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Heile Welt

Es war einmal, dass sich InsurTechs auf der einen und Makler wie Versicherer auf der anderen Seite total über Kreuz lagen. Das ist mittlerweile anders. Man respektiert sich gegenseitig und profitiert voneinander. Wahre Liebe muss das nicht sein. Doch der Zugang zum Kunden und hohe Technologisierungsgrade machen allen Seiten das Leben einfacher.

Ein rhetorisch begabter Märchenerzähler sei dieser, sagt der Vorstandschef eines deutschen Versicherers im vertraulichen Gespräch über den Gründer eines InsurTechs. Dennoch sammelt der bei Investoren die Millionen, als würden sie auf den Bäumen wachsen und man brauche daran bloß zu rütteln. Während Venture Capital in Deutschland nur unter schwersten Bedingungen erhältlich ist, wissen Investoren vornehmlich in den USA und Asien offenbar nicht wohin mit ihrem Geld. Selbst wenn sie es auf blumige Fantasien setzen. InsurTechs sind auch in Deutschland längst eine feste Größe geworden, auch wenn sie in der Regel nur wenige Policenarten anbieten. Etliche von ihnen streben – finanziell bestens gebettet – neuerdings verstärkt ins europäische Ausland. Inwieweit hat sich in den vergangenen Jahren die Welt der InsurTechs tatsächlich verändert?

Chance erkannt

Stephen Voss Gründer und Vorstand Neodigital Versicherung AG

Dr. Christopher Oster, CEO und CoFounder von CLARK, sag: „Digitalisierung ist eines der Kernthemen unserer Zeit und hat in den letzten Jahren auch vor der Versicherungswelt nicht Halt gemacht. Allerdings hatte die Branche lange die Augen vor den massiven Möglichkeiten verschlossen und in über 40 Jahren kaum Innovationen hervor- gebracht. 2015 haben wir bei CLARK die Chancen der Digitalisierung für die Versicherungsbranche erkannt und einen Wandel in Gang gebracht“. InsurTech habe heute in der Wirtschaft und Gesellschaft einen höheren Stellenwert und sei als Begriff mittlerweile für viele Leute ähnlich bekannt wie „FinTech”. Die Beziehung zwischen Versicherern und Kunden hat sich nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen nachhaltig verändert. Wer da nicht mitgeht, wird langfristig am Markt nicht bestehen können. Dr. Oster: „Wir konnten mit unserem Geschäftsmodell in der Krise weiter wachsen: Die Anzahl unserer Kunden hat sich im letzten Jahr verdoppelt. Insgesamt betreuen wir über 500.000 Menschen in Deutschland und Österreich.“ Anders als der traditionelle Versicherungsmarkt lege man den Fokus auf die Kunden und nicht auf die Produkte. Wir bieten ein ganzheitliches Versicherungserlebnis, das es so auf dem Markt nicht noch einmal gebe. Dank datengesteuerter Technologie kenne man die Kunden gut und könne sich entlang ihrer Wünsche weiterent- wickeln. Stephen Voss ist Gründer und Vorstand Marketing und Vertrieb der Neodigital Versicherung AG und damit direkter Konkurrent. Er stellt fest: „Die letzten Jahre haben gezeigt, dass gerade in unserem Markt die CAC, also die Kunden-Akquisitionskosten, eine zentrale Herausforderung für junge InsurTechs dargestellt haben. Kein Wunder, denn gerade die jungen Unternehmen mussten wachsen, um zu überleben, Marktanteile zu gewinnen und Geschäfts- und Privatkunden von ihren innovativen Konzepten zu überzeugen. Währenddessen konnten sich die etablierten Markt-Player auf einen weitestgehend stabilen Bestand verlassen und Gelder in andere Bereiche investieren.“ Diejenigen unter den InsurTechs, die sich dabei nur auf den direkten Zugang zu Endkunden konzentriert hätten, seien dadurch in Bedrängnis geraten.

Zum Besseren verändert

Und wie hat sich die Einstellung von Maklern gegenüber InsurTechs in den vergangenen Jahren verändert? Laut

Dr. Oster zum Besseren: „Zunächst möchte ich betonen, dass Makler für Kunden immer gut sind. Es ist selbstverständlich, dass wir bei unserem Start vor sieben Jahren zunächst einmal von vielen Maklern kritisch beäugt wurden.“ Mittlerweile hätten sich InsurTechs aber etabliert und seien ein fester Bestandteil des Versicherungsmarktes in Deutschland – und würden so auch von den meisten Maklern wahrgenommen. Aus seiner Sicht sollte es für alle Teilnehmer der Branche das Ziel sein, die Konsumenten hinsichtlich ihrer Versicherungssituation zu beraten und ihnen das bestmögliche Versicherungserlebnis zu bieten. InsurTechs verfolgten hierbei andere Ansätze als traditionelle Offline-Makler, aber alle wollten das gleiche Ziel erreichen und die Branche weiter verbessern. Voss schließt sich dem an: „Die Professionalisierung der InsurTechs auf der einen und die hohe Nachfrage nach digitalen, kontaktlosen und transparenten Produkten auf der anderen Seite, nicht zuletzt durch Corona, hat viel zum gegenseitigen

Vertrauen beigetragen.“ Makler hätten von Natur aus einen wichtigen Vorteil, nämlich den direkten Draht zu den Endkunden. Sie wüssten also genau um die Bedürfnisse, Wünsche und Anforderungen an Versicherungsprodukte und -dienstleistungen. Auf dieses unmittelbare Feedback versuchten sie natürlich mit den richtigen Angeboten und Lösungen zu reagieren – und wurden und werden dabei immer öfter bei InsurTechs fündig. Außerdem merkten sie, dass InsurTechs den Arbeitsalltag durch digitale Prozesse massiv vereinfacht, beschleunigt und den Arbeitsaufwand verringert hätten. Voss: „Ich würde daher schon sagen, dass Makler gegenüber InsurTechs viel offener und positiver eingestellt sind als noch vor ein paar Jahren.“

Jung, schnell, hochtechnisiert

Auch mit Versicherern gebe es keine Probleme, so Dr. Oster: „Wir arbeiten mittlerweile mit mehr als 180 Versicherern zusammen – die Anzahl hat sich in den letzten Jahren stark gesteigert. Das hängt natürlich damit zusammen, dass InsurTechs in der Versicherungsbranche heutzutage als relevantere Player angesehen werden. Das war bei unserem Start so noch nicht der Fall.“ Auch Voss spricht von Veränderung: „ Das Verhältnis hat sich auch hier ganz deutlich weiter positiv entwickelt. Etablierte Versicherer haben die Vorzüge der jungen, schnellen und zum Teil hochtechnisierten InsurTechs verstanden und beginnen, sie in Kooperationsmodellen auch für sich zu nutzen.“ Die anfängliche Skepsis sei gewichen – was auch damit zusammenhänge, dass es schon lange nicht mehr um die viel beschworene „Disruption durch InsurTechs“ gehe, sondern vielmehr darum, durch neue Technologien den Markt gemeinsam voranzubringen. Auch hätten die Versicherungsunternehmen erkannt, dass InsurTechs zwar einerseits Konkurrenten seien, aber auf der anderen Seite auch Beschleuniger und Technologie/Innovations-Lieferanten sein könnten. (hdm)

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