Susanne Hohmeyer-Lichtblau Sigrid Rรถseler (Hg.)
Begegnungen zwischen Himmel und Erde Geschichten aus der Sendereihe ERF MenschGott
Inhaltsverzeichnis: Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Der Atheist und die Bibel
Dr. Andreas Heesemann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Alles für die Liebe?
Marit Eichberger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
„Ich war unberechenbar!“
Sebastian Banzhaf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
„Ohne dich kann ich nicht leben!“
Heidi Welsch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
„Ich wollte die Christen bestrafen“
Bülent Askar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
„Sex war mein Leben!“
Tina Schmidt (geb. Weiss) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
„Ich habe ein Wunder erlebt!“
Helmut Rieth. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
„Wer ist mein Vater?“
Jutta Schmidt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 5
„Gott war immer bei mir!“
Nathanael Ammann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Auftragskiller mit schlechtem Gewissen
Edith Beller. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Druide findet Gott
Thomas Nawroth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
„Ich wollte nur noch sterben“
Dorothée Widmer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Nachwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
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Vorwort ICH FREUE MICH
so sehr, dass ich an diesem Buch mitar-
beiten und einige der Geschichten unserer Studiogäste nacherzählen durfte. Während ich sie aufschrieb, konnte
ich mich noch richtig gut an das jeweilige Gespräch im
Fernsehstudio erinnern. Das ist übrigens immer wieder eine sehr aufregende Sache. Denn die meisten Gäste
haben ihre Geschichte noch nie öffentlich erzählt –
und dann tun sie es in unserer Sendung ERF Mensch-
Gott gleich vor laufender Kamera! Da wurde schon viel
gezittert, geschwitzt und im Vorfeld schlecht geschlafen. Aber ich konnte bei der Aufzeichnung immer auch
das Funkeln großer Freude in den Augen meines Gegen-
übers sehen. Und jetzt, beim Schreiben, machte sich die
Freude erneut in mir breit. Ich konnte bei jedem Bericht
ein zweites Mal feiern, was Gott im Leben eines kostba-
ren Menschen getan hat. Der Lebensweg ging für unsere
Gäste oft durch Schmerz und Dunkelheit, aber am Ende
des Tunnels haben sie festgestellt, dass sie auch in den 7
schlimmsten Zeiten nicht allein waren. Gott hat sie nie fallen lassen.
Ich glaube ganz fest: Was Gott im Leben der einzelnen
Frauen und Männer in diesem Buch getan hat, das kann
er auch in meinem und Ihrem Leben tun – selbst wenn
es manchmal anders aussieht. Ich bin sehr dankbar über
jeden Gast, der den Mut hatte, seine Geschichte bei uns
zu erzählen. Ich staune darüber und spüre, wie stolz der
Vater im Himmel auf jeden einzelnen von ihnen ist. Und
er freut sich auch über Sie. Er kennt und liebt Sie wie kein
anderer, und es ist mein größter Wunsch, dass Sie in den
folgenden Geschichten Gottes Reden erkennen können.
Denn: Er hat auch Ihnen etwas zu sagen!
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Dr. Andreas Heesemann
Der Atheist und die Bibel
Er sitzt auf dem Boden und dreht sich eine Zigarette.
Seit knapp drei Wochen ist Andreas Heesemann unterwegs auf einem Selbstfindungstrip. Mit seiner Mofa und
einem geliehenen Zelt ist der 18jährige bis nach England gefahren: 3000 Kilometer, stundenlang mit sich
allein, den Helm auf dem Kopf. Jetzt ist er auf dem Rückweg und macht Pause an einem Parkplatz. Seine äußere
Erscheinung ist nicht unbedingt einladend: Die langen
Haare sind fettig, die Fingernägel schwarz, die lila Latz-
hose ist voller Ölflecken. Er ist ganz in Gedanken versunken, als sich plötzlich jemand neben ihn hockt. Es ist ein
etwa fünfzigjähriger, etwas kräftiger Geschäftsmann mit
Schlips und Anzug. Und der stellt ihm eine Frage, die ihn völlig aus dem Konzept bringt: „Kennst du Jesus?“
Zu dieser Zeit bezeichnet Andreas sich selbst als
streng gläubigen, missionarischen Atheisten. Den Glauben an einen Gott hält er für Dummheit, und Christen
bedauert er. Auf dem Gymnasium hat er Klassenkame10
raden, die mit einem „Jesus lebt“ – Sticker am Rucksack
rumlaufen. Sie haben immer wieder versucht, ihn zu über-
zeugen, dass es Gott gibt. Seine Reaktion: „Ihr spinnt.“ Der
Verstand steht bei Andreas über allem. „Ich dachte, es ist
vernünftig, gut zu sein. Dafür brauche ich keinen Glauben.
Böse zu sein, ist unvernünftig, wenn man das mal zu Ende
denkt.“ Zwar sagen seine Eltern auch immer mal wieder:
„Junge, an irgendwas musst du doch glauben!“, aber er entgegnet nur: „Warum denn? Nein, das tue ich nicht!“
Und jetzt fragt ihn ein völlig fremder Mann, ob er Jesus
kennt. „Das war total absurd für mich. Jesus war eine Figur
aus der Bibel. Wie sollte ich den denn, bitteschön, kennen?“
Andreas versucht dem Unbekannten zu erklären, dass Religion Blödsinn ist. Der wiederum erzählt von seinem
persönlichen Glauben, fordert Andreas auf, sich mit Jesus
zu beschäftigen und behauptet, dass Gott ihn liebt. Doch
wirklich ergiebig ist das Gespräch nicht. „Wir haben beide
in einer Art geredet, die für den anderen völlig unverständlich war. Ich hatte kein Problem damit zu glauben, dass mich
Gott, falls es ihn tatsächlich geben sollte, auch liebt. Aber ich habe eben nicht geglaubt, dass er überhaupt existiert.“
In diesem Gespräch wird Andreas aber noch etwas
sehr deutlich: „Ich habe gemerkt, dass dieser Mann von einer Welt redet, von der ich nicht die geringste Ahnung
habe. Ich habe mich gefühlt wie jemand, der ein Blatt 11
Papier mit unverständlichem Gekritzel sieht und dem
plötzlich klar wird: Das ist Schrift, aber ich kann sie nicht
lesen. Diese Welt, von der der Mann auf dem Parkplatz erzählt hatte, war für mich total fremd und seltsam. Und
sie schien andere Menschen so sehr zu beschäftigen, dass
sie sich neben einen Freak wie mich hockten und sich genötigt fühlten, mir davon zu erzählen.“
Am Ende des Gespräches drückt der Unbekannte
Andreas noch eine Bibel in die Hand und rät ihm, sie zu
lesen. „Ich dachte: Ein Buch zu lesen, ist ja kein Problem.
Das mache ich mal eben, dann habe ich diese Welt auch
begriffen und kann mich anschließend wieder um wichti-
gere Sachen kümmern.“ Doch so einfach, wie er sich das gedacht hat, ist es nicht. Andreas nimmt die Bibel, ein
„Neues Testament“, beginnt zu lesen und ist irritiert. „Es geht um Jesus, der mit ein paar Vollpfosten eine Gruppe
gründet, am Ende grandios scheitert und gekreuzigt wird.
Na gut, er steht dann wieder auf. Muss man ja schreiben, damit die Geschichte ein gutes Ende hat. Aber das war alles.
Das passte für mich nicht zusammen. Wieso gibt es weltweit Menschen, die völlig ergriffen und im tiefsten Inneren
berührt sind von dem, was in der Bibel steht? Und ich lese das und es ist für mich totaler Mist, unlogisch und noch dazu in einer alten, unverständlichen Sprache.“
Andreas lässt das nicht los. Es wurmt ihn, dass es 12
da etwas gibt, zu dem er keinen Zugang findet, obwohl
er den Schlüssel dazu in der Hand hat. Er nimmt daher
Kontakt mit seinen gläubigen, frommen und „seltsamen“ Schulfreunden auf. Diese Klassenkameraden laden ihn direkt zu einem Jugendbibelkreis ein. Dort kommen
junge Menschen zusammen, reden, singen Lieder, lesen
die Bibel und beten füreinander. Und der Atheist Andreas
ist da auf einmal mittendrin. „Ich hab gemerkt: Das ist
schön hier. Aber ich glaube nicht an diesen Kram. Warum
tun es die anderen? Warum lesen die in der Bibel und es
gibt ihnen was? Und ich lese in der Bibel und es passiert nichts.“ Von nun an geht Andreas jeden Freitag zu diesen
Treffen, aber er spürt Gottes Nähe nicht – egal wie viel er liest oder seine neuen Freunde für ihn beten. Inzwischen
möchte er sogar gerne glauben, aber es geht einfach nicht.
Nach dem Abitur tritt Andreas seinen Zivildienst in
einem Altenheim an und wird wieder mit dem Glauben
konfrontiert – doch dieses Mal auf eine völlig andere Art
und Weise. In diesem Heim begegnet er vielen alten Leuten, die bis ins Mark verbittert sind. Keiner braucht mehr
ihre Fähigkeiten, oft haben sie kein Geld mehr, und der
Kontakt zu den Kindern ist häufig abgebrochen. Andreas erlebt Menschen, die auf ihr Leben zurückschauen und
sagen: „Ich habe daneben gelebt. Ich habe mein Leben auf 13
Dinge gebaut, die nicht tragen.“ Das berührt ihn, denn
die Frage „Was auf dieser Welt trägt wirklich?“ war für ihn
immer schon wichtig.
„Ich habe dort gemerkt, dass der Standardweg der
westeuropäischen Kultur – was Vernünftiges lernen, einen
guten Job haben, Geld verdienen – am Ende nicht trägt!
Das hat mir jeder alte Mensch dort jeden Tag vor Augen geführt. Es macht also auch keinen Sinn, auf diese Sachen
zu bauen. Aber in diesem Altenpflegeheim gab es auch eine alte Frau, die fromm war. Der ging es schlecht. Sie konnte
nur im Bett sitzen und nicht mehr aufstehen. Aber das war eine der glücklichsten und freundlichsten Frauen, die ich
kennen gelernt habe. Die sagte immer: ‚Wenn mich der Herr
Jesus irgendwann holt, das wird gut. Aber jetzt müsste ich
wirklich mal vom Töpfchen runter, ich wäre soweit fertig.‘
Und sie hat mir gezeigt: Es gibt etwas, wofür es sich lohnt
zu leben. Sie hatte etwas, das sie getragen hat. Es ging ihr echt nicht gut, aber wenn man ihr Zimmer betrat, ging die
Sonne auf. Und so kamen die ersten Augenblicke, in denen
ich in mich hineingehört habe und dachte: ‚Ich spüre, da ist doch ein Gott. Es gibt eine andere Welt. Es gibt mehr, als ich
sehe.‘ Diese Augenblicke waren kurz, und sie waren dann
auch schnell wieder vorbei. Aber im Laufe der Zeit wurden
die Momente des Glaubens mehr und die des Nichtglau-
bens weniger.“
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In einem dieser Glaubens-Momente nimmt Andreas
die Bibel in die Hand, die er damals auf dem Parkplatz
geschenkt bekommen hatte. Darin findet er eine Seite,
auf der der Leser die Möglichkeit hat, seine Entscheidung
für den Glauben an den Gott der Bibel schriftlich zu doku-
mentieren und mit Datum und Unterschrift für sich selbst
festzuhalten. Diese Unterschrift ist für Andreas zu einer
Art Anker in Zeiten des Zweifels geworden. „Ich habe in
diesem Moment die Entscheidung getroffen: Ich will glau-
ben – trotz allen Zweifeln, die ich immer mal wieder hatte
und ab und zu auch heute noch habe.“
Andreas bleibt seiner beruflichen Laufbahn und sei-
ner Persönlichkeit als Kopfmensch treu. Er studiert Phy-
sik und promoviert. Die Naturwissenschaft steht seinem Glauben aber nicht im Weg – im Gegenteil: „Je mehr ich
im Physikstudium gelernt habe, desto faszinierter war ich
von der Schöpfung Gottes und davon, wie alles miteinan-
der zusammenhängt. Die Idee, dass ich durch die Naturwis-
senschaft immer mehr von der Welt verstehe und der Teil, den ich nicht verstehe, proportional immer kleiner wird, ist
falsch. Je mehr ich sehe und lerne, desto größer wird der
Bereich, über den ich nur staunen kann. Es gibt in der Physik zum Beispiel viele Zahlen, die komplett verrückt sind. Die
sind so, wie sie sind, und keiner kann sie erklären. Also zu
glauben, durch die Beschäftigung mit der Wissenschaft 15
brauche ich dann keinen Gott mehr, ist eigentlich absurd, denn je besser man diese Welt versteht, desto größer wird der Raum für Gott in dieser Welt. “
Oft wird er als gläubiger Physiker gefragt, ob man
Gott wissenschaftlich beweisen kann. Andreas hat dar-
auf eine klare Antwort: „Wenn ich Gott beweisen könnte, was für eine Wahl hätte ich dann? Wenn ich an einen Gott
glaube, der mich wirklich liebt, dann zwingt er mich zu
nichts. Wenn ich einen eindeutigen Gottesbeweis hätte, der mir zweifelsfrei belegt: ‚Es gibt Gott‘, dann habe ich keine
Wahl mehr. Dann muss ich glauben. Aber dieser Zwang
passt nicht zu einem liebenden Gott. Es gibt keinen Gottes-
beweis und es gibt keinen Gottesgegenbeweis. Ich kann ihn
nicht packen und vereinnahmen. Und das finde ich schon
wieder göttlich.“
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