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Natascha Mann und die Sirenen 24

Reiner Zitta – Der Schamane von Pühlheim

Keiner der hier vorgestellten Künstler wird so authentisch über das Phä nomen Schamanismus zu erzählen wissen wie Reiner Zitta. Als Sohn eines obskuren, christlichen Sektenführers auf

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gewachsen, gab es in seiner Kindheit und Jugend keine Zeitung, kein Radio und keinen Fernseher. Einzig Bücher wurden von seinem Vater zugelassen. Die immer bedrohliche Außenwelt hieß in seinem Elternhaus „Hölle”, Rituale wie Gesundbeten mussten ärztliche Behandlung ersetzen und Dämonen und Teufelsaustreibungen gehörten zum selbstverständlichen Repertoire. Der Vater verprügelte seinen Sohn bei jeder Gelegenheit. Erwachsen geworden nahm Reiner Zitta eine Auszeit in Indien. Schwerer Alkoholismus und eine selbstdiagnostizierte manischdepressive Erkrankung seien nur einige Folgen seiner Kindheit, sagt er. In dieser schwierigen Zeit wurde der Wald zu seinem Ort des Friedens und der Freiheit. Hier fand er mit geheimem, psychischem Wert aufgeladene Objekte, in denen er heilende oder zerstörende Kraft vermutete und die er als Talismane hortete. Als lebenslanger Sammler, Arrangeur, Bildhauer und Maler schuf er sich einen Kosmos aus Arbeiten, der mehrere Scheunen und sein Haus bis unter die Decke füllt. Irrwitzige Votivtafeln, hergestellt aus Zivilisationsabfall und heiligen Fundstücken hängen über verstaubten Altären; aus Stanniolpapier geformte Tiere; aus geknetetem Brot geformte Köpfe, maskenartig bemalt und in Schaukästen zu geheimen Botschaften neben ausgestopften oder vertrockneten Tieren und bemalten Knochen arrangiert. In seinen seltsamen, aber formal brillanten Zeichnungen wuchert seine Kunst wie wilder Wein durch seine alte abgelegene Mühle in Franken, aus der über die Jahre ein afrikanischer Fetischmarkt, ein brasilianisches Candomblé geworden ist.

Zitta ist belesen, auf jedem Platz, der nicht von Kunst besetzt ist, türmen sich Bücher. Seine Mühle ist groß, aber inmitten seiner Arbeiten bleibt ihm nicht viel Platz zum Wohnen und Leben. So verlagert er den Arbeitsplatz nach draußen vor die Mühle, wo sich seine Skulpturen stapeln. Wie ein Privatgelehrter neigt er zum Dozieren. Für den, der sich darauf einlässt, sind die Gespräche mit ihm erhellend, die Argumente fundiert und voller ungewohnter Ideen. Dabei reitet ihn der Schalk, wenn er den Zuhörer und sich selbst auf den Arm nimmt. So werden die schweren Dinge leichter und mit Humor auch leichter verdaulich. Beuys hat er kennengelernt, denn Zitta war einer der vierhundert hochprozentigen Künstler, die sich bei ihm an der Hochschule eingeschrieben haben, dann aber von der Polizei aus der Düsseldorfer Akademie hinausgetragen wurden. Die Affinität zu Beuys und seinem

Werk ist nicht zu übersehen. Zittas Kunst ist durch und durch authentisch, eine Entdeckung!

Gregor Hiltner Installation in der Galerie Kremers zur Ausstellung „Voodoo”, 2018

1944 geb. in Buchelsdorf/Altvatergebirge, Tschechien 1959 – 62 Lehre als Technischer Zeichner 1963 – 68 Akademie der Bildenden Künste, Nürnberg 1998 Dramaturg am Theater in der Tonne, Reutlingen 2009 Mitbegründer des „Borgo Ensemble”, Fürth

Einzelausstellungen(Auswahl) 1990 Vennakademie, Brauning 1991 Galerie für neue Kunst, Amberg Landesgewerbeanstalt, Nürnberg 1994 Galerie Röver, Nürnberg 1995 Kulturverein Winterstein, 1996 Museum Ostdeutsche Galerie, Regensburg 1997 Cordonhaus, Cham 1998 Installation zu „Buddy and the Hudle”, Kammerspiele Ansbach Kulturfabrik, Roth Landesgartenschau, Neumarkt 1999 Installation zu„ Buddy and the Hudle”, Tafelhalle, Nürnberg Galerie Blaue Tür, Nürnberg Galerie Brokowsky, Fürth 2000 im Alten Bau, Geislingen Stadtmuseum in Spital, Crailsheim 2001 Kunstmuseum Hersbruck 2002 Reitstadel/Kunstverein, Neumarkt 2003 Rathaus/Ehrenhalle, Nürnberg 2004 Akademie, Tutzing 2007 Wertpapiere und andere Obsessionen, Dizzys Galerie, Nürnberg 2009 Was die Raben uns sagen, Kulturverein Winterstein, Nürnberg 2015 Kunstraum Bismarckstraße, Erlangen 2018 Galerie Kremers Berlin, Voodoo

Reiner Zitta, Kleiner Altar, 2017, Wandskulptur, 85 x 30 cm

Titel: Reiner Zitta, 2019, Hase, Wandskulptur, 50 x 40 cm

Rückseite: Gregor Hiltner, Fahnen für Jazz Ost-West Der Schamane und Xango Ost-West, 1987/2021 Acryl und Öl auf Leinwand, je 240 x 100 cm © 2021 Edition Galerie Kremers © Texte und Bilder bei den Autoren © Übersetzungen von Herbert Genzmer © Fotos, wenn nicht angegeben von Frank Altmann, Gregor Hiltner und bei den Künstlern Grafik: abdesign GmbH, Berlin Druck: Druckhaus Sportflieger, Berlin

Wir danken der Stiftung Kunstfonds