg. Wir fuhren mit dem Auto hinterher und erfuhren bei unserer Ankunft in der Klinik von seinem Tod. Fred: In einem Andachtsraum konnten wir erst einmal allein von ihm Abschied nehmen.

Nach und nach kamen unsere Kinder, Freunde und Familie dazu. Sie hatten eine Gitarre dabei und wir haben angefangen, miteinander Lieder zu singen und zu beten. Es war eine sehr besondere Atmosphäre. Trotz aller Trauer kam da schon ein übernatürlicher Frieden in den Raum.

Noch bevor Sie in eine Selbstanklage rutschen konnten?

Fred: Das bin ich in diesem Moment noch nicht. Claudia und ich hatten schon während

F OTO S : D E B O R A H M Ü L L E R

Unsere Geschichte

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D 1 2 0 1 3 / Post ver triebsstück/Gebühr bezahlt/Lydia Verlag/Ger th Medien GmbH/Dillerberg 1/D -35614 Asslar-Berghausen

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Er führt Nur das Nötigste nehme ich mit, unnötiger Ballast erschwere nur die Reise, sagt er.

Ich packe nur ein, was ich für heute brauche, für morgen habe er schon gesorgt, versichert er. Über die grüne Wiese laufe ich im Hopsa-Lauf, breite die Arme aus und strecke mein Gesicht der Sonne entgegen.

Ich weiß, er führt mich gut.

Den steilen und steinigen Abhang hinunter bleibe ich ganz dicht bei ihm und klammere mich an seine Hand.

Immer wenn ich, erschreckt von einer Gerölllawine, zu ihm hochschaue, lächelt er mich ruhig an.

Ich lächle zurück, denn er führt mich sicher.

Wenn wir vor einer Weggabelung stehen, nimmt er nicht immer den Weg, den ich ausgesucht hätte; einmal wurde ich unausstehlich, weil ich nicht meinen Willen bekam.

Aber nach einigen Kilometern musste ich kleinlaut zugeben, dass er das Gelände besser kennt als ich.

Und deshalb führt er mich weise.

Es liegt so eine Unbeschwertheit im Loslassen und Vertrauen auf sein Führen, dass ich in der schwärzesten Nacht ruhig in seinen Armen schlafe.

Denn die nächtliche Kälte kann den Mantel seiner schützenden Liebe nicht durchdringen.

Ines Binfet