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GREEN DEAL ALS GAMECHANGER?

Schon der Titel der Veranstaltung entfachte das Interesse der zahlreichen Teilnehmer und sie wurden nicht enttäuscht. Nach einem spannenden Impulsreferat und einer Podiumsdiskussion mit Experten aus Innsbruck und Wien gingen Vortragende wie Teilnehmer in der Zentrale der Hypo Tirol in Innsbruck in einem regen Austausch der Frage nach, welche Herausforderungen die neuen ESG-Kriterien und die EU-Taxonomie für die Immobilienbranche bringen werden.

TEXT: DORIS HELWEG

Mit den Worten „EU klimaneutral 2050. USA klimaneutral 2050. China 2060 klimaneutral. Australien klimaneutral 2050. Österreich klimaneutral 2040. IKEA klimaneutral 2030“ eröffnete Christian Jäger, Vertriebsleiter der Hypo Tirol, den interessanten Abend. Zahlreiche Vertreter der Immobilienbranche sind der Einladung der Hypo Tirol mit dem spannenden Titel „Green Deal als Gamechanger?“ gefolgt und der Frage nachgegangen, warum sich Immobilienbesitzer mit dem Thema ESG zeitnah auseinandersetzen sollten. „Ich freue mich sehr, dass ich dazu heute ein sehr empathisches und hochkarätiges Expertenteam begrüßen darf – ein Großteil davon ist extra aus Wien angereist.“

Neuer Vorstand

Allen voran richteten die beiden Vorstände Mag. Susanne Endl und Mag. Alexander Weiß Worte an das Publikum. „Es ist nicht die Frage, ob es kommt, und auch nicht, wann es kommt, sondern ESG ist schon mitten unter uns“, bekräftigte Vorstandsvorsitzender Mag. Alexander Weiß, wie sehr das Thema ESG bereits jetzt ein veritables Thema in der Bank ist. „Wir werden in der Kreditvergabe bei Wohnbauprojekten in Zukunft vermehrt über das Thema ESG sprechen müssen. Damit wird auch einhergehen, dass Kapitalflüsse in Richtung effizienter Gebäude gelenkt werden.“

Dann leitet Weiß zu den Emissionen eines Green Bonds sowie eines Social Bonds über, mit denen die Hypo Tirol sehr erfolgreich am internationalen Kapitalmarkt reüssieren konnte, und übergibt das Wort an seine Vorstandskollegin, Mag. Susanne Endl. „Wir nehmen unseren Auftrag ernst und haben bereits 2019 erkannt, dass ESG

Normalität am Kapitalmarkt werden wird, und haben als erste österreichische Bank und vergleichsweise kleines Bankinstitut 2021 einen Social Bond und 2023 einen Green Bond emittiert“, erläutert die neue Vorständin Mag. Susanne Endl die Entwicklungen am Kapitalmarkt und richtet aufmunternde Worte an die Teilnehmer aus der Immobilienbranche: „Wir brauchen Sie, um diese Bonds gut und handverlesen mit energieeffizienten Immobilien bestücken zu können.“

ES IST 10 NACH 12

In einer packenden Keynote erklärte Dr. Christoph Fida, M.Sc., MRICS, Geschäfts- führer und Partner bei KPMG Real Estate Advisory, warum es bereits jetzt an der Zeit ist, sich mit den Herausforderungen rund um das Thema ESG auseinanderzusetzen. „Als Universitätslektor in einem postgradualen Programm an der Technischen Universität halte ich die Vorlesung für Immobilienprojektentwicklung und Immobilienprojektmanagement und zeige meinen Studenten immer wieder die Entwicklung der durchschnittlichen Temperatur und welche drastischen Entwicklungen für unseren Planeten damit einhergehen. Eine rasche und signifikante Reduzierung der weltweiten CO2-Emissionen ist unumgänglich. Dazu braucht es einen Schulterschluss über alle Sektoren der Wirtschaft. Der Gebäudesektor ist hier mit rund einem Drittel der relevanten Emissionen stark in der Verantwortung.“

Für die große Bedeutung der ESG-Richtlinien auf dem Immobiliensektor sieht Fida drei große Treiber: Zum einen die Gesellschaft mit ihren breiter werdenden Bewegungen, die immer mehr Veränderungen in Richtung effizientes Bauen einfordert. Zum anderen der Kapitalmarkt, der sich bei Investitionen immer mehr an ESG-Kriterien orientiert, und nicht zuletzt die EU mit neuer Regulatorik wie der Taxonomie, die schrittweise in Kraft tritt. „Es ist nicht 5 vor 12, es ist bereits 10 nach 12“, mahnt Fida die Player des Spielfeldes Immobilie und ergänzt: „Die ESG-Kriterien wirken sich auf fast alle Parameter der Immobilienbewertung aus.“

JETZT AN DIE ZUKUNFT DENKEN

Lokalmatador Mag. (FH) Michael Kugler, Carisma Immobilien und Berufsgruppensprecher der Bauträger Tirol der Wirtschaftskammer Tirol, fordert die Politik auf, mehr in Richtung verdichtetes Bauen zu denken. „Energetisch haben wir im europäischen Vergleich schon einen sehr hohen Standard. Der größte CO2-Treiber ist die bei uns vorgeschriebene Bauweise von niedrigen, kleineren Häusern mit großer Tiefgarage.“

Auch DDI Dr. Edwin Harrer, bauXund forschung und beratung GmbH aus Wien, mahnt die Politik sowie Immobilienhalter dazu, endlich ins Tun zu kommen. „Noch gibt es keinerlei verpflichtende Maßnahmen oder Grenzwerte, aber diese werden kommen. Das EU-Parlament sieht zum Beispiel ab 2030 eine Verschärfung der Richtlinie für die Energieeffizienz von Gebäuden vor (EPBD-Richtlinie), wobei dann auch für Bestandsgebäude Mindesteffizienzklassen gelten sollen. Daher lautet mein Appell: Je früher man die Gefahren und Stolpersteine in seinem Bestandsportfolio erkennt, umso besser sind die Chancen, diesen Herausforderungen gewachsen zu sein. Auch die Bauökologie (Schadstoffvermeidung in Bauprodukten) und die Kreislauffähigkeit der verbauten Produkte werden immer wichtiger. Über Screenings des Portfolios mittels Klimarisikoanalysen bis hin zu thermischen Simulationen können schon jetzt die Gebäude auf deren zukünftige Herausforderungen geprüft werden“, wobei Harrer auch einen wesentlichen Beitrag zur CO2-Reduktion in der Revitalisierung von Bestandsgebäuden sieht.

Der Eisberg Ist Handelbar

Rechtsanwalt Josef Peer LL.M. von fwp Rechtsanwälte in Wien lässt mit seinen Thesen aufhorchen: „Was wir jetzt an Regulatorien sehen, ist lediglich die Spitze des Eisberges. Das was unter der Spitze schlummert, wird wie eine Peitsche kommen.“ So sieht Peer CO2-Kontingente für Bauvorhaben auf uns zukommen, die nicht überschritten werden dürfen. Auch das Thema Baustoffrecycling wird an Be- deutung gewinnen. „Der Eisberg ist aber nichts Negatives, er wird handelbar sein. Man sollte nur möglichst früh dran und einen Schritt voraus sein“, richtet Peer aufmunternde Worte an das Publikum. Das Interesse im Publikum war eindeutig entfacht, zahlreiche Wortmeldungen und Fragen aus dem Publikum brachten eine spannende Diskussion in Gang, in der auch Vorstandsvorsitzender Weiß nochmal das Wort ergriff und festhielt, dass die Banken im ESG-Bereich gefordert sind, die Vorgaben in allen relevanten Unternehmensbereichen umzusetzen.

Um die Frage der Einladung „Green Deal als Gamechanger“ abschließend zu beantworten: Ja, ESG ist definitiv ein Gamechanger für die gesamte Immobilienbranche. Denn abgesehen von Immobilienbewertungen werden sich die kommenden Richtlinien natürlich auch auf die Höhe der Mieten auswirken. Auch ist davon auszugehen, dass es Mieter geben wird, die sich mit ihren Geschäften oder Filialen ausschließlich in ESG-konformen Gebäuden einmieten werden. Es wird also spannend bleiben für alle Beteiligten der Immobilienbranche. Das große Fazit des Abends: Auch wenn es noch wenig Regulatorien oder Checklisten gibt, sich frühzeitig mit der Thematik auseinanderzusetzen macht Sinn. PR

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