Fazit 155

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Die Zukunft fängt zu Hause an. Ursula von der Leyen (15. April 2007)

Fotos: Dominik Butzmann, Sandro Halank

Alle gegen Kurz Es ist atemberaubend, wie extrem weit die Allianz derjenigen, die die Wiederwahl von Sebastian Kurz mit allen Mitteln verhindern wollen, inzwischen reicht. Dass die Oppositionsparteien gemeinsame Sache mit einer frustrierten FPÖ machen, um der in Umfragen stabil starken ÖVP zu schaden, ist legitim – sozusagen »Part of the Game«. Dirty Campaigning ist nämlich aus keinem Wahlkampf mehr wegzudenken. Dabei geht es oft gar nicht darum, die Wähler aus anderen Lagern zu sich herüberzuholen, sondern um Destabilisierung. Sowohl Peter Pilz als auch Beate Meinl-Reisinger, Pamela Rendi-Wagner und Werner Kogler wissen genau, dass sie mit ihren Angriffen gegen den Ex-Kanzler kaum Stimmen dazugewinnen können. Sie können jedoch womöglich einige ÖVP-Wähler – am ehesten jene mit einem christlich-sozialen und keinem unternehmerischen Hintergrund – zum Zweifeln bringen. Das Ziel der Angriffe ist daher die Demobilisierung des Gegners. Wenn ein Teil der Kurz-Wähler am 29. September zu Hause bleibt, hätte das Dirty Campaigning somit seinen Zweck erfüllt.

Wer andern eine Grube gräbt, muss sich vor Solidarisierungseffekten fürchten Jenen Kampagne-Managern, die Kurz nicht mit Argumenten, sondern mit Untergriffen besiegen wollen, muss dennoch klar sein, dass sie nicht über das Ziel hinausschießen dürfen. Gerade die SPÖ hat schon mehrere Male die Erfahrung machen müssen, dass schlecht gemachtes Dirty Campaigning zur Solidarisierung mit den verunglimpften Personen führt. Etwa als ihr ehemaliger Vorsitzender Alfred Gusenbauer die EU-Sanktionen gegen das schwarzblaue Schüssel-I-Kabinett einleiten ließ, oder vor zwei Jahren, als Ex-Kanzler Christian Kern 14 /// FAZIT AUGUST 2019

Tal Silberstein für die SPÖ-Kampagne engagierte. Das, was Silberstein gegen Kurz ausarbeiten ließ, war dann sogar den eigenen Mitarbeitern zu viel. Denn nur deshalb ist die Affäre aufgeflogen. Nun hat gerade wieder eine anonyme Anti-Kurz-Organisation das Spielfeld betreten. Sie will angeblich von Genf aus mit vermeintlichen Skandalstorys aus dem persönlichen Umfeld die Wiederwahl von Sebastian Kurz verhindern. Wer hinter dieser sich selbst als »Zoom-Institute«

Der deutsche Spitzenjournalist Georg Restle fordert einen »werteorientierten Journalismus«, der endlich damit aufhören soll, nur abzubilden, was ist.

bezeichnenden Gruppe steht, ist völlig unklar. Weil deren Verunglimpfungen jedoch zwangsläufig zur Solidarisierung mit Sebastian Kurz führen werden, ist es kaum vorstellbar, dass irgendwelche österreichischen Wahlkampfzentralen etwas damit zu tun haben. Vorstellbar ist jedoch, dass einigen der zahlreichen Gegner der türkisblauen Politik jedes Mittel recht zu sein scheint, um Kurz am Wiedereinzug in das Kanzleramt zu hindern.

Parteiräson vor Staatsräson SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt haben den amtierenden Bundeskanzler ohne sachlichen Grund aus dem Amt geworfen. Es ging ihnen vor allem darum, zu verhindern, dass Kurz mit einem Kanzlerbonus in die Nationalratswahl gehen kann. Das brachte den drei Parteien zu Recht den Vorwurf ein, dass sie ihre Parteiinteressen vor die Staatsinteressen stellen. Und weil diese Vorwürfe auch vom Großteil der Wähler geteilt werden, ist inzwischen ein Wahl-

kampfklima entstanden, bei dem die Inhalte völlig auf der Strecke zu bleiben drohen.

Die Schredderaffäre ist ein Strohhalm für die Kurz-Gegner Das wird gerade auch wieder bei der sogenannten Schredderaffäre klar. Aber so wie man eine Wohnung, aus der man auszieht, besenrein zu übergeben hat, ist es längst der normalste Vorgang der Welt geworden, bei einem politischen Wechsel sämtliche Datenträger gewissenhaft zu cleanen. Und weil die Datenforensik solche Fortschritte gemacht hat, dass sich selbst gewissenhaft gelöschte Daten wieder rekonstruieren lassen, führt an der völligen Zerstörung von Festplatten und USB-Datenträgern durch Unternehmen wie die Firma Reißwolf kein Weg vorbei. Dass alles, was mit den hoheitlichen Aufgaben des Kanzlers zu tun hat, archiviert werden muss, ist ohnehin klar. Gleichzeitig ist es jedoch völlig legitim, den Nachfolgern alle politischen Informationen vorzuenthalten, die von diesen missbräuchlich – etwa für Dirty Campaigning – verwendet werden könnten. Mit welcher Inbrunst und moralischen Entrüstung selbst einige sich als unabhängig bezeichnende Journalisten an den diversen Verschwörungstheorien gegen Sebastian Kurz beteiligen, ist nicht nachvollziehbar. Die Blödheit eines Kanzleramtmitarbeiters, der mehrere Datenträger außer Haus zerstören lassen wollte und dabei zwar die richtige Telefonnummer, aber, weil er anonym bleiben wollte, einen falschen Namen angegeben hat, zu einer Staatsaffäre aufzublasen, ist daher ziemlich skurril. Auch das deutsche Fernsehen ist Teil der Allianz gegen Sebastian Kurz Dass die Schredder-Story mitten in der hochsommerlichen Sauregurkenzeit aus


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