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„Ich habe einen Weg für dich!“

Es war für mich schwer vorstellbar, dass mein Mann und ich nach sechs Jahren in der Mission in Thailand nun wieder nach Deutschland zurückkehren mussten. Fassungslos sah ich zu, wie andere für uns die Koffer packten und unseren Haushalt auflösten. Das konnte doch nicht wahr sein! Alles hatte doch so hoffnungsvoll begonnen.

Von Andrea Brickey

Mein Mann und ich hatten beide an Missionsschulen unterrichtet. Wir hatten Thai gelernt, Kontakte aufgebaut, eine Thai-Gemeinde in ihrem missionarischen Bemühen unterstützt. Wir hatten das Land und seine Leute lieben gelernt. Und das alles sollte jetzt ein Ende finden? Mein Mann hatte schwere Depressionen entwickelt. Bei mir wurden Tumore entdeckt. Und auch für die Behandlung meiner chronischen Entzündungen gab es vor Ort keine geeignete Hilfe. Im Abschiedsschmerz und meiner Ratlosigkeit, wie es weitergehen sollte, konnte ich den Weg noch nicht sehen. Aber Gott hatte schon längst angefangen, einen Weg für mich und uns vorzubereiten. Kurz vor unserem Abflug sagte ein Missionarskollege zu mir: „Du musst den Weg des Vertrauens wagen! Gott wird für dich und euch sorgen!“

WARUM MUSSTEN WIR

ZURÜCK?

Nach mehreren Operationen und Behandlungen in Deutschland, die für mich nach der Erfahrung in Thailand absolut keine Selbstverständlichkeit waren und für die ich sehr dankbar war, wurde mir eine Stelle als Lehrerin an einer staatlichen Grundschule angeboten. Da mein Mann noch immer mit Depressionen zu kämpfen hatte und in keinem festen Anstellungsverhältnis arbeiten konnte, hatten wir durch meine Arbeit unser Einkommen. Auch dafür war ich dankbar. Ebenso für nette Kollegen. Für Freunde, die wir hier hatten. Für unsere Gemeinde. Für eine schöne Wohnung. Trotzdem blieben der Schmerz und die Frage: Warum mussten wir nach Deutschland zurück? Hier gibt es so viele Gemeinden! So viele Christen! In Thailand sind es unter einem Prozent. Und wofür hatten wir so viel Zeit und Kraft in das Sprachstudium und in das Verständnis der Kultur investiert, wenn ich jetzt wieder an einer deutschen Schule unterrichtete?

An einem Abend, als ich bedrängt von diesen Fragen durch die Straßen lief, traf ich die Mutter einer Schülerin. Sie sagte zu mir: „Frau Brickey, ich möchte, dass Sie etwas wissen. Ich bin überzeugte Atheistin. Aber meine Tochter hat bei Ihnen das Beten gelernt. Das ist für sie ein kostbarer Schatz. Den werde ich ihr nicht nehmen.“ Nachdenklich ging ich nach Hause. Gott hatte mir die Augen dafür geöffnet, dass auch hier Menschen ihn brauchen, aber nicht kennen. Später wurden mein Mann und ich Teil eines Teams in unserer Gemeinde, das sich um Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund kümmerte. Auch da ließ Gott mich in mehreren Situationen begreifen, dass unsere Erfahrung, Ausländer zu sein – das Kämpfen beim Sprache-Lernen, die Hilflosigkeit und Abhängigkeit von anderen, das Heimweh, das Fremde –, Verständnis und Nähe zu unseren internationalen Freunden schuf. Viele gehen bei uns zu Hause aus und ein. Mit vielen Kranken und zerbrochenen Menschen haben wir geweint, sie zu trösten versucht, ihnen geholfen, mit ihnen gefeiert, für sie gebetet, Jesus bezeugt. Nachdem eine Frau mir einmal ihre schwierige Lebensgeschichte erzählt hatte, hielt sie inne und sagte: „Warum erzähle ich dir das alles? Ich weiß, du warst selbst Ausländerin. Du kannst verstehen!“ Es berührt mich besonders, dass ein Flüchtling einmal zu mir sagte: „Dein Mann ist ein Mann Gottes. Durch ihn haben wir Hoffnung bekommen!“ Mitten im Schmerz und mit unseren Wunden lässt Gott uns seine Herrlichkeit sehen. In all unserer Schwachheit und mit all unseren Begrenzungen finden Menschen neues Leben in Jesus. Wenn ich eine muslimische Frau in den Arm nehme, die beinahe daran zerbricht, dass sie keine Kinder haben kann, weine ich mit ihr und erzähle ihr von dem Gott, der mich in meinem eigenen Schmerz der Kinderlosigkeit hält und trägt. Oder mein Mann teilt mit anderen, dass Gott mitten in der Nacht der Depression da ist und auch wieder herausführen kann. Diese Erlebnisse sind keine letzte Antwort auf meine WarumFragen. Aber sie helfen mir, auf dem Weg des Vertrauens weiterzugehen. Und immer wieder darf ich erleben, wie Gott inmitten aller Herausforderungen Hilfe, Kraft, Ideen und Lösungen schenkt.

EIN NEUES BETÄTIGUNGSFELD

Nachdem ich in einem Zeitraum von fünf Jahren fünfzehn Operationen hatte, gab es Zeiten, in denen meine körperliche Kraft sehr klein war. Ich schrie zu Gott: „Wie soll ich es schaffen, jeden Tag so viele Stunden in der Schule zu stehen?“ Da sprach mich eines Tages eine Schulrätin an, ob ich nicht Lust hätte, in der Lehrerfortbildung und Beratung von Kitas und Schulen mit einzusteigen. Ohne mein Zutun hat Gott mir eine ergänzende Tätigkeit geschenkt, bei der ich einiges im Homeoffice erledigen kann und die körperlich weniger anstrengend ist, als mit vielen Kindern unterwegs zu sein. Auch in diesem Kontext darf ich erfahren, wie Gott mich ausrüstet, um manchen entmutigten Kollegen zuzuhören, mit ihnen zusammen Situationen zu besprechen und miteinander nach Lösungen zu suchen.