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DAS MAGAZIN DER ÖSTERREICHISCHEN FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT

W is s e n s c h a ft & A b e r g la u b e Das Thema beim Österreichischen Wissenschaftstag 2019

Illustration: Georg Feierfeil / www.schorschfeierfeil.com

MITTERLEHNER. RAUSKALA. ÖKONOMIE UND BILDUNG 01_Cover_19_L.indd 1

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ir freuen uns, Sie mit der sechsten AusW gabe des Magazins der Österreichischen Forschungsgemeinschaft (ÖFG) über

die Initiativen und Aktivitäten der ÖFG im Jahr 2019 zu informieren und wünschen Ihnen schon jetzt eine spannende Lektüre! Es erwarten Sie u. a. ein Überblick über unsere bildungs- und hochschulpolitischen Initiativen und Einblicke in das Arbeiten unserer Arbeitsgemeinschaften. Als Einstimmung präsentieren wir Ihnen in der Rubrik „4 aus 300“ vier Projekte, die mit Hilfe unseres Förderprogramms „Internationale Kommunikation“ verwirklicht werden konnten (Seite 6), sowie die Ergebnisse des diesjährigen Badener Workshops (Seite 8). Er setzte sich mit der Frage „Wie viel Ökonomie braucht die Bildung?“ auseinander. Im Zuge dessen wurden wir auch gemeinsam interviewt (Seite 12).

Wie auch in den früheren Ausgaben des Magazins baten wir VertreterInnen aller neun Bundesländer sowie die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Iris Rauskala, zum Interview und befragten sie zu ihren aktuellen Schwerpunkten im Wissenschafts- und Forschungsbereich (Seite 18–23).

Neben der Organisation von bildungs- und hochschulpolitischen Workshops und der Förderung von jungen WissenschaftlerInnen ist es der ÖFG ein besonderes Anliegen, die interdisziplinäre und universitätsübergreifende Zusammenarbeit zu unterstützen und

Reinhold Mitterlehner, Präsident der Österreichischen Forschungsgemeinschaft

zu fördern. Reinhard Heinisch, Leiter der Arbeitsgemeinschaft „Zukunft der Demokratie“, sowie Thomas Gehrig, Leiter der Arbeitsgemeinschaft „Finanzkrisen“, ziehen ihr Resümee anlässlich des Abschlusses ihres siebenjährigen Schaffens in den beiden Arbeitsgemeinschaften (Seite 14–17).

Christiane Spiel, Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der ÖFG

Vom Klopfen auf Holz, dem Argwohn gegenüber schwarzen Katzen und der Furcht vor Freitag, dem 13. über die Leugnung des Klimawandels bis hin zur Wissenschaftsfeindlichkeit – der Österreichische Wissenschaftstag hat sich in diesem Jahr aus verschiedenen Blickwinkeln und Disziplinen mit dem Themenkomplex „Wissenschaft & Aberglaube“ beschäftigt. Um Ihnen einen Einblick zu geben, finden Sie in dieser Ausgabe des Magazins eine umfangreiche Nachbearbeitung der spannenden und vielfältigen Beiträge des Wissenschaftstags (ab Seite 24).

Medieninhaber und Verleger: Österreichische Forschungsgemeinschaft, Berggasse 25/21, 1092 Wien, T: +43/1/319 57 70 E: oefg@oefg.at Druck: Wograndl Druck GmbH, 7210 Mattersburg

Leider müssen wir Ihnen auch vom überraschenden Ableben unseres ehemaligen Generalsekretärs und Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats Gottfried Magerl berichten. Die ÖFG verlor mit ihm einen herausragenden Wissenschaftler und liebenswerten Menschen, der sich unermüdlich für die Anliegen und Ziele der ÖFG eingesetzt hat und eine tiefe Lücke hinterlässt (Seite 4).

R E I N H O L D M C H R I S T I A N E

I T T E R L E H N E R S P I E L

Foto: Hans Ringhofer, Lukas Ilgner

DIE ÖFG IST EINE FORSCHUNGSFÖRDERUNGSEINRICHTUNG, GETRAGEN VON BUND UND LÄNDERN

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Fotos: M. Hasenöhrl, BOKU, Uni Wien, Uni Innsbruck, Sissy Furgler, Nestroy, Heinrich Kolarik, Felicitas Matern, Barbara Mair, Vouk, CeMM/Pichler

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DER WISSENSCHAFTLICHE BEIR AT DER ÖFG

Fotos: M. Hasenöhrl, BOKU, Uni Wien, Uni Innsbruck, Sissy Furgler, Nestroy, Heinrich Kolarik, Felicitas Matern, Barbara Mair, Vouk, CeMM/Pichler

Foto: Hans Ringhofer, Lukas Ilgner

ÖFG

Walter Berka, Univ.-Prof. für Verfassungs- und Verwaltungsrecht, Universität Salzburg

Martin Gerzabek, Univ-Prof. für Ökotoxikologie und Isotopenanwendung, BOKU Wien

Hans Goebl, Univ.-Prof. em. für Romanische Sprachwissenschaft, Uni Salzburg

Bernhard Jakoby, Univ.-Prof. für Mikroelektronik, Universität Linz

Wolfgang Kautek, Univ.-Prof. für Physikalische Chemie, Universität Wien

Sylvia Knapp, Univ. Prof. für Immunologie, MedUni Wien

Brigitte Mazohl, Univ.-Prof. für Österreichische Geschichte, Universität Innsbruck

Reinhard Neck, Univ.-Prof. für Volkswirtschaftslehre, UniversitätKlagenfurt

Oswald Panagl, Univ.-Prof. em. für Sprachwissenschaft, Uni Salzburg

Peter Parycek, Univ.-Prof. für E-Governance, Donau-Universität Krems

Heinrich Schmidinger, Univ.-Prof. für Philosophie, Rektor, Universität Salzburg

Ursula SchmidtErfurth, Univ.-Prof. für Augenheilkunde und Optometrie der MedUni Wien

Christiane Spiel, Univ.-Prof. für Bildungspsychologie und Evaluation, Universität Wien (Beiratsvorsitzende)

Hans Tuppy, Univ.-Prof. em. für Biochemie, Uni Wien, ehem. Wissenschaftsminister

Friederike Wall, Univ.-Prof. für Unternehmensführung, Universität Klagenfurt

Susanne WeigelinSchwiedrzik, Univ.-Prof. für Sinologie, Universität Wien

I N H A LT NACHRUF

Gottfried Magerl

ARGE DER ÖFG

4–5

ÖFG-FÖR DERUNG FÜR DEN NACHWUCHS

Vier von 300 JungforscherInnen, die die ÖFG heuer unterstützte 6–7

WIE VIEL ÖKONOMIE BR AUCHT DIE BILDUNG?

Relevanz von Ökonomie und Bildungswissenschaften für die Bildungspolitik

8–11

MITTERLEHNER UND 12–13 S P I E L im Interview

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aus der ARGE „Zukunft der Demokratie“ und der ARGE „Finanzkrisen“ 1 4 – 1 7

GESPR ÄCH MIT MINISTERIN R AUSK A LA

Über das Genderverhältnis im tertiären Bereich, neue Ziele der Bildungspolitik und Studienförderung 18–19

DIE WISSENSCHAFT IN DEN BUNDESLÄNDERN

Ziele und Schwerpunkte der Wissenschaftspolitik in den neun Bundesländern 20–23

ÖSTERREICHISCHER WISSENSCHAFTSTAG

Beiträge zum Thema „Wissenschaft & Aberglaube“ Klimawandelleugnen hat System 2 4 – 2 5 Sinn ermöglicht auch Wahnsinn 2 6 – 2 7 Sorge um die Wissenschaft 28–29 Homöopathie ist nicht risikofrei 30–31 Wiederverzauberung der Welt 32–33 Zwischen Größenwahn und Depression 34–35 Gefährliche Grenzen 36–37 Verteidigt die Ergebnisoffenheit!

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PUBLIKATIONEN

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Er hat immer alles zur Spitze gebracht V O N B E R N H A R D E M I L B R I X

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ie Österreichische Forschungsgemein­ D schaft hat mit Gottfried Magerl einen Denker und Gestalter verloren, der (ÖFG)

stets über Fächergrenzen hinweg agierte und vermittelte – und dies in der ihm eigenen herzlichen, motivierenden Art, mit einem gesunden Schuss Humor und einer generell optimistischen und positiven Lebensein­ stellung.

Wir werden ihm immer dafür dankbar sein, dass er für mehr als ein Vierteljahrhun­ dert die Formulierung und Umsetzung der Ziele der ÖFG in ganz wesentlicher Weise mitgestaltet hat.

Gottfried Magerl, ein gebürtiger Wie­ ner des Jahrgangs 1947, maturierte 1965 in Wien am Gymnasium Fichtnergasse mit der eher seltenen Fächerkombination Mathe­ matik, Darstellende Geometrie, Philosophie und Altgriechisch. Mit diesem Hintergrund S E I N E F O R S C H U N G : T H E M AT I S C H V I E L F Ä LT I G UND ANWENDUNGSORIENTIERT entschied er sich schließlich für ein natur­ wissenschaftlich­technisches Studium und schloss 1972 das Diplomstudium Elektro­ technik (Studienzweig Nachrichtentechnik) an der TU Wien (damals noch Technische Hochschule genannt) ab.

Sein Diplomarbeitsbetreuer Ernst Bo­ nek fragte ihn, ob er am damaligen Institut für Hochfrequenztechnik eine Dissertation schreiben möchte, und erfüllte damit den geheimen und großen Wunsch von Gottfried Magerl. Im Juni 1975 promovierte er summa cum laude zum Doktor der technischen Wis­ senschaften.

Schon während der Dissertation hatte er am Hochfrequenzinstitut eine Anstellung als Assistent. Er konnte auch nach der Promoti­ on am Institut bleiben und sich wissenschaft­ lich weiter vertiefen.

Im Sommer 1981 habilitierte er sich für das Fach Hochfrequenztechnik an der TU Wien. Ein wichtiger Meilenstein seiner Ar­ beiten war die Entwicklung eines Infrarot­ Spektrometers, mit dem man Moleküle mit ultrahoher Auflösung untersuchen kann.

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Nicht zuletzt auf Basis dieses Erfolgs wurde er zu Gastprofessuren in die USA eingeladen.

Im Studienjahr 1981/82 ging Gottfried Magerl auf Einladung von Professor Oka mit seiner Familie in die USA, an die University of Chicago. Dort war er – für einen Techni­ ker eher ungewöhnlich – am Department of Chemistry tätig, weil er sich damals mit der Mikrowellenmodulation von Kohlendioxid­ lasern beschäftigte.

Diese Periode seines Lebens beschrieb Gottfried Magerl als eine sehr schöne und spannende Zeit. In den Jahren 1984 und 1986 kehrte er für weitere Forschungsaufenthal­ te in die Vereinigten Staaten zurück, nach Chicago und an die Michigan State Univer­ sity. Parallel dazu war er als Dozent an der TU Wien tätig und mit seinem ersten großen Forschungsthema im Bereich der höchstauf­ lösenden Infrarotspektroskopie beschäftigt.

1987 nahm er eine Gastprofessur am Depart­ ment of Physical Chemistry der Universität Ulm wahr.

Dann wandte er sich wieder der reinen Mikrowellen­ und Hochfrequenztechnik zu, wobei Forschungsaufträge aus der Industrie und damit die Anwendungsorientierung eine immer größere Rolle spielten.

Im Jahr 1990 wurde er außerordentlicher Universitätsprofessor für das Fach Mikrowel­ lentechnik und verlagerte seine Schwerpunk­ te mehr und mehr in das Gebiet der Mikro­ wellenschaltungstechnik. Schließlich wurde er 1998 als ordentlicher Professor an das Insti­ tut für Elektrische Mess­ und Schaltungstech­ nik berufen und trat die Professur im März desselben Jahres als Institutsvorstand an.

Seine Forschung war nicht nur thema­ tisch gesehen vielfältig, sondern auch, was die Anwendungen betraf. So arbeitete er etwa an Straßenmautsystemen, die mit Mikrowel­ len­Radar funktionieren. Die Firma Kapsch hat auf diesem Forschungsbeitrag aufbau­ end ihr Mautsystem entwickelt.

Weitere Forschungspartner in diesem bunten Spektrum waren die europäische Weltraumbehörde ESA und die Metallin­ dustrie. Gottfried Magerl war zudem einer der Gründerväter des 1998 gegründeten Forschungszentrums Telekommunikation Wien (FTW), eines Zusammenschlusses von akademischer Forschung und 15 Tele­

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Foto: privat

Ein Nachruf auf den ehemaligen Generalsekretär und Vorsitzenden des wissenschaftlichen Beirats der ÖFG G O T T F R I E D M A G E R L

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kommunikationsunternehmen, gefördert im Rahmen des Kplus-Programms des österreichischen Infrastrukturministeriums.

Seit den 1990er-Jahren beschäftigte sich Gottfried Magerl intensiv mit Leistungsverstärkern für den Mobilfunk und half somit der europäischen Forschung, in diesem Bereich den Rückstand gegenüber den USA in diesem Bereich aufzuholen. Als geeignetes Mittel zum Zweck erkannte Magerl ein Network of Excellence für Mikrowellenverstärker.

Im 6. EU-Rahmenprogramm gelang 2004 die Einrichtung des Projekts TARGET (Top Amplifier Research Groups in a European Team), das schon bald darauf exzellente Ergebnisse hervorbrachte. Im Rahmen dieses Netzwerks wurde der gesamte Bereich von der Halbleiter-Materialwissenschaft über die theoretische Modellierung bis hin zur Erzeugung von Endgeräten im Verstärkerbau gemeinsam interdisziplinär betrachtet.

Sein Engagement und seine Arbeit wurden vielfach gewürdigt, und wir nennen nur als Beispiel die Verleihung des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse im Jahre 2013.

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Gottfried Magerl 1947–2019

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Gottfried Magerl engagierte sich innerhalb der TU Wien auch als Vorsitzender des Fakultätsrats der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik und schließlich als Dekan dieser Fakultät. Auch außerhalb der TU engagierte er sich in diversen wissenschaftlichen Gremien und Netzwerken; Es seien hier nur stellvertretend seine Mitgliedschaft in der obersten Telekom-Regulierungsbehörde, das bereits erwähnte europäische Netzwerk TARGET und seine Mitgliedschaft in den verschiedensten Beratungs- und Evaluierungsgremien genannt. Er war auch einer der Gründerväter, Vorstandsmitglied und Vizepräsident des Forschungszentrums Telekommunikation Wien und bis zuletzt Senatsmitglied der Christian Doppler Gesellschaft.

Gottfried Magerl war von 1993 bis 2000 Generalsekretär der ÖFG und seit 1993 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der ÖFG. Von 2007 bis 2010 hatte er den Vorsitz dieses Gremiums inne. Davor war er auch schon Mitglied der Hochschulpolitischen Arbeitsgemeinschaft.

Mit seinem Engagement für die ÖFG wollte und konnte er auch ein politischer Mensch sein. Man konnte mit ihm trefflich darüber streiten, ob Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch als Bürger die Verpflichtung haben, am großen Projekt der Aufklärung zu arbeiten. Er hatte sich dafür entschieden. Er vertrat mit Überzeugung sein Bekenntnis zu einem wissenschaftlichen Fortschritt, der dem Menschen und damit der Gesellschaft zugutekommt, wenn Bildung mehr als Ausbildung bedeutet und wenn nicht gleichzeitig Rationalität zur Gänze von Weltanschauung, er hat oft gesagt „Spekulation“, ersetzt wird.

Gottfried Magerl war ein hervorragender, interdisziplinär denkender und handelnder Wissenschaftler, der nicht davor

E R E R H I E LT U . A . D A S E H R E N K R E U Z F Ü R WISSENSCHAFT UND KUNST 1. KLASSE zurückschreckte, Verantwortung zu übernehmen – in den Worten eines seiner ersten wissenschaftlichen Mentoren Ernst Bonek: „Wenn er etwas angefangen hat, dann hat er es zur Spitze gebracht.“ In seinem Wirken war er, bei aller Entschlossenheit und bei allem Vorwärtsdrang, gleichzeitig ein ausgleichender Kollege, mit dem viele von uns auch freundschaftlich verbunden waren. Wer ihn kannte, kann wohl sagen, er war zu all dem noch, in einem ganz unprätentiösen Sinne, einfach ein guter Mensch. Wir werden ihn vermissen.

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Jung, exzellent und gut vernetzt Die ÖFG unterstützt junge W I S S E N S C H A F T L E R I N N E N U N D W I S S E N S C H A F T L E R dabei, in der weltweiten Forschungsgemeinschaft Präsenz zu zeigen U S C H I

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er Blick über den Tellerrand, konstruktiD ve Inputs aus der internationalen Scientific Community und weltweite Vernetzung

können für Forschendekarrieren weichenstellend sein. Darum sind Auslandsaufenthalte und Tagungsteilnahmen für den wissenschaftlichen Nachwuchs essenziell. Doch nicht immer ist das einfach zu bewerkstelligen. Die primär dafür zuständigen Finanzierungsmöglichkeiten einer Institution können ausgeschöpft sein oder mancherorts gar nicht erst vorhanden. Mit dem Förderprogramm „Internationale Kommunikation“ unterstützt die ÖFG überstaatliche Forschungsaktivitäten, Publikationen, Vorträge und Posterpräsentationen. Aus 600 Anträgen pro Jahr wählt der ehrenamtliche wissenschaftliche Beirat die besten Kandidatinnen und Kandidaten. Hier stellen wir vier der 300 aktuell Geförderten vor.

F aim e A l p ag u , 3 6 , D o k t o rand in , I ns t i t u t f ür S o z i o l o g i e, U ni v ers i t ä t W i en, D O C -S t ip end i at in d er Ö A W Was erzählt ein Foto? Welche Lebenswirklichkeiten lassen sich aus Briefen nachvollziehen? Was wird verschwiegen? Solche Fragen stellt sich Faime Alpagu, wenn sie die biografischen Zeugnisse sogenannter Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter aus der Zeit zwischen 1960 und Ende 1980 analysiert.

Heute sind die Männer und Frauen, die sie

Faime Alpagu, Institut für Soziologie, Universität Wien

Jan Steger, Institut für Paläontologie, Universität Wien

B I O G R A F I S C H E Z E U G N I S S E V O N G A S TA R BEITERINNEN ZWISCHEN 1960 UND 1980 aus Österreich an ihre Familien in der Türkei schickten, um die siebzig Jahre alt. Alpagus Dissertationsprojekt kreist um ihre Lebensgeschichten. Dabei nimmt sie nicht nur die Briefe und Fotos unter die Lupe, sondern führt auch persönliche Gespräche.

Mit dieser Kombination betritt die Soziologin, die selbst aus einer kurdischen Stadt in der Osttürkei stammt, Neuland: Systematisch verknüpft sie bildliche und sprachliche Ausdrucksformen über mehrere Zeitebenen hinweg. „Ich möchte die Methoden zur Erforschung von Migrationsbewegungen weiterentwickeln, aber auch ein vielseitiges Bild

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von Migration zeigen“, sagt sie. Im Sinne einer „differenzierten Diskussion jenseits von Xenophobie oder zwanghaftem In-SchutzNehmen der Zugewanderten“ ist ihr das Entlarven von Stereotypen wichtig. „Die individuelle, subjektive und selbstkritische Migrantenstimme findet im polarisierten öffentlichen Diskurs kaum Gehör.“ Wertvolle Inputs von Kolleginnen und Kollegen aus der Migrationsforschung bekam sie bei einer Tagung an der Uni Straßburg, an der sie im Jänner mit einer ÖFG-Förderung teilnahm. Ihre Herangehensweise hat sie dort anhand einer Briefanalyse vorgestellt. „Das half mir zu entscheiden, in welche Richtung ich meine Ergebnisse weiterführen möchte.“ J an S t eg er, 2 8 J ahre, D o k t o rand , I ns t i t u t f ür P al ä o nt o l o g i e, U ni v ers i t ä t W i en Schon seit den Familienurlauben in der Kindheit ist der Linzer vom Meer und seinen Bewohnern fasziniert. Irgendwann erkannte er, dass wir noch relativ wenig darüber wissen. „Dabei ist der Großteil unseres Planeten von Wasser bedeckt“, sagt er. „Und angesichts des Ausmaßes und der Folgen menschlicher Eingriffe in diesen größten aller Lebensräume ist es wirklich wichtig, ihn besser zu verstehen.“ Dieses Bestreben hat ihn heuer an Bord der „Maria S. Merian“ geführt. Eine ÖFG-Förderung trug zur einmonatigen Teilnahme an einer Arktisexpedition mit diesem Forschungsschiff bei. Stegers Rüstzeug: ein Masterabschluss in Meeresbiologie der Uni Bremen. Zuvor hatte er in Wien Zoologie studiert. Seit 2017 ist er Doktorand am Institut für Paläontologie der Universität Wien und erforscht die Einwanderung von Tier- und Pflanzenarten vom Roten Meer ins Mittelmeer. Vor 150 Jahren hat der Bau des SuezKanals dieses „Lesseps’sche Migration“ genannte Phänomen ausgelöst.

DIE EINWANDERUNG VON TIEREN UND PFLANZEN VOM ROTEN MEER INS MITTELMEER Stegers Forschungsansatz nennt man historische Ökologie. „Dabei stütze ich mich auf natürlich vorkommende biologische Langzeitarchive wie etwa Schneckenschalen im Meeresboden“, erklärt er. „Sie geben Infor-

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mationen über die Vergangenheit eines Ökosystems und im Vergleich mit dem heutigen Zustand auch über Veränderungen.“ Die Einladung, mit der „Maria S. Merian“ mitzufahren, sei eine einzigartige Gelegenheit gewesen. Aus der Umgebung des Vesteris Seeberg, eines bisher unerforschten submarinen Vulkans, brachte er jede Menge Probenmaterial mit. „Das wird die Basis für ein neues Forschungsprojekt nach dem Doktorat“, freut er sich.

E v a I s ab el l a Mat t, 3 6 , D o k t o rand in , U ni v . -K l in i k f ür N eur o l o g i e, MedU ni W i en „Das komplexeste System, das wir kennen, ist das Gehirn“, sagt Eva Isabella Matt. Immer genauer und detaillierter könne die moderne Neurowissenschaft seine Funktionsweisen erkunden. „Das ist das Faszinierende an meinem Fach.“ Die Vorarlbergerin hat an der Uni Wien Psychologie studiert und die postgraduale Ausbildung zur Klinischen und Gesundheitspsychologin absolviert. Nun arbeitet sie an der MedUni Wien im Rahmen des Doktoratprogramms „Clinical Neurosciences“ an ihrer Dissertation. „Unser Gehirn macht uns zu dem, was wir sind“, unterstreicht sie. „Es bedingt unser Denken, Fühlen und Handeln.“ Gerade in

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Mit ÖFG-Unterstützung konnte sie im Juni an der Jahrestagung der Organization for Human Brain Mapping (OHBM) in Rom teilnehmen und ein Fallbeispiel mit internationalen Experten diskutieren.

Eva Isabella Matt, Univ.-Klinik für Neurologie MedUni Wien

Matthias Landgraf, Institut f. Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft TU Graz

K L I N I S C H E A N W E N D U N G E N E I N E R N I C H TI N V A S I V E N H I R N S T I M U L AT I O N S T E C H N I K der Arbeit mit neurologischen Patientinnen und Patienten erlebe sie den starken Einfluss von Erkrankungen in diesem Bereich auf das gesamte Leben, „aber auch, welche enorme Kompensations- und Reorganisationsfähigkeit das Gehirn hat“. Matt forscht in der Arbeitsgruppe für bildbasierte Hirnfunktionsdiagnostik und Therapie an klinischen Anwendungen einer neuen, nichtinvasiven Hirnstimulationstechnik mit Ultraschall. „Dafür nutzen wir Methoden der strukturellen und funktionellen Bildgebung mittels Magnetresonanztomografie und elektrophysiologische sowie psychologische Verfahren“, berichtet sie. „Unser Gebiet ist stark von technischen Innovationen geprägt.“ Wichtig sei außerdem die interdisziplinäre Herangehensweise.

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Mat t hi as L and g raf , 3 3 , S eni o r S c i ent i s t, I ns t i t u t f. E i s enb ahnw es en un d V erk ehrs w ir t s c haf t, T U G raz „Mobilität und die dafür nötigen Rahmenbedingungen sind ein zentrales Zukunftsthema“, sagt der Steirer. „Und in Hinblick auf den demografischen Wandel und die klimapolitischen Ziele spielt hier der öffentliche Verkehr eine entscheidende Rolle.“ Landgraf beschäftigt sich mit der Verknüpfung von ökonomischen und ökologischen Bewertungen von Bahninfrastruktur. Für Fragen rund um Neubauten, Instandhaltung und Abwicklung hat sein Institut an der TU Graz ein Lebenszyklusmodell entwickelt, das er im Zuge seiner Habilitation um Umweltwirkungen erweitern möchte.

Ein ähnliches Thema, allerdings mit Fokus auf Wasser-, Energie- und Straßennetze, verfolgt eine Forschungsgruppe an der amerikanischen Elite-Universität Berkeley. Die Zusage für einen zweimonatigen Aufenthalt dort sah Landgraf als tolle Chance. „Ich habe mir einen Gewinn für beide Seiten erhofft, und genau so kam es“, erzählt er. „Ich konnte wertvolles Fachwissen mitnehmen, und umgekehrt bestand großes Interesse, mehr über die Herausforderungen, mit denen die europäischen Bahnnetze konfrontiert sind, und unsere Lösungen zu erfahren.“ Gemeinsame Publikationen sind in Planung. „Das war äußerst

ÖKONOMISCHE UND ÖKOLOGISCHE BEWERTUNG VON BAHNINFRASTRUKTUR motivierend, und vielleicht entstehen sogar darüber hinausgehende Kooperationsprojekte.“ Auch die landschaftlichen Reize der Bay Area rund um San Francisco begeisterten ihn. „Eine der wenigen Regionen in den USA, wo der öffentliche Verkehr so gut ausgebaut ist, dass man nicht unbedingt ein Auto braucht.“ Einziger Wermutstropfen: „Im Vergleich zu Österreich ist alles sehr teuer. Umso dankbarer bin ich für die ÖFG-Förderung für diesen Aufenthalt.“

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Wie viel Ökonomie braucht die Bildung?

Im Rahmen des gleichnamigen Workshops diskutierten ExpertInnen über die Relevanz von Ö K O N O M I E U N D B I L D U N G S W I S S E N S C H A F T E N für die Bildungspolitik W

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m Schlosshotel Weikersdorf eröffnete Izweitägigen Christiane Spiel am 5. April des Jahres den Workshop „Wie viel Ökonomie

braucht die Bildung?“. Die Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der ÖFG wies in ihrer Einleitung darauf hin, dass die Bildungsökonomie bei den Weichenstellungen der österreichischen Bildungspolitik kaum Gehör findet.

Ein Fazit, das bei den RednerInnen des Workshops durchgehend auf Zustimmung stieß. So auch bei Kerstin Schneider vom Wuppertaler Institut für bildungsökonomische Forschung. Sie widmete sich der Frage, welchen Beitrag die Ökonomie zur Gestaltung der Bildungspolitik leisten kann. In ihrem Überblick veranschaulichte sie das Leistungsspektrum der Bildungsökonomie, ihr Vorgehen sowie ihre Grundlagen und Bedingungen. Im Bereich auswertbarer Daten

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hinkt man hierzulande deutlich hinterher, was die Arbeit der Bildungsökonomie massiv erschwert. Sie gab außerdem zu bedenken, dass Effizienz für die Steuerung der Bildungspolitik zwar eine hohe Priorität haben sollte, aber als alleinige Begründung nicht ausreichend ist.

D i e L ei s t un g en d er H o c hs c hu l en s i c ht b ar m ac hen Andrea Schenker-Wicki, Rektorin der Universität Basel (Interview siehe Seite 10), widmete ihren Vortrag der Frage „Kann und soll man Leistungen von Hochschulen ökonomisch bewerten?“. Sie strich heraus, dass die Quantifizierung der Leistungen von Hochschulen dem gesellschaftlichen und politischen Dialog dienen würde und Verständnis für die Funktionsweise von Bildung und Forschung schaffen könnte. Der Nutzen von Hochschulen sei letztlich aber nicht vollständig ökonomisch erfassbar. Wie sich bildungs-

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ökonomische Methodiken nutzen ließen, zeigt sie am Beispiel ihrer eigenen Universität. Als Rektorin stand sie vor der Herausforderung, die Relevanz ihrer Hochschule für die Region Basel der Politik gegenüber greifbar zu machen.

Der letzte Beitrag des Tages trug den Titel „Akademische Bildung versus Berufsbildung: Wer soll (wer will) welche (Aus)bildung machen?“ Lorenz Lassnig, Bildungssoziologe am IHS, widmete sich darin dem Status quo der Bildungsökonomie. In Österreich sei diese Disziplin selbst nicht sonderlich stark präsent, werde aber auch kaum vonseiten der Politik nachgefragt. Er ging auf die Grenzen bildungsökonomischer Forschung ein – diese könne etwa keine definitive Antwort auf die Frage Berufsbildung oder akademische Bildung liefern –, wies aber auch auf ihre Chancen hin: Sie könne zu mehr Transparenz und einer besseren Informationsbasis und so zu einer Versachlichung der Bildungsdebatte beitragen.

Das Positionspapier der ÖFG auf: www.oefg.at/ positionspapier_bildung der_zukunft

Bild auf der linken Seite oben: Andrea Schenker-Wicki, Marius Busemeyer, Lorenz Lassnig, Simon Wiederhold, Christiane Spiel und Kerstin Schneider

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erfolgreichen Bildung, Ausbildung und Weiterbildung. Dabei ging er darauf ein, dass die Bildungspolitik selbst teils widersprüchliche Ziele verfolgt und Politik und Bevölkerung auch unterschiedliche Erwartungen an diese knüpfen. Die Rolle der Wissenschaft erkannte er darin, über mögliche Zielkonflikte aufzuklären und Effekte bildungspolitischer Maßnahmen zu dokumentieren. BürgerInnen und Politik könnten so bessere Entscheidungen über Zielsetzung und Gewichtung dieser treffen.

Der Bildungsökonomie mehr Gehör verschaffen Die abschließende Podiumsdiskussion bestritten Robert Klinglmair (Bildungsdirektion Kärnten), Lorenz Lassnigg (IHS Wien), Michael Litschka (FH St. Pölten), Martin Netzer (BMBWF Wien) und Sabine Seidler (TU Wien). Dabei gelang es, die unterschiedlichen Aspekte und Positionen der vorangegangenen Vorträge zu bündeln und noch einmal Revue passieren zu lassen.

Auch hier bestätigte sich der grundlegende Tenor der beiden Tage: Die Bildungswissenschaften und darunter besonders auch die Bildungsökonomie müssen in der Bildungspolitik mehr Gehör finden.

Diese Feststellung fand auch Eingang in ein Positionspapier, das die ÖFG im Anschluss an die Tagung formulierte. Es enthält vielfältige Denkanstöße für weitreichende Reformen im Bildungswesen: Sie reichen von einer bedarfsorientierten Finanzierung von Schulen über die fortschreitende Professionalisierung von PädagogInnen auch in Kindergärten und Hochschulen bis hin zum Ausbau der Bildungsforschung, die das Grundgerüst einer evidenzbasierten Bildungspolitik darstellt.

Genauere Details kommen im Interview mit Christiane Spiel und Reinhold Mitterlehner (Seite 12) zur Sprache.

Fotos: Lukas Ilgner

Die Bildungsökonomie verbessert Entscheidungsprozesse Der zweite Tag begann mit einem Blick in die Kristallkugel: Simon Wiederhold, Bildungsökonom an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, stellte die Fragen nach den zukünftig bedeutsamen Kompetenzen in den Fokus seines Vortrags. Dabei machte er deutlich, dass Basiskompetenzen auch in Zukunft relevant seien, es aber neben digitalen auch Anpassungskompetenzen brauche.

Diese fasste er mit der griffigen Formel „Lernen lernen“ zusammen. Zusätzlich empfahl Wiederhold, die duale Berufsbildung zukunftsfähig zu gestalten. Des Weiteren solle Weiterbildung gestärkt und auf eine breitere Basis gestellt werden.

Marius Busemeyer, Politikwissenschaftler an der Universität Konstanz (Interview siehe Seite 11), widmete sich der Fragen der

Die Präsentationen zu den Vorträgen findet man unter: www.oefg.at/oeffent lichkeit/publikationen/ online/hochschul-undbildungspolitischeveranstaltungen

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Mehr Vertrauen in die Hochschulen Die U N I V E R S I TÄT B A S E L gilt als eine der erfolgreichsten Hochschulen Europas. Wie es dazu kommt, erklärt ihre Rektorin Andrea Schenker-Wicki E R N E R

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lung der Zivilgesellschaft und die Funktionsfähigkeit unserer demokratischen Systeme von herausragender Bedeutung. Die Life Sciences und die Medizin können zwar technische Innovationen hervorbringen, doch wenn die Geistes- und Sozialwissenschaften die Gesellschaft nicht darauf vorbereiten, diese anzunehmen, können sie nicht umgesetzt werden.

B E R GE R

F r a u S c h e n k e r -W ic k i, is t d ie F in a n z ie r u n g v o n H o c h s c h u le n u n d U n iv e r s itä te n s c h w ie r ig e r g ew o rd en ?

A ndr ea S c henk er- W i c k i: Da die Forschungskosten weltweit ansteigen und auch der internationale Wettbewerb um die besten Köpfe zunimmt, wurde hier eine Spirale in Gang gesetzt, die mir Sorgen macht. Die Hochschulen brauchen immer mehr Mittel, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Da es sich bei den staatlichen Geldern um knappe Ressourcen handelt, müssen sich die Bildungs- und Forschungsinstitutionen zunehmend rechtfertigen, wozu die Gelder gebraucht werden und was sie der Gesellschaft dafür zurückgeben. Diese Diskussionen sind nicht nur auf Kontinentaleuropa beschränkt, sondern finden auch im angelsächsischen Raum statt. In Großbritannien wird deshalb im Research Excellence Framework der Impact der Forschung auf die Gesellschaft detailliert untersucht.

Andrea SchenkerWicki, Universität Basel

W e l c h e B e d e u t u n g h ab e n H o c h s c h ul e n f ü r In d u s tr ie n a tio n e n ?

S c henk er- W i c k i : In der Wissensgesellschaft stammen rund siebzig bis achtzig Prozent des Wachstums des BIP aus Innovationen.

Aufgrund ihrer vielfältigen Aktivitäten in Lehre und Forschung sind die Hochschulen HOCHSCHULPOLITIK WIRD AUCH TEIL DER WIRTSCHAFTSPOLITIK UND UMGEKEHRT

somit vermehrt auch für den Wohlstand eines Landes verantwortlich. Auch in Bezug auf die Standortattraktivität einer Region spielen sie eine immer wichtigere Rolle. Damit wird Hochschul- zum ersten Mal auch Teil der Wirtschaftspolitik und umgekehrt.

W e l c h e B e d e u t u n g h ab e n G e i s t e s- u n d S o z ia lw is s e n s c h a fte n d a n o c h ?

S c henk er- W i c k i : Die Geistes- und Sozialwissenschaften sind verantwortlich für soziale Innovationen, die unsere Gesellschaft maßgeblich geprägt haben und prägen. Auch die kritische Reflexionsfähigkeit dieser Wissenschaftsbereiche ist für die Weiterentwick-

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W ie s ie h t e in e v e r a n tw o r tu n g s v o lle S te u e r u n g v o n U n iv e r s itä te n a u s ?

S c henk er- W i c k i : Extern sind wir den Ministerien und Parlamenten Rechenschaft schuldig. Das geschieht bei uns mittels eines jährlichen Berichts und in Hearings mit den zuständigen parlamentarischen Kommissionen. Mit den Ministerien schließen wir zusätzlich eine vierjährige Leistungsvereinbarung, die allerdings bedeutend schlanker ist als jene in Österreich. Intern verständigen wir uns über die Strategie sowie die Entwicklungs- und Strukturpläne der Fakultäten. Das Wichtigste in meiner Führungsarbeit ist aber nicht die Vorgabe von konkreten quantitativen Zielen, worauf ich bewusst verzichte, sondern das Vermitteln und das Leben einer Kultur der Exzellenz und der Wertschätzung.

I s t d i e H o c h s c h ul e , s o w i e w i r s i e k e n n e n , e i n A u s la u fm o d e ll?

S c henk er- W i c k i : Nein, im Gegenteil. Die Universitäten sind seit gut einem Jahrtausend für die Entwicklung einer Gesellschaft relevant und übernehmen in der Wissensgesellschaft mit der sogenannten „third mission“ noch zusätzliche Aufgaben. Erfolgreiche Universitäten haben sich immer wieder veränderten Umständen anpassen können und Trends vorweggenommen. Das wird auch in Zukunft so sein.

W ie la u te t Ih r b ild u n g s p o litis c h e r R a ts c h la g a n d i e Po l i t i k?

S c henk er- W i c k i : Gute Rahmenbedingungen schaffen, damit die Hochschulen gedeihen können, aber kein Mikromanagement in die Hochschulen hinein betreiben. Dies alles steht und fällt mit dem Vertrauen, das von der Politik den Hochschulen entgegengebracht wird und von diesen wiederum sorgsam gepflegt werden muss.

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Foto: Lukas Ilgner

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Foto: Universität Basel

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Anreiz statt bürokratischen Hammers Schulautonomie stärken und Schulen zu gemeinsamen Z I E L E N D E R B I L D U N G S P O L I T I K verpflichten, fordert Marius Busemeyer von der Universität Konstanz V O N

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E R N E R

S T U R M

B E R GE R

H e r r B u s e m a y e r, w a s is t u n te r e in e r „ a n r e iz g e s te u e r te n B ild u n g s p o litik “ e ig e n tlic h z u v e r s te h e n ?

Mari u s B u s em ey er: Anreizgesteuerte Bildungspolitik bedeutet im weitesten Sinne individuelle Mechanismen, die für die Betroffenen Anreize so gestalten, dass es in deren Eigeninteresse liegt, ein von der Bildungspolitik erwünschtes Ziel zu erreichen. Mit individuellen Freiheiten und der Autonomie der Beteiligten wird damit schonender umgegangen als in klassischen, hierarchischen Steuerungsmodellen. Man muss also nicht direkt intervenieren und den bürokratischen Hammer schwingen. Dabei sollte man aber nicht nur harte ökonomische Anreize im Blick haben, wenngleich das jene sind, mit denen sich die Bildungsökonomie vor allem beschäftigt. Es braucht genauso moralische Appelle an die Ausbildungsbereitschaft von Unternehmen und die Förderung von Netzwerken und Sozialkapital. Auch diese schaffen Anreize, sich weiterzubilden.

W a s b e d e u te t e in e s o lc h e A n r e iz s te u e r u n g n u n im S c h u ls y s te m ?

B u s em ey er: In den Modellen, die heute schon in Teilen in verschiedenen Ländern umgesetzt sind, stehen eher ökonomische Anreize im Vordergrund. Die Steuerung erfolgt im Wesentlichen über die Verteilung von finanziellen Mitteln. Die obere Ebene der Bildungspolitik gibt dabei Ziele vor, die zu erreichen sind. Wie genau diese Ziele zu erreichen sind, wird den unteren Ebenen, etwa den Schulen, überlassen. Dieses Steuerungsmodell geht notwendigerweise einher mit einem hohen Maß an Schulautonomie. Man braucht zusätzlich aber auch begleitende Bildungsforschung, um die Qualität der von Schulen erbrachten Leistung mess- und damit vergleich- und bewertbar zu machen.

Foto: Lukas Ilgner

Foto: Universität Basel

ÖFG

W e lc h e Z ie le s o lle n ty p is c h e r w e is e d a m it e r r e ic h t w e r d e n ?

B u s em ey er: In den USA wurde Anfang der 2000er-Jahre ein anreizgesteuertes Modell etabliert, das vor allen auf die Steigerung der Leistung der Schüler und Schülerinnen abzielt. Schwache Schulen mit ohnehin schon

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Marius Busemeyer, Universität Konstanz

fehlenden Ressourcen wurden so tendenziell weiter bestraft und wahrscheinlich noch schlechter. Man kann Modelle der Anreizsteuerung aber auch anders gestalten, indem man Anreize entsprechend anpasst. Das geschieht in vielen anderen Ländern. Etwa indem man die soziale Herkunft der Schüler und Schülerinnen bei der Leistungsbewertung von Schulen berücksichtigt. Statt der durchschnittlichen Testleistung kann man auch das relative Abschneiden von Schwächeren oder die Verteilung von Bildungsleistungen in den Blick nehmen. Anreizsteuerung kann so auch für Inklusionsziele genutzt werden. Letztlich ist es eine politische Frage, wie man das System gestaltet und welche Anreize man setzt. Mechanismen der Anreizsteuerung sind immer nur ein Instrument, um Ziele effizienter und effektiver zu erreichen.

W ie w e it is t Ö s te r r e ic h s B ild u n g s p o litik v o n e in e r s o lc h e n A n r e iz s te u e r u n g e n tfe r n t?

ANREIZSTEUERUNG KANN AUCH FÜR INKLUSIONSZIELE GENUTZT WERDEN B u s em ey er: Ich kenne die Situation in Deutschland natürlich besser als die in Österreich. Über Deutschland kann ich sagen, dass man von der Anreizsteuerung traditionell recht weit entfernt war, sich aber langsam in diese Richtung bewegt. Das lässt sich auch für Österreich behaupten. Wenn man aber auf die Stimmen der österreichischen Bildungsökonomie hört, ist der Aufholbedarf größer.

W e lc h e n R a t w ü r d e n S ie d e r B ild u n g s p o litik m it a u f d e n W e g g e b e n ?

B u s em ey er: Ich würde die anreizgesteuerte Bildungspolitik mit in den Instrumentenkasten der Bildungspolitik aufnehmen.

Das heißt nicht, dass bereits vorhandene Ansätze und Steuerungsmodelle verbannt werden müssen. Eine Erweiterung des Instrumentenkastens über die klassischen, hierarchischen Formen der Steuerung hinaus erscheint mir jedoch sinnvoll. Allerdings muss sich die Politik gut überlegen, welche Anreize sie setzen und maximieren will, um negative Folgen zu vermeiden.

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ÖFG

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Eine Bestandsanalyse wäre sehr gefragt Die Ö S T E R R E I C H I S C H E B I L D U N G S P O L I T I K orientiert sich stark an ideologischen Ausgangspositionen und weniger an wissenschaftlichen Grundlagen ständig verändert, um? Wie geben wir jungen Menschen Mut und Selbstvertrauen mit, um diese Aufgabe zu meistern? Eine Schule, die nur auf Fehler schaut, wird das nicht erreichen können.

B E R GE R

er Präsident der Österreichischen ForD schungsgemeinschaft, Reinhold Mitterlehner, und Christiane Spiel, Vorsitzende des

Wissenschaftlichen Beirats der ÖFG, erklären in diesem Gespräch, warum in Österreich im Bildungsbereich die Ideologie eine derart große Rolle spielt, was das für Folgen hat und warum gerade deshalb eine „evidenzbasierte Bildungspolitik“ ratsam wäre.

Reinhold Mitterlehner, Präsident der ÖFG

H e r r M itte r le h n e r, w ie w ü r d e n S ie d e n a k tu e lle n Z u s ta n d d e s ö s te r r e ic h is c h e n B ild u n g s s y s te m s b e s c h r e ib e n ?

R ein ho l d Mi t t erl ehner: Die Schule ist dabei, politischer zu werden: Greta Thunberg und die „Fridays for Future“-Bewegung sind Beispiele für diesen Wandel. Nicht umsonst sprach Peter Sellars, der 2019 Mozarts „Idomeneo“ bei den Salzburger Festspielen inzenierte, in seiner Eröffnungsrede zu den Festspielen über das bessere Sensorium der Kinder für die Zukunft und knüpfte daran die Aufforderung: „Eltern, hört auf eure Kinder.“ In Zeiten des Internets ist es nicht mehr das Problem, Wissen zu generieren. Das Internet stellt die Informationen zur Verfügung.

Zur entscheidenden Frage wird, wie wir und unsere Kinder mit diesen Informationen umgehen. Kritische Medienkompetenz, interaktive, soziale und emotionale Kompetenzen sind die Themenfelder. Der FrontalunterK L E I N G R U P P E N U N D T E A M A R B E I T, U M KINDER ZU UNTERRICHTEN richt, wie wir ihn seit Maria Theresia kennen, ist überholt. Andere pädagogische Instrumente in Richtung Kleingruppen und Teamarbeit sind gefragt, um Kindern das Rüstzeug und die Instrumente mitzugeben, die sie brauchen, um das Leben erfolgreich zu bewältigen. In diesem Sinne kann die Schule durchaus zum „Frontrunner“ werden.

C hri s t i ane S p i el : Die Schule hinkt der Entwicklung der Welt hinterher. Das ist evident.

Wir müssen uns hier stärker an der Zukunft orientieren und junge Menschen auf diese vorbereiten. Das heißt: Wie gehen wir mit der Digitalisierung und einer Welt, die sich

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F r a u S p ie l, w ie b e w e r te n S ie d ie jü n g s te n b ild u n g s p o litis c h e n M a ß n a h m e n ?

S p i el : Wenn man sich die letzte Bildungsreform ansieht, entdeckt man darin viele Aspekte, die nicht evidenzbasiert, sondern ideologisch geprägt waren. Das waren zum Teil Maßnahmen, die, von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, hinter vorhergehende Reformen zurückfielen.

Dass ideologische Positionen hier so stark vertreten sind, hat auch damit zu tun, dass es in Österreich einfach sehr wenige Daten gibt, und die Effekte von Bildungsreformen erst sehr spät sichtbar werden.

Mi t t erl ehner: Bei der Rückkehr zum Schulnoten-System war dies doch irgendwie ideologisch motiviert. Noch stärker scheint dies bei der Einführung des Deutschklassen-Gesetzes zur Einführung separater Deutschförderklassen für Kinder mit Sprachdefiziten der Fall gewesen zu sein. Sonst ist die bildungspolitische Diskussion wohl angesichts der Migrationsthemen der letzten beiden Jahre weniger bemerkbar gewesen.

F ra u S p ie l, w a s s p r ic h t a u s Ih r e r S ic h t fü r e in e e v id e n z b a s ie r te B ild u n g s p o litik ?

S p i el : Wir müssen sicherstellen können, dass alle Geldmittel, die zum Wohl der Kinder und Jugendlichen in das Bildungssystem fließen, bestmöglich eingesetzt werden. Um das beurteilen zu können, brauchen wir eine bildungswissenschaftliche, aber auch eine bildungsökonomische Forschung. Ich meine, im Moment haben wir davon zu wenig.

Mi t t erl ehner: Der österreichische Staat stellt ganz enorme Mittel für das Bildungssystem zur Verfügung. Er sollte daher auch ein Interesse daran haben, über den quantitativen und qualitativen Output des Bildungssystems gut informiert zu sein. Diese Analyse und das Wissen über die weltweiten Entwicklungen und Forschungen sollten wiederum eine effiziente politische Gesamtsteuerung des Bildungssystems ermöglichen.

Fotos: beigestellt

I N T E R V I E W : W E R N E R S T U R M

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Fotos: beigestellt

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H e r r M itte r le h n e r, w o s e h e n S ie d ie g r o ß e n H ü r d e n fü r d ie U m s e tz u n g e v id e n z b a s ie r te r B ild u n g s p o litik ?

Mi t t erl ehner: Die sehe ich vor allem strukturell und politisch: Das bildungspolitische System in Österreich hat keine Gesamtsteuerung. Das fängt schon damit an, dass die Länder den Bund, der die Lehrer zahlt, nicht vollständig über die Verwendung der Mittel informieren. Es fehlt, sieht man von denen aus den PISA-Studien ab, an Daten. Andererseits fehlt es aber auch am politischen Willen, Standards, Methoden und die Relevanz von Forschungen außer Streit zu stellen, um eine langfristige und kontinuierliche Steuerung zu ermöglichen. Bildungspolitik ist noch immer Gesellschaftspolitik. Die Politik will sich die Spielwiese Bildungspolitik nicht nehmen lassen oder gar einer wissenschaftlichen Prüfung unterwerfen. Und mangels Nachfrage sowie fehlender Förderanreize scheint es für die Forschung auch nicht attraktiv zu sein, dieses Themenfeld aufzugreifen.

S p i el : Richtig, zum einen fehlt es an Fördertöpfen für anwendungsorientierte Forschungsprojekte zu bildungspolitischen Maßnahmen. In Deutschland wurden als Reaktion auf das schlechte Abschneiden bei der PISA-Studie entsprechende Panel-Studien eingerichtet und Geldmittel für Bildungsforschung gewidmet. Zum anderen gibt es in Österreich zu wenig Daten, die man analysieren könnte. Und die, die es gibt – jene der öffentlichen Verwaltung –, sind den Forscherinnen und Forschern nicht oder nur eingeschränkt zugänglich. Das macht das Forschungsfeld auch weniger attraktiv. Forscherinnen und Forscher wenden sich dann anderen Themengebieten zu. Um Entscheidungen treffen zu können, brauchen wir aber Kenntnisse über die gegenwärtige Situation im Bildungssystem, und diese kann uns nur Forschung vor Ort liefern. Studien aus den Nachbarländern helfen kaum, denn die Daten zu den Wirkungen einzelner Bildungssysteme sind nicht übertragbar.

F r a u S p ie l, w ie k a n n m a n k ü n ftig e n B u n d e s r e g ie r u n g e n B ild u n g s fo r s c h u n g s c h m a c k h a ft m a c h e n ?

S p i el : Das ist gar nicht so leicht. Österreich steckt im internationalen Vergleich sehr viel Geld in die Bildung, die Erträge sind aber nicht entsprechend hoch. Wie Studien zeigen, hilft Evidenzorientierung dabei, Geldmittel besser einzusetzen. Das nützt nicht nur dem einzelnen Menschen, sondern der Gesellschaft als Ganzes. Menschen mit höherer Bildung verdienen im Mittel mehr, sind gesünder und leben länger. Wenn

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Christiane Spiel, Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der ÖFG

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viele Menschen eine höhere Bildung haben, kommt dies nicht nur der Wirtschaft zugute, sondern wirkt sich auch positiv auf die Qualität einer Demokratie aus. Das sollte man Wählerinnen und Wählern vermitteln.

Mi t t erl ehner: Auch mir erscheint das schwierig, weil Politik immer auf kurzfristige Erfolge ausgerichtet ist. Da fehlt es an Geduld und Kraft, um mit allen Parteien und Stakeholdern langfristig ein System zu steuern.

Vergleichbarkeiten mit anderen Ländern helfen sicherlich, um aufzuzeigen, dass es auch anders geht. Es braucht aber auch die Anregung von Eltern, Wirtschaft, Rechnungshof und Medien. Vereint können diese vielleicht zum Erfolg führen und die Herstellung von mehr Transparenz und Effizienz im Bildungssystem anstoßen.

W a s w ü rd e n S ie d e r n ä c h s te n B u n d e s re g ie r u n g a ls b ild u n g s p o litis c h e n A u ftr a g m itg e b e n ?

Mi t t erl ehner: Eine Bestandsanalyse und Handlungsoptionen vorlegen. Das geht allerdings mangels vorhandener Daten nur langsam, und da muss der oder die MinisterIn, wenn ernannt, ja schon tagespolitisch „etwas“ tun. Das bleibt dann wieder Stückwerk.

Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, wäre die Schaffung eines eigenen Max-PlanckInstituts eine wissenschaftlich gute Basis für kontinuierliche und ideologisch außer Streit stehende Politikunterstützung.

S p i el : Es läuft eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen im Ministerium selbst.

Hier wäre eine transparente und öffentlich

E S F E H LT A N F Ö R D E R T Ö P F E N F Ü R A N W E N DUNGSORIENTIERTE BILDUNGSFORSCHUNG diskutierte Bestandsaufnahme gut. Ein zweiter Punkt ist der Ausbau bildungspolitischer Forschung: Neben der Einrichtung entsprechender Fördertöpfe braucht es auch die Einführung eines Bildungspanels und die Freigabe vorhandener Registerdaten. Wichtig ist schließlich, dass zügig Maßnahmen in jenen Bereichen gesetzt werden, von denen wir schon wissen, dass dort der Nutzen von Investitionen besonders hoch ist. Das trifft etwa auf frühkindliche Förderung zu. Hier lassen sich Benachteiligungen noch effektiv ausgleichen und gleichzeitig Interessen fördern. Weitere zentrale Handlungsfelder sind der Ausbau von verschränkten Ganztagsschulen und die Begleitung von Maßnahmen, wie etwa der neuen PädagogInnenbildung, durch Forschung und Evaluation. Insbesondere sollten, um Maßnahmen in die Breite zu bringen, die Erkenntnisse der Implementationsforschung genutzt werden.

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Vom Populismus zum autoritären Staat?

V O N

D I E T E R

H ÖN I G

ie jüngsten Erfolge populistischer Kräfte D in Europa gehen oft mit einem Verfall der politischen Sitten und der Verrohung des

politischen Diskurses einher. Die soziale und politische Polarisierung bedroht den Zusammenhalt demokratischer Gesellschaften. Politische Gegner werden zu Feinden und Verrätern des Volkes gestempelt, die es zu vernichten gilt, da sie dem wahren Volkswillen vermeintlich widersprechen.

Ein früher Vertreter dieses Trends und ehemaliger Vorsitzender der FPÖ, Jörg Haider, sprach von „roten und schwarzen Filzläusen, die mit Blausäure bekämpft werden sollten“.

Der heutige Präsident der USA, Donald Trump, forderte im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf mehrmals öffentlich, seine damalige demokratische Gegenkandidatin, Hillary Clinton, einzusperren. In unserem Nachbarland Ungarn geht die Hetze gegen Regierungskritiker sogar von höchsten Stellen im Staat aus.

Das Jahr 2019 wird in die Geschichte als jenes eingehen, in dem Ungarn als das

Reinhard Heinisch, ARGE „Zukunft der Demokratie“ in der ÖFG

POPULISTISCHE POLITIK IST IN ALLEN K O N S T E L L AT I O N E N E R F O L G R E I C H erste und einzige Land der Europäischen Union von der renommierten Organisation Freedom House, welche die Freiheitsrechte weltweit dokumentiert, als nur teilweise frei („partly free“) eingestuft wird.

Die ungarische Regierung unter Viktor Orbán geht für mitteleuropäische Verhältnisse mit beispielloser Härte nicht nur gegen Nichtregierungsorganisationen, Medien und wissenschaftliche Einrichtungen vor, sondern bedient sich gezielt antisemitischer und fremdenfeindlicher Vorurteile, um die Bevölkerung im eigenen Sinn zu beeinflussen.

Unter der zunehmenden Hegemonie der Partei Fidesz ist der Staat nicht mehr länger eine neutrale Einrichtung jenseits der Parteien, sondern ein Instrument der Regierungspartei. Dies lässt sich zum Beispiel an den Schulbüchern, die nun die Parteiideologie vertreten, ebenso ablesen, wie an der Entscheidung des Regierungschefs, ein ganzes

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HEINISCH,

über

ideologisch unliebsames Universitätsfach, Gender Studies, einfach abzuschaffen. Die Macht der Regierung gründet sich auf drei sukzessiven „Verfassungsreformen“, die es der Partei Orbáns erlauben, mit knapp 45 Prozent der Wählerschaft beinahe 67 Prozent der Sitze im Parlament zu halten.

Angriffe auf die Rechtsstaatlichkeit kennen wir vom ehemaligen Innenminister Italiens, Matteo Salvini, aber auch von seinem ehemaligen österreichischen Pendant, Herbert Kickl, der Teile der in der Verfassung verankerten Menschenrechtskonvention aussetzen wollte.

Dennoch ist der Populismus im Gegensatz zu autoritären Bestrebungen per se nicht antidemokratisch. Dass wir uns mit der möglichen Bedrohung auseinandersetzen müssen, die der Populismus linker oder rechter Ausprägung für die Demokratie darstellt, ist in erster Linie seinem großen Erfolg in den letzten Jahren geschuldet. War er einst ein Randphänomen, beschränkt auf politische Systeme, geprägt von spezifischen Problemen wie öffentlicher Korruption und überbordender Parteienherrschaft, haben sich populistische Parteien und Politiker nun in Staaten durchgesetzt, die für ihre Transparenz und Effizienz bekannt sind, wie etwa die skandinavischen Länder oder die Schweiz. Auch alte Demokratien wie die USA oder Großbritannien sind nicht immun, wie die Wahl Donald Trumps oder der Brexit belegen. Überhaupt fällt auf, dass populistische Politik überall, ungeachtet der institutionellen Voraussetzungen, der politischen Spielregeln oder der geschichtlichen Entwicklung, erfolgreich ist. Gab es zunächst nur eine antisystemische Partei oder Protestbewegung in einem Staat, so entstehen heute gleich mehrere. In Italien sind die beiden größten Parteien des Landes, die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega Nord, beides populistische Parteien mit unterschiedlicher ideologischer Orientierung. In Spanien entstanden parallel zur linkspopulistischen Partei Podemos die rechtspopulistische Vox. Der Erfolg der Rechts- und Linkspopulisten beruht auf einer Legitimationskrise der Demokratie. Große Teile der Bevölkerung haben den Eindruck oder werden davon

Foto: privat

Der Leiter der ARGE „Zukunft der Demokratie“, R E I N H A R D das Verhältnis des Populismus zur liberalen Demokratie

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überzeugt, dass ihre Anliegen von der Politik nicht mehr entsprechend vertreten werden.

Den Erfolgen rechtspopulistischer Parteien gehen in vielen Staaten oft Fälle öffentlicher Korruption oder die Angst der Bevölkerung vor einem Kontrollverlust angesichts verschwindender Grenzen und unsichtbarer globaler Marktmechanismen voraus.

Rechtspopulisten haben auf dem politischen Markt gewichtige Vorteile gegenüber den etablierten Parteien. Sie können sich als Veränderer präsentieren und Forderungen stellen, die in ihrer Radikalität weit darüber hinausgehen, was innerhalb der bestehenden Politik möglich ist. Der Tabubruch und ihr unkonventioneller Politikstil sichern den Populisten jedes Mal auch eine maximale mediale Aufmerksamkeit.

Gerade die populistischen Parteien sind von einem autoritären Führungsstil gekennzeichnet. Dieser führt dazu, dass die Aufmerksamkeit allein auf die Parteiführung gelenkt wird, was verhindern soll, dass Querschüsse aus der eigenen Partei kommen. Problematisch wird das dann, wenn Populisten in Regierungsverantwortung kommen und ihre Versprechen umsetzen müssen.

In der Frühphase der Entwicklung des neuen Populismus herrschte unter vielen KommentatorInnen die Ansicht vor, der Populismus sei nur eine Art Korrektiv des demokratischen Systems, um verkrustete Strukturen aufzubrechen und einen unzufriedenstellenden Status quo zu verändern.

Tatsächlich kann diese These vom Populismus als einem Korrektiv demokratischer Fehlentwicklungen nicht aufrechterhalten werden. Vor allem dann nicht, wenn in Staaten Bedingungen eingetreten sind, die populistische Politiker an die Macht gebracht haben. Unter ihrer Regierungsführung gerät die liberale Demokratie zunehmend unter großen Druck.

Die Populisten fordern in vielen Fällen einen radikalen Wandel des Systems von der repräsentativen hin zu einer direkten Demokratie, womit die stille Hoffnung verknüpft ist, den Rechtsstaat und die kritischen Medien in den Griff zu bekommen.

Der Populismus stellt sich dabei vor allem gegen demokratische Kontrollmechanismen und -institutionen, wie JournalistInnen, un-

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abhängige Medien, Verfassungsgerichte und eine unabhängige Justiz sowie NGOs und internationale Organisationen.

Eine weitere, zeitgenössische Ausformung des Populismus ist die autoritäre Demokratie von oben. Diese Regierungsform setzt auf die Zurückdrängung des Rechtsstaats sowie der freiheitlichen Grundordnung von oben.

Grundlage des staatlichen Handelns in der autoritären Demokratie ist die feste Anbindung an die (vermeintliche) Volksmeinung. Diese wird freilich von der politischen Führung durch gezielte Kampagnen im Sinne der Herrschenden gesteuert. Der Prozess beginnt mit der systematischen Diskreditierung der freien Medien und der Zivilgesellschaft.

DEM POPULISMUS GEHT DAS GEFÜHL E I N E S K O N T R O L LV E R L U S T E S V O R A U S In weiterer Folge kommt es zu einer Aufweichung der Gewaltenteilung, wobei durch politische Interventionen oder Verfassungsänderungen die Unabhängigkeit der Justiz in Frage gestellt wird. Mit der Zeit entwickelt sich die autoritäre Demokratie zunehmend zu einem exekutivlastigen Staat. Er wird zum Agenten im parteipolitischen und gesellschaftspolitischen Wettbewerb, indem er gegen bestimmten Bevölkerungsgruppen oder Personen Stimmung macht.

In dieser Situation ist ein Staat nicht mehr neutral und für alle Bürgerinnen und Bürger da, sondern folgt der parteipolitischen Agenda seiner Führung. So bilden etwa Schulbücher in Ungarn die ideologische Ausrichtung der herrschenden Regierungspartei ab. Auch die Kampagne Viktor Orbáns und der Fidesz-Partei gegen George Soros ist längst nicht mehr die politische Aktion einer Partei, sondern ein Angriff des ungarischen Staats auf bestimmte Personengruppen.

Wenn man die politischen Veränderungen der letzten Jahre in Ungarn betrachtet, stellt sich die prinzipielle Frage, ob eine illiberale Demokratie längerfristig möglich ist oder nicht doch nur eine Übergangsform zu einem autoritären System ist, wie es sich etwa auch in Venezuela abzeichnete und wie wir es heute in der Türkei oder Russland vorfinden.

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Aus der Krise nichts gelernt?

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: D I E T E R

GEHRIG,

H ÖN I G

ie Schockwellen der Subprime-Krise D 2007 trafen europäische Großbanken deshalb so massiv, weil sie noch unmittelbar vor Ausbruch der Krise durch Aktienrückkäufe und Anwendung interner Modelle und mit Zustimmung der Aufsicht ihre Kapitalisierung massiv zurückgefahren hatten, wie eine aktuelle Studie ergibt.

Diese Studie zeigt auch, dass die großen Kapitallücken vor allem im oberen Segment der riskantesten europäischen Banken konzentriert sind. Mit dem Wechsel an der EZBSpitze, den viele Experten kritisch sehen, könnten neue Probleme auftreten. Der Finanzwissenschaftler Thomas Gehrig von der ARGE Finanzkrisen spricht hier zur Lage.

Thomas Gehrig, ARGE „Finanzkrisen“ in der ÖFG

Herr Gehrig, was bedeutet eigentlich die neue EZB-Chefin Christine Lagarde für Europas Finanzen?

Thomas Gehrig: Frau Lagarde hat als ehemalige Finanzministerin weit mehr Erfahrung in der Finanzpolitik als in der Geldpolitik. Für eine ernsthaft unabhängige Geldpolitik wäre es sehr wichtig, dass sie fiskalische Interessen und geldpolitische WIR BEKOMMEN WOHL SO SCHNELL KEINE NORMALISIERUNG DER GELDPOLITIK Notwendigkeiten klar voneinander trennt.

Wenn sich die Geldpolitik der Finanzierung von Staatshaushalten unterordnet, sind die nächsten Krisen vorprogrammiert.

Viele befürchten, dass mit Frau Lagarde nun auch noch die Negativzinsen kommen …

Gehrig: Ich habe weniger ein Problem mit Negativzinsen als mit der Frage nach dem Ausstieg aus einer extrem expansiven Geldpolitik und deren destabilisierenden Wirkungen. Ich befürchte, dass wir so schnell keine Normalisierung der Geldpolitik und somit der Zinsen sehen werden.

Was bedeuten Negativzinsen für Europas Wirtschaft?

Gehrig: Negative Zinsen wirken ökonomisch wie Steuern auf Ersparnisse. In einer Welt,

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über die aktuelle

in der zu viel gespart wird, mag es ja sinnvoll sein, Ersparnisse effektiv zu besteuern. Damit werden starke Anreize für Investitionen aller Art geschaffen – private wie öffentliche, denn Investitionen können bei negativen Zinsen ja extrem günstig finanziert werden.

Selbst eine nachhaltige Finanzpolitik sollte bei negativen Zinsen eigentlich im Interesse der jungen Generation Infrastrukturen sofort ermöglichen und den an die nächste Generation zu übergebenden Kapitalstock durch entsprechende Erhaltungs- bzw Erneuerungsinvestitionen verbessern. Auch die Privatwirtschaft könnte von den aktuellen Zinsen massiv profitieren und eine Vielzahl innovativer Start-ups finanzieren. Solche „windows of opportunity“ wie gegenwärtig hat es historisch für die Finanzpolitik noch nie gegeben. Leider scheint aber die Realwirtschaft auf diese einmaligen Konditionen nicht anzuspringen – und die öffentlichen Haushalte auch nicht.

Was ist der Grund dafür?

Gehrig: Vermutlich ist der Hintergrund eine gewisse Zurückhaltung angesichts enormer ungelöster Probleme und daraus resultierender gesamtwirtschaftlicher Risiken. So ist beispielsweise kritisch zu hinterfragen, ob die nun rasch ansteigenden Pensionsansprüche der Babyboomer wirklich durch entsprechende Ersparnisse und Rücklagen gedeckt sind. Die Antwort hierzu ist leider sehr besorgniserregend: Der nötige Kapitalstock ist in den umlagefinanzierten Systemen der meisten europäischen Länder nie aufgebaut worden, die nötigen Reserven existieren nicht. Folglich drohen schon allein aufgrund der nicht haltbaren Rentenversprechen massive soziale Probleme in naher Zukunft.

Was, wenn Rentenkrise und Finanzkrise zeitgleich kämen? Würde dies nicht den Populisten enormen Auftrieb verleihen?

Gehrig: Jegliche Krise spielt den gesellschaftlichen Rändern in die Hände, eine Finanzkrise vor allem dem linken Rand, eine Rentenkrise dem rechten. Umso wichtiger ist es, dass die politisch Verantwortlichen nachhaltige Lösungen suchen und nicht auf unbillige Weise ungelöste Probleme ihren Nachfolgern überlassen.

Foto: Arthur Michalek

Der Leiter der ARGE „Finanzkrisen“, T H O M A S Entwicklung des Finanzmarkts

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Foto: Arthur Michalek

ÖFG

Halten Sie eine erneute Auflage einer Finanzkrise in absehbarer Zeit für möglich?

G ehri g : Die aktuelle Situation ist nicht unähnlich der von 2007, als es zum Zusammenbruch von Lehman Brothers und zur Bedrohung des Weltwirtschaftssystems kam. Das Bankensystem ist für einen Zinsanstieg noch immer nicht gewappnet und somit auch nicht für den Ausstieg aus einer ultralockeren Geldpolitik. Eine Zinserhöhung würde unmittelbar zum Bersten einiger Bubbles auf Wertpapiermärkten und in regionalen Immobilienmärkten führen. Das würde das Finanzsystem einem ähnlichen Stress aussetzen wie die Situation vor zwölf Jahren.

Frau Lagarde hat nun angekündigt, dass sie die Zinspolitik ihres Vorgängers fortsetzen wird …

G ehri g : Solange Frau Lagarde die Zinsen weiter senken wird, sind wir vor einer Wiederholung der Ereignisse von 2007/8 einigermaßen sicher, wenn Handelskrieg und Brexit nicht weitere Verunsicherungen auslösen.

Die eigentliche Herausforderung für Frau Lagarde sowie ihre Nachfolger wird jedoch der Ausstieg aus der Geldpolitik und der Rückweg zur Normalität sein.

Das europäische Bankensystem erscheint heute weniger krisenresistent als jemals zuvor.

G ehri g : Es ist zwar richtig, dass kleinere Banken so sicher sind wie nie zuvor, doch die größten, systemisch wichtigen Banken sind so risikobehaftet wie kaum zuvor. Es macht schon große Sorge, dass die Kapitalmärkte nur bereit sind, zwanzig bis dreißig Euro für Aktien mit einem Nennwert von hundert Euro der größten europäischen Banken zu bezahlen. Die europäischen Großbanken sind nicht im gleichen Maße gesundet wie die US-amerikanischen Banken, welche die letzte Krise ausgelöst hatten.

Paradoxerweise soll der Basler Prozess selbst an dieser Entwicklung entscheidenden Anteil haben. Wie ist das zu verstehen?

G ehri g : Die größten und erfolgreichsten Banken in Europa konnten in der Zeit vor Beginn des Basler Prozesses strategisch ihre Kapitalstärke einsetzen, um große Finanzierungsvorteile gerade auch gegenüber den angelsächsischen Banken zu nutzen. In dieser Zeit war es chic, mit den Worten der Basler Welt „überkapitalisiert“ zu sein. Heutzutage darf sich kein CEO mehr leisten, überschüssiges Eigenkapital vorzuweisen. Er wird von den Großaktionären gewissermaßen

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gezwungen, die regulatorischen Spielräume nach unten weitestmöglich auszunutzen.

Dadurch wird eine Bank zwangsläufig weniger resilient als in der Welt vor dem Basler Prozess.

Laut einer Studie sind die Kapitallücken vor allem im oberen Segment der riskantesten europäischen Banken konzentriert. Was bedeutet das für die Systemstabilität und wie kann man dem entgegenwirken?

G ehri g : Die einfachste Möglichkeit ist im Rahmen der Basel-III-Verhandlungen vertan worden. Die US-Aufsicht hatte explizit die Beendigung der internen Risikomodelle gefordert, nachdem diese auf expliziten Wunsch der US-Aufsicht 2006 in Basel II eingeführt worden waren. Die US-Aufsicht hatte die Problematik der internen Modelle in der Krise erkannt. Die Europäer meinen aber, durch die internen Modelle ihre nationalen ChamE I N G E S U N D E S B A N K E N S Y S T E M H AT K E I N E P R O B L E M E M I T N E G AT I V Z I N S E N

pions schützen zu müssen, und bestehen darauf, diese Modelle weiter zu nutzen.

Die US-amerikanische Bankenaufsicht hat im Rahmen der Basel-IV-Verhandlungen aus den Krisenerfahrungen also die richtigen Lehren gezogen?

G ehri g : Wie bereits gesagt, die Beschränkung oder gar Abschaffung der internen Modelle macht das Bankensystem transparenter und letztlich sicherer. Die zweite Lehre besteht in der Begrenzung der Leverage, und zwar der absoluten Leverage, nicht der risikogewichteten. Auf diese Weise wird dem Risiko von Staatsanleihen Rechnung getragen, das in den europäischen Kennzahlen verschleiert wird. Ein gesundes Bankensystem hat keinerlei Probleme mit niedrigen Zinsen, auch nicht mit negativen.

Die Autoren der Studie empfehlen eine Trennung von Geldpolitik und Bankenaufsicht – sehen Sie es ähnlich?

G ehri g : Eine Trennung hätte den Vorteil, dass geldpolitische Entscheidungen unabhängig von den Interessen der Bankenindustrie getroffen werden können. In guten Zeiten mit profitablen Banken geschieht das fast automatisch. In einem System mit kränkelnden Banken jedoch wird die Geldpolitik tendenziell eher der Gesundung des Bankensystems unterstellt, da die Zentralbank ja immer am Erfolg des Gesamtprojekts gemessen wird: Geldpolitik und Bankenaufsicht.

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Maßnahmen zur Studienförderung Bildungsministerin I R I S E L I I S A R A U S K A L A über neue Studienbedingungen und das Verhältnis von Wissenschaft und Wirtschaft : C H R I S T I A N

Z I L L N E R

F r a u M in is te r in , w ie e n tw ic k e lt s ic h d a s G e s c h le c h te r v e r h ä ltn is im te r tiä r e n B e r e ic h ?

Iris Eliisa Rauskala: Seit knapp zwanzig Jahren haben wir einen leichten Überhang an weiblichen Studierenden. Aktuell liegen wir in etwa bei 53 Prozent Frauenanteil. Von den insgesamt 35.655 Studienabschlüssen im Studienjahr 2017/18 entfielen 54,8 Prozent auf Frauen. Bei den FHs gibt es einen ähnlichen Trend. Den Anstieg des Frauenanteils sehen wir stark in den Sozialwissenschaften.

2018/19 bestand hier die Studierendenpopulation zu fast zwei Drittel aus Frauen. Ähnliche Zahlen beobachten wir in der Geisteswissenschaft mit 66 Prozent Frauenanteil, wobei hier der Männeranteil leicht im Steigen begriffen ist. Was die Verteilung der Studienabschlüsse zwischen den Geschlechtern betrifft, so schließen Frauen vor allem in den Bereichen Pädagogik, Geisteswissenschaften, Sozialwissenschaften und Wirtschaft ab.

Mit Ausnahme der Wirtschaft sind alle genannten Bereiche klar frauendominiert.

G ib t e s in d e n M IN T -F ä c h e r n m ittle r w e ile a u c h m e h r w e ib lic h e S tu d ie r e n d e ?

Rauskala: Die Zahl der weiblichen Studierenden steigt auch im MINT-Bereich, allerdings auf eher bescheidenem Niveau.

Hauptursache für die bestehende Schieflage sind wohl noch immer gesellschaftlich zugeschriebene Geschlechterrollenbilder.

Solche von Stereotypen geprägte Bilder beBEI PROFESSUREN UND LAUFBAHNSTELLEN SIND FRAUEN UNTERREPRÄSENTIERT

einflussen das Selbstbild, die Interessen und damit auch Bildungslaufbahnen. Das Aufbrechen solcher Bilder ist daher von zentraler Bedeutung. Es ist allerdings eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die nur zu erreichen ist, wenn sämtliche Politikbereiche und damit Ressorts in Abstimmung darauf hinwirken. Gleichzeitig erfordert das Aufbrechen der Stereotype ein hohes Maß an Genderkompetenz, vor allem auch unter den Lehrenden. Wir sind als Ressort daher bestrebt, Maßnahmen zu entwickeln, die

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nachhaltige Wirkung zeigen, um der horizontalen Segregation und damit zu wenigen Frauen im MINT-Bereich und vice versa zu wenigen Männern im CARE-Bereich entgegenzuwirken.

W ie e n tw ic k e lt s ic h d a s G e s c h le c h te r v e r h ä ltn is u n te r d e n L e h re n d e n ?

Rauskala: Gerade bei den Professuren und Laufbahnstellen sind Frauen nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. 2018 waren knapp über 36 Prozent aller Laufbahnstellen mit Frauen besetzt, bei den Professuren entfiel lediglich jede vierte auf eine Frau. Die Frauenanteile in diesen Positionen sind kontinuierlich steigend. In der Praxis wird ein Gros der Lehre allerdings vom wissenschaftlichen Personal abgehalten. Hier sind die Frauenanteile – gerade bei den hauptberuflich an der Universität tätigen Personen – je nach Gruppe bei knapp fünfzig Prozent oder sogar darüber.

W ie s o lle n In fo r m a tik u n d L ife S c ie n c e s a ls S tä r k e fe ld e r d e s h e im is c h e n W is s e n s c h a fts s y s te m s w e ite r e n tw ic k e lt b z w . g e fö r d e r t w e r d e n ?

Rauskala: Die Life Sciences in Österreich sind stark weiblich geprägt, in den Biowissenschaften an den Universitäten wie auch FHs haben wir einen Frauenanteil von sechzig Prozent. Auch in der Medizin ist mehr als die Hälfte der Studierenden weiblich. Bei Informatik und Technik sieht es ganz anders aus: um die zwanzig Prozent Frauen. Die Erhöhung des Studieninteresses an Informatik und Technik insbesondere von Frauen wurde daher im Rahmen von „Zukunft Hochschule“ als wichtiges Ziel identifiziert. Auch Hebel zur Zielerreichung wurden entlang der gesamten Bildungskette herausgearbeitet. Besonders erfolgversprechend zur Gewinnung von mehr Frauen erscheinen dabei Kooperationsmaßnahmen von Schulen und Hochschulen, durch die das Technikinteresse bei jungen Menschen und insbesondere Mädchen im Alter von zehn bis 14 entfacht wird.

Auch eine Ausweitung der interdisziplinären Studienangebote erscheint zielführend.

Wir sehen, dass sogenannte „BindestrichInformatiken“ – also Informatik kombiniert mit Biowissenschaften oder Medizin – von

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FH-Sektor qualitativ und quantitativ weiter-

zuentwickeln. In der aktuellen Planungsperiode ist ein weiterer Ausbau von insgesamt 1.450 AnfängerInnenstudienplätzen vorgesehen, im Vollausbau sind das ab 2024/25 zusätzlich 3.279 Studienplätze.

G e is te s - u n d K u ltu r w is s e n s c h a fte n s o lle n a ttr a k tiv e r w e r d e n …

R au s k al a: Die Geistes- und Kulturwissenschaften sind in ihrer Breite und Vielfalt in unserer Gesellschaft unverzichtbar, sie befassen sich mit existenziellen Fragen der Gesellschaft, bieten Orientierung in einer immer komplexer werdenden Welt und sind kritische Begleiter des Fortschritts. Im Rahmen von „Zukunft Hochschule“ ging es auch darum, die geistes- und kulturwissenschaftlichen Studienangebote möglichst attraktiv zu gestalten. Etwa indem man sie mit technischen und naturwissenschaftlichen Studien kombiniert. Diese interdisziplinäre Verschränkung findet in der Forschung vielfach bereits statt, etwa bei den Digital Humanities.

Foto: BKA/Andy Wenzel

Frauen deutlich besser angenommen werden. Ein schönes Beispiel möchte ich dazu erwähnen: Seit dem aktuellen Wintersemester gibt es an der TU Wien erstmals die Möglichkeit, das neue interdisziplinäre Bachelorstudium Umweltingenieurwesen zu studieren. Der Frauenanteil liegt hier bei über fünfzig Prozent!

K ü n ftig s o lle n d r e iß ig P r o z e n t d e r S tu d ie r e n d e n a n F H s a u s g e b ild e t w e r d e n …

R au s k al a: Fakt ist: Der Fachhochschulsektor ist ein unverzichtbarer Bestandteil der österreichischen Hochschullandschaft. Er zeichnet sich durch eine hohe Erfolgsrate und hohe Abschlussquoten in der Regelstudienzeit aus, die Absolventinnen und Absolventen werden vom Arbeitsmarkt unmittelbar aufgenommen. Es herrscht daher Konsens, dass der Sektor qualitativ weiterentwickelt und bedarfsorientiert ausgebaut werden soll. Bereits heute beginnt ein Viertel der Studierenden in einem Bachelorstudium an einer FH, im Studienjahr 2016/17 wurde auch bereits ein Viertel aller Studienabschlüsse an einer FH verzeichnet. Unser Ziel ist, den

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Iris Eliisa Rauskala, Bildungs- und Wissenschaftsministerin

W ie k a n n d a s V e r s tä n d n is z w is c h e n H o c h s c h u le u n d W ir ts c h a ft k ü n ftig v e r tie ft w e r d e n ?

R au s k al a: An den Universitäten und Forschungseinrichtungen wurde Wissens- und Technologietransfer im Laufe der letzten Jahre kontinuierlich weiterentwickelt und in den Leistungsvereinbarungen gezielt vorangetrieben. So stellen Technologie- und Wissenstransferstellen einen wesentlichen Erfolgsfaktor für die effiziente Verwertung von akademischen Erfindungen und Know-how dar. Dass Unternehmergeist an den heimischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen bereits sehr eindrucksvoll vorhanden ist, zeigt sich in den bisherigen drei Ausschreibungen des Förderprogramms „Spinoff Fellowships“ mit insgesamt 24 geförderten angehenden UnternehmerInnen: Mit einem Programmvolumen in der Höhe von 15 Millionen Euro wollen wir innovativen Menschen mit Unternehmergeist die Möglichkeit geben, eine akademische Erfindung bis zu 18 Monate so weiterzuentwickeln, dass danach ein Unternehmen gegründet werden kann. Damit unterstützen wir Hochschulen und Forschungseinrichtungen, ihre Türen Richtung Markt und Unternehmensgründungen noch weiter zu öffnen. Mit dem Österreichischen Gründerpreis Phönix wird darüber hinaus diesen jungen und erfolgreichen Spin-offs und den dahinterstehenden Innovationsleistungen vor einem zunehmend breiten Publikum aus Wissenschaft und Wirtschaft eine Bühne geboten.

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Wissenschaft in den Bundesländern Wie jedes Jahr stellen wir hier die Maßnahmen vor, die Wissenschaft und Forschung vorsehen

generiert, das in Folge gegen Tickets namhafter Kulturinstitutionen eintauschbar ist.

H ÖN I G

W i en: D i e S t ad t w i l l z um Z ent rum des „Digitalen Humanismus“ werden. Die Stadt kann auf eine ausgeprägte Tradition im Bereich der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften verweisen. „Im Zuge der Digitalisierungsoffensive der Stadt ist in den letzten Jahren die Vision entstanden, die Stärken Wiens als Innovationsstadt im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien mit jenen der GSK enger zu verknüpfen“, erklärt Wissenschaftsstadträtin Veronica Kaup-Hasler anlässlich ihrer Initiative „Digitaler Humanismus“.

Damit will die Stadt gezielt Projektvorhaben unterstützen, die den Menschen in den Mittelpunkt von Digitalisierungsfragen stellen. „Idee und zugleich Anspruch sind es, technologische Grundlagen und Anwendungen stärker unter das Primat demokratiepolitischer Werte der Aufklärung und des Humanismus zu stellen“, so Kaup-Hasler, die dazu bereits im Frühsommer über die Kulturabteilung der Stadt Wien einen ProjektCall im Gesamtumfang von 320.000 Euro ausschreiben ließ.

Um diese Zielsetzung zu konkretisieren, arbeitet das Team der Stadträtin unter anderem am weltweit ersten „Kultur-Token“, einem digitalen Pilotprojekt der Stadt Wien.

Nach einer intensiven Vorbereitungsphase durch die Administration von Ulli Huemer, der Chief Information Officer der Stadt Wien, sowie durch die Abteilung MA01 (Wien Digital) gab die Kulturstadträtin im Frühjahr 2019 den offiziellen Startschuss zum weltweit ersten Kultur-Token.

Bei diesem Pilotprojekt wird mittels digitaler Technik gemeinschaftliches Verhalten von BürgerInnen mit dem freien Zugang zu

Veronica Kaup-Hasler, Stadträtin für Kultur und Wissenschaft in Wien

Johanna Mikl-Leitner, Landeshauptfrau von Niederösterreich

DIE NÖ-WISSENSCHAFTSACHSE FINDET INT E R N AT I O N A L G R O S S E A N E R K E N N U N G

W I E N A R B E I T E T A M W E LT W E I T E R S T E N K U LT U R - T O K E N Z U R C O 2 - V E R M I N D E R U N G Kulturveranstaltungen honoriert. Konkret wird für die aktive Reduktion von CO2 durch Gehen, Radfahren sowie die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ein virtuelles Token

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N i ed erö s t errei c h: B i l d un g , W i s s ens c haf t un d F o rs c hun g s in d Mo t o ren der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung und entscheidend für die Zukunftsgestaltung. Vonseiten des Landes Niederösterreich wurden deshalb in den letzten Jahren rund 600 Millionen Euro in die wissenschaftliche Infrastruktur investiert. Erst kürzlich ist das sechste und jüngste Technologie- und Forschungszentrum am IST Austria in Klosterneuburg eröffnet worden.

Mittlerweile hat sich in Niederösterreich eine erfolgreiche Wissenschaftsachse etabliert, die sich von Krems und St. Pölten nach Tulln über Klosterneuburg bis nach Wiener Neustadt und Wieselburg spannt und nicht nur national, sondern auch international große Anerkennung findet.

Das Ergebnis dieser positiven Entwicklung ist eine Bilanz, die sich nicht nur in Ziffern und Zahlen zeigt, sondern in einer Stabilität und wirtschaftlichen Stärke, von der alle in Niederösterreich profitieren.

Die hohe Lebensqualität, das über dem österreichischen Durchschnitt liegende Wirtschaftswachstum, die seit Jahren sinkende Arbeitslosigkeit und letztlich die Rekordzahlen bei den Warenexporten zeigen,

dass unser Bundesland auf dem richtigen Weg ist.

Eine wesentliche Säule des niederösterreichischen Erfolgswegs ist auch das Bildungswesen. Aus- und Weiterbildung genießen in Niederösterreich einen hohen Stellenwert.

Eine gute Qualifikation bringt nicht nur persönliche Vorteile, sondern ist gleichzeitig Grundlage für die weitere Entwicklung unseres Landes. Rund 22.000 Menschen sind an den tertiären Bildungseinrichtungen in unserem Bundesland eingeschrieben und nehmen die vielfältigen Studienangebote der staatlichen und privaten Universitäten, der Fachhochschulen, der theologischen Hochschulen, der Kunsthochschulen und der pädagogischen Hochschulen wahr.

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Fotos: Hermann Wakolbinger, Wikipedi/Ralf Roletschek, Gernot Gleiss

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Fotos: Christian Jobst, Markus Hintzen

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Fotos: Hermann Wakolbinger, Wikipedi/Ralf Roletschek, Gernot Gleiss

Unsere gesellschaftspolitische Verant­ wortung besteht aber auch darin, die The­ men Bildung, Wissenschaft und Forschung noch stärker in der Gesellschaft zu ver­ ankern.

Deshalb gibt es die „Lange Nacht der For­ schung“, das Forschungsfest im Palais Nie­ derösterreich in Wien, die Wissenschaftsgala und die Science Academy für die Jugend, in denen wir Interessierten Einblicke geben, was Wissenschaft und Forschung bewirken können.

Oberösterreich: Digitalisierung, demografischer Wandel, Klimaschutz und Energiefragen sowie die Mobilität sind die großen Veränderungen, die auch den Stand­ ort Oberösterreich betreffen. Das Land will diese Herausforderungen aktiv gestalten, daher wird auch die neue Wirtschafts­ und Forschungsstrategie „#UpperVision 2030“ entsprechend darauf ausgerichtet.

Sie soll dann als „Roadmap to Success“ auch die Grundlage für die Ausrichtung der Wirtschafts­ und Forschungsförderungen des Landes bis zum Jahr 2030 im Ausmaß von rund einer Milliarde Euro sein.

In Sachen Digitalisierung hat Oberös­ terreich bereits einige Erfolge aufzuweisen, etwa die Forschungsarbeiten zum Thema künstliche Intelligenz am AI Lab unter der Leitung von Sepp Hochreiter als internati­ onal anerkannter Koryphäe auf dem Gebiet am Linz Institute of Technology der Johannes Kepler Universität Linz. Zudem ist die Uni­ versität eine der ersten Universitäten mit ei­ nem Artificial­Intelligence­Studium im Pro­ gramm.

Der Softwarepark Hagenberg wird als Topzentrum für IT­Security neu ausge­ richtet. Michael Affenzeller hat die wissen­ schaftliche Leitung übernommen. Eine weitere zentrale Galionsfigur ist Gerhard Eschelbeck. Der gebürtige Oberösterreicher war IT­Sicherheitschef bei Google in Kali­ fornien. Als einer der renommiertesten Fa­ chexperten auf dem Gebiet der IT­Sicherheit übernimmt er eine Visionsprofessur an der FH OÖ und wird als Botschafter auch seine Kontakte für die internationale Sichtbarkeit Oberösterreichs als Standort für Informati­

Markus Achleitner, Landesrat für Wirtschaft und Forschung in Oberösterreich

Ursula Lackner, Landesrätin für Bildung und Gesellschaft in der Steiermark

Peter Kaiser, Landeshauptmann von Kärnten

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Vernetzung etwa mit der Universität Linz, weiter gestärkt werden soll.

Auch das UAR Innovation Network, also die außeruniversitäre Forschung, hat wie­ der Zuwachs bekommen. CHASE (Chemi­ cal Systems Engineering) ist das erste CO­ MET­K1­Zentrum im Bereich der chemischen Prozessindustrie. Das Forschungszentrum wird die chemische Industrie tatkräftig bei ihren Initiativen in Richtung Chemie 4.0 un­ terstützen.

Steiermark: Acht Jahre sind seit dem Bildungsvolksbegehren vergangen, und die InitiatorInnen zeigen einen langen Atem.

Pünktlich zur diesjährigen Nationalratswahl haben sie sich wieder öffentlichkeitswirksam zu Wort gemeldet und eine Art Aufgabenheft für die künftige Regierung vorgelegt. Über weite Strecken teile ich den Befund zu den Reformnotwendigkeiten im Bildungs­ bereich. Allerdings fehlt es mir aufgrund der Gesetzeslage bei vielen der angesprochenen Bereiche an Gestaltungsmöglichkeit. Etwa wenn es um die Universitäten und Hoch­ schulen geht, oder im Schulbereich um Lehr­ pläne, um pädagogische Konzepte sowie de­ ren Umsetzung an den Schulen.

Diesbezüglich ist der Bund mit seinen jeweils zuständigen Ministerien gefordert.

Die Zuständigkeiten beim Ausbau von Schul­ standorten liegen im Bereich der Höheren Schulen ebenso beim Bund, im Bereich der Pflichtschulen bei der jeweiligen Gemeinde als Schulerhalter.

So nimmt die Steiermark eine bundes­ weite Vorreiterrolle ein, wenn es um die Schulsozialarbeit geht. Sie wird an 136 Schu­ len (vorwiegend NMS) in allen steirischen Bil­ dungsregionen angeboten und bringt 72.600

DIE STEIERMARK NIMMT EINE VORREITERROLLE BEI SCHULSOZIALARBEIT EIN

D E R S O F T W A R E PA R K H A G E N B E R G W I R D Z U M T O P Z E N T R U M F Ü R I T- S E C U R I T Y onssicherheit einsetzen. Die synergetische Zusammenarbeit zwischen Forschung, Wirt­ schaft und Ausbildung ist das Fundament der Hagenberger Innovationskraft, die mit weiteren Maßnahmen, insbesondere starker

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zusätzliche Stunden ins System ein.

Auch die Entwicklung der Ganztags­ schule schreitet in der Steiermark voran: Im Herbst starteten bereits 16.600 Kinder in ein neues Ganztagsschuljahr. 26,9 Millionen Euro wurden seit 2015 investiert!

Kärnten: Investitionen in Bildung und Forschung sind immer gleichbedeutend mit Investitionen in die Zukunft eines Lan­ des. Bildungs­ und Forschungseinrichtungen müssen durch geeignete Fördermaßnah­ men den unterschiedlichen Voraussetzun­ gen und Herausforderungen innerhalb eines Fortsetzung nächste Seite

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dynamischen und globalen Standortwettbewerbs gerecht werden.

Klar ist: Nur wenn unser Bundesland beim stetigen Wandel in Bildung, Wissenschaft und Forschung Schritt hält, lassen sich auch die wirtschaftliche Kraft und der Innovationsgeist unseres Landes fortführen und ausbauen. Das Land Kärnten setzt dabei weiterhin auf das positive Triple-I aus Innovation, Investition und Internationalität, um nachhaltig gegen Arbeitslosigkeit, Abwanderung und Armut anzukämpfen.

Aus diesem Grund haben wir auch 2019 eine Vielzahl an Maßnahmen und Projekten angestoßen und umgesetzt, um den Bildungs- und Forschungsstandort Kärnten weiter zu stärken. So eröffnete das Land Kärnten, gemeinsam mit dem BMVIT, erst kürzlich den „5G Playground Carinthia“ im Klagenfurter Lakeside Park.

Ziel des Playgrounds ist es, Forschung und Entwicklungsprojekte unter Zuhilfenahme von 5G voranzutreiben. Dafür konnten potente Partner aus der Wirtschaft gewonnen werden.

Junge Forscher und Unternehmer finden zukünftig im „Makerspace Carinthia“ Freiraum für kreative Ideen und Innovationen.

Er ist eines der neuen Aushängeschilder für

Andrea Klambauer, Landesrätin für Wohnbau, Kinderbetreuung, Erwachsenenbildung, Familien, Frauen, Chancengleichheit, Generationen, Wissenschaft und Integration in Salzburg

Hans Peter Doskozil, Landeshauptmann des Burgenlands

D E R „ 5 G P L AY G R O U N D C A R I N T H I A “ S O L L FORSCHUNG VON 5G VORANTREIBEN Kärnten, wenn es darum geht, die bereits arrivierte Forschungssüdachse mit der Steiermark und dem Burgenland weiter zu stärken.

S al z b ur g : A m L u d w i g B o l t z m ann I ns t i t u t w i l l m an z u k ün f t i g herausfinden, wie Herz-Kreislauf-Patientinnen und -Patienten mittels digitaler Technologien unterstützt werden können, einen gesünderen Lebensstil zu pflegen. Basierend auf Datenanalysen werden Auslöser ermittelt, die eine Probandin oder einen Probanden daran hindern, die guten Vorsätze umzusetzen.

Diese Verhaltensmuster sind der Grundstein für weitere Prognosen zu möglichen individuellen Lösungen und zur Vorsorge.

B ru g enl and: D as B un d es l and k o nnt e s i c h i n d en v erg ang enen J ahren zu einer Aufsteigerregion entwickeln. Entscheidenden Anteil daran haben der Ausbau der Bildung sowie Initiativen, die wir im Bereich der Forschung setzen konnten.

Als Landeshauptmann habe ich weitere Verbesserungen im Bildungsbereich als ein zentrales Vorhaben definiert. Und wir haben 2019 bereits mit der Umsetzung begonnen: D I E L E I S T U N G S FÄ H I G K E I T I S T I M B U R G E N LAND BEI BILDUNG HOCH WIE NIE ZUVOR

D I G I TA L E T E C H N O L O G I E N F Ü R H E R Z K R E I S L A U F - PAT I E N T I N N E N U N D PAT I E N T E N „Wenn ein gestresster Büromitarbeiter nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag immer wieder zur Bierflasche greift, ist das ein Muster, das aufgelöst werden kann, indem man herausfindet, was ihn davon ab-

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hält. Zum Beispiel kann das ein Anruf der Tochter sein, die am Abend eine Runde spazieren gehen möchte“, erklärt Josef Niebauer, Leiter des LBI für Digital Health in Salzburg. Allerdings gilt, je länger jemand einen ungesunden Lebensstil pflegt, desto schwieriger ist die Umstellung. Daher gilt es, grundlegende Verhaltensänderungen so früh wie möglich herbeizuführen. Im ersten Schritt werden Hochrisikopatienten untersucht.

Die Anwendungen oder Produkte, die aus den Erkenntnissen entstehen, sollten dann auch für gesunde Menschen interessant sein. „Nachdem wir den Mikrokosmos, das kleine Modell, beherrschen, ist auch die Breite wichtig. Unser Ziel ist es, Produkte zu entwickeln, die alle bei einem gesunden Lebensstil unterstützen“, sagt Josef Niebauer.

In der Praxis könnten zum Beispiel Smart Textiles mit integriertem EKG helfen. Ein Bereich, der enormes Potenzial birgt und der durch die Zusammenarbeit mit externen Spezialisten ermöglicht wird. Obwohl im LBI vor allem regionale Kooperationen und Partnerschaften interdisziplinäres Know-how generieren, sollen in Zukunft auch internationale Expertinnen und Experten, Institute und Unternehmen mitforschen.

Dafür steht in Salzburg ein jährliches Budget von 1,3 Millionen Euro zur Verfügung, wovon sechzig Prozent die Ludwig Boltzmann Gesellschaft finanziert und vierzig Prozent durch die Kofinanzierung der Partnerinstitutionen mit Unterstützung des Landes Salzburg gestellt werden.

Das sind der zusätzliche, freiwillige Englischunterricht an Volksschulen sowie der Gratiskindergarten, den wir ab November im Burgenland realisiert haben. Auch bei Forschung, Entwicklung und Innovation ist die Leistungsfähigkeit im Burgenland hoch wie nie zuvor.

Beispiele dafür sind die Millioneninvestition am FH-Campus in Pinkafeld oder die Ansiedlung von Entwicklung und Produktion

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Fotos: Fasching, www.tirol.gv.at,

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eines internationalen Automobil- und Mobilitätszulieferers in Neutal. Projekte wie diese stehen für Wachstum im Burgenland. Erneuerbare Energie und Klimaschutz, Gesundheit und Pflege, Digitalisierung und Informatik – das sind die zentralen Herausforderungen, die wir gemeinsam zu lösen haben.

Die Basis dafür schaffen wir durch weitere Investitionen in die Bildung, in Forschung und Innovation. Daher werden wir im Burgenland auch mit dem Budget 2020 mit einer Rekordinvestitionsquote einen Schwerpunkt im Bereich der Bildung setzen. Wir investieren damit in kluges Wachstum und in die Zukunft des Burgenlandes.

V o rarl b erg : I n un m i t t el b arer N ä he z ur F ac hho c hs c hu l e hat sich der sogenannte CAMPUS V in Dornbirn als Knotenpunkt von Forschung, Innovation und Digitalisierung etabliert.

Als Vorarlbergs erster Standort für Wirtschaft, Wissen und Kreativität beheimatet der CAMPUS V mittlerweile rund siebzig Unternehmen und Institutionen. Hier wurde vor Kurzem die „Postgarage“ (in einer ehemaligen Postgarage) eröffnet, die zusammen mit der FH Vorarlberg, dem Forschungszen-

Markus Wallner, Landeshauptmann von Vorarlberg

Bernhard Tilg, Landesrat für Gesundheit, Pflege- und Betreuungseinrichtungen, Wissenschaft und Forschung in Tirol

V O R A R L B E R G W I R D B E I D E R D I G I TA L I S I E RUNG EINE FÜHRENDE ROLLE EINNEHMEN

Fotos: Fasching, www.tirol.gv.at,

Fotos: LMZ/Neumayr/SB, Manfred Weis

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trum V-Research, Designforum und Startupland das dynamische Umfeld am CAMPUS V entscheidend prägt. Es entsteht der Vorarlberger Hotspot, in dem sich das Wissen Vorarlberger Unternehmen und der Start-upSzene vernetzen und digitale Innovationen entwickeln.

Als Kompetenzcluster zur Digitalisierung wird die „Postgarage“ zu einem wichtigen strategischen Bestandteil des digitalen Milieus in der Region. In Vorarlberg wird intensiv daran gearbeitet, bei der Digitalisierung eine führende Rolle einzunehmen – diese stellt einerseits eine Herausforderung, aber vielmehr noch eine große Chance dar. Ziel ist es, am Prozess der Digitalisierung aktiv und gestaltend mitzuwirken.

Die „Postgarage“ ist eines der Leitprojekte der „Digitalen Agenda“ des Landes Vorarlberg und somit ein wichtiger Mosaikstein für die digitale Zukunft.

Die „Digitale Agenda“ stellt das strategische Arbeitsprogramm des Landes dar, um den digitalen Strukturwandel in Vorarlberg aktiv mitzugestalten und zu unterstützen. Zur Umsetzung der „Digitalen Agenda“ wurde vom Land Vorarlberg eine eigene Koordinationsstelle Digitalisierung – kurz:

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„v-digital “ – eingerichtet.

Mit der Weiterentwicklung des Areals des CAMPUS V zu einem Innovationshub als Leuchtturmprojekt mit überregionaler bzw. internationaler Sichtbarkeit und Anziehungskraft wird eine einzigartige Ausrichtung verfolgt. Zusammen mit weiteren Innovationszentren kann sich in Vorarlberg ein landesweites Ökosystem der Innovation entwickeln.

T i ro l : D i e w ei t ere E nt w i c k l u ng d er T el em ed i z i n. Dass Digitalisierung auch im Gesundheitsbereich voranschreitet, ist ein Zeichen der Zeit, das sehr wohl zum Vorteil von Patientinnen und Patienten genutzt werden kann.

Tirol hat im digitalen Healthcare-Bereich bereits viel Pionierarbeit geleistet, und seine Modelle zeigen: Telemedizin funktioniert und schafft ausschließlich Gewinner im System. Das belegen die Tiroler Beispiele der Versorgung von Patientinnen und Patienten bei Herzinsuffizienz, Schlaganfall, Diabetes und Bluthochdruck. Erhöhte Lebensqualität in den eigenen vier Wänden steht einer nachweislich verringerten Wiederaufnahmerate ins Spital gegenüber.

Digital Healthcare als Digitalisierung in Kombination mit Integrierter Versorgung weist vor allem bei chronischen Erkrankungen den Weg in Richtung Gesundheit 4.0.

Das bedeutet: Ein funktionierendes Netzwerk aus ÄrztInnen und spezialisierter Pflege, das die Patientinnen und Patienten betreut, ist dafür Grundvoraussetzung. Mit dem Landesinstitut für Integrierte Versorgung Tirol (LIV) wurde die ideale Struktur geschaffen, um „Disease Management Programme“ dauerhaft und nachhaltig zu entwickeln, zu organisieren, zu koordinieren und durchzuführen.

Entscheidend ist eine unmissverständliche politische Willensbekundung vonseiten aller Systempartner, damit solche Projekte den Schritt zu Versorgungsprogrammen in der Regelversorgung schaffen.

ZIEL UNSERER BEMÜHUNGEN: SPITZENMEDIZIN ZU DEN MENSCHEN BRINGEN Das ist uns in Tirol mit „HerzMobil Tirol“ bereits im Jahr 2017 gelungen – für Patientinnen und Patienten, die an Herzinsuffizienz leiden.

Ziel all unserer Bemühungen muss es sein, die optimale Gesundheitsversorgung und damit die Spitzenmedizin zu den Menschen zu bringen – in alle Regionen und in die eigenen vier Wände. Für die Versorgung gilt: Mobil vor ambulant vor stationär!

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Klimawandelleugnen hat System Der Klimaforscher J O E R I R O G E L J über die Argumentationsstrategien der KlimawandelleugnerInnen B R U N O

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er Titel mutete etwas irritierend an: „KliD mawandel – ein Fake?“ Aber natürlich stimmte der Vortrag des in London lebenden belgischen Forschers Joeri Rogelj nicht etwa in den Chor der KlimawandelleugnerInnen ein. Er zerpflückte darin ihre wissenschaftlich unhaltbaren Argumente und Kommunikationsstrategien. Der primitivste Einwand lautet, es gebe schlicht und einfach keinen von Menschen verursachten Klimawandel.

Alle die extremen Hitze- und Kältewellen,

K E I N E Ö F F E N T L I C H E R E P R Ä S E N TAT I O N F Ü R K L I M AWA N D E L L E U G N E R I N N E N U N D - L E U G N E R Tsunamis, Überflutungen und Stürme der letzten Jahre seien keine außergewöhnlichen Wetterphänomene.

Solche Argumente könnten, so Rogelj, nur deshalb breitflächig Gehör finden, weil ihre Apologeten im öffentlichen Diskurs

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überrepräsentiert seien: „Zumindest in Großbritannien ist eine bestimmte Form von Klimawandeldebatte ziemlich häufig: Zwei Menschen sitzen an einem Tisch: ein anerkannter Wissenschaftler und häufig ein pensionierter Ingenieur aus der Erdölindustrie mit einem Bachelor in Chemie. Da sind also zwei Personen, von denen eine überhaupt keine Ahnung vom Thema hat. Indem so eine Person mit einem Experten am Tisch sitzt, entsteht die Wahrnehmung, die Gruppe der Klimawandelleugner sei viel größer, als sie es eigentlich ist.“ Sehr beliebt sind Ablenkungsmanöver beim Versuch, wissenschaftliche Belege für den Klimawandel zu diskreditieren. Dazu wird ein Nebenaspekt überbetont oder werden Facetten in der Debatte zur Sprache gebracht, die nichts mit ihrem Thema zu tun haben. Dazu zählen das Widerlegen von Argumenten, die von der anderen Seite gar

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Foto: Imperial College London

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Foto: Imperial College London

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nicht geäußert worden sind, und zu behaupten, etwas könne nicht stimmen, weil etwas anderes wahr sei – obwohl beides wahr sein kann. Als perfide strategische Waffe der KlimawandelleugnerInnen identifiziert Rogelj das Setzen unerfüllbarer Erwartungen, insbesondere bei der Präzision der Messinstrumente: „Dass wir die Temperatur nicht bis zur zwanzigsten Dezimalstelle messen können, heißt nicht, dass die Temperatur nicht gestiegen wäre.“ Die Klimawandel-Debatte ist auch ein fruchtbares Feld für „Cherry-Picking“, das Herausgreifen eines bestimmten Aspekts, und für Verschwörungstheorien, die hinter dem Klimawandel Komplotte habgieriger WissenschaftlerInnen oder linker wie rechter politischer ExtremistInnen wittern.

KlimawandelleugnerInnen, resümierte Rogelj, durchlaufen verschiedene Stadien. „Meist fangen sie damit an, die physischen Erkenntnisse der Wissenschaft anzugreifen: Wir wissen nicht, ob es den Klimawandel gibt. Er ist nicht vom Menschen gemacht.

Das ist relativ leicht durch Zahlen zu widerlegen. Dann versuchen sie oft, die Argumentation zu verlagern: Gut, es passiert, aber es ist nicht so schlimm. Das letzte Stadium ist Fatalismus: Wir können sowieso nichts mehr machen. Was insofern auch ein Fall von Klimawandelleugnung ist, als klar zutage liegt,

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Joeri Rogelj, Internationales Institut für angewandte Systemanalyse

was wir tun können, um das Problem einzudämmen.“ Es gäbe, schloss Rogelj, explizites und implizites Klimawandelleugnen: Das explizite stellt die Existenz des Klimawandels in Abrede, das implizite Leugnen erkennt einen Klimawandel faktisch an, ist aber nicht von entsprechendem Handeln begleitet.

Im Gespräch nach dem Vortrag prognostizierte Rogelj, dass die Liga der Klimawandelleugnenden nicht an Zahl, aber an Lautstärke zulegen und ihre Methoden noch etwas zuspitzen werde. „Letztes Jahr, als das Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC, im Deutschen oft als ,Weltklimarat‘ bezeichnet, mit einem Report über 1,5 Prozent weltweite Klimaerwärmung viel gesellschaftliche Aufregung und Aktionen wie die Fridays for Future auslöste, verstärkten Gruppen von Klimawandelleugnenden die Verbreitung von Fehlinformation. „Sie haben ihre Reports formal genau gleich wie den IPCC-Report gestaltet. Da war es für Laien oft ziemlich schwierig, echte Information von Desinformation unterscheiden zu können“, sagt Rogelj.

Jede Publicity für Klimawandelleugnende sei kontraproduktiv. „Sie sollten überhaupt keine öffentliche Repräsentation bekommen. Wenn Manchester United ein Spiel 2:0 gewonnen hat, und jemand sagt, dieses Spiel hat nicht stattgefunden, würde niemand diese Person ernst nehmen.“

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Sinn ermöglicht auch Wahnsinn J A S M

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eter Brugger verweist auf ein von seiner P Forschungsgruppe entwickeltes Experiment, bei dem er die ProbandInnen unter-

teilte: in solche, die an außersinnliche Wahrnehmung glaubten, und solche, die in dieser Hinsicht skeptisch waren. Sie wurden dann gebeten, zum Takt eines Metronoms Zufallszahlen zu produzieren.

Von jenen Studienteilnehmenden, die „gläubig“ waren, in ihrem Leben also öfter bedeutungsvolle Zufälle erlebt hatten, wurde tendenziell eher vermieden, dieselbe Zahl mehrmals hintereinander zu nennen. „Wir nennen dieses Prinzip ‚Wiederholungsvermeidung‘. Es handelt sich definitiv um ein universelles Phänomen“, erklärt Brugger.

Als Beispiel nennt er den typischen Fehlschluss am Roulettetisch, der auch als „Gambler’s fallacy“ bezeichnet wird: „Ein zufälliges Ereignis wird nicht wahrscheinlicher, wenn es längere Zeit nicht eingetreten ist.“ Das heißt, egal wie oft beim Roulette etwa Rot gekommen ist, beim nächsten Wurf stehen die Chancen für Rot oder Schwarz wieder gleich. Interessanterweise sind alle falschen logischen Schlussfolgerungen unabhängig vom statistischen Wissen einer Person.

Auch unter Tieren gibt es eine solche Wiederholungsvermeidung. Dies wird standardmäßig an Ratten getestet, die man ein einfaches Labyrinth erkunden lässt. Werden die Tiere am Eingang in eine bestimmte Richtung (nach links oder rechts) gezwungen, zeigt sich etwas Erstaunliches: Bei der nächs-

Peter Brugger, Universität Zürich

S O G A R M E H LW Ü R M E R U N T E R D R Ü C K E N WIEDERHOLUNGEN ten Kreuzung entscheiden sich achtzig Prozent für die entgegengesetzte Richtung. „Man kann dazu also sagen: Eine Ratte ist tatsächlich keine Münze, denn sie zeigt kein zufälliges Wechseln von links und rechts“, schmunzelt Brugger. „Auch für sie scheint eine Wiederholung des Gleichen besondere Bedeutung zu haben.“ Sogar bei Mehlwürmern wurde nachgewiesen, dass sie Wiederholungen unterdrücken. Dieses Prinzip scheint also im Zentralnervensystem verankert zu sein.

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Brugger beobachtete dieses Verhalten im Rahmen seiner Dissertation auch bei Organismen, die über nur einen halben Chromosomensatz verfügen, und zwar bei Spermien.

Dazu war es allerdings notwendig, winzige Labyrinthe herstellen zu lassen. Aber das komplizierte Unterfangen lohnte sich: Auch die Spermatozoen zeigten das Wechselverhalten, welches man bereits aus dem Tierreich kannte. „Fortbewegung, also eigentlich das Leben selbst, ist inkompatibel mit Zufälligkeit“, erläutert der Forscher.

Nun stellt sich natürlich die Frage: Warum sind Nervensysteme so angelegt, dass sie in zufälligen Abfolgen oder Anordnungen so leicht eine Bedeutung sehen? „Zufall kann nicht wahrgenommen werden – alles, was wir wahrnehmen, ist das Abweichen von Zufälligkeit, sind also Regelmäßigkeiten oder bestimmte Muster.“ Dazu schildert Brugger die Entwicklung des Menschen: „Als er aufrechten Ganges durch die Savanne streifte, lief er jederzeit Gefahr, vom Säbelzahntiger gefressen zu werden, der sich im hohen Gras tarnte.“ Dabei konnten einem Menschen zwei Arten von Fehlern passieren, die jedoch komplett unterschiedliche Folgen hatten. Entweder übersah er die Schattierung im Savannengras, die auf einen Feind hindeuten könnte: Dann lief er Gefahr, gefressen zu werden – ein Desaster.

Im umgekehrten Fall sichtete er etwaige Feinde, wo gar keine waren – mit weitaus weniger drastischen Folgen. Es schadete dem Menschen ganz offensichtlich, ein bestimmtes Signal für zufällig zu halten. Evolutionsbiologisch macht es in gefahrenreicher Umwelt also durchaus mehr Sinn, zu viel zu sehen als zu wenig, sprich: Zufällen Bedeutung beizumessen. „Aberglaube selbst hat also keinen Überlebenswert, aber er ist der Preis für etwas, das einen sehr hohen Überlebenswert hat: das Sehen von Bedeutung in Zufällen“, fasst der Neuropsychologe zusammen.

Menschen und auch Tiere neigen zu Aberglauben, sehen Bedeutung in Zufallskonstellationen oder zufälligen Paarungen von Handlung und Geschehen. Dies zeigte der Verhaltenspsychologe Burrhus Skinner in seinem berühmten Experiment der „abergläubischen Tauben“. In diesem fütterte er

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„Hat Aberglaube einen Überlebenswert für uns Menschen, und wenn ja, welchen?“, fragt sich der S C H W E I Z E R N E U R O P S Y C H O L O G E P E T E R B R U G G E R

Illusration: Georg Feierfeil

Foto: Privat

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Tauben in kurzen, regelmäßigen Abständen und stellte fest, dass sie bestimmte Verhaltensweisen entwickelten (wie das Reinigen der Flügel), welche sie im futterfreien Intervall wiederholten. Verstärkt wurde eben jenes Verhalten, das sie zufällig vor der Futtergabe vollzogen hatten. „Die Tauben suchten instinktiv nach Auslösern für den Nahrungssegen“, erklärt Brugger. Bei Menschen nennt er als Beispiel den Regentanz: „Natürlich kann ich während einer Dürreperiode einfach abwarten, bis es regnet. Wenn ich aber davon überzeugt bin, durch mein Handeln etwas bewirken zu können, stärkt dies meinen Überlebenswillen und gibt mir ein positives Gefühl.“

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Ist es denn nicht auch der Kreativität förderlich, ungewohnte Assoziationen herstellen zu können? „Bis zu einem gewissen Grad schon“, meint Brugger. „Es besteht jedoch die Gefahr, so weit und schräg zu assoziieren, dass niemand mehr einem folgen kann.“ Diese Kehrseite der Medaille wird dann als Wahn bezeichnet. An Schizophrenie erkrankte Menschen sehen zum Beispiel Verbindungen zwischen Gegenständen, die für andere nicht nachvollziehbar sind. Die Fähigkeit, Bedeutung zu geben, lässt uns Menschen auf einem schmalen Grat wandern. Oder wie der deutsche Psychiater Manfred Spitzer sich ausdrückte: „Erzeugten wir nicht ständig Sinn, wären wir zum Wahnsinn gar nicht fähig.“

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Sorge um die Wissenschaft M

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as Klopfen auf Holz, der Argwohn vor D schwarzen Katzen, die Furcht vor Freitag, dem 13. „Aberglaube ist weit verbreitet.“, sagt Stuart Vyse. Der US-amerikanische Verhaltensforscher und preisgekrönte Autor mehrerer Bücher hat sich intensiv mit dem Phänomen Aberglaube befasst.

Um darüber diskutieren zu können, bedarf es zunächst einer Klärung und Abgrenzung des Begriffs. Vyse definiert Aberglaube anhand zweier Faktoren. Erstens ist Aberglaube ein Glaube oder eine Verhaltensweise, die sich mit einem wissenschaftsbasierten Weltverständnis als inkonsistent erweist.

Zweitens zeigt sich Aberglaube stets zielorientiert und pragmatisch. Damit soll entweder Glück beschworen oder Unglück gebannt werden. „Der Glaube an die Existenz von Geistern beispielsweise ist zwar unwissenschaftlich, aber kein Aberglaube“, verdeutlicht Stuart Vyse. „Solange man nicht etwa glaubt, von seinem Geisterfreund lukrative Investmentratschläge bekommen zu können, ist der pragmatische und zielgerichtete Aspekt nicht erfüllt.“ Das Verständnis von Aberglauben als unwissenschaftlich ist eine neuzeitliche Deutung. Über Jahrhunderte hinweg waren es unautorisierte religiöse Glaubenssätze und Praktiken, die als Aberglaube bezeichnet wurden. Im antiken Rom etwa hatte man zunächst das Christentum als „Superstitio“, als Aberglaube, betrachtet. Nach der Christia-

Stuart Vyse, Universität von Rhode Island

IN SEINEM KERN IST ABERGLAUBE EIN VERSUCH, ETWAS ZU KONTROLLIEREN nisierung des Römischen Reichs wiederum galt die Verehrung der traditionellen Götter als Aberglaube. „Erst im Zuge der Aufklärung erhielt der Aberglaube seine moderne Bedeutung als inkonsistent mit wissenschaftlichem Denken“, erklärt Vyse.

Rund fünfzig Prozent der Menschen in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Europa sind heute auf die eine oder andere Weise abergläubisch. Die enorme Verbreitung derartiger Überzeugungen und Praktiken ist durch verschiedene Studien belegt.

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erklärt,

Zu erklären ist das Phänomen in erster Linie durch kulturelles Lernen. „Wir werden nicht mit dem Glauben geboren, dass schwarze Katzen furchterregend sind oder dass Freitag, der 13. ein Unglück bringender Tag ist“, betont Vyse. „Das wird uns beigebracht.“ Neben sozial geteiltem Aberglauben, der Teil einer Kultur ist (und je nach Kultur sehr unterschiedlich sein kann), gibt es individuellen Aberglauben. Die persönliche Glückssocke beispielsweise. „Auch dieser Glaube wird durch einen Lernprozess angeeignet“, sagt Vyse. „Man tut etwas, und das Ergebnis ist gut. Man lernt, dass es einen Zusammenhang gibt.“ (Vermeintliche) Erfolge von häufig praktizierten abergläubischen Ritualen werden dabei deutlich stärker wahrgenommen als die unzähligen Male, in denen die erwünschte Wirkung nicht eintritt. Durch eine solche „Confirmation Bias“ fühlen abergläubische Menschen sich in ihren Überzeugungen bestätigt und halten daran dann auch weiterhin fest. „In seinem Kern ist Aberglaube ein Versuch, etwas zu kontrollieren, das unkontrollierbar ist“, sagt der Psychologe Vyse. „Es ist ein Weg, mit Ängsten umzugehen.“ Besonders häufig finden sich abergläubische Praktiken im Zusammenhang mit Ereignissen wie der Geburt von Kindern, Hochzeiten oder dem Neuen Jahr. „All die großen Ereignisse im Leben, wenn besonders viel auf dem Spiel steht und die Ungewissheit groß ist, sind mit speziellen abergläubischen Ritualen verbunden. Es ist völlig verständlich, dass wir Aberglauben haben“, meint er. „Ob es der beste Weg ist, Angst und Unsicherheit zu bewältigen, sei dahingestellt. Es ist jedenfalls eine Form der Bewältigung, die viele Menschen wählen.“ Ist Aberglaube also harmlos? Oder müssen wir uns Sorgen machen angesichts dieser beliebten und persistenten antiwissenschaftlichen Weltsicht? „Es gibt Glauben und es gibt Glauben“, sagt Stuart Vyse dazu. Auf Holz zu klopfen oder einem vergleichbaren abergläubischen Ritual zu folgen heißt nicht zwingend, auch tatsächlich daran zu glauben. Selbst rationale Personen praktizieren abergläubische Ver-

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Foto: Connecticut College / Bob MacDonnell

Wie bedenklich ist Aberglaube? Der P S Y C H O L O G E S T U A R T wann Aberglaube harmlos ist und was ihm Sorgen bereitet

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Foto: Connecticut College / Bob MacDonnell

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haltensweisen häufig intuitiv oder einfach, um sich besser zu fühlen. Sie agieren nach dem Motto: „Ich weiß, es ist dumm, aber sicher ist sicher.“ Neben derart rational-selbstironisch Abergläubischen gibt es allerdings auch „wahre Gläubige“, wie Vyse sie nennt. Menschen, die ihren Aberglauben nicht in Frage stellen und die wissenschaftliche Gegenargumente schlicht nicht in Erwägung ziehen. „Solange wir verstehen, was wir tun, ist Aberglaube unbedenklich“, konstatiert Vyse. „Es sind diese wahren Gläubigen, die mir Sorgen machen.“ Sorgen macht sich der Verhaltensforscher vor allem im Kontext aktueller Ent-

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wicklungen. Den sowohl in den USA wie auch in Europa beobachtbaren Boom von Wissenschaftsfeindlichkeit und Wissenschaftsverleugnung hält er für alarmierend. „Das Verständnis für Wissenschaft und der Respekt davor gehen zunehmend verloren. Die breite Masse der Bevölkerung verliert immer mehr die Fähigkeit, wissenschaftlich und kritisch zu denken.“ Um diese Trends zu bekämpfen, werden Wissenschaftstreibende in Zukunft ihre Forschungen aggressiver propagieren und auch politisch aktiv werden müssen, ist Stuart Vyse überzeugt. „Ich möchte nicht übermäßig pessimistisch sein. Aber all das macht mir große Sorgen.“

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Homöopathie ist nicht risikofrei 300 Millionen Menschen weltweit vertrauen auf die ebenso N E B E N W I R K U N G S W I E W I R K U N G S F R E I E B E H A N D L U N G S M E T H O D E der Homöopathie E D I T H

Grund für die Beliebtheit der Homöopathie ist nicht nur, dass sie von Prominenten und VIPs propagiert werde, sondern die Tatsache, dass viele KlientInnen gar nicht wirklich Bescheid wissen: „Manche setzen Homöopathie mit ‚Kräutermedizin‘ oder einer Form von ‚natürlicher Medizin‘ gleich, weshalb viele auch der Meinung sind, sie sei gut für Kinder“, sagt Ernst.

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as haben die indische Legende MahatW ma Gandhi, der britische Thronfolger Prinz Charles, der schnellste Hundertme-

terläufer der Welt Usain Bolt, der ehemalige Fußballstar David Beckham und elf Prozent der österreichischen Bevölkerung gemeinsam? Ihr Vertrauen in die Homöopathie.

Die Homöopathie basiert auf dem Ähnlichkeitsprinzip. Bei ihrer Behandlungsmethode kommen, so erklärt der österreichisch-britische Mediziner Edzard Ernst, die „bizarrsten Substanzen“ in unterschiedlich verdünnter Weise in Betracht. Die Verdünnung wird von ihren Proponenten „Potenzierung“ genannt. Eine überaus beliebte Potenz der homöopathischen Methode sei etwa C30. Es beschreibt ein Verhältnis von 1 : 1 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 (das sind sechzig Nullen).

Edzard Ernst, Universität Exeter (emeritiert)

W as in ho m ö o p at hi s c hen Mi t t el n dr in i s t: v o n H un d ek o t b i s Mau erres t Wer käme schon auf die Idee, sich bei tränenden Augen puren Zwiebelsaft in die Augen zu träufeln? Oder sich andere homöopathische Substanzen wie etwa „Excrementum Canium“, also Hundekot, oder „Berliner Mauer“, zumindest ein winziges Stück davon, pur einzuverleiben?

Allerdings reicht das Verdünnen nicht, die Substanzen müssen auch geschüttelt, das G U T E E R F A H R U N G E N M I T H O M Ö O PAT H I E BERUHEN AUF UNSPEZIFISCHEN EFFEKTEN heißt auf einen harten Gegenstand geschlagen werden. Das klingt nach Hexerei. Tatsächlich attestiert Edzard Ernst der Homöopathie zuallererst „mangelnde Plausibilität“.

Dass sie dennoch so beliebt ist, hat einen pragmatischen Grund: Die Zeit, die sich Ärzte für ihre PatientInnen nehmen. „In Österreich dauert ein durchschnittliches Arztgespräch fünf Minuten, in Schweden immerhin 22. Ein Erstgespräch beim Homöopathen ist dagegen mit einer Stunde veranschlagt“, sagt Edzard Ernst.

Das führe ab dem ersten Kontakt zu einer hohen Patientenbindung. Ein weiterer

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„ W ahrhei t s l i eb end e Mä nner“ b ei d en N ü rnb erg er „ K o c hs al z v ers u c hen“ Tatsächlich verfügt die Homöopathie über 200 Jahre Erfahrung. Sie ist das Kind einer Zeit, in der es durchaus vorkommen konnte, dass PatientInnen beim Aderlass verbluteten, da der „Chirurgus“ nicht viel mehr als ein Handwerker war. Übrigens fand just in dieser Zeit die erste Placebo-Doppelblindstudie der Geschichte der Medizin statt, und zwar ausgerechnet in der Homöopathie, im Jahr 1853 in Nürnberg. Die „Gesellschaft wahrheitsliebender Männer“ ließ dortselbst Kochsalz im Verhältnis C30 gegen ein Placebo antreten und kam zu dem Ergebnis, dass es keine Differenz in der Wirkung gab.

Homöopathie und Studien – das ist ein spezielles Verhältnis. Es gebe, so Edzard Ernst, 500 kontrollierte Studien in der Homöopathie. Dies verführe dazu, sich die Rosinen aus dem Teig zu picken, je nach Standpunkt. „Es braucht aber auch Metaanalysen“, sagt Edzard Ernst.

Die australische Gesundheitsbehörde hat eine solche 2015 gemacht. Das Ergebnis: „Die Evidenz ergab nicht, dass Homöopathie wirksam ist.“ Die Studie werde von Homöopathie-VerfechterInnen angegriffen und nicht geglaubt. Allerdings bestätigten fünf weitere offizielle Untersuchungen das Ergebnis. Homöopathie sei daher auch eine Form von „Science Denial“. „Als Arzt habe ich aber die Verpflichtung, auf dem Stand der Evidenz zu sein“, sagt Ernst.

Auch das „Tier-Argument“, das viele Homöopathie-Fans ins Treffen führen, zähle nicht. Es besage, dass Tiere keinen PlaceboEffekt kennen, daher müsse die Ähnlichkeitsmethode wirken. „Falsch!“, sagt Edzard Ernst, „dass es bei Tieren Placebo-Effekte gibt, wissen wir seit Pawlow.“ Hochverdünnte Homöopathika seien nichts anders als Placebos.

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Dass es trotz negativer Studien PlaceboEffekte bei PatientInnen gebe, führt Ernst darauf zurück, dass ein vermeintlicher therapeutischer Effekt mit der Einnahme von Homöopathika gleichgesetzt wird: „Ein Schnupfen dauert immer sieben Tage, ob ich ihn behandle oder nicht.“ Auch die „Regression zur Mitte“ trage zu diesem Effekt bei. Dieser Begriff aus der Statistik bezeichnet das Phänomen, dass nach einem Ausreißer die nächste Messung wieder näher am Durchschnitt liegt. Selbst ein vorerst schädlicher Effekt kann letztlich zum positiven Ergebnis führen. Ein weiteres Fazit lautet daher: „Positive Erfahrungen mit Homöopathie beruhen auf unspezifischen

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Effekten.“ Dass die meisten Homöopathika nebenwirkungsfrei seien, treffe nicht auf die Homöopathie als solche zu, meint Edzard Ernst. Dies sei vor allem wichtig. AnwenderInnen mögen denken, dass, was nicht helfe, zumindest nicht schade, aber es gibt echte Risiken. Zum Beispiel Arsenicum. Das sei in der Potenz C30 nicht toxisch, in der Potenz D1 aber hochtoxisch. In den USA gab es Sterbefälle, die auf solchen Irrtümern basierten.

Auch Krankheiten wie Krebs werden mit Homöopathie behandelt, in der Schweiz gibt es eigene Kliniken. „Viele HomöopathInnen überschätzen ihre Potenz“, sagt Edzard Ernst und zieht sein wichtigstes Fazit: „Die Homöopathie ist nicht risikofrei.“

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Wiederverzauberung der Welt Die E S O T E R I K sei heute ein Sinnangebot von vielen, erklärt der Religionswissenschaftler Franz Winter S T I E GL E C K E R

ranz Winter, Professor für ReligionswisF senschaft an der Universität Graz, nähert sich in „Esoterik und Religion“ der Thematik aus religionswissenschaftlicher Sicht.

Herr Winter, womit beschäftigt sich die Religionswissenschaft?

F ranz W in t er: Sie existiert als eigenes Fach seit Mitte des 19. Jahrhunderts und stellt religiöse Phänomene in Geschichte und Gegenwart in ihren unterschiedlichen Ausprägungen dar. Dabei ist nicht das Thema, ob eine Lehre wahr oder falsch ist, es wird ihre Entwicklung möglichst aus einer neutralen Perspektive beschrieben. Das ist natürlich nicht einfach, denn jeder Mensch ist mit diesen Systemen verwoben. Die Religionswissenschaft ist sich dessen bewusst und versucht, so weit wie möglich neutral zu bleiben. Das ist auch der wesentliche Unterschied zur Theologie, die aus einer Binnenperspektive heraus argumentiert.

Franz Winter, Universität Graz

Wie ist Religion eigentlich definiert?

W i nt er: Es gibt eine Fülle von Religionen und religiösen Phänomenen, aber keine einheitliche Definition dafür. Es existieren allerdings bestimmte Merkmale, die allen Ausprägungsformen gemeinsam sind. Dazu gehören etwa eine bestimmte Tradition, die Gemeinschaftsbildung und das Herausbilden von hierarchischen OrganisationsstrukDIE 1980ER- UND 1990ER-JAHRE WAREN DER HÖHEPUNKT DER ESOTERIKWELLE turen. Spezifische Rituale und der Bezug auf eine nichtirdische Sphäre zählen ebenfalls dazu.

Ist Esoterik demnach als Religion zu verstehen?

W i nt er: Aus Sicht der Religionswissenschaft handelt es sich bei der Esoterik unter anderem auch um ein religiöses Phänomen, das die vorher genannten Merkmale zum Teil erfüllt. Die Frage, ob es sich bei der Esoterik um eine spezifische, auch historisch erfassbare Tradition handelt, lässt sich jedenfalls mit Ja beantworten. So haben sich beispielsweise in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

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ausgehend von den USA Argumentationsfiguren der Esoterik mit der „New Age“-Strömung weltweit verbreitet. Deren Wurzeln finden sich in Inhalten, die im 19. Jahrhundert und früher begründet sind. Diese spezifische „westliche“ esoterische Tradition kann zwar nicht auf eine tausendjährige Geschichte zurückblicken, ist aber trotzdem Teil der jüngeren Religionsgeschichte Europas. Sie hat auf der organisatorischen Ebene zumeist eine losere Form und folgt anderen Gesetzmäßigkeiten. Das gilt insbesondere für die Art des Konsums der esoterischen Angebote.

Zum Beispiel?

W i nt er: Die Menschen gehen mit der Esoterik anders um. Sie entscheiden sich für etwas, bleiben eine Zeit lang dabei, dann wechseln sie zum nächsten Angebot und so weiter. Im Grunde sind sie auf einer religiösen Suche, bei der es oft gar nicht um das Finden geht.

Die Esoterik macht dieses Suchen einfach, weil sie zuweilen nicht sehr in die Tiefe geht.

Schon seit einigen Jahrzehnten ist eine immer größer werdende Distanz der Menschen zu den religiösen Traditionen der Kirche zu beobachten. Das Wertesystem verschiebt sich, die Ablösung von der Kirche ist evident – und zwar nicht nur bei den Christen. Die Esoterik füllt hier eine Lücke. Sie bietet eine Wiederverzauberung der Welt an, die offenbar vielen Menschen abgeht.

Was meinen Sie mit dem Begriff „Wiederverzauberung“?

W i nt er: Im Prinzip haben die Naturwissenschaften die Welt entzaubert. Ihr Durchbruch war zwar eine riesige Revolution, aber gleichzeitig auch ein Bedeutungsverlust für die Menschen. Die kopernikanische Wende verbannte die Welt aus dem Zentrum des Universums, die Evolutionstheorie nimmt dem Menschen seine Position an der Spitze der Schöpfung, und Freud definierte den Menschen als primär triebgesteuertes, nicht vernunftbegabtes Wesen. Die Esoterik vermittelt nun eine Weltsicht, die sich unter anderem auf einer Entsprechung zwischen Makro- und Mikrokosmos gründet, das heißt, jeder Mensch spiegelt den gesamten Kosmos wider. Es wird außerdem davon ausgegangen, dass das Universum von einer Substanz,

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einer feinstofflichen Energie, durchwebt und diese durch Rituale oder esoterische Artefakte steuerbar ist. So macht es die Esoterik möglich, in den Kosmos einzugreifen – die Welt ist wieder verzaubert.

W ie s o llte m a n d a m it u m g e h e n ?

W i nt er: In den 1980er- und 1990er-Jahren – meiner Meinung nach auch der Höhepunkt der Esoterikwelle hierzulande – wurde das Kippen in die Esoterik als Gefahr und Bedrohung der Gesellschaft wahrgenommen.

Gegenwärtig ist die Esoterik eine Sparte von vielen auf dem religiösen Markt. Berichte über Personen, die in die Fänge einer sogenannten „Sekte“ oder eines zweifelhaften

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Wunderheilers geraten sind, finden sich zwar bis heute in den Medien, daraus lässt sich allerdings schwerlich eine gesamtgesellschaftliche Gefährdung ableiten. Es existieren diesbezüglich keinerlei valide Statistiken und auch keine abgesicherten Zahlen, die den oft zitierten riesigen esoterischen Markt belegen könnten. Hier sehe ich noch viel Klärungsund Diskussionspotenzial. Die Aufgabe der religionswissenschaftlichen Forschung liegt für mich darin, die Esoterik in ihren Kontext einzuordnen und dabei nicht primär den Gefahrenaspekt zu forcieren, sondern die westliche esoterische Tradition als ein Phänomen der Kultur- und Teil der Religionsgeschichte der Gegenwart zu beschreiben.

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Zwischen Größenwahn und Depression I T S C H N I T T : E R I C H

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ie Antworten auf die Forderung der D Moderatorin Christiane Spiel, alle an der Diskussion Teilnehmenden sollten eine

Abgrenzung zwischen Wissenschaft und Parawissenschaft auf einer quantitativen Skala vornehmen, fiel durchwachsen aus. Eva Horn, Germanistin an der Uni Wien, hielt die Anwendbarkeit eines quantifizierbaren Kriterienkatalogs in den Sozialwissenschaften für „komplex“, auch wenn es in den Geisteswissenschaften durchaus plausibel sei, ein bestimmtes Narrativ als nicht mehr zeitgemäß abzulehnen. Rainer Bromme, Professor für Pädagogische Psychologie in Münster, bewertet die Fähigkeit von WissenschaftlerInnen, eine derartige Unterscheidung zu treffen mit „2“ – von 1 bis 5.

Eine zweite Runde wurde mit launigen Berichten von Ulrich Berger (WU Wien, Analytische Volkswirtschaftslehre) und Florian Aigner (Fachbereich PR und Marketing TU Wien) zu Fragen von Populärwissenschaft, Skepsis und Wissenschaft eröffnet. Aigner erzählte von jugendlichen Versuchen mit einem Kupferpendel sowie seinem späteren journalistischen Umgang als Naturwissenschaftler mit Fragen der Esoterik. „Demokratie kann nur funktionieren, wenn wir uns darauf einigen, welche Klasse von Argumenten Gültigkeit beanspruchen darf.“ Diese sei allein durch einen rationalen, wissenschaftlichen Diskurs und Disput zu entscheiden. Aus diesem Grund stelle die Wissenschaft auch „die einzige Basis für echten demokratischen Fortschritt“ dar.

Rainer Bromme reagierte aus wissenssoziologischer Sicht mit dem Hinweis, die Entwicklung moderner Wissenschaft beruhe zwar historisch auf der Überwindung höherer „Glaubensinstanzen“, in psychologischer Hinsicht spiele Glaube hingegen sehr wohl eine Rolle: „Alles, was wir wissen, lernen wir von anderen Leuten, indem wir diesen glauben.“ Bei der Grenzziehung zwischen Wissenschaft und Aberglaube gehe es weniger um wissenschaftliche Modelle als darum, Menschen durch die Schaffung von „rational begründetem Vertrauen“ zu überzeugen.

Die Moderatorin lenkte die Diskussion auf die aktuelle Frage des Klimawandels. Wie

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Eva Horn, Universität Wien

Rainer Bromme, Universität Münster

Florian Aigner, TU Wien

Ulrich Berger, WU Wien

kann das, worüber in der Wissenschaft Einigkeit herrscht, effektiv weitergeben werden?

Eva Horn skizzierte den historischen Wandel des Begriffs „Klima“ bis zur Etablierung der Klimaforschung im 20. Jahrhundert.

Ein Patentrezept, wie auf „Klimawandelleugnende“ zu reagieren sei, besitze sie nicht: „Die Frage ist: Wie können wir mit Menschen kommunizieren, die weder logisch denken wollen noch an Fakten glauben und einfach sagen: ,Ich habe das aber anders gehört!‘“ Der Bildungspsychologe Bromme empfiehlt mehr Information über die Mechanik von Wissensproduktion und über die Hintergründe der Forschung als Voraussetzung dafür, Vertrauen in die Wissenschaft zurückzugewinnen. Den „realistischen“ Einwand der Moderatorin, so sehr auch von CO2-Ausstoß die Rede sei, viele Menschen wüssten gar nicht, was CO2 sei, ließ Eva Horn nicht gelten: „Was ich traurig finde: Seit Jahrzehnten lese ich vom Klimawandel, wir brauchen aber eine Schülerin aus Schweden, um das zu emotionalisieren.“ Auf Spitzenforschende werde öffentlich nicht einmal reagiert, und „dann kommt eine Schülerin, die sagt, ,ich fühle mich so wahnsinnig schlecht‘, und alle finden das toll!“ Greta Thunberg sollte dann als nicht ausschließlich positiv befundenes Phänomen den weiteren Verlauf der Diskussion begleiten. Als Optimist stellte sich Florian Aigner heraus, der entsprechend den Gesetzen einer Ökonomie der Aufmerksamkeit dem Ganzen einen höchst positiven Aspekt abgewann.

Trotz aller kulturpessimistischer Argumente in Sachen Fake-News, Verführbarkeit durchs Internet oder immer wieder bemängelter Aufmerksamkeitsspannen bei Jugendlichen sei ohne Zweifel auch selbstkritisch zu konstatieren: „Jetzt werden wir alle überrollt von einer Jugendkultur, die auf die Straße geht und sagt: ,Es lebe die Wissenschaft!‘“ Salopp geriet dann die als Forderung der Jungen an die Politik wiedergegebene Losung: „Seid ihr deppert, horcht doch auf die Wissenschaft!“ Rainer Bromme stimmte der Forderung, WissenschaftlerInnen sollten sich selbst „emotionaler“ zeigen, zu und brachte es auf die Formel: „Mehr als inkompetente InsiderInnen brauchen wir mehr kompetente OutsiderInnen.“ Ulrich Berger (WU Wien) verwies

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Foto: Helmut Grünbichler, Peter Grewer, Privat (2)

Die Diskussion „ A N D E N G R E N Z E N D E R W I S S E N S C H A F T “ bestritten Florian Aigner, Ulrich Berger, Rainer Bromme und Eva Horn

Illusration: Georg Feierfeil

Foto: Helmut Grünbichler, Peter Grewer, Privat (2)

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auf einen Jugendliche betreffenden zentralen Aspekt der Wissenschaftsbildung: „Ich glaube, es ist entscheidend, dass man schon bei den Schülerinnen und Schülern mit einem Unterricht beginnt, der klarmacht, wie man herausfinden kann, welchen Behauptungen man vertrauen darf.“ Dass die Rolle von WissenschaftlerInnen ob der Komplexität der Fragestellung neu reflektiert werden müsse, darüber herrschte Einigkeit.

Auf die Frage nach mehr „Glaubwürdigkeit“ von Wissenschaft und deren angedeuteter „Politisierung“ replizierte Eva Horn mit dem Verweis auf die Notwendigkeit, fächerübergreifend zu agieren, so altmodisch diese Idee auch klingen möge. Moderatorin Spiel

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darauf: „Wir machen das seit mehr als vierzig Jahren.“ In der anschließenden offenen Runde der Podiumsdiskussion wurde mehrfach auf die Bedeutung einer „verständlichen Sprache“ der Wissenschaften hingewiesen, wozu Spiel meinte: „Ich finde, dass sich die Sprache der WissenschaftlerInnen gebessert hat. Vor dreißig Jahren waren sie kaum bereit, in die Medien zu gehen. Heute wird es an den Unis als sehr positiv angesehen, wenn ihre Forschenden hinaustreten. Das ist ein deutlicher Wandel.“ Das Take-away der Veranstaltung über die „Grenzen der Wissenschaft“ formulierte schließlich Rainer Bromme: „Wir müssen einen Mittelweg zwischen Größenwahn und Depression finden!“

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Gefährliche Grenzen Grenzziehungen in der Wissenschaft haben immer auch unbeabsichtigte Folgen, erklärt M A R T I N A M E R Z von der Universität Klagenfurt E R N E R

S T U R M

B E R GE R

artina Merz ist Leiterin des Instituts M für Wissenschaftskommunikation und Hochschulforschung an der Universität Klagenfurt.

F ra u M e r z ,w a r u m k o m m t d ie s o z ia lw is s e n s c h a ftlic h e W is s e n s c h a fts fo r s c h u n g b e i d e r F r a g e n a c h d e r W is s e n s c h a ftlic h k e it v o n W is s e n z u a n d e r e n B e fu n d e n a ls d ie W is s e n s c h a fts p h ilo s o p h ie ?

Mart in a Merz : In der Wissenschaftsphilosophie vertrat man lange Zeit die Vorstellung, dass sich anhand festgelegter Kriterien auf eindeutige Weise eine Grenze zwischen wissenschaftlichem und nichtwissenschaftlichem Wissen oder Vorgehen ziehen lässt.

Ein einfacher Kriterienkatalog wird der Pluralität und Wandelbarkeit stark unterschiedlicher Wissenschaftskulturen und ihrer spezifischen Wissenspraktiken aber nicht gerecht. Das betrifft etwa Bereiche der Geistes- und Sozialwissenschaften, die nicht mit den quantifizierenden Methoden der Naturwissenschaften arbeiten und deshalb auch andere Qualitätskriterien benötigen.

Ich halte scheinbar allgemeingültige Ab- und Ausgrenzungen für nicht ungefährlich, da

Martina Merz, Universität Klagenfurt

M A N S I E H T A U S S A G E N N I C H T V O N A N FA N G AN AN, OB SIE WISSENSCHAFTLICH SIND diese auch immer nicht beabsichtigte Auswirkungen haben. Gesellschaftlich relevante Wissensbestände können so marginalisiert und als „Pseudowissenschaften“ diskreditiert werden.

S in d d ie s e A u s g r e n z u n g e n in B e w e g u n g ?

Merz : Die Vorstellung, dass man allen Aussagen von Anfang an ansieht, ob sie wissenschaftlich sind oder nicht, ist historisch und epistemologisch betrachtet nicht haltbar. So wurden in den frühen Jahren der Debatten zur Quantenmechanik gewisse Ansichten, die sich später durchsetzen sollten, als völlig absurde Vorstellungen abgetan und ausgegrenzt, zum Beispiel die Idee der Paritätsverletzung. Es gibt aber auch die gegenteilige Entwicklung: Argumentationsweisen oder Forschungsansätze, die akzeptiert waren

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und sich erst später als nicht haltbar erwiesen. Ausgrenzungen sind komplexe Prozesse und verfestigen sich zum Teil erst allmählich. Mit den wissenschaftlichen Positionen werden dann auch häufig die Personen, die sie vertreten, ausgegrenzt. Bei einigen Bereichen, von denen wir heute sagen, dass sie nicht Teil der Wissenschaften sind, war das lange Zeit gar nicht so klar. Ein Beispiel ist die Phrenologie. Sie war in frühen Jahren, auch dank ihrer empirischen Methoden, durchaus anerkannt, und ihre Vertreter galten zunächst als legitime Wissenschaftler.

S p ie le n a u c h n ic h tw is s e n s c h a ftlic h e A s p e k te e in e R o lle b e i d ie s e r G r e n z z ie h u n g ?

Merz : Die sozialwissenschaftliche Wissenschaftsforschung hat gezeigt, dass Ausgrenzungen auch immer von Kämpfen um Autorität und Ressourcen begleitet waren. So kann man beobachten, dass in vielen Diskussionen diese Abgrenzung – was ist wissenschaftlich, was ist es nicht? – dazu dient, den eigenen Status als höherwertig darzustellen.

F ü h r t d ie s e G re n z z ie h u n g z w is c h e n d e n W is s e n s b e r e ic h e n a u c h z u e in e r D is ta n z z w is c h e n W is s e n s c h a ft u n d B e v ö lk e r u n g ?

Merz : Teilweise ja, aber hier kommen auch andere Faktoren ins Spiel. Viele Bereiche der Wissenschaft sind mittlerweile hochspezialisiert. Zum einen gibt es eine Dynamik der Entwicklung und Ausdifferenzierung von Forschungsthemen, die sich vor allem am wissenschaftlichen Diskurs orientiert, ohne nach der Bedeutung für andere gesellschaftliche Bereiche zu fragen. Zum anderen beobachten wir unter den Schlagworten „Citizen Science“ oder „Responsible Research and Innovation“ derzeit eine Vielzahl von Initiativen, die nichtwissenschaftliche Akteure zur Beteiligung an Forschungsvorhaben einladen. Die Distanz zur Öffentlichkeit ist dabei mehr oder weniger ausgeprägt. Umgekehrt gibt es aber auch sehr direkte gesellschaftliche Ansprüche an die Wissenschaft: Etwa die Ausbildung von Arbeitskräften oder die Forderung, an Projekten zu arbeiten, deren Ergebnisse wirtschaftlich verwertet werden können. Die Wissenschaft und ihre Institutionen sind heute sehr eng mit anderen gesellschaftlichen Feldern verzahnt. In der öffentli-

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chen Debatte wendet man sich auch wieder verstärkt an die Wissenschaft, um Antworten auf die Herausforderungen zu finden: Klimawandel, Ressourcenknappheit, Gesundheit.

K a n n s ic h W is s e n s c h a ft F a k e -N e w s in d e n W e g s te lle n ?

Merz : Das ist eine Debatte, der sich unsere Demokratie als Ganze stellen muss. Es ist nicht zielführend, der Öffentlichkeit ein poliertes Bild der Wissenschaft zu präsentieren, um sich möglichst nicht angreifbar zu machen. Die Hochglanzbilder der Wissenschaftskommunikation entsprechen nicht der Realität der Wissenschaft und erweisen ihr damit einen Bärendienst. Wenn wir Men-

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schen besser dazu in die Lage versetzen wollen, die Qualität von Wissen zu beurteilen, braucht es zwei Dinge: Eine komplexere Berichterstattung über Wissenschaft und mehr Information über die wissenschaftliche Praxis. Wissenschaft ist eine soziale Tätigkeit.

Das beinhaltet, Debatten nicht zuzudecken, sondern zu erklären, dass Kontroversen produktiv für die Weiterentwicklung der Wissenschaft sind. Es ist zu wenig bekannt, dass es soziale Verfahren gibt, wie etwa PeerReview, um die Qualität von Forschungsergebnissen abzusichern. Das heißt aber auch, kritische Aspekte und Entwicklungen des Wissenschaftssystems durchaus offen zu diskutieren.

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Verteidigt die Ergebnisoffenheit!

Wir müssen die Wissenschaft verteidigen, sagt M A R T I N M A H N E R von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften E R N E R

S T U R M

B E R GE R

Herr Mahner, warum ist es so schwierig, Wissenschaft von Pseudowissenschaft abzugrenzen?

Mart in Mahner: Im Grunde ist die Abgrenzung in der Praxis gar nicht so schwierig, denn sie erfolgt im Alltag intuitiv anhand langer Erfahrung. Schwierig wird es erst, wenn man als Wissenschaftsphilosoph dieses Gespür analysieren und rational ausbuchstabieren will. Denn man findet keine Kriterien, von denen jedes einzelne notwendig ist und alle zusammen hinreichend sind zur eindeutigen Abgrenzung, wie es die herkömmliche Klassenlogik fordert. Abgrenzungsverfahren werden daher stets unscharf bleiben müssen.

Dies ist jedoch kein unüberwindbares Hindernis. Anhand eines wissenschaftstheoretischen Profils kann man eine rational vertretbare Unterscheidung treffen.

Martin Mahner, Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften

Was meint „wissenschaftstheoretisches Profil“?

Mahner: Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine lange Liste wichtiger Kriterien, die für solche Beurteilungen herangezogen werden können. Beispiele: Gibt es Mechanismen zur Irrtumskontrolle? Sind die Theorien prüfbar und vereinbar mit unserem wohlbeW I S S E N S C H A F T L E R S O L LT E N S I C H Z U B E DENKLICHEN ENTWICKLUNGEN ÄUSSERN stätigten Vorwissen? Analysiert man einen Verdachtsfall nach vielen solchen Kriterien, kann man zu einem wohlbegründeten Urteil gelangen, ob Hoffnung für ihn besteht oder ob er sich jenseits des Ernstzunehmenden befindet.

Brauchen wir diese Abgrenzung überhaupt oder wird sich solides Wissen auch so gegen pseudo- und unwissenschaftliches Wissen durchsetzen? Allein schon aus Praktikabilität?

Mahner: In vielen Bereichen wird sicher die Praktikabilität beziehungsweise die erfolgreiche technische Umsetzung von wissenschaftlichem Wissen der Wissenschaft zur Durchsetzung verhelfen. Doch ist dies leider nicht in allen Bereichen so. Vor allem die Pseudomedizin stellt eine Gefahr da, sowohl auf persönlicher Ebene wie bei alter-

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nativen Krebsbehandlungen als auch auf gesellschaftlicher, nämlich in den Personen der Impfgegner. Einige Bereiche werden trotz ihrer Praktikabilität sogar bekämpft. Denken Sie nur an die Gentechnik, die aus biowissenschaftlicher Sicht unbedenklich ist und gerade im Zuge zunehmender klimatischer Veränderungen in vielen Entwicklungsländern hilfreich für die Landwirtschaft sein könnte.

Gentechnik wird von einigen angefeindet, man kann das als Form von Wissenschaftsleugnung sehen. Um Missverständnisse zu vermeiden: Die ökonomische Kritik an der Gentechnik, etwa in Bezug auf Abhängigkeiten von Großkonzernen, ist hier irrelevant, denn sie ließe sich durch geeignete politische Maßnahmen ausräumen.

Warum vertrauen Menschen gerade im Bereich der Medizin auf pseudowissenschaftliches Wissen?

Mahner: Einerseits ist es kurios, dass Menschen, die sich in kein Flugzeug setzen würden, das nach den Regeln einer alternativen Physik konstruiert ist, im Falle ihres eigenen Körpers auf alternative Medizin vertrauen.

Andererseits ist es verständlich, dass bloßes mechanistisches Reparieren im Bereich der Medizin nicht genügt: Die Menschen wollen Zuwendung, sie möchten mit ihren Ängsten ernst genommen werden. Glücklicherweise hält dank des zunehmenden Wissens über den Placebo-Effekt der Zuwendungsaspekt immer mehr Einzug in die medizinische Ausbildung. Was noch hinterherhinkt, ist das Gesundheitssystem, denn das Gespräch mit dem Patienten wird nicht ausreichend bezahlt. Es verwundert also leider nicht, wenn immer wieder Menschen das einstündige Gespräch mit dem Quacksalber der Dreiminutensprechstunde beim Arzt vorziehen.

Das „Kepler-Institut“ in Wien bietet eine Astrologieausbildung in vier Semestern an.

Wie gehen wir mit Wissensbeständen um, die sich in einen akademischen Mantel hüllen, aber keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben können?

Mahner: Solche Institute oder Kurse dürfen in einer freien Gesellschaft existieren, sollten aber zumindest keine Förderung aus Steuergeldern bekommen. Insbesondere gehören

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sie nicht an Universitäten, Schulen und Volkshochschulen. Und Skeptiker dürfen natürlich die Öffentlichkeit darüber aufklären, dass dort Unfug gelehrt wird.

G e ra d e z u B e g in n d e r M o d e r n e h a t m a n A b g r e n z u n g z u a lle m U n w is s e n s c h a ftlic h e n g e r a d e z u m it F e u e r e ife r b e tr ie b e n . A k tu e ll s c h e in t d a s n ic h t z u d e n P r io r itä te n d e r W is s e n s c h a fte n z u z ä h le n ? G ilt d ie L o s u n g „ E te r n a l v ig ila n c e is th e p r ic e o f lib e r ty “ a u c h fü r d ie W is s e n s c h a ft?

Mahner: In der Tat beschäftigen sich die Wissenschaftler im Universitätsbetrieb kaum mit den Pseudowissenschaften. Man weiß schließlich, dass das „eh Quatsch“ ist, hat Anderes und Besseres zu tun, zumal

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Aufklärung auf diesem Gebiet keine Publikationen generiert, die man für die Karriere gebrauchen könnte. Die Aufklärungsarbeit wird so privaten Vereinigungen überlassen wie der, der ich angehöre. Es wäre jedenfalls wünschenswert, wenn Wissenschaftler öfter bereit wären, sich zu bedenklichen Entwicklungen zu äußern, vor allem auch zu solchen im eigenen Universitätsbetrieb – seien es unsinnige Kurse in Homöopathie für Pharmaziestudenten oder ideologisch motivierte Dogmatisierungen, die zur Einschränkung der Diskursfreiheit führen. Im Sinne der erwähnten Vigilanz sollte etwa der Wert der Ergebnisoffenheit von Wissenschaft besser verteidigt werden.

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Publikationen der ÖFG Eine Auswahl N E U E R E R

BÜCHER

im Umfeld der Forschungsgemeinschaft

Band 21: Automatisierung: Wechselwirkung mit Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft Herausgegeben von Christiane Spiel und Reinhard Neck. 2018, Böhlau Verlag, 261 Seiten.

Kulturelle Dynamiken/ Cultural Dynamics – Theatralisierung. Hg. Sabine Coelsch-Foisner, Timo Heimerdinger unter Mitarbeit von Christopher Herzog. 2016, Universitätsverlag Winter, 270 Seiten.

Kritisches Handbuch der österreichischen Politik: Verfassung, Institutionen, Verwaltung, Verbände. Herausgegeben von Reinhard Heinisch. Böhlau Verlag (erscheint 2020)

Der Wissenschaftstag 2017 widmete sich dem Thema „Automatisierung“: Im engeren Sinn bezieht sie sich auf die industrielle Fertigung und ist mit Robotik oder „Industrie 4.0“ verbun­ den. Im weiteren Sinne bezieht sich Automatisierung auf mechanisierte, normierte und optimierte Abläufe in allen Lebensbereichen. Dieser Band widmet sich den vielfältig ausgepräg­ ten Aspekten der Automatisierung selbst – vom Wertpapierhandel über die Medizin bis zur Komposition in der Musik –, aber auch den Folgen in Wirtschaft und Gesellschaft.

„Theatralisierung“ verhandelt die Brisanz des Theaters als gesellschaft­ lichen Ort innovativer Wissenspro­ duktion, als Raum des Erfahrens und als Verweis auf kulturelle Handlungs­ felder und Praktiken, die das Kunst­ theater ebenso wie Prozesse jenseits des Theaters betreffen. In unterschied­ lichen epistemischen Gattungen gibt der Band einen transdisziplinären Aufriss über unterschiedliche Veror­ tungen der Theatralisierung aus Sicht der Literaturwissenschaft, der Thea­ terwissenschaft, der (vergleichenden) Kulturwissenschaft, der Philosophie, Theologie, Anthropologie und Sozio­ logie, der Sportwissenschaft und der Geschichtswissenschaft sowie unter­ schiedlicher Kunstsparten.

Wie funktioniert das politische Sys­ tem in Österreich? Antworten darauf zu finden ist oft schwierig. Die recht­ lichen Grundlagen gelten als schwer verständlich. Politische Weichen wer­ den in informellen Räumen gestellt, die in der Verfassung gar nicht vor­ gesehen sind. Das politische System gleicht einem Rätsel. Der Band möch­ te Antworten geben – wissenschaft­ lich fundiert, aber allgemein verständ­ lich. Er beleuchtet das Regelwerk der Bundesverfassung, die Institutionen des demokratischen Prozesses und die politischen Funktionsweisen der Verwaltung. Vor allem aber zeigt er Theorie und Wirklichkeit des österrei­ chischen Parteienstaats auf.

Band 22 der Reihe des Österreichischen Wissenschaftstages: Krise der Demokratie – Krise der Wissenschaften? Herausgegeben von Christiane Spiel und Reinhard Neck. Böhlau Verlag (erscheint 2020).

Der Österreichische Wissenschaftstag 2018 widmete sich dem Thema „Krise der Demokratie – Krise der Wissen­ schaften?“. Der Gedankenstrich im Titel signalisiert eine mehrfach offene Frage, an deren Beantwortung sich die Beiträge zum Wissenschaftstag 2018 in diesem Band annähern. Befindet sich die demokratische Staatsform in einer Krise und könnte das auch Fol­ gen für die Wissenschaften haben?

Sind die jeweiligen Gefährdungen auf­ einander beziehbar? Hängen kritische Zustände in den Wissenschaften von kritischen Zuständen der Demokratie ab, oder sind Wissenschaften und De­ mokratie unabhängig voneinander?

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Kulturelle Dynamiken/ Cultural Dynamics – Transmedialisierung.

Herausgegeben von Sabine Coelsch-Foisner und Christopher Herzog.

2019, Universitätsverlag Winter. 438 Seiten.

Staatliche Aufgaben, private Akteure. Band 2: Konzepte zur Ordnung der Vielfalt. Hg. Claudia Fuchs, Franz Merli, Magdalena Pöschl, Richard Sturn, Ewald Wiederin, Andreas W. Wimmer. 2017, Manz, 280 Seiten.

Mit dem Begriff „transmedial“ wird der Fragebezug zwischen medialen Konfi­ gurationen und dem, was gemeint ist, schärfer ins Blickfeld der Forschung gerückt. Digitale Technologien und die weltweiten Netzwerke haben ein Neu­ denken dieses Sinnzusammenhangs erfordert und außerdem die Debatten über das transmediale Spannungsver­ hältnis zwischen Mediengebunden­ heit und Mediendurchlässigkeit um die Annahme einer radikalen Transi­ tivität aller Inhalte und Verfahren er­ weitert.

Analyse der dogmatischen Figuren, die das Allgemeine Verwaltungsrecht zur Ordnung dieser Phänomene an­ bietet. Die Autoren behandeln Kon­ zession, Beleihung, Verwaltungshilfe und Inpflichtnahme. Sie rufen deren Entstehung in Erinnerung, prüfen, inwieweit sie durch die Bündelung von Rechtsfolgen heute noch Syste­ matisierung und Orientierung er­ möglichen, und machen Vorschläge zur Weiterentwicklung der Dogmatik.

Weitere Beiträge widmen sich weniger festgelegten Rollen Privater.

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