Anzeiger 7/8/17

07/08 2017

anzeiger

Das Magazin für die österreichische Buchbranche

Pulsmessen

Schmeckt’s?

Kurt Bauer

Frankfurt, London, Bologna, Leipzig und Wien messen jährlich den Puls der Buchbranche. Ein Überblick

Er ist streitbar und trotzdem notwendig: der Geschmack. Welche Rolle spielt er für VerlegerInnen?

Der Historiker konnte eines der großen Rätsel österreichischer Geschichte lösen: Hitler hatte es auf Dollfuß abgesehen

NATIONALISMUS, TERROR, HASS. DIE ANGST GEHT UM IN EUROPA.

€ [D /A / I] 22,00 · ISBN 978-3-85256-725-9 © Barbara Pacejka Fotografie

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Der neue große Roman der Bestsellerautorin über Europa am Scheideweg.

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ERSTVERKAUFSTAG

15.08.2017

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17.07.2017 11:24:20 Uhr

FERIENHEFTE FUNKELSTEINE

ganz klar: Mathematik

Fit für das nächste Schuljahr in der Volksschule

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Nähere Informationen finden Sie auf: www.westermanngruppe.at

Wir gestalten die Zukunft des Lernens.

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2017 2018

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– 152. Jahrgang –

„Erstmals ist auf der BUCH WIEN ein Standverkauf möglich“ Benedikt Föger

P

ünktlich zum Sommer können wir mit einer wichtigen Neuerung aufwarten: Der Standverkauf auf der BUCH WIEN ist heuer zum zehnjährigen Jubiläum erstmals für alle, die das möchten, möglich. Dieser Wunsch ging aus zahlreichen Gesprächen und Ausstellerumfragen hervor und bietet ein Alleinstellungsmerkmal für Buchmessen im deutschen Sprachraum. Damit können auch einzelne Buchhandlungen selbst ausstellen und so die Dynamik der Messe mitgestalten (S. 21).

Buchmessen bedeuten nicht nur Veranstaltungen, Bücher-Ausstellen und Netzwerken: Auf S. 7 berichten vier BranchenvertreterInnen über ihren „besten Deal“, den sie auf einer Messe landen konnten. Um Buchmessen dreht sich außerdem „Essenziell“ in dieser Ausgabe: Im Artikel „Pulsmessen“ (ab S. 16) werden die wichtigsten Messen, die wichtigsten Daten und Fakten sowie Besonderheiten und Schwerpunkte genauer betrachtet.

»Eine Kindheit, die allem widerspricht, woran wir glauben möchten, schonungslos, angstfrei und deshalb angsteinflößend erzählt.« Lena Gorelik

Mit der Shortlist für den Leo-Perutz-Preis starten wir außerdem schon einen Ausblick in den Herbst: Die Bekanntgabe des Siegertitels und die Verleihung finden am 13. September statt (S. 12). Die Longlist zum Österreichischen Buchpreis sowie die Shortlist für den Debütpreis erwarten Sie übrigens eine Woche zuvor, am 5. September.

FOTO: LUDWIG SCHEDL

Im Interview ab S. 28 spricht Kurt Bauer über seine Arbeit als Historiker des Nationalsozialismus und seinen frühen Wunsch, Buchhändler zu werden.

Von langen Buchhandlungstraditionen über Buchbinde-Workshops und Verlage, die für ein bestimmtes Buch gegründet wurden, bis hin zu stationärer Leseförderung: Wir stellen ab S. 24 die HVB-Mitglieder Horst Horvath (edition lex liszt 12), Brigitte Stadlbauer (Kelten-Buchhandlung), Dieter Halama (Wiental-Antiquariat und Buchhandlung) und Vorstandsmitglied Christoph Schiemer (Tyrolia) vor.

Benedikt Föger

Etwa 352 Seiten € [D] ��,�� | € [A] ��,�� ISBN ����������������� Auch als E-Book erhältlich

HVB-Präsident

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17.07.2017 11:25:30 Uhr

– Inhalt –

13

Gastkommentar Verleger Jürgen Lagger über das

Problem mit dem Geschmack

Dauerbrenner und Lichtblicke Das sind die Highlights der neuen

Kinder- und Jugendbuchprogramme

14

Persönlich

24

Horst Horvath

thema Was macht die BUCH WIEN im Vergleich zu anderen Messen aus?

16

7

Kurz gesagt BranchenteilnehmerInnen erzählen von ihrem besten Messedeal

16

Essenziell Frankfurt, London, Bologna, Leipzig und Wien messen jährlich den Puls der Buchbranche. Ein Wegweiser durch die Messelandschaft

Der Verleger ist in der burgen- ländischen Kulturwelt zuhause

25

Brigitte Stadlbauer

Die Buchhändlerin weiß, wie wichtig das Vorlesen für Kinder ist

26

Dieter Halama Der Buchhändler zeigt Kindern, wie ein Buch entsteht

27

Christoph Schiemer

lyrik

6

Deuticke-Verlagsleiterin Martina Schmidt erzählt von einem großen Deal

7

Ein Gedicht Dialektgedichte von Michael Stavarič, kommentiert von Erwin Uhrmann

Der Vorstandsvorsitzende von Tyrolia erzählt die Firmengeschichte

Selbstredend

wissenswert

10

Dieter Halama ist vieles zugleich: Buchhändler, Kunsthistoriker, Antiquar …

26

12

Gutenberg-Galaxie Merkwürdige Buchtitel, Raymond Carver, Cedric Diggory und ein neuer Buchstabe Kurzmeldungen Auslieferungsverzeichnis 2017/18 mediakolleg: Buchpreisbindung Ernst-Jandl-Tage Personalia Goldenes Buch für edition a WKO-Exportpreis für INLIBRIS Word-Rap mit AFRIEUROTEXT- Betreiber Daniel Romuald Bitouh Kurzmeldungen Shortlist für Leo-Perutz-Preis Neue HVB-Mitglieder

28 Der Historiker Kurt Bauer wollte

eigentlich Buchhändler werden

31

Kramers Kinderstube

Die Neuntausendergrenze

klassiker

33

Mondäne Melancholie

„Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Marcel Proust

Standards

marktdaten

monatsbestseller Titelschutz Impressum

9 22 34 34

F o t o s : b u c h w i e n , c h r i s t o p h e r m av r i c ( 2 ) , m i c h a e l m a z o h l

8

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17.07.2017 11:26:51 Uhr

Wie erkläre ich meinem Enkel das Unbewusste?

Die Psychoanalytikerin Élisabeth Roudinesco erklärt anschaulich Phänomene der Psychoanalyse und versteht zu zeigen, dass es eine Realität gibt, die man nicht sieht, die aber nichtsdestotrotz unsere Lebensweise bestimmt.

Sie taucht in das geistige Universum der Jugendlichen von heute ein, setzt alte und moderne Mythen und Märchen miteinander in Beziehung und lässt so das Unbewusste lebendig werden: Das Schicksal von Ödipus oder der Traum des biblischen König Nebukadnezar wird ebenso angesprochen wie Struwwelpeter, Star Wars oder Titanic.

Ein Buch für Kinder, das kein Kinderbuch ist, und ein Buch für Erwachsene, das helfen könnte, anspruchsvolle Kinderfragen nicht unter Niveau zu beantworten. Élisabeth Roudinesco Wie ich meinem Enkel das Unbewusste erkläre 120 S., engl. Broschur, € 15,– ISBN 978 3 85449 461 4

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Auslieferun g Österreich Dr. Franz H ain Dr.-Otto-N eurath-Str. 3–5 1220 Wien Tel: 01-282 65 65 Bestellabte ilung Durch wahl: 77 Fax: 01-28 2 52 82 bestell@ha in.at

Sonderzahl Verlag, Große Neugasse 35, 1040 Wien, verlag@sonderzahl.at

– Lyrik –

Ein Gedicht

Kommentar David Lynch meets H.C. Artmann

Ausgewählt und kommentiert von Erwin Uhrmann Aus dem Gedichtband „in an schwoazzn kittl gwicklt“ (Czernin) von Michael Stavarič di doors knistarn aus den lautsprecharn aus di dunkln boxn irgndwo im jensaits aufgstolt kefige one schlessa worta one munda i auf dea ainen si auf dea ondren saitn

die doors knistern aus den lautsprechern aus den dunklen stereoboxen irgendwo im jenseits aufgestellt kafige ohne schlosser worter ohne munder ich auf der einen sie auf der anderen seite

bin i no in wean oda scho auf den schwoarzn foldarn dea zwischnwolt uba denan ruswolkn hengan und finstre mehdrescha ire boanen ziagn und dunkle sterch duarch di furchn staksn do a schnoblhib durt a aner bold hobn s di a im sagg

bin ich noch in wien oder schon auf den schwarzen feldern der ­zwischenwelt uber denen ruswolken hangen und finstere mahdrescher ihre bahnen ziehen und dunkle storche durch die furchen staksen da ein schnabelhieb und dort einer bald bin ich auch fallig

Das Besondere an Michael Stavaričs Dialektgedichten ist, dass es sich dabei nicht um klassische Dialektgedichte handelt. In seinem aktuellen Buch „in an schwoazzn kittl gwicklt“ vermischt er unterschiedliche Dialekte und Schreibweisen.

Michael Stavarič wurde in Brno geboren und kam mit seinen Eltern im Alter von sieben Jahren nach Öster­­reich. In der Schule wurde er im Dialekt sozialisiert, beherrschte ihn aber, wie er meint, niemals wirklich.

So machte er sich auf die Suche nach einem interpretierten Dialekt. Das wienerische Element spielt dabei eine große Rolle. Die Wienerin bzw. der Wiener beobachtet gerne und gibt schonungslos ihren bzw. seinen Senf dazu. Das ist auch die Methode von Stavaričs lyrischem Ich, dem sich ein surreal-dunkles bis heiteres Panoptikum der Wiener Seele auftut.

Eine der grössten Druckereien im Mitteleuropa  Druck und buchbinderische Weiterverarbeitung  unter einem Dach rund um die Uhr Jahresproduktion 24 Mio. Bücher  80 % der Produktion gehen in den Export  Jahresumsatz 33 Mio. €  Kundenservice in fünf Fremdsprachen  Zertifikate Carbon Neutral Produkt, Fogra  FSC®, CrefoCert, Eko energie

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FINIDR, s. r. o. | Lípová 1965 | 737 01 Český Těšín | Tschechische Republic Tel.: +420 558 772 264 oder +420 777 795 117 | E-mail: druckerei@finidr.de

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17.07.2017 11:27:52 Uhr

– Kurz gesagt –

Mein bester Deal?

Auf Branchenmessen werden auch Geschäfte abgewickelt.

Welche bleiben in Erinnerung?

Foto s: A rc h i v w i l d n e r, V e r l ag j u n g b ru n n e n, b i ja n d o o st da r, m i c ha e l m azo h l

Weder Lesestunde noch Bazar.

Der Messedeal: ein hartnäckiger Mythos!

Wenn du etwas „Heißes“ hast, verkaufst du es schon vor der Messe, oder du kannst in einem persönlichen Termin vor Ort einen Verlag für ein Manuskript interessieren. Dann ergibt sich der Abschluss danach. Übrigens machen sich AgentInnen, die Auktionsdeadlines auf Messetage legen, nur eingeschränkt beliebt – eine Günther Wildner, Buchmesse ist weder Lesestunde noch Wildner Bazar! Vielmehr ist sie Netzwerken, MuKulturmanagement ckis zeigen, Kuscheln, Getränke trinken.

Klasse war der blanvalet-Deal für die Medienarbeit Österreich von Marc Elsbergs „Helix“ in Leipzig 2016, tatsächlich am Messe-Freitag.

„Das war ein großer Deal!

So viel Glück hat man natürlich nicht immer“

Martina Schmidt, Deuticke

Gutes Geschäft mit Lily Brett.

Wir verkaufen unsere Bücher auch an Taschenbuchverlage. Da habe ich vor langer Zeit auf einer Messe einen sehr guten Deal gemacht. Es ging um das erste Buch von Lily Brett. Im Einkauf hatte es 10.000 D-Mark gekostet. Ich habe dann von Suhrkamp 60.000 D-Mark für die Taschenbuchrechte bekommen. Das war ein großer Deal! So viel Glück hat man natürlich nicht immer.

Preisgekrönter Zufall.

Vor einigen Jahren habe ich in Bologna bei einem kanadischen Verlag, mit dessen Verlagsleiterin ich schon lange befreundet bin, ein Leporello der argentinischen Illustratorin ISOL gesehen, das mich gleich faszinierte, weil es einfach war und doch eine Geschichte erzählte. Auf dem Rückweg zu meinem Stand traf ich einen Bekannten aus der Schweiz, dem ich begeistert von dem Hildegard Gärtner, Buch erzählte, worauf er mir die Rechte anJungbrunnen bot, weil er ISOL auf dem deutschsprachigen Markt als Agent vertrat. Er hat den Text dann auch für uns übersetzt. Im Jahr darauf wurde das Buch für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und ISOL bekam den ALMA (Astrid Lindgren Memorial Award).

„Das Buch wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert“

Inspiration in der Taxischlange.

Einen meiner besten Deals machte ich, als ich zufällig in der Taxischlange vor einem Hotel in Frankfurt stand und mit einer amerikanischen Agentin, Barbara Zitwer, ins Gespräch kam. Sie erwähnte einen brillanten koreanischen Roman, dessen weltweite englischsprachige Rechte sie an Penguin US verkauft hatte. Es ging um „The Hen Who Dreamed She Could Fly“ von Sun-mi Hwang. Das Buch Juliet Mabey, hatte diese märchenhafte Art, die Jung und Oneworld Publications Alt gleichermaßen anspricht. Sie gab mir ein Exemplar und ich war so fasziniert, dass ich sofort die Rechteabteilung des Verlags kontaktierte, und nach ein paar SMS und E-Mails schaffte ich es, mir die UK/British-Commonwealth-Rechte auf der Buchmesse zu sichern. Der Roman verkaufte sich schließlich mehr als 40.000 Mal und schaffte es in die Auswahl des Waterstones Book Club.

Mehr zum Thema Buchmessen ab Seite 16

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17.07.2017 11:29:03 Uhr

– Wissenswert –

PIONIER

POLARSTERN

Long story short. Keiner prägte das Short-Story-Genre so wie Raymond Carver. Keiner beschreibt eindrücklicher, wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden. Carver ist der Beweis, dass man nicht 700 Seiten braucht, um etwas zu erzählen.

Aus der

Alleskönner. Wer schon mal eines der rasanten und lehrreichen YouTubeVideos von John Green und seinem Bruder Hank gesehen hat, der weiß: Dieser Mann hat nicht nur Grips, sondern auch Witz. Zum Glück schreibt John Green auch noch Bücher. Sein neuestes, „Turtles All the Way Down“, erscheint im Oktober bei Dutton Books.

GutenbergPIN-UP

Live fast, die young. Es gibt was zu feiern.

20 Jahre Harry Potter. Besonders gut in Erinnerung geblieben ist Cedric Diggory, der schöne Jüngling aus dem Hause Hufflepuff. Er war bei allen beliebt und verdrehte vielen Hexen den Kopf. Schade, dass er das Trimagische Turnier nicht überlebt hat.

Galaxie

Lukas Schöppl

POWIDL

Ei, bist du GROs geworden. Zuwachs bei den Regeln der deutschen Rechtschreibung: Während man immer noch „Spagetti“ schreiben darf, ist ein lange vernachlässigtes Zeichen endlich groß geworden.

Das Eszett hat jetzt seine eigene Majuskel. GROsARTIG!

PROSPEKT

Titelwahnsinn. Don’t judge a book by its cover. Und der Titel? Zugegeben: „Darm mit Charme“ oder „Ein ganzes halbes Jahr“ lässt einen schon schmunzeln. Der merkwürdigste Buchtitel bekommt jährlich den Diagram Prize for Oddest Title of the Year.

Anwärter für den ersten Platz: „Nipples on my Knee“.

anzeiger / 8

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17.07.2017 11:29:52 Uhr

– Marktdaten –

Buchhandelspanel Juni 2017 Ein leichtes Sommerloch zeichnet sich auch beim Umsatz des österreichischen Buchhandels ab. Die Hörbücher und Audiobooks hatten während des heißen Junis starke Rückgänge zu verzeichnen: Die Editionsform verlor im Vergleich zum Vorjahresmonat um 22,4 Prozent. Der Umsatz von Taschenbüchern hingegen legte um 3,9 Prozent zu. Hardcover und Softcover schafften gerade noch ein Plus von 0,6 Prozent. Der Juni dieses Jahres schnitt damit insgesamt um 0,9 Prozent besser ab als 2016.

Umsatzveränderung

Juni 2017

0 -5 -10

Belletristik 4,2 %

Geisteswissen­ schaften, Kunst, Musik 1,1 %

Tasche

Taschenbuch 3,9 %

Hardco

-25

Sachbuch

Naturwissenschaften, Medizin, Informatik, Technik –2,9 %

Ratgeber –13,0 %

Reisen 2,6 %

Die Warengruppen bilanzierten im Juni 2017 gegenüber Juni 2016 großteils positiv.

Rückgänge gab es lediglich in drei Sparten: Die Ratgeber verloren dabei am stärksten (–13 Prozent), bei der Gruppe Sozialwissenschaften, Recht, Wirtschaft betrug das Minus 5,8 Prozent. Die Gruppe Naturwissenschaften, Medizin, Informatik, Technik verlor ebenfalls (–2,9 Prozent).

Besonders gefragt waren im Juni, kurz vor Ferienbeginn, eindeutig Kinder- und Jugendbücher (+13,4 Prozent). Die Gruppen Sachbuch und Belletristik wuchsen ähnlich stark (5,7 bzw. 4,2 Prozent). Der Umsatz von Büchern der Sparte Geisteswissenschaften, Kunst, Musik steigerte sich um 1,1 Prozent.

Reiseliteratur legte im Vergleich zum Vorjahresmonat um 2,6 Prozent zu.

Sozialwissenschaften, R

Sozialwissenschaften, Recht, Wirtschaft –5,8 %

Naturwissenschaften, M

Sachbuch 5,7 %

Kinderund Jugend­ bücher 13,4 %

Geisteswissenschaften, Ratgeber Reisen

Kinder- und Jugendbüc

UmsatzveRteilung Belletristik Nach Warengruppen

Umsatzverteilung

Juni 2017

Juni 2017 Taschenbuch 22,3 %

Hardcover, Softcover 76,4 %

Hörbuch / Audiobook 1,4 %

Sozialwissenschaften, Recht, Wirtschaft 2,6 % Naturwissenschaften, Medizin, Informatik, Technik 4,7 % Geisteswissenschaften, Kunst, Musik 5,3 %

Hö r b uch Tas /A c u h d en iob bu Ha oo ch r k d cov er, S o ftc ov er

Im Auftrag des HVB ermittelt das Marktforschungsinstitut GfK Entertainment monatlich die Umsatzveränderungen im Vergleich zum Vorjahresmonat für die Absatzwege Sortimentsbuchhandel und E-Commerce. Mit dem Buchhandelspanel werden 82 Prozent aller Barverkäufe in Österreich abgedeckt.

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Hardcover, Softcover 0,6 %

Hörbu

-15 0,7 % Kumuliert (Jänner bis Juni 2017) 0,9 % Juni 2017 zu Juni 2016 -20

Umsatzveränderung Nach Warengruppen

15 Juni 2017 zu Juni 2016 12 9 6 3 0 -3 -6 -9 -12 -15

Hörbuch/ Audiobook –22,4 %

5

Ratgeber 18,7 % Reisen 10,2 %

Sachbuch 11,1 %

Gegen

Belletristik 31,7 %

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Naturw Geiste

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Kinder- und Jugendbücher 15,8 % R

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Reisen Kinde Belletr

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17.07.2017 11:32:36 Uhr

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– Wissenswert –

Nachschlagewerk Das Auslieferungsverzeichnis 2017/18 ist da. Ab sofort können Bestellungen aufgegeben werden Es ist ein unverzichtbares Hilfsmittel im buchhändlerischen Alltag. Anfang August wird es verschickt: das Auslieferungsverzeichnis 2017/18. Es informiert darüber, welche österreichischen Auslieferungsunternehmen und Verlagsvertretungen welche Verlage betreuen. Ein Abonnement kostet für HVB-Mitglieder 30 Euro pro Jahr, für Nichtmitglieder das Doppelte. Das Abo beinhaltet auch den Zugang zu www.easv.at, dem Online-Portal, das laufend aktualisiert wird. Bestellungen per Mail an Ulrike Hütter: huetter@hvb.at

Die BUCH WIEN in Ihrer Buchhandlung Förderungen für Buchhandlungen: Beteiligen Sie sich am Lesefest der BUCH WIEN! Die Fachgruppe Buch- und Medienwirtschaft der Wirtschaftskammer Wien fördert auch heuer zum zehnjährigen Jubiläum der BUCH WIEN Wiener Buchhandlungen, die im Rahmen des Lesefestes der BUCH WIEN (8. bis 12. November) – sowie erstmals im gesamten Monat November – Veranstaltungen planen. Dazu gehören Lesungen, AutorInnengespräche und Signierstunden von auf der BUCH WIEN vertretenen Verlagen, für die Fachgruppenmitglieder eine Förderung von bis zu 200 Euro beantragen können.

Wie funktioniert die Buchpreis­bindung?

Weitere Informationen sowie die genauen Förderkriterien finden Sie auf buchwien.at/buchhandlungen sowie auf wko.at/wien/buchundmedien.

Das erfahren die TeilnehmerInnen bei einem mediakolleg-Seminar im Oktober Die Buchpreisbindung ist das Fundament vielfältiger Verlagserzeugnisse in Österreich und sichert die Existenz unterschiedlichster Buchhandlungen, da diese sich nicht in eine preisliche Konkurrenz begeben. Wie ist die Preisbindung aufgebaut? Welche Regeln müssen unbedingt beachtet werden? Welche Ausnahmen sind erlaubt?

Diese Fragen werden im Seminar anhand zahlreicher Fallbeispiele anschaulich erläutert und beantwortet.

Personalia

Wann?

Wer?

Für wen?

2. 10. 2017, 15–18 Uhr Alexander Potyka und Erwin Riedesser BuchhändlerInnen und Verlags­ mitarbeiterInnen, Auszubildende, am Buchhandel und Verlagswesen Interessierte Wo? HVB, Grünangergasse 4, 1010 Wien, Bibliothek 1. Stock Wie viel? 80 Euro Kursgebühr für HVB-Mitglieder, 110 Euro Kursgebühr Normalpreis Anmeldung:

Uly Paya hat Anfang Juli den Artland-Verlag gegründet. Dieser versteht sich als Kooperation mit der Akademie „Philosophieren mit Kindern & Jugendlichen“. Im Zentrum der Bücher und Kinder-CDs steht die gelebte Praxis in Persönlichkeitsbildung, Wertehaltung und Erziehung.

Uly Paya ist Erwachsenenbildner, Maler und Musiker.

per Mail an tippel@hvb.at oder via Anmeldeformular auf www.buecher.at/mediakolleg

F O T O S : b l e n d e 1 1 , p r i va t

Monika Schlitzer wird Geschäftsführerin des DK Verlags.

Bislang Programmleiterin, übernimmt sie damit die Gesamtverantwortung für das Münchner Verlagshaus. Dorling Kindersley gehört zur Verlagsgruppe Penguin Random House.

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17.07.2017 11:59:59 Uhr

Kassenschlager Der HVB zeichnete „Kopfsache schlank“ (edition a) mit dem Goldenen Buch aus Das Thema Abnehmen zieht. Besonders im vergangenen Jahr: Mehr als 25.000 Mal verkaufte sich der Ratgeber „Kopfsache schlank – Wie wir über unser Gehirn unser Gewicht steuern“ der Neurochirurginnen Iris Zachenhofer und Marion Reddy (edition a). Aufgrund des großen Publikumserfolgs wurde das Buch vom HVB mit dem Goldenen Buch ausgezeichnet. Autorin Iris Zachenhofer und Sebastian Maurer vom Verlag edition a nahmen den Preis gemeinsam im Palais Fürstenberg entgegen (siehe Foto). Das Goldene Buch vergibt der HVB an AutorInnen und Verlage, die innerhalb eines Jahres mehr als 25.000 Exemplare eines Titels in Österreich verkauft haben. Mit der Auszeichnung sollen hervorragende Leistungen gewürdigt werden, die AutorInnen und Verlage gemeinsam mit dem heimischen Sortimentsbuchhandel erbringen.

Kulturelle

Brücken Daniel Romuald Bitouh hat Ende Juni die Buchhandlung AFRIEUROTEXT eröffnet AFRIEUROTEXT im 17. Wiener Gemeindebezirk ist die erste Fachbuchhandlung Österreichs, die Afrika in den Mittelpunkt stellt. Der anzeiger hat den Literatur- und Kulturwissenschaftler und frischgebackenen Buchhändler Daniel Romuald Bitouh zum Word-Rap gebeten.

Import – Export?

INLIBRIS!

F O T O S : e d i t i o n a , v e r e i n a f r i e u r ot e x t, F r a n k H e l m r i c h

Das Antiquariat INLIBRIS gewann als erstes Unternehmen der österreichischen Buchbranche den Exportpreis der WKO

Unser Sortiment … besteht aus Belletristik, Sachbüchern, Kinder- und Kochbüchern, Länderinformationen, Rei- seführern, Film- sowie Musik-CDs und -DVDs.

Das Leitmotiv von AFRIEUROTEXT … lautet: Gemeinsam für eine Kultur des Austauschs, des Dialogs, des Friedens und des differenzierten Denkens und Handelns.

Im Rahmen der „Exporters Nite“ im Wiener MuseumsQuartier wurde dem Antiquariat INLIBRIS am 26. Juni der Exportpreis der österreichischen Wirtschaftskammer in der Kategorie Information und Consulting verliehen. INLIBRIS wurde 1993 gegründet und ist österreichischer Marktführer im Handel mit antiquarischen Büchern, Manuskripten und Landkarten. Das Unternehmen unter Hugo Wetschereks Führung konnte sich von 70.000 Euro Umsatz im Gründungsjahr auf über 7,5 Mio. Euro im Jahr 2016 steigern. Das Unternehmen verfügt über ein Lager mit mehr als 20.000 Objekten. Die Exportquote liegt bei 99,25 Prozent. Zu den KundInnen gehört u. a. die österreichische Nationalbibliothek.

Afrikanische Literatur in Wien … trägt dazu bei, das Literaturangebot zu diversifizieren und zu bereichern sowie einer durch etablierte Wiener bzw. österreichische literarische Institutionen nolens volens gepflegte Kultur des literarischen Monologs konstruktiv entgegenzuwirken.

Texte afrikanischer Literaturen … bauen kulturelle Brücken und vermitteln einen differenzierten Blick auf Themen und Anliegen afrikanischer Gesellschaften und Verhältnisse.

Das Team von INLIBRIS (v. l. n. r.) Christopher Frey, Stefanie Schwaiger, Martin Peche, Geschäftsführer Hugo Wetscherek, Brigitte Wetscherek

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17.07.2017 12:00:02 Uhr

– Wissenswert –

Wiener Krimi Am 13. September wird zum achten Mal der LeoPerutz-Preis für Kriminalliteratur mit Wien-Bezug verliehen. Die Shortlist steht bereits fest Seit 2010 vergeben die Kulturabteilung der Stadt Wien und der HVB jährlich den mit 5.000 Euro dotierten Leo-Perutz-Preis für Kriminalliteratur. Ausgezeichnet werden nur die innovativsten und spannendsten Krimis, die außerdem einen Wien-Bezug aufweisen müssen. Heuer findet die Verleihung am 13. 9. statt. Die Jury besteht aus Sylvia Fassl-Vogler, Michaela Bokon, Christoph Huber, Erwin Riedesser und Andreas Gruber. Folgende Bücher sind auf der Shortlist: Alex Beers Roman „Der zweite Reiter“ (Limes) im Wien der Zwischenkriegszeit und Christopher Justs anglophiler Milieu-Krimi „Der Moddetektiv“ (Milena Verlag) über einen Mordfall in einer Wiener Subkultur. Weiters Stefan Peters’ „Erstbezug“ (Picus), in dem ein Sozialberater den prekären Arbeitsverhältnissen von Flüchtlingen nachgeht. Auch auf der Shortlist sind Theresa Prammers dritter Fall für Carlotta Fiore „Die unbekannte Schwester“ (Ullstein) und Hans-Peter Vertacniks „Totenvogel“ (Emons), in dem Österreichs Innenminister ermordet wird. „‚Whodunit‘ ist somit geklärt“, meint Jurysprecher Erwin Riedesser. „‚Whosbest‘ ist Spannung vom Feinsten, die über den heißen Sommer anhalten muss.

Die Jury hat gelesen, gelesen, gelesen und getagt. Leicht war’s nicht, gibt es doch immer mehr erstaunlich gute Wien-Krimis.

Im September sehen wir uns in Wien zum Showdown.“

Zuwachs Das sind die neuen Mitglieder des HVB Mehr ist manchmal eben doch mehr. Zum Beispiel wenn es um unsere Mitglieder geht. Seit Beginn dieses Jahres hat der HVB insgesamt 40 neue Mitgliedschaften abschließen können. Wir freuen uns über die zahlreichen Neuzugänge. Sie unterstreichen die Bedeutung des Hauptverbands als Interessensvertretung der gesamten Branche. Seit Jänner 2017 neu dabei sind:

.

Achse Verlag

Juristischer Verbund der Rechtsbeistände in Österreich

Aesculus OG

Krimisalon e.U.

Afrieurotext-Buchhandlung

Lind-art®-Buch-Produktion

Agaton Verlag

Maria Anna Harrach Eigenverlag

Arovell Verlag

Medientank Handels GesmbH – AUDIAMO

Artland Verlag

Nikolaus Mauritz

BACOPA Handels- u.

Kulturges.m.b.H.

planiloquus publisher e.U.

Best of Music & Movie Service Vertriebs GmbH

PTP by ACE

Bibliothek der Provinz

SARA-EDITION

blubbb-die Kommunikationswerkstatt e.U.

Schriftstella

Blueleaf GmbH

StudienVerlag

Boesner GmbH & Co. KG

Tirom Verlag

Buch-Papier-Spielwaren Schöffmann

Universitätsverlag Wagner

Buchcafé Melange e.U.

Verlag am Rande

büchersegler e.U.

Verlag Lonitzberg

Doppelgänger Verlag e.U.

Verlag Margarete Tischler

Edition Anna Jeller

Verlag Nina Roiter

Edition Splitter

Wiener Buchboutique

Janu GmbH

wirth & wirth KG

Jojomedia Verlag

Zum Postkastl

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17.07.2017 12:00:05 Uhr

– Wissenswert – Gastkommentar

Schmeckt’s?

Jürgen Lagger

löst funktionieren und selbige nicht einmal abbilden können. So geht man also sehenden Auges, aber zumindest mit Überzeugung, den schwierigeren Weg. In der Hoffnung, damit ein möglichst unverwechselbares Profil zu entwickeln, das nach außen vermittelt, wofür ein Verlag mit seinen Büchern steht.

Die Hoffnung ist ganz klar auch, bei den LiteraturvermittlerInnen da und dort auf ähnlich urteilende Geister zu stoßen, die einen in der getroffenen Geschmacksentscheidung bestärken und die Bücher dann den LeserInnen näherbringen.

Ein komplexer Prozess also, an dem vermutlich kein Weg vorbeiführt. Nicht nur für (besonders kleinere) Verlage, sondern auch für den stationären Buchhandel und die Presse. Wir alle müssen uns (geschmacklich) positionieren, sonst gibt es wenig zu gewinnen. Dass es forciertere oder widerständigere Literatur immer schwerer haben wird, weil sie stärker polarisiert, sei hier geschenkt.

Dies gilt vermutlich für alle Ebenen des Literaturbetriebs. Auch für den BachmannWettbewerb, wo man sich letztlich doch auf einen Gewinner oder eine Gewinnerin einigen muss. Sie selbst hätten dort anders entschieden? Ich auch. Es ist schwierig mit dem Geschmack.

Der Bachmannpreis ist ein guter Anlass, um über einen schwierigen, aber notwendigen Faktor in der Buchbranche nachzudenken: den Geschmack

I L L U S T R AT I O N : G E O R G F E I E R F E I L , F O T O : J U L I A N TA P P R I C H

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aben Sie auch den gerade zu Ende gegangenen Bachmann-Wettbewerb verfolgt? Ich war früher ein geradezu manischer Zuseher, habe den Sommer Sommer sein lassen, drei Tage mein Zimmer verdunkelt und mich lustvoll Texten und deren Rezeption hingegeben. Die Manie hat dann nach einigen Jahren deutlich nachgelassen. Bedingt auch durch die Erkenntnis, dass sich dort nicht zwingend die „beste“ oder „mutigste“ deutschsprachige Literatur darbietet, sondern einfach eine unter vielen Faktoren zustande gekommene Auswahl. Sie könnte unter anderen Umständen und vor allem unter Beteiligung anderer Personen auch völlig anders aussehen. Das war für mich als jungen Menschen zwar einerseits enttäuschend (denn man hätte so gern Gewissheiten gehabt), andererseits aber auch befreiend, weil es eben zugleich bedeutete: Beim Bachmann-Wettbewerb wird tatsächlich auch nur mit Wasser gekocht.

Das war noch lange, bevor ich überhaupt beruflich mit Texten zu tun hatte. Jetzt verfolge ich den Wettbewerb immer noch. Naturgemäß aus anderem Blickwinkel und mit

manchmal weniger Interesse an den Texten als an der sich daran entzündenden Diskussion. Gibt es doch kaum andernorts die Möglichkeit, so direkt Auswahlkriterien offengelegt zu bekommen und Geschmacksurteile aufeinanderprallen zu sehen. Das erhellt oftmals nicht nur die Lektüre. Es erzählt immer auch einiges über jene, die die Urteile fällen. „Geschmack“ ist ja nichts so Beliebiges, wie man vielleicht annehmen möchte, sondern vor allem auch von der eigenen Sozialisation bestimmt und vom sozialen Umfeld, in dem man sich gerade aktuell bewegt, also in etwa so etwas wie eine als objektiv dargestellte subjektiv-gesellschaftliche Prägung.

Interessant ist es natürlich schon deshalb, weil auch Verlagsarbeit bedeutet, laufend Geschmacksurteile zu fällen, einen Text gegen den anderen „aufzuwiegen“, für sich selbst festzumachen, was einen daran überzeugt und warum man ihn ins Programm aufnimmt oder eben nicht. Ökonomische Faktoren spielen dabei meist erst in zweiter Linie eine Rolle. Sie sind insofern wenig hilfreich, als sie von literarischer oder, allgemeiner gesprochen, ästhetischer Qualität völlig losge-

„Geschmack ist ja nichts so Beliebiges, wie man vielleicht annehmen möchte“

Jürgen Lagger ist Autor und leitet den Wiener Luftschacht Verlag. Kürzlich diskutierte er bei einer BuK-Veranstaltung zum Thema „Geschmacksverstärker“ über Qualität, Kommerz, Konzept und die Frage nach dem guten Geschmack

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17.07.2017 11:33:18 Uhr

– Wissenswert – Kinder- und Jugendbuch

Drachenreiter, Eisbären und Fluchtgeschi ch Text: Elisabeth Schepe

Highlights aus den aktuellen Kinderund Jugendbuchprogrammen

Z

wanzig Jahre ist es her, dass Joanne K. Rowling mit Harry Potter das Jugendbuch neu erfunden hat. Der unglaubliche kommerzielle Erfolg der Zauberlehrling-Reihe lässt seither viele Verlage auf Kinder- und Jugendbücher setzen.

Die Konkurrenz ist heute so groß, die Erstauflagen sind so hoch und die Themen so unterschiedlich wie nie. „Zu viel von allem“, befindet Irmgard Kramer in ihrer Kolumne (S. 31). Durchkämmt man die Verlagsvorschauen, lassen sich tatsächlich kaum Trends ausmachen. Also haben wir abseits aller Sparten einige persönliche Highlights aus den Herbstprogrammen gefiltert.

Zu guter Letzt erschien pünktlich zum Kinostart von „Ich Unverbesserlich 3“ bei Egmont Schneiderbuch ein ganzer Stapel an Minions-Büchern: vom „Buch zum Film“ über Malbücher bis hin zu Sticker-Alben.

Die Welt für Kinder Bestsellerautor Peter Wohlleben schreibt über den Wald – nun auch kindergerecht: „Hörst du, wie die Bäume sprechen?“ (Oetinger) ist ein Buch für Kinder ab 6 Jahren.

Kosmos bringt im Herbst zahlreiche Bilderbücher zu Themen rund um die Natur heraus. Die Titel werden im umweltschonenden „Cradle-toCradle“-Prinzip mit Pflanzenölfarben gedruckt.

Theoretisch kann man sie also kompostieren.

Der Nürnberger Tessloff Verlag kennt man vor allem wegen seiner „Was ist was“-Reihe für verschiedene Altersstufen. Im Herbst kommen etwa für Kinder ab 3 die Bände „Feuerwehr“ und „Die Zeit“ dazu. Kinder ab 8 erfahren Spannendes über „Elefanten“ und „Archäologie“.

Bei Jungbrunnen drehen sich viele Neuerscheinungen um das „Erforschen“ und „Sich-Trauen“: Zum Beispiel im „nicht nur netten, sondern ganz schön frechen“ ABC-Buch von Helga Bansch und Heinz Janisch. Mit „Maus, Maus, komm heraus“ hat auch Tyrolia ein bezaubernd illustriertes Bilderbuch von Helga Bansch im Programm.

Michael Stavarič schreibt nicht nur Gedichte (siehe S. 6), sondern auch Kinderbücher: Beim Aracari Verlag ist soeben „Der Bär mit dem roten Kopf“ erschienen. Das Buch für Kinder ab 4 hat Ulrike Möltgen mit Collage-Maltechniken illustriert.

Lauter Dauerbrenner Die Drachen kommen! Und zwar auf CD. Cornelia Funkes „Drachenreiter“-Saga bekommt Ende Oktober ein Spin-off. Das Besondere daran: „Drachenreiter – Die Vulkan-Mission“ erscheint zuerst als Hörspiel, gesprochen u. a. von Funke selbst, beim Hörbuchverlag Atmende Bücher, und erst im Frühjahr 2018 als Buch bei Dressler. Cornelia Funke ist mit mehr als 26 Millionen verkauften Büchern eine der international erfolgreichsten deutschen KinderbuchautorInnen.

Ein anderer gefeierter Kinderbuchautor verstarb im Juni: Michael Bond, der Erfinder von Paddington. Sein Bär lebt weiter: Bei Gulliver erscheint diesen Oktober ein großer Paddington-Sammelband.

Noch ein Bären-Dauerbrenner: Der „Kleine Eisbär“ von Hans de Beer kann auf eine 30-jährige Erfolgsgeschichte zurückblicken. Auf Deutsch erscheinen die Geschichten über den flauschigen Bilderbuchhelden beim NordSüd Verlag. Der neueste Band „Kleiner Eisbär. Lars und die verschwundenen Fische“ kommt im September.

Auch Carlsens „Conni“ ist in die Jahre gekommen: Das Mädchen im rot-weißen Ringelpullover feiert heuer sein 25-Jahr-Jubiläum. Mehr als hundert Conni-Bücher sind bereits erschienen. Auch dieses Jahr legt Carlsen mit mehreren Bänden nach. Außerdem wird die beliebte Reihe „Rico und Oskar“ von Andreas Steinhöfel fortgesetzt: In „Rico, Oskar und das Vomhimmelhoch“ (Carlsen, ab 10 Jahren) feiern die beiden Freunde ein chaotisches Weihnachtsfest.

Es weihnachtet schon Bei G&G erscheinen im Herbst mehrere Weihnachtsvorboten: „Der kleine Bär und der Weihnachtsstern“ (Nilpferd) ist ein Bilderbuch für Kinder ab 4. Außerdem im G&G-Programm: „Stanislaus, das Christkind-Pony“ und „Wie der kleine Fuchs das Christkind sucht“. Ravensburger kündigt für den Herbst eine Taschenbücher-Aktion namens „Weihnachtszauber“ an. Sie besteht aus vier ähnlich gestalteten Titeln mit Glitzerveredelung, darunter „Der Tag, an dem Weihnachten verschwand“.

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17.07.2017 11:33:53 Uhr

– Wissenswert – Kinder- und Jugendbuch

Die Bilanz eines außergewöhnlichen Bergsteigerlebens

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Neues gibt es erfreulicherweise auch von der mehrfach preisgekrönten österreichischen Autorin Renate Welsh und der Illustratorin Julie Völk: „Zeit ist (k)eine Torte“ (ab 9 Jahren, Obelisk).

Dem Thema Adoption widmet sich „Meine neue Mama und ich“ (NordSüd). Das Bilderbuch erzählt Kindern die Geschichte des kleinen Hundes und seiner Mama, einer Katze.

Politisch wird es in „König sein“ (Picus), in dem der Vogel Gilli gegen den absolutistisch herrschenden Löwen Leo revoltiert. Einen ernsten Hintergrund hat auch „Puppen sind doch nichts für Jungen!“ (Picus). Darin nimmt Ludovic Flamant mit Illustrationen von Jean-Luc Englebert traditionelle Geschlechterrollen aufs Korn.

Auch die Flüchtlingsthematik findet Einzug in die Neuerscheinungen: Magellan etwa hat „Mein Freund Salim“ als Taschenbuch im Programm.

Uticha Marmon erzählt darin von Hannes und seinem neuen syrischen Freund Salim.

Themen für Jugendliche Die Jugendbücher nehmen sich ebenfalls ernster Themen an. Bei Luftschacht erscheint im September „Tintenblaue Kreise“. Michael Roher erzählt da­rin von Biene, die Tätowiererin werden möchte, und der Frage nach dem Tod. Von Rafik Schami gibt es bald Neues zu lesen: Sein Roman „Sami und der Wunsch nach Freiheit“ (Beltz & Gelberg) ist die Geschichte von Scharif und Sami, ihren Kindertagen in Damaskus und ihrer Flucht.

Ebenfalls bei Beltz erscheint das Romandebüt der 19-jährigen (!) Lea-Lina Oppermann: „Was wir dachten, was wir taten“ dreht sich um die Konfrontation einer Schulklasse mit einem bewaffneten Maskierten. Claudia Pietschmann nimmt sich in „Cloud“ (Arena) des Phänomens Big Data an.

Ins Auge fällt auch „N° 9677 oder Wie mein Vater an fünf Kinder von sechs Frauen kam“ (Magellan).

Wie der Titel vermuten lässt, geht es um das Thema Samenspende.

Für junge Menschen ab 13 Jahren erscheint im August „ICH #wasauchimmerdasheißenmag“ (Tyrolia) von Sarah Michaela Orlovsky: Die 15-jährige Nono bekommt ein kleines Geschwisterchen und begibt sich auf Identitätssuche.

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Zum 75. Geburtstag in erweiterter Neuauflage!

Karin Steinbach / Peter Habeler

Das Ziel ist der Gipfel In Interviews und persönlichen Berichten erzählt Peter Habeler ehrlich und offen von Grenzerfahrungen, Triumphen und Niederlagen, von wichtigen Begegnungen und Freundschaften, von notwendiger jugendlicher Frechheit beim Älterwerden und warum es ihn immer noch, immer wieder gipfelwärts zieht.

51 farb. u. 21 sw. Abb., geb. m. SU ISBN 978-3-7022-2812-5 208 Seiten, € 24.90

Bestellen Sie zu Reisekonditionen bei: Mohr Morawa Buchvertrieb | A-1230 Wien Tel. +43 (0) 1 680 14 -5 | Fax: +43 (0) 1 688-71-30 bestellung@mohrmorawa.at

17.07.2017 11:33:54 Uhr

– Essenziell – Europäische Buchmessen im Vergleich

Pulsmessen Text: Elisabeth Schepe

N

ach Leipzig ist vor London und nach London ist vor Frankfurt.

Und dann kommt Wien: In der Buchbranche orientiert sich das Jahr an den Terminen der großen Messen. Heute schicken VerlegerInnen, AgentInnen und AutorInnen Verträge und Manuskripte per Mail, verhandeln via Skype, lesen Programmvorschauen als E-Paper. Trotzdem pilgern sie jedes Jahr nach Frankfurt, London und Bologna, nach Leipzig und nach Wien. Warum eigentlich?

In einer digitalisierten und globalisierten Geschäftswelt stehen Messen für etwas, das nicht versend- oder downloadbar und trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – von Bedeutung ist: die persönliche Begegnung. Diese Begegnung muss nicht zwingend dem Zweck eines Geschäftsabschlusses dienen. Während es in Frankfurt und London zu großen Teilen um den Rechteund Lizenzhandel geht, will die Branche auf Publikumsmessen wie Leipzig oder Wien ihren LeserInnen begegnen. Wenn Klaus Nüchtern von der „Festivalisierung der Literatur“ schreibt (siehe anzeiger 5), meint er damit auch große Lesefeste, die Publikumsmessen begleiten. Ohne sie würden die BUCH WIEN oder die Buchmesse Leipzig vermutlich nicht existieren. In Basel hat das Lesefest die Messe bereits abgelöst. Jahr für Jahr kämpfen die Messen um ihre Relevanz und verfolgen dabei unterschiedliche Strategien. Eine Typologie.

Die Frankfurter Buchmesse ist ein Fixtermin für Prominenz aus Politik und Kultur

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17.07.2017 11:37:59 Uhr

Frankfurt, London, Bologna, Leipzig und Wien messen jährlich den Puls der Buchbranche.

Ein Wegweiser durch die europäische Messelandschaft

Frankfurt: Die Grande Dame

Foto: Frankfurter b uchmesse – alexander h eimann

Frankfurter Buchmesse seit: 15. Jahrhundert nächster Termin: 11.–15. Oktober 2017 BesucherInnen 2016: 278.023 (172.296 FachbesucherInnen) Aussteller 2016: 7.153 aus 106 Ländern Zielgruppe: Geschäftsmesse; Sa + So Zugang für PrivatbesucherInnen Bekannt für: größte Buchmesse; Buchpreise Besonderheiten: The Arts+, Freundeskreis der Frankfurter Buchmesse (PrivatbesucherInnen an Fachbesuchertagen), Gastland 2017: Frankreich In Frankfurt am Main gab es bereits im 15. Jahrhundert eine Buchmesse. Ihre Bedeutung blieb lange unbestritten, bis ihr im 18. Jahrhundert die etwa gleich alte Messe in Leipzig den Rang als die Buchmesse ablief. Nachdem Leipzig hinter dem Eisernen Vorhang verschwunden war, veranstaltete der Börsenverein des Buchhandels 1949 in der Frankfurter Paulskirche die erste Messe der Nachkriegszeit. Bis heute ist sie die größte und internationalste Buchmesse der Welt.

Hier steht der gigantische Verhandlungstisch der Branche und alle wollen einen Platz daran. VerlegerInnen hetzen von Termin zu Termin. Dennoch sind viele wichtige Punkte schon vorab arrangiert. Zahlreiche BranchenvertreterInnen reisen am Wochenende vor der Eröffnung an. „Wenn die Messe beginnt, sind die großen Brocken schon längst verkauft“, weiß Martina Schmidt von Deuticke. Sie trifft in Frankfurt AgentInnen und ausländische VerlegerInnen. Dabei muss sie die Wegzeiten einrechnen: „Die Messe in Frankfurt ist so groß, dass man darauf achten muss, ob man den Termin in Halle 3 oder Halle 6 hat.“ Für sie bleibt das Vergnügen bei der größten

Buchmesse zunehmend auf der Strecke: „Die Verlage sparen, es gibt keine rauschenden Feste mehr.“ Einer der nach wie vor fixen Treffpunkte ist der Österreichempfang des HVB und des Bundeskanzleramts im Städel Museum. „Das ist einer der schönsten Abende.“ Martina Schmidt lacht. „Da mutieren viele plötzlich zu Wahlösterreichern.“ Frankfurt ist zwar eine Geschäftsmesse, trotzdem geht es nicht nur um einen guten Deal, sondern auch um eingeübte Rituale. Schmidt: „Heute werden Manuskripte per E-Mail verschickt. Eigentlich gibt es keinen Grund, sich an einem bestimmten Ort zu treffen. Doch wenn man nicht hingeht, würde es so wirken, als würde man sich zurückziehen.“ In Frankfurt werden auch politische Statements gesetzt. 2015 war Salman Rushdie als Eröffnungsredner geladen, woraufhin der Iran seine Teilnahme absagte. Messedirektor Jürgen Boos: „Die Rede- und Meinungsfreiheit zu verteidigen, ist zentrale Aufgabe aller Institutionen der Buchbranche. Den Buchmessen als internationale, öffentliche Veranstaltungen kommt hier eine besondere Rolle zu.“ Illustre Gäste wie Rushdie sowie die großen Buchpreise verschaffen Frankfurt die nötige Strahlkraft nach außen. So gilt die Fachmesse auch als „kulturelle Großveranstaltung“, wie Jürgen Boos sagt.

Trotz ihrer jahrhundertelangen Tradition wirkt die Messe alles andere als behäbig.

Im Gegenteil, der Wandel der Branche zeigt sich nirgendwo so konzentriert wie in den Messehallen von Frankfurt: Längst werden nicht mehr nur Bücher präsentiert, sondern auch technologische Innovationen und neue Geschäftsmodelle. Seit 2016 bringt die Programmschiene „The Arts+“ Unternehmen und Institutionen aus den Bereichen Kunst, Design und Architektur nach Frankfurt. „Museen mit jahrhundertealten Sammlungen treten mit ausgefeilten, digitalen Strategien in Erscheinung. Sie reichen von der Digitalisierung ihrer Sammlungen bis hin zu digitalen Formaten der Kunstvermittlung“, sagt Boos. „An diesen Schnittstellen entstehen neue Geschäftsfelder und Geschäftsmodelle.“ »

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17.07.2017 11:38:01 Uhr

– Essenziell – Europäische Buchmessen im Vergleich

Leipzig: Die Bunte für die Jungen

Leipziger Buchmesse seit: 15. Jahrhundert nächster Termin: 15.–18. März 2018 Besucherzahlen: 208.000/285.000 (mit „Leipzig liest“) Aussteller: 2.500 Zielgruppe: Fach- und Publikumsmesse; Comic-Fans Bekannt für: Leipzig liest, Manga Comic-Con Besonderheiten: junges Publikum, Literatur aus Ost- und Mitteleuropa, Fokus auf Medienbildung und Leseförderung

„Spotlight on India“ war einer der Programmschwerpunkte auf der diesjährigen London Book Fair

London Book Fair seit: 1971 nächster Termin: 10.–12. April 2018 BesucherInnen: ca. 25.000 aus 130 Ländern Aussteller: ca. 1.200 Zielgruppe: Geschäftsmesse Bekannt für: Lizenz- und Rechtedeals Besonderheiten: Cross-Media-Collection mit Pavillon für Videospiele, Apps, Comics und Graphic Novels; Excellence Awards Sie ist die weltweit zweitwichtigste Buchmesse nach Frankfurt und betont international: die London Book Fair (LBF) in der Olympia Grand Hall. Michael Gray vom Außenwirtschaftscenter der WKO in London weiß, warum es österreichische Verlage zur LBF zieht: „Hier knüpft und pflegt man Kontakte mit Geschäftspartnern aus aller Welt – auch zu denen, zu deren Heimatländern sich eine Dienstreise schwer rechtfertigen lässt.

So kann die LBF als Brücke zu neuen Märkten fungieren.“ Der britische Markt selbst scheint dagegen klein. Nur wenige Verlage kaufen fremdsprachige Titel ein.

Eine der wenigen, die aktiv auf der Suche sind, ist Juliet Mabey von Oneworld Publications. Ihr mehrfach preisgekrönter Verlag

F oto: Lo n d o n b o o k fa i r, S o dac a n

London: Der Marktplatz für alle Welt

brachte etwa die aus dem Deutschen übersetzten Panama Papers heraus. Oneworld ist jährlich in London und Frankfurt vertreten.

Juliet Mabey nutzt die Messen, um Angebote anderer Verlage zu besprechen und sich genauer über die jeweiligen Verkaufszahlen, etwaige Auszeichnungen und den Autor oder die Autorin zu informieren. Die endgültige Kaufentscheidung trifft sie üblicherweise erst ein paar Wochen nach der Messe. Heuer sicherte sich Mabey auf der LBF die UKRechte für das Buch zum Oscar-nominierten Film „Elle“. Laut der Website der Messe war das einer der „Top Deals 2017“.

In diesem Jahr war neben dem Kerngeschäft auch der Brexit das bestimmende Thema auf der LBF. Was bedeutet er für den Buchhandel? Einerseits steigen aufgrund des derzeit schwachen Pfunds die Exporte der britischen Verlagshäuser, andererseits klettern die häufig im Ausland anfallenden Druckkosten in die Höhe. „Der Ausgang des Referendums hat viele in der Verlagsbranche erschüttert“, sagt Michael Gray von der WKO. Die Londoner Buchmesse werde aber für deutschsprachige Verlage nicht an Reiz einbüßen: „Ungeachtet des Brexits bleiben London, das britische Verlagswesen und die Londoner Buchmesse sehr international aufgestellt.“

Auch wenn Frankfurt die Leipziger Buchmesse nach dem Zweiten Weltkrieg überholt hat, ist sie in der DDR weitergeführt worden.

Messedirektor Oliver Zille erzählt, wie sich die Stadt und die Buchmesse nach der Wiedervereinigung neu erfinden mussten. „Wir brauchten neues Publikum und neue Ideen.

Das war eine Notwendigkeit. Daher haben damals alle mitgemacht.“ So gelang der Buchmesse 1992 gemeinsam mit dem Lesefest „Leipzig liest“ ein Neustart und eine völlig andere Positionierung als Frankfurt.

Die Leipziger Buchmesse ist an allen Tagen für jede und jeden zugänglich. Der Rechte- und Lizenzhandel spielt hier außer für die ausländischen Verlage kaum eine Rolle.

Deuticke-Verlegerin Martina Schmidt findet das ganz gut: „Oft führe ich in Leipzig die

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17.07.2017 11:38:03 Uhr

besseren Gespräche, weil ich nicht so unter Druck bin.“ Das Lesefestival ist heute nicht nur ein Bestandteil der Messe, sondern ihre Raison d’Être. „Ohne ,Leipzig liest‘ ist die Buchmesse nicht zu denken“, sagt Zille. Die Lesungen werden in der ganzen Stadt abgehalten. Sie multiplizieren die Sichtbarkeit der Verlage und sind ein gutes Argument für potenzielle Aussteller.

Buchmesse und „Leipzig liest“ verschafften Leipzig und der Region im Jahr 2014 47 Millionen Euro Umsatz. Dass die Messe nach wie vor wächst, liegt auch an der Manga-Comic-Convention, die seit 2014 die Buchmesse ergänzt. Von den 206.000 BesucherInnen am Messegelände kam jede(r) Vierte wegen der Comic-Con. Leipzig fokussierte in den vergangenen Jahren vor allem auf junges Publikum – nicht nur mit der Comic-Con, auch mit Projekten wie dem Start-up Village und einer Plattform für BloggerInnen. Messedirektor Zille versteht Leipzig auch als „AutorInnen­messe“: „Wir müssen das wichtigste Element des Buchmarktes, nämlich die Autoren, auf die Messe bekommen.“ Daher bietet er ihnen an, sich mit einem eigenen Stand ohne Verlag auf der Messe zu präsentieren. Auch LehrerInnen will er verstärkt an die „Bildungsmesse Leipzig“ binden.

Hat Leipzig neben all diesen Zielgruppen auch noch anderes im Blick? „Mittelosteuropa hat einen hohen Stellenwert“, sagt Oliver Zille. „Für diese Länder ist der deutschsprachige Raum ein wichtiger Referenzmarkt.

Daher investieren sie stark in Leipzig.“ Und warum nicht in Frankfurt? „Hier ist ihre Sichtbarkeit viel höher als in Frankfurt, wo mehr als hundert Länder ausstellen.“

Bologna: Die GroSSe für die Kleinen

F o t o : b o l o g na c h i l d r e n ' s B o o k fa i r , Pa s q ua l e M i n o p o l i

Bologna Children’s Book Fair seit: 1963 nächster Termin: 26.–29. März 2018 Besucherzahlen: 26.000 (2016) Aussteller: 1.278 (2016) Zielgruppe: Kinder- und Jugendbuchbranche Bekannt für: Lizenz- und Rechtehandel; ­Präsentation von IllustratorInnen Besonderheiten: BolognaRagazzi Awards, Ehrengäste/Gastländer (2017: Katalonien, Balearen)

Foto: Leipziger Messe – Tom Schulze

In Leipzig treffen FachbesucherInnen auf LeserInnen und kostümierte Comic-Fans

An der „Illustrators Wall“ in Bologna können IllustratorInnen Zeichnungen und Visitenkarten hinterlassen

Kinderbücher, insbesondere Bilderbücher, verkaufen sich besonders gut über Ländergrenzen hinweg.

Nicht nur für Verlage und AutorInnen kann die Kinder- und Jugendbuchmesse in Bologna ein Sprungbrett sein. Jährlich sucht eine Jury besondere IllustratorInnen aus, deren Arbeiten in einer Ausstellung gezeigt werden. Auch der „International Award for Illustration“ wird während der Messe vergeben.

Hildegard Gärtner leitet den Wiener Jungbrunnen Verlag. In Bologna ist sie jedes Jahr am österreichischen Gemeinschaftsstand

vertreten. „Durch die Konzentration auf nur einen Bereich und die Überschaubarkeit kann in Bologna sehr effizient gearbeitet werden.“ Auch die Kinderbuchmesse reagiert auf die sich wandelnde Produktvielfalt. Eine ganze Halle ist dem Bereich „Bologna Digital Media“ gewidmet. „Digitale Produkte und Non-Books nehmen mehr Raum ein“, beobachtet Hildegard Gärtner. „Bei den Ausstellern haben Packager und Konzernverlage zugenommen.“ Wie in London oder Frankfurt wird in Bologna vieles vor und nach der Messe geklärt.

Doch manchmal spielt noch der Zufall eine Rolle. So zum Beispiel im Fall von Hildegard Gärtner: „Vor einigen Jahren habe ich in Bologna bei einem kanadischen Verlag ein Leporello der argentinischen Illustratorin ISOL gesehen, das mich gleich fasziniert hat.

Auf dem Rückweg zu meinem Stand traf ich einen Bekannten aus der Schweiz, dem ich begeistert von dem Buch erzählte, worauf er mir die Rechte anbot, weil er ISOL auf dem deutschsprachigen Markt als Agent vertrat.

Er hat den Text dann auch für uns übersetzt.

Im Jahr darauf wurde das Buch für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und ISOL bekam den Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preis.“

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17.07.2017 12:03:37 Uhr

– Essenziell – Europäische Buchmessen im Vergleich

„Die Messe war defizitär.

Der Schweizer Markt ist für die deutschen Verlage zu klein“ Katrin Eckert, Festivalleitung BuchBasel

Die BuchBasel hat auch Schaufensterlesungen im Programm

BuchBasel Nächster Termin: Internationales Literaturfestival am 10.–12. November 2017 BesucherInnen: 7.365 (2016) Zielgruppe: literatur- und politisch interessiertes Publikum, junge Erwachsene Bekannt für: Schweizer Buchpreis, international renommierte AutorInnen Besonderheiten: Die Buchmesse wurde 2012 eingestellt

Gemeinschaftsstand Auf folgenden internationalen Messen organisiert der HVB einen Gemeinschaftsstand, an dem sich österreichische Verlage beteiligen können Frankfurter Buchmesse (11.–15. 10. 2017) Belgrader Buchmesse (22.–29. 10. 2017) Leipziger Buchmesse (15.–18. 3. 2018) London Book Fair (10.–12. 4. 2018) Tehran International Book Fair (Mai 2018) Jerusalem International Book Fair (2019) Infos bzgl. internationaler Messen finden Sie unter buecher.at/service/messen Anfragen können Sie direkt an Patrick Zöhrer unter messe@buchwien.at richten.

Foto: B uch basel – ben kö ch li

Basel: das literaturfest

Die Schweiz hat seit 2012 keine eigene Buchmesse mehr. Die Messe, die das Literaturfestival Basel seit 2003 ergänzt hatte, wurde aus finanziellen Gründen eingestellt. Katrin Eckert übernahm 2012 die Gesamtleitung des Vereins LiteraturBasel. „Die Messe war defizitär“, erzählt sie. „Der Schweizer Markt ist für die deutschen Verlage zu klein. Ihre Beteiligung war einfach nicht ausreichend.

Außerdem fand die Messe drei Wochen nach Frankfurt statt.“ So kam es zu einem „existenzgefährdenden Defizit“. „Nicht nur die Messe, auch das Festival und der Schweizer Buchpreis waren in Gefahr.“ Die Messe wurde gestrichen, der Verein saniert. Bereuen die SchweizerInnen den Schritt? Katrin Eckert verneint. „Das Festival hat extrem profitiert. Jetzt bespielen wir viel mehr Orte in der Stadt und nicht nur drei Podien in der Messehalle.“ Das abgespeckte Literaturfestival verzeichnet heute stabile Bilanzen. Es punktet vor allem mit Lesungen prominenter AutorInnen. Vergangenes Jahr kamen etwa Christoph Ransmayr, Harald Schmidt und Ingrid Noll. Der Schweizer Buchpreis wird nach wie vor im Rahmen der Veranstaltung vergeben.

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17.07.2017 11:38:08 Uhr

Wien: Der ehrgeizige Newcomer BUCH WIEN

seit: 2008 nächster Termin: 8.–12. November 2017 BesucherInnen 2016: 43.000 Aussteller 2016: 350 aus 17 Ländern Zielgruppe: Lesepublikum Bekannt für: Lesefest, Lange Nacht der Bücher, Österreichischer Buchpreis Besonderheiten: 10-Jahr-Jubiläum, internationaler kultureller Austausch, Schulklassenprogramm, Osteuropa-Schwerpunkt

Foto: Buch Wien – LCM-Fotostudio-Richard-Schuster

Die BUCH WIEN entstand 2008 aus der Buchwoche heraus. Die hatte bis dahin ausschließlich im Rathaus stattgefunden. Heuer geht die BUCH WIEN zum zehnten Mal in der Reed Messe Wien über die Bühne. Ähnlich wie Leipzig ist sie eine Publikumsmesse und hat mit dem Lesefest ein eigenes Programm an Veranstaltungsorten auch außerhalb der Messe. Das Programm umfasst jährlich über 300 Lesungen und stellt so eine Verbindung und Interaktion mit der Stadt her.

Genau wie die ehemalige Messe in Basel folgt die BUCH WIEN zeitlich unmittelbar auf die Frankfurter Buchmesse. Kann sie neben den zwei deutschen Platzhirschen langfristig bestehen? „Der österreichische Markt ist nach wie vor sehr wichtig“, sagt Messeleiter Patrick Zöhrer. „Die großen deutschen Publikumsverlage kommen: Klett Cotta, C.H. Beck, S. Fischer, Piper, Ullstein, Rowohlt, Kie-

penheuer und Witsch, Droemer Knaur und Hanser.“ Das vielleicht beste Argument für sie: Die BUCH WIEN präsentiert ihre AutorInnen in Form von moderierten Gesprächen einem großen, lesebegeisterten Publikum.

Der Clou: Wer im Veranstaltungsprogramm der BUCH WIEN vertreten sein möchte, muss auf der Messe ausstellen.

Benedikt Föger, Präsident des HVB und Verleger des Czernin-Verlags, weiß, dass viele deutsche Verlage auch deshalb kommen, weil ihre prominenten österreichischen AutorInnen sich eine Teilnahme in Wien erwarten. Er sieht die Stärke der BUCH WIEN vor allem im direkten Kontakt zu den LeserInnen. „In Frankfurt und Leipzig arbeite ich Tag und Nacht. Doch dass ein Leser von sich aus zu mir kommt, passiert mir nur in Wien.“ Das heurige Messejubiläum wird noch mehr Interaktion mit den LeserInnen bringen. Die Verlage können erstmals ihre Bücher, genauso wie der Buchhandel, selbst an den Messeständen verkaufen. Mit dieser Neuerung will sich die BUCH WIEN von Frankfurt und Leipzig absetzen.

Während Benedikt Föger die „familiäre und fundierte“ Atmosphäre Wiens lobt, sagt

Deuticke-Verlegerin Martina Schmidt: „Ich sehe das ein bisschen wie einen Schulausflug der österreichischen Verlagsbranche. Man trifft die Kollegen, präsentiert die Autoren.“ Das Messeteam arbeitet jedoch an der Internationalisierung: „Einer unserer Schwerpunkte ist der politische und kulturelle internationale Austausch“, sagt Patrick Zöhrer.

Die österreichische Verlagslandschaft hat seit jeher einen Schwerpunkt im Bereich der ostund südeuropäischen Literatur. Zahlreiche AutorInnen aus mehr als zehn Donauländern präsentieren sich auch dieses Jahr wieder in einem eigenen Messebereich, der „Donau Lounge“, welche gemeinsam mit den Ministerien für Äußeres der Länder Ungarn und Österreich sowie der Arbeitsgemeinschaft Donauländer realisiert wird. Diese Schiene möchte Zöhrer in Zukunft noch stärker ausbauen. Der Messeleiter schielt sogar nach London, Shanghai, Peking und Guadalajara (Mexiko). Die dort stattfindenden Buchmessen sollen sich heuer in Wien im Rahmen eines Speaker-Programms vorstellen können. „So möchten wir die österreichischen Verleger überzeugen, die Messeauftritte im Ausland vermehrt für Lizenzgeschäfte zu nutzen.“

„Dass ein Leser von sich aus zu mir kommt, passiert mir nur auf der BUCH WIEN“ Benedikt Föger, HVB-Präsident und Czernin-Verleger

Mit mehr als 300 Programmpunkten ist die BUCH WIEN das größte Branchenevent des Landes

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17.07.2017 11:38:09 Uhr

– Bestseller –

Bestseller Hardcover Juni 2017 Belletristik

Sachbuch

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Reinhard Haller Nie mehr süchtig sein Ecowin Verlag € 24,00 9783711001238

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Ratgeber 1 3

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Carlos Ruiz Zafón Das Labyrinth der Lichter S. Fischer € 25,70 9783100022837

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Alexandra Reinwarth Am Arsch vorbei geht auch ein Weg MVG Verlag € 17,50 9783868826661 jamie purviance Weber’s Grillbibel Gräfe und Unzer € 25,70 9783833818639

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Im Auftrag des HVB ermittelt das Markt­forschungs­unternehmen GfK E ­ ntertainment GmbH monatlich die Bestseller für Belle­tristik, Sachbücher­­und Ratgeber.

Mit den Best­sellerlisten werden auf dem Absatz­weg Sortiments­buchhandel und E-Commerce 82 Prozent aller Bar­verkäufe in Österreich abgedeckt.

22_Anzeiger_07_08 22

17.07.2017 12:16:09 Uhr

Taschenbuch Juni 2017 Belletristik 1 1

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Sebastian Fitzek AchtNacht Knaur TB € 13,40 9783426521083

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4 neu Petra HÜlsmann Das Leben fällt, wohin es will

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Jojo Moyes Im Schatten das Licht Rowohlt TB € 15,50 9783499267352

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Jay Asher Tote Mädchen lügen nicht CBT € 9,30 9783570308431

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Kate Morton Das Seehaus Diana € 10,30 9783453359468

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Donna Leon Endlich mein Diogenes € 13,40 9783257243888

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Martin Walker Eskapaden Diogenes € 13,40 9783257243949

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John Strelecky Das Café am Rande der Welt dtv Verlagsgesellschaft € 9,20 9783423209694

2 3

Robert Betz Raus aus den alten Schuhen!

Heyne € 10,30 9783453703049

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Yeonmi Park Meine Flucht aus Nordkorea Goldmann € 10,30 9783442159130

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6

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5 2

Marcel Althaus Try Hard!

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6 9

Hetty van de Rijt, Frans X. Plooij Oje, ich wachse!

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Monika Bittl Ich will so bleiben, wie ich war Knaur TB € 13,40 9783426788929

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Deborah Feldman Unorthodox BTB € 10,30 9783442715343

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Nadja Hermann Fettlogik überwinden Ullstein TB € 10,30 9783548376516

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Marie Kondo Magic Cleaning Rowohlt TB € 10,30 9783499624810

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Wo in aller Welt?

So hast du unsere Erde noch nie gesehen 160 Seiten, gebunden, 301 x 252 mm mit 65 farbigen doppelseitigen Karten ab 10 Jahren € 20,60 (A) ISBN 978-3-8310-3337-9

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23_Anzeiger_07_08 23

17.07.2017 11:39:37 Uhr

– HVB-Mitglieder im Porträt – Verleger / edition lex liszt 12, Oberwart Porträt: Lukas Schöppl

Foto: RAiner max wegscheidler

„Es geht darum, sich mit den Menschen, die für einen schreiben, aus­einander­zusetzen“

D

Horst Horvath

ie Geschichte des Verlags ­edition lex liszt 12 ist eine des Zufalls und der jüngeren Zeitgeschichte Österreichs.

Der burgenländische Autor Peter Wagner wollte mit seinem Buch „Lafnitz. Ein Stück – O Piesa“ eine fiktive Geschichte über die Fluchtbewegungen nach der Rumänischen Revolution 1989 schreiben. Als sich dafür kein Verlag finden ließ, entstand aus Gesprächen zwischen dem Autor und Horst Horvath im Kunst- und Kulturzentrum „Offenes Haus Oberwart“ in der Lisztgasse 12 „ein Verlag mit unserem eigenen Gesetz“: edition lex liszt 12. „Ich wollte unbedingt, dass Wagners Flüchtlingsgeschichte gedruckt wird. Auch, wenn wir dafür erst einen Verlag gründen mussten.“ Die Nähe zur Grenze im Burgenland beeinflusst die Verlagsarbeit.

Bücher über Fluchtbewegungen erzählen im wahrsten Sinne auch grenzüberschreitende Geschichten. „Flucht ist für uns im Burgenland nichts Fremdes.“ Die edition lex liszt 12 hat sich dem Burgenland verschrieben. „Die edition widmet

sich auch der wenig beleuchteten Geschichte der Roma oder der jüdischen Bevölkerung im Burgenland.“ Der bekannteste Roma-Autor ist Stefan Horvath. Nach der Ermordung seines Sohnes durch den Briefbombenattentäter Franz Fuchs begann er zu schreiben. Im heurigen Frühjahr veröffentlichte der Schriftsteller bereits sein viertes Buch in der edition lex liszt 12.

Horst Horvath ist in der burgenländischen Kulturwelt zuhause und gestaltet diese mit. Neben dem Verlag leitet er verschie-

dene Kunst-, Kultur- und Bildungsprojekte.

Außerdem ist Horvath Projektleiter in der Roma Volkshochschule Burgenland und Mitinitiator des Kinderfestivals „Burg Forchtenstein Fantastisch“. „Der Verlag ist mehr ein Hobby, ich mache meine Arbeit ehrenamtlich. Durch meine Projekte kenne ich die Kulturszene und bin gut vernetzt. Diese Strukturen kann ich auch für meine Verlagsarbeit nutzen.“ Als wichtigsten Teil seiner Arbeit nennt Horvath seine Bemühungen um die AutorInnen. „Es geht in der Arbeit als Verleger darum, sich mit den Menschen, die ‚für einen‘ schreiben, auseinanderzusetzen und Geld aufzustellen, damit sie nicht selbst für die Erstpublikation in die Tasche greifen müssen. Dabei ist es auch wichtig, sie nicht einzuschränken.“ Bei der edition lex liszt 12 sind die Autorinnen und Autoren nicht vertraglich an den Verlag gebunden. „Bindung mit den Autoren soll entstehen, wenn sie uns mögen. Aber wenn sie bei einem größeren Verlag Erfahrungen sammeln wollen, soll man sie auch ziehen lassen. Manchmal kommen sie eh gern zurück und bei vielen Projekten sind alle immer wieder mit dabei!“

anzeiger / 24

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17.07.2017 11:40:54 Uhr

– HVB-Mitglieder im Porträt – Buchhändlerin / Kelten, Hallein

Brigitte Stadlbauer

Foto: Chris Hofer

Porträt: David Schwarzenbacher

A „Beim Lesen entstehen Abenteuer im Kopf“

uf dem Papier mag Hallein die zweitgrößte Stadt Salzburgs sein.

Dem malerischen Kleinstadtflair tut das aber keinen Abbruch. Auf gepflasterten Wegen und Plätzen reiht sich ein kleines Geschäft an das nächste, Friseur und Bäcker kennen sich beim Namen. „Da passen wir als kleine, aber feine Buchhandlung natürlich gut dazu“, sagt Brigitte Stadlbauer und schmunzelt. Seit mehr als 25 Jahren betreibt die gebürtige Salzburgerin in der Sigmund-Thun-Straße im Zentrum Halleins die Kelten-Buchhandlung, die sich perfekt in das Altstadtambiente einfügt. Der Name der Buchhandlung hat einen historischen Bezug: Vor mehr als 2.500 Jahren begannen die Kelten damit, am nahegelegenen Dürnberg Salz abzubauen. Das „weiße Gold“ war über Jahrhunderte die Grundlage für den Wohlstand der Gemeinde. Das ist, obwohl der Betrieb der Salinen in den späten 1980er Jahren eingestellt wurde, auch heute noch spürbar. „Bücher, die sich mit regionalen Themen rund um die Kelten und den Salzabbau beschäftigen, sind in der Regel schnell

vergriffen“, erzählt Brigitte Stadlbauer. Gerade bei StammkundInnen, und von denen gibt es in einer Kleinstadt naturgemäß viele, stoßen diese Werke auf großes Interesse.

Neben dem Angebot an historischen Büchern und einer exzellenten Beratung – jeder der insgesamt vier MitarbeiterInnen hat ein eigenes Spezialgebiet – ist die Kelten-Buchhandlung vor allem für ihr großes Sortiment im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur bekannt. „Die Leseförderung von Kindern war mir immer ein besonderes Anliegen.“ Regelmäßig organisiert Brigitte Stadlbauer Leseausstellungen in den Kindergärten, Schulen und Bibliotheken der Umgebung. „Kindern, die viel lesen, fällt das Schreiben von Aufsätzen wesentlich leichter.“ Fantasie und Kreativität werden angeregt. „Beim Lesen entsteht das Abenteuer direkt im Kopf.“ Brigitte Stadlbauers Leidenschaft für Kinderbücher – „unvergessen ist für mich ,Mio, mein Mio‘ von Astrid Lindgren“– spiegelt auch ihre eigene Geschichte wider. Aufgrund einer Sehstörung konnte sie bis zur dritten Klasse Volksschule selbst nicht lesen. „Ich komme aber glücklicherweise aus einer Familie, in der immer Geschichten erzählt worden sind“, erinnert sich die heute 65-Jährige, „vor allem mein Vater und meine große Schwester haben mir sehr viel vorgelesen.“ Auf die positive Wirkung des Vor­lesens werde heute bisweilen vergessen: „Der Vorteil ist, dass man als Erwachsener darauf einsteigen kann, wenn das Kind etwas nicht versteht.

Beide denken zur gleichen Zeit an das Gleiche. Das kann eine ungemeine Bereicherung für die Beziehung zueinander sein.“

Kelten Buchhandlung Sigmund-Thun-Straße 9 5400 Hallein

anzeiger / 25

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17.07.2017 11:40:55 Uhr

– HVB-Mitglieder im Porträt – Buchhändler / Wiental-Antiquariat & Buchhandlung, Pressbaum

Dieter Halama Wiental-Antiquariat & Buchhandlung Dr.-Niedermayr-Gasse 10

F o t o : c h r i s t o p h e r m av r i Č

3021 Pressbaum

Porträt: Lukas Schöppl

„Ich möchte, dass die Kinder das Buch als haptisches Medium kennen- und begreifen lernen“

D

as Berufsbild von Dieter Halama ist nicht leicht zu zeichnen. Fragt man ihn, was er arbeitet, bekommt man gleich mehrere Antworten: Kunsthistoriker, Restaurator, Buchhändler, Heimatforscher und Antiquar. „Momentan aber wohl am meisten Buchhändler“, sagt Halama und lächelt.

Dieter Halama führt keine klassische Sortimentsbuchhandlung. Das zeigt sich allein schon am Gebäude: Die prächtige Villa aus dem 19. Jahrhundert ist zugleich Wohn- und Arbeitsort Halamas. „Ich nutze die Räumlichkeiten als Verkaufsfläche, aber vor allem als Veranstaltungsraum für Lesungen und Vorträge. Im Sommer bin ich vor allem Schulbuchhändler.“ Die Bücher, die Halama das restliche Jahr über verkauft, sind historische Bände sowie Kinder- und Jugendbücher bei Schulbuchausstellungen. Er hat selbst bereits drei Bücher über das Wiental und den Wienerwald geschrieben.

Neben seinem üblichen Sortiment bietet Dieter Halama auch ganz besondere Bücher an: Bücher zum Selbermachen. Unter dem Namen „Mein Schulbuch“ veranstaltet er Buchbinde-Workshops für Schulen aus der Region. Halama stellt Materialien sowie Bilder und Texte zur Schul- und Ortsgeschichte zur Verfügung. So lernen die Schulkinder nicht nur etwas über die Geschichte ihres Wohnorts, sondern auch, wie ein Buch entsteht.

Stolz präsentiert Halama das „Pressbaumer Schulbuch“, eines der bunten Bücher, das ein Kind von der VS Pressbaum gebunden hat. „Es bereitet mir große Freude, mit den jungen Menschen zu arbeiten.“ In den Volksschulen der Umgebung ist der Buchhändler wohlbekannt: „Wenn ich mal wieder in eine Schule komme, erinnern sich viele Kinder an mich und an den Workshop.“ Halamas Augen leuchten. An acht verschiedenen niederösterreichischen Schulen bietet er bereits den „Mein Schulbuch“-Workshop an. Das Projekt ist ein Erfolg und macht auch vor der Hauptstadt nicht halt. „Eine Volksschule in Hütteldorf ist mein nächstes Projekt, da recherchiere ich gerade die Materialien.“ Neben seinen vielen Aufgaben ist Dieter Halama seit Kurzem auch wieder Student. Er arbeitet an seiner Dissertation. „Ich forsche über die Veranda als zentrales Element der Sommerfrische-Architektur im 19. Jahrhundert im Wienerwald.“ Mit Veranden kennt Dieter Halama sich aus. Seine Villa im niederösterreichischen Pressbaum hat gleich zwei davon. Eine von ihnen restauriert er gerade. „Ich versuche, die Veranda möglichst originalgetreu nach alten Plänen und Fotografien zu rekonstruieren. Es ist sehr spannend, der Materie, mit der man sich theoretisch befasst, auch praktisch näherzukommen. Wie bei den Buchbinde-Workshops.“

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17.07.2017 11:40:56 Uhr

– HVB-Mitglieder im Porträt – Vorstandsvorsitzender / Tyrolia

F o t o : M a r t i n Va n d o r y

Porträt: Lukas Schöppl

Christoph Schiemer D

er Name Schiemer ist mit dem Unternehmen Tyrolia eng verbunden.

Im Jahr 1907 wurde die Verlagsanstalt Tyrolia mit Sitz in Brixen gegründet und entwickelte sich rasant. Dr. Aemilian Schöpfer, Theologieprofessor und Verlagspräsident, engagierte 1909 den jungen Albert Schiemer, der 1917 zum Generaldirektor aufstieg. „Die Verlagsanstalt Tyrolia ist natürlich kein Familienunternehmen“, versichert Christoph Schiemer, „aber der Name Schiemer taucht schon recht früh auf.“ Die Spaltung von Tirol nach dem Ersten Weltkrieg markierte auch eine Zäsur im Unternehmen Tyrolia. Die in Südtirol verbliebenen Betriebe wurden unter dem Namen „Athesia“ als selbstständige Gesellschaft weitergeführt. In Nordtirol erfreute sich die Verlagsanstalt weiterhin eines raschen Aufstiegs. „Die Firmengeschichte der Tyrolia ist auch ein Teil der Geschichte des Landes Tirol.“ Während des Studiums der Rechtswissenschaften arbeitete Schiemer als Aushilfe im Verlagshaus, wenige Jahre später wurde er vom Aufsichtsrat in den Vorstand gewählt.

Tyrolia ist der führende Verlag für theo-

logische Fachliteratur in Österreich. Diese Sparte prägt das Programm seit den ersten Tagen. Einseitigkeit will Schiemer aber nicht als Beschreibung des Verlagsprogramms gelten lassen. „Natürlich beschäftigt sich die Philosophie des Verlags mit christlichen Werten, aber die Beschreibung greift zu kurz“, so Schiemer. „Der Verlag ist nicht nur auf religiöse Themen beschränkt.“ Neben Büchern zu religiöser Lebenshilfe, Firmung und Trauer finden sich auch andere Themen. Im Juni erschien zum Beispiel „Willkommen in Österreich“ über die Fluchtbewegungen im Sommer 2015. „Als Tiroler Verlag liegt uns auch Alpin- und RegionaliaLiteratur am Herzen. 2014 haben wir den Wiener Domverlag übernommen und mit ihm unser Kinder- und Jugendbuchprogramm erweitert. Ein Genre, das aus dem Tyrolia-Verlag nicht mehr wegzudenken ist.“ Tyrolia zählt achtzehn Buchhandelsfilialen in Österreich: fünfzehn davon in Tirol und jeweils eine in Vorarlberg, Salzburg und Wien.

„Die Geschichte der Tyrolia ist auch ein Teil der Geschichte von Tirol“ Christoph Schiemer ist für 200 MitarbeiterInnen verantwortlich. Wie schafft man es, bei so groß gewachsenen Strukturen den Überblick zu behalten? „Ich bin darum bemüht, dass ich mindestens einmal pro Jahr alle Standorte besuche. Wichtig für mich sind auch die Filialleitersitzungen. Da kann ich mir dann ein Bild machen, aktuelle Themen und Ideen besprechen“, erklärt Schiemer. „Die Strukturen sind mit uns gewachsen und wir mit ihnen. Das klappt alles ganz gut.“ Die Tyrolia-Buchhandlung am Stephansplatz feiert heuer ihr hundertjähriges Bestehen.

Der langjährige Mietvertrag und das ausgewählte Sortiment ermöglichen den Standort: „Wir haben Glück. Bei diesem Mietzins können wir an diesem besonderen Platz bleiben und weiterhin besondere Bücher verkaufen.“

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17.07.2017 11:40:57 Uhr

– Selbstredend –

Eigentlich wollte ich Buch h Erzählt der Historiker Kurt Bauer. Und warum er sich in seinen Werken mit dem Nationalsozialismus in Österreich beschäftigt Interview: Erich Klein Fotos: Christopher Mavric

D

er Zeithistoriker Kurt Bauer wurde 1961 in St. Peter am Kammersberg, einem Dorf in der Obersteiermark, geboren. Nach einer Lehre als Schriftsetzer absolviert er die Höhere Graphische Lehranstalt in Wien und arbeitet in diversen Verlagen. Sein Studium der Geschichte an der Universität Wien finanziert er sich als Buchlektor.

Neben Büchern aus dem Geist der populären Oral History über die „Faszination des Fahrens“ im beginnenden 20. Jahrhundert und dem ab den 1970er-Jahren im Verschwinden begriffenen Bauernstand erweist sich Kurt Bauer mit umfangreichen Studien als einer der besten österreichischen Kenner des Nationalsozialismus. „Elementar-Ereignis“ über den Aufstand der illegalen Nationalsozialisten in den Bundesländern wurde 2003 mit dem Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch ausgezeichnet. In „Hitlers zweiter Putsch“ gelang ihm der Nachweis, dass Hitler selbst den

Weitblick: der Historiker Kurt Bauer in seiner Arbeitsumgebung über den Dächern Wiens

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17.07.2017 11:44:56 Uhr

h händler werden Befehl zum Putsch gegen Engelbert Dollfuß erteilt hat. Sein neuestes Werk „Die dunklen Jahre“ ist die erste Gesamtdarstellung von Politik und Alltag im nationalsozialistischen Österreich zwischen 1938 und 1945. Das Buch erscheint am 26. Oktober 2017 im S. Fischer Verlag. Der anzeiger traf den Historiker in seiner Arbeitswohnung, hoch über Wien, im neunundzwanzigsten Stock eines Wohnturms am Wienerberg.

Sie gehören unter Österreichs Historikern der mittleren Generation zu den bekanntesten Erforschern des Nationalsozialismus. Horribile dictu – aber Ihre Bücher lesen sich spannend.

Kurt Bauer — Ich habe erst mit dreißig begonnen, über Geschichte zu schreiben.

Dabei war mein Ehrgeiz, nicht wie andere Historiker besonders trocken zu schreiben.

Ich wollte erzählen. So wie das Golo Mann in „Wallenstein“ oder Barbara Tuchman tun. Historiker neigen oft zu vielen Unterkapiteln. Ich versuche in meinen Büchern hingegen mit einfachen Hierarchien auszukommen. Was das Schreiben selbst betrifft, so beginne ich normalerweise mit der Hand und im Liegen zu schreiben. Auf diese Weise kann ich mich am besten konzentrieren. Ich setze mich erst später an den Computer. Die einzelnen Teile werden dann bis zu zehn Mal überarbeitet und verschoben. Am wichtigsten ist dabei immer der erste Satz.

Gute Schreiber sind meist auch gute Leser. Was waren Ihre ersten Leseerfahrungen?

Bauer — Ich komme aus dem Bezirk Murau.

Aus dem innersten Eck Österreichs zwischen Steiermark, Salzburg und Kärnten – völlig abgesondert von allen Zentren. Meine Mutter, die während der Arbeit an meinem letzten Buch „Dunkle Jahre“ leider gestorben ist, war bei Donauland. In den 1960er- und 1970er-Jahren war das ein richtiger Kulturbringer! Ich weiß nicht einmal mehr, wo sich damals die nächste Buchhandlung befand: vermutlich in Knittelfeld oder in Murau, wo es in der Papierhandlung vielleicht vierzig Bücher zur Auswahl gab. In Graz in die Buchhandlung Moser zu gehen, war schon ein Wahnsinn!

Was war Ihr erster Berufswunsch?

Bauer — Eigentlich wollte ich ­Buchhändler

werden. Ich wurde aber aus der Schule hinausgeschmissen, weil ich ein ziemliches Gfrast war. Ich habe die Bundeslehranstalt für Landwirtschaft in Raumberg im steirischen Ennstal besucht, das war wie eine HTL. Das heißt, Sie sollten eigentlich Bauer werden?

Bauer — Mein Vater hat bei der Wildbachverbauung gearbeitet. Er war ein sogenannter Baraber. Meine Mutter hatte eine Gemischtwarenhandlung. So wuchs ich in der Greißlerei auf. Sie hatte ein Klavier, war immer musisch interessiert und hat viel ge-

„Vielleicht hat mich das Lesen zur Geschichte gebracht.

Mir geht es auch um Geschichten“ Kurt Bauer

lesen. Und sie las uns vor. Es war sicher der größte Stolz für sie, dass ich Bücher schreibe. Kurz vor ihrem Tod habe ich ihr erzählt, dass mein neues Buch im S. Fischer Verlag erscheint. Das war ein Geschenk für sie! Aus dem Buchhändler wurde nichts: Hein in Klagenfurt und Leykam in Graz haben mich nicht genommen, von einer Wiener Buchhandlung ganz zu schweigen. Also wurde ich Schriftsetzer.

Sie haben eine Lehre gemacht – bis zur Gesellenprüfung inklusive Gautsch?

Bauer — Die hatten wir damals nicht. Ich kam nach Wien auf die Graphische und machte dort die Matura. Das war nach der dreijährigen Lehre möglich. Danach ging ich ins Verlagswesen – zuerst zum „Falter“, später zu Jugend und Volk und zu Ueberreuter.

Dort begann ich als Producer Manuskripte zu redigieren und wurde freiberuflicher Lektor, womit ich mein Studium finanziert habe.

Gab es irgendwann einen Geschichtslehrer, der Sie besonders geprägt hat?

Bauer — Nein. Aber mich hat Geschichte immer schon interessiert. Der Lehrer an der Graphischen war gut. Ich war sein Lieblingsschüler, weil ich schon alles wusste (lacht).

Ich kannte die bei Donauland erschienenen Geschichtsbände von Otto Meissner, der sehr spannend geschrieben hat. Und dann gab es die DURANT-Weltgeschichte, von der ich später dachte, das sei Käse. In Wirklichkeit waren auch diese Bücher ziemlich gut geschrieben. Die Ausführlichkeit, in der dort etwa die Glaubenskriege erklärt wurden, ist beachtlich. Vielleicht hat mich das Lesen zur Geschichte gebracht. Geschichte hat für mich immer mit Geschichten zu tun, auch wenn das im Zeitalter der Dekonstruktion nicht so modern gedacht erscheinen mag. Mir ist die große Erzählung wichtig.

Hauptthema Ihrer Arbeit ist der Nationalsozialismus. Einfach gefragt: Was hat das heutige Österreich mit dem Nationalsozialismus zu tun?

Bauer — Er ist ein Teil seiner Geschichte, ein schmerzhafter Teil. Man trifft noch immer auf Spuren, auch wenn damit oft hysterisch und mit erhobenem Zeigefinger umgegangen wird. Er ist natürlich auch ein Teil von jedermanns Lebensgeschichte, wenn man wie ich 1961 geboren wurde. Für meine Generation war er in der Kindheit in den Erzählungen der Wehrmachtsgeneration präsent, in all den Geschichten über das Jahr 1945.

Wie und warum wurde der Nationalsozialismus zu Ihrem wissenschaftlichen Forschungsobjekt an der Wiener Uni? Bauer — Ich interessierte mich anfänglich für das Spätmittelalter, konnte aber nicht gut Latein. Professor Weinzierl sagte eines Tages, es gibt zu wenig regionale Studien über die Nazis. Ich entschied mich dazu, die Obersteiermark zu untersuchen. Das wurde dann als Thema meiner Diplomarbeit vereinbart. Ich erinnere mich, dass ich in dieser Nacht ganz intensiv von meinem Großvater geträumt habe. Erst danach wurde mir klar, warum ich zu diesem Thema gekommen bin.

Geschichtsforschung als Verarbeitung der eigenen Familiengeschichte?

Bauer — Der Großvater war als Nationalsozialist in der Illegalität tätig »

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17.07.2017 11:44:57 Uhr

– Selbstredend –

­gewesen und wurde dafür nicht einmal eingesperrt. Das war immer präsent.

Ich sprach mit ihm aber nie darüber – als er starb, war ich neun. Offenbar wollte ich unbewusst mehr über meinen Opa erfahren.

Unter anderem kam ich drauf, dass er als Bezugsperson viel stärker präsent war als mein Vater. Der war wegen seiner Arbeit immer abwesend. Wenn man in Österreich über Nationalsozialismus schreibt, schreibt man immer auch Familiengeschichte.

Vor Ihren großen Studien über die Nazis haben Sie Bücher mit alltagsgeschichtlichem Hintergrund herausgegeben, Oral History. Eines behandelt die Faszination des Fahrens im beginnenden 20. Jahrhundert …

Bauer — Ich liebe dieses Genre. Ein Buch, das ich immer wieder lese, ist Walter Kempowskis „Echolot“. Ursprünglich kam ich während der Arbeit an meiner Dissertation dazu, als ich mich mit Nazi-Lebensgeschichten befasste. An der Uni Wien gibt es die sehr umfangreiche Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen von Professor Mitterauer. In der „Faszination des Fahrens“, das aufgrund eines Schreibaufrufes entstand, wird deutlich, wie wichtig für die Menschen damals die Motorisierung war. Die Möglichkeit, sich zu bewegen, wegzufahren, irgendwohin zu kommen, wirkte auf die Menschen viel stärker als die Politik. Aber das Buch war eigentlich nur ein Nebenprodukt.

e­ rschossen wurde. Es gab darüber ganze Legenden – das Interesse an der Geschichte war noch immer sehr groß. In der Hauptschule wurde dann sogar ein Videoprojekt darüber gemacht.

In „Hitlers zweiter Putsch“, Ihrem Buch über die Erstürmung des Bundeskanzleramtes am 25. Juli 1934, die mit dem Tod von Engelbert Dollfuß endet, heißt es an entscheidender Stelle ironisch: „In diesem Moment betrat der altgediente Türhüter Eduard Hedvicek die Bühne der österreichischen Geschichte.“ Was war dabei Ihre wichtigste Entdeckung?

Bauer — Eduard Hedvicek war schon immer bekannt. Mein Entdeckung war, dass Dollfuß zufällig erschossen wurde, und vor allem der Umstand, dass Hitler bei all dem im Hintergrund stand. Man hatte das zwar

Ihre nächste Geschichte „von unten“ über das seinerzeitige Leben der Bauern wurde ziemlich erfolgreich …

Bauer — Ich komme aus dieser Welt, auch wenn ich selbst kein Bauer bin. In meiner Jugend waren am Dorf noch viele Bauern.

Als mein Vater jung war, gab es dort praktisch nur Bauern. Das Buch schlug regelrecht ein. Seit 2004 sind vier Auflagen erschienen.

Siebzehntausend verkaufte Bücher sind am österreichischen Markt eine ziemlich beachtliche Zahl. Ich wurde auf nichts so oft angesprochen wie auf dieses Buch.

immer vermutet, es war aber nie klar nachzuweisen.

Kommen wir zum Jahr 1934. Warum ist der Juliputsch der Nazis, den Sie für ganz Österreich untersucht haben, fast vergessen, während der Februar 1934 sehr präsent gehalten wurde?

Bauer — Weil es den Dollfuß-Heldenmythos gab. Und es gibt nach wie vor beherrschende Mythen in beiden Lagern. Die einen haben Dollfuß, die anderen den Februar. Außerdem ist der Juliputsch am Land nicht ganz vergessen. Ich habe einmal einen Mordfall in Sankt Gallen in der Steiermark untersucht, bei dem der örtliche Gendarmerie-Inspektor

Warum eigentlich?

Bauer — In der NS-Forschung gibt es zwei Schulen – den Intentionalismus und den Funktionalismus. Wer ein Intentionalist ist – meist die konservativen Historiker –, sagt, Hitler hat die Geschichte befohlen. Die Funktionalisten, die in den 1970er-Jahren dominierten – damals galt das Schlagwort von Hitler als schwachem Diktator –, sagten: Das Ganze hat mit Hitler nichts zu tun. Die Österreicher waren selbst für alles verantwortlich.

Ich habe dann bei der Ausarbeitung eines

Vortrags in den Tagebüchern von Goebbels nachgeschlagen und festgestellt, dass da von einer Besprechung der „österreichischen Frage“ in Bayreuth die Rede ist. Man hatte sich am Juliputsch vieles nie erklären können, etwa den Zeitpunkt des Aufstandes der Nazis in den Bundesländern. Plötzlich wurde mir klar: Ich kann das Ganze durch detektivische Arbeit zusammensetzen und ein Hauptereignis der österreichischen Geschichte entschlüsseln. Bisher hat mir noch niemand das Gegenteil bewiesen. Wenn in der Geschichte von mir etwas bleiben sollte, dann ist es diese Arbeit. Mein Pech mit dem Buch über den Juliptusch war nur, dass es nicht allzu sehr wahrgenommen wurde. Es erschien zur Zeit des Hypes um den Ersten Weltkrieg Den Dollfuß-Mythos haben Sie so angekratzt.

„Ich konnte ein Hauptereignis der österreichischen Geschichte entschlüsseln“ Kurt Bauer

Bauer — Dass es kein Mord war und ich den Märtyrer-Mythos ein wenig aufbreche, gefällt der ÖVP nicht so sehr. Aber ich verstehe mich mit Historikern wie Helmut Wohnout sehr gut. Er meinte nur, man könne trotzdem von Mord sprechen, auch wenn es ein unglücklicher Zufall war. Das neue Wording dazu lautet heute: „Dollfuß wurde vielleicht nicht ermordet, aber er ist gefallen.“ Das Parlament ist gerade in einen Interimsbau am Wiener Heldenplatz übersiedelt. Was glauben Sie, wird der ÖVP-Club das legendäre Dollfuß-Bild auch ins provisorische Quartier mitnehmen?

F o t o : C h r i s t o p h e r M Av r i c

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17.07.2017 11:44:58 Uhr

Kramers Kinderstube Irmgard Kramer Bauer — Gute Frage: Vielleicht räumt es Kurz mit seiner neuen ÖVP weg und es gibt eine neue Sicht auf die Geschichte …

Wie kam es zu Ihrem neuen Buch „Dunkle Jahre“ über den Nationalsozialismus in Österreich zwischen 1938 und 1945?

Bauer — Ich wollte das Buch aus Lebensgeschichten zusammensetzen, weil ich Hunderte davon gelesen habe. Außerdem war mir bewusst, dass es kaum Monografien über die Nazizeit gibt. Auch wenn mein Buch sehr populär gehalten und politikgeschichtlich nicht übermäßig tiefsinnig ist, bleibt es vorerst bis auf eine Ausnahme das einzige. Österreichische Historiker schreiben immer nur Aufsätze, die sie dann weiter überarbeiten. Zu meiner Überraschung wollte es der Fischer-Verlag. Mein Buch über den Juliputsch war ihnen noch zu spezifisch österreichisch gewesen. Offenbar interessiert man sich heute in Deutschland mehr dafür, was die Ösis in der Nazizeit umtrieb.

Foto: darko tod orovic

In den letzten Jahrzehnten hatte man eher den Eindruck, dass österreichische Historiker ihre deutschen Kollegen an Schuldbekenntnissen noch übertreffen wollten …

Bauer — Das hat mit der Kriegsgeneration zu tun, mit der Achtundsechzigergeneration, die in den 1970er- und 1980er-Jahren die Ordinarien in der Zeitgeschichte übernahmen. Sie stellten auch die richtigen Fragen.

Es war notwendig, in der damals herrschenden Verdrängungsgesellschaft die Finger wirklich auf die Wunden zu legen und noch Salz draufzustreuen. Meiner Meinung nach wurde dann aber die frühere, selbstmitleidige Opferthese zur selbstquälerischen Täterthese, eine Art Selbstgeißelung. Man durfte nicht mehr sagen, dass Österreich nicht schlimmer als andere Gesellschaften war.

Dass österreichische Nazis überproportional mehr Verbrechen begingen als deutsche, weisen Sie an einer Stelle als nicht empirisch ­belegbar zurück …

Bauer — Das geht nicht auf mich zurück. Der Historiker Bertrand Perz hat einmal genau untersucht, wie diese Geschichte entstanden ist. Einer zitiert den anderen, am Ende weiß niemand mehr, woher es kommt. Es ist eine Legende. Simon Wiesenthal meinte einmal, drei Millionen Juden wurden von Österreichern ermordet. Man hätte auch sagen könne, Hitler war Österreicher, also war er für sechs Millionen Ermordete verantwortlich.

Ein kurioses Paradox österreichischer Geschichtspolitik ist die Schamhaftigkeit in ­Bezug

auf Leopold Figl, der einerseits sehr populär war, andererseits wird kaum gesagt, dass einer der Gründer der Zweiten Republik ehemaliger KZ-Häftling war …

Bauer — Ich habe Figl immer geschätzt, er hat Großartiges zustande gebracht. In „Dunkle Jahre“ nimmt er auch eine prominente Stelle ein. Ich kann mit Karl Renner sehr viel weniger anfangen, auch ist er mir nicht besonders sympathisch. Figl symbolisiert für mich viel mehr den Anfang als Renner, der aus der alten Zeit stammte.

Das Buch besteht aus einem Dutzend unterschiedlicher Lebensläufe. Welche Figur stellt für Sie selbst die markanteste Österreich­ geschichte dar?

Bauer — Man lernt im Zuge der Arbeit alle kennen. Da gibt es zum Beispiel einen Dr. ­Rufingshofer aus Klosterneuburg, der bei der PSK gearbeitet hat und schon in den 1930er Jahren ein grauslicher und großkotziger Nazi gewesen ist. Er beschreibt den Anschluss genau. Es überkommt einen der Zorn, wenn man ihn in der jubelnden Masse mitlaufen sieht. Er versteht sich als Kulturmensch, geht ins Theater, notiert jedes Buch, das er liest.

Mit dem Führer ist er ganz glücklich, bis er nach Kassel versetzt wird und allmählich beginnt, von seiner früheren Position abzurücken. Irgendwann schreibt er: „Hier in der Fremde merkt man, was man an der Ostmark hat.“ Er wird zu einem österreichischen Patrioten?

Bauer — Es gibt für ihn plötzlich nicht mehr die Ostmark, sondern nur noch Österreicher.

Seinen Sohn tauft er nicht Adolf oder Horst, sondern Eugen, um ihn in der österreichischen Tradition zu verankern. Er verwandelt sich von einem Nazi zurück in einen Österreichpatrioten. Er hadert zum Beispiel auch lange mit seinem Kirchenaustritt im Jahr 1938. Wenn er aus Kassel nach Wien kommt, geht er sofort in die Kapuzinergruft oder in Klosterneuburg in die Ostermesse. Seine innerliche Abwendung von den Nazis hat auch eine merkwürdige Form: Er fragt sich, wann denn nun die Vergeltung komme, von der Hitler gesprochen hat. Hitler hat davon 1943 gesprochen. Rufingshofer wird als Beamter nicht eingezogen, sein Tagebuch bricht aber 1945 ab, als er zum Volkssturm kommt. Er erhält einen Schenkeldurchschuss und stirbt im Lazarett.

Finis Austria – die Zweite Republik kann beginnen. Mit dem „anderen“ Österreich, den Kommunisten, gehen Sie ziemlich harsch um.

Sie hätten gut für eine schlechte ­Sache »

Jugendbuchautorin

Neuntausender-Grenze Warum es zu viele Kinderbücher gibt Gibt es in Ägypten eigentlich viele SchriftstellerInnen? Kann ich mir kaum vorstellen. Weil bei 48 Grad – das soll in Luxor vorkommen – kann man doch nicht mehr klar denken. Oder werden in Ägypten die Pyramiden an SchriftstellerInnen vermietet? Sitzt da in jeder kühlen Grabkammer ein munter vor sich hin erfindender Geschichtenerzähler, ein Schlückchen Dattelwein aus der Amphore, ein Schlafmohnpfeifchen für die optimale Inspiration? Ich übersiedle in die Waschküche und beende meinen Jugendroman. Sieben Jahre habe ich daran geschrieben.

Ein letztes Mal sehe ich das Lektorat durch. Eigentlich ein schöner Moment. Wären da nicht die vielen Stimmen in meinem Kopf: „Das Jugendbuch ist tot! Ab zwölf liest sowieso keiner mehr! Wenn du unbedingt schreiben willst, dann schreib ein Bilderbuch! Und bloß keine neue Kinderbuchserie!

Wir wissen nicht mehr, wohin mit all den magischen Läden.“ Buchleute sind verzweifelt. Vor allem seit die NeuntausenderGrenze geknackt wurde: In einem Jahr erscheinen mehr als 9.000 Kinder- und Jugendbücher auf dem deutschsprachigen Markt.

Erstauflagen. Zu viel von allem.

Die totale Überforderung. Selber schreiben ist der blanke Irrsinn.

Meine Hoffnung geht in Richtung Ägypten: Vielleicht bleibt es so heiß, die Menschen suhlen sich in Schwimmbädern und kommen gar nicht erst auf die Idee, ein Buch zu schreiben.

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17.07.2017 11:44:58 Uhr

– Selbstredend –

»

„Die Verharmlosung des Stalinismus hat mich immer gestört. Mich ärgert Selbstgerechtigkeit“ Kurt Bauer

Der Aufforderung, sich immer wieder mit dem Nationalsozialismus zu beschäftigen, steht jene nach einem Schlussstrich gegenüber – man soll die Geschichte endlich ruhen lassen …

Bauer — Wenn ich die Zeit besser lassen sollte, hätte ich kein Buch geschrieben.

Was haben Sie in dieser Zeit für sich selbst gefunden?

Bauer — Eine gute Frage. Ich habe viel über die Zeit, über die ich schon vorher einigermaßen Bescheid wusste, gelernt – vor allem über die Menschen. Dass nicht alles schwarz und weiß ist, sondern vieles sehr grau. Da gibt es etwa die Geschichte einer Frau ­Bammer, die immer eine Nazigegnerin war. Als sie nach Kriegsende eine Gruppe von Kriegsheimkehrern durch die Wiedner Hauptstraße gehen sieht, regt sie sich auf, wie schlecht diese Männer, die für die Heimat gekämpft haben, jetzt behandelt würden. Ich war höchst erstaunt darüber, dass sie das genau so formuliert hat. Fast wie die ehemaligen Nazis später argumentieren sollten. Ist das eine Lehre? Ich weiß nicht.

Das Buch ist Ihrer Mutter gewidmet, deren Kindheit in die Zeit des Nationalsozialismus fiel.

Bauer — Das meiste wurde mir anfangs durch ihre Erzählungen vermittelt. Was allerdings nicht sehr viel war. Sie erzählte oft von den beiden Bomben, die 1945 auf ihren

Ort fielen. Ich habe einmal genau rekonstruiert, dass es sich um den ersten Angriff auf Salzburg gehandelt hat, den auch Thomas Bernhard beschreibt. Es gab in der Nähe ein RAD (Reichsarbeitsdienst, Anm.)-Lager, das die Piloten auf dem Rückflug treffen wollten. In meiner Kindheit habe ich noch Überreste dieses Lagers gesehen. Meine Mutter lief aus der Volksschule in den Keller, plötzlich erfolgte die Explosion und sie wurde von der umfallenden Schultafel am Kopf getroffen.

Ihre kleine Schwester fiel zu Hause von der Fensterbank. Sie hat auch vom Menschenstrom am 8. Mai 1945 erzählt, der durch die Gegend kam. Ihre Kindheit fand tatsächlich im Dunkel jener Jahre statt. Sie ist Jahrgang 1937 und stammte aus einer Nazifamilie. Als sie zu Beginn der 1950er-Jahre nach Klagenfurt auf die Handelsschule kam, hatte sie in ihrem Zimmer ein Hitlerbild. Ich habe das anfänglich gar nicht geglaubt. Doch erst als ihr eine Freundin erzählt hat, was der Hitler alles verbrochen hatte, hat sie das Hitlerbild zerrissen. In der Familie hat ihr offenbar niemand erzählt, dass dieses Bild jetzt nicht mehr geht.

Bücher von Kurt Bauer Als Herausgeber: „Faszination des Fahrens. Unterwegs mit Motorrad und Automobil“ (Böhlau 2003) „Bauernleben. Vom alten Leben auf dem Land“ (Böhlau 2014, 4. Auflage) Als Autor: „Hitlers zweiter Putsch. Dollfuß, die Nazis und der 25. Juli 1934“ (Residenz 2014) „Die dunklen Jahre. Politik und Alltag im nationalsozialistischen Österreich 1938–1945“ (S. Fischer 2017)

Kurt Bauer liest auf der BUCH WIEN 17 Freitag, 9. 11., abends: Volkskundemuseum Sonntag, 11. 11., 15 Uhr: Forum, Messehalle D

Die Zweite Republik begann mit dem sogenannten „Lagerstraßenkonsens“. Der wurde ab den 1980er-Jahren besonders verachtet: Gräben zuschütten, das Vergangene vergessen.

Bauer — Ein Funke Wahrheit ist auch dran.

Die Erfahrung des KZ Dachaus war sicher von Bedeutung bei der Überwindung der Katastrophe. Diese große Erzählung ist sicher nicht ganz verkehrt. Ich habe auch noch keine plausible Alternativerzählung gehört.

Irgendwann muss man ja ein wenig dazulernen. Was das Verdrängen betrifft: Wenn man zusammenleben will, müssen vermutlich manche Dinge weggeschoben werden. Man müsste selber in der Situation der damaligen Gesellschaft oder der Politiker sein, um es zu beurteilen. Stell dir vor, du brauchst zum Beispiel Ärzte – aber die sind alle Nazis. Was tust du dann, wenn du in deinem Land trotzdem Ärzte brauchst?

Der Historiker Raoul Hilberg meinte einmal, die eigentlichen Denkmäler des Nationalsozialismus sind die Akten aus dieser Zeit. In Wien wurde seit dem Beginn der Zweiten Republik fast in jedem Jahrzehnt ein neues Denkmal im Gedenken an die Opfer der Nazis errichtet.

Fehlt noch etwas?

Bauer — Sie meinen, ob es noch eine Opfergruppe gibt, die noch nicht bedacht wurde?

Die toten Kommunisten? Wenn mir etwas als Denkmal imponiert, dann ist es jenes am Judenplatz. Ich glaube nicht, dass wir weitere Denkmäler brauchen. «

F o t o : C h r i s t o p h e r M Av r i c

gekämpft. Die Kommunisten hatten die größte Zahl an Opfern des Widerstandes zu beklagen …

Bauer — Das Einzige, was die Kommunisten als Pluspunkt vorweisen können, sind die Märtyrergeschichten aus dem Zweiten Weltkrieg. Man muss einerseits bewundern, wie die Menschen in aller Selbstlosigkeit gekämpft haben, gleichzeitig stellt sich die Frage: wofür? Die Frage geht mir schon lange im Kopf herum, ich wollte sogar einmal ein Resümee über den Widerstand schreiben. Die Menschen wurden von der Parteiführung in den Tod getrieben. Zugleich wird ständig heruntergespielt, was die Kommunisten eigentlich wollten. Die Verharmlosung des Stalinismus hat mich immer gestört und mich ärgert die Selbstgerechtigkeit der Linken. Über die ehemaligen Nazis wird geschimpft.

Was aber den Kommunismus betrifft, da ist man so unverbesserlich wie die alten Nazis.

Man regt sich zu Recht über diesen blödsinnigen Burschenschafterball auf. Wenn aber am 1. Mai Türken mit Stalinbildern über den Ring marschieren, findet man das witzig und halt ein wenig zurückgeblieben.

anzeiger / 32

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17.07.2017 11:45:00 Uhr

– Klassiker – neu entdeckt

Mondäne Melancholie Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (1913) Von Marcel Proust Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen.

Manchmal, wenn ich noch kaum die Kerze ausgelöscht hatte, schlossen sich meine Augen so schnell, dass ich nicht mehr die Zeit hatte, mir zu sagen: „Jetzt schlafe ich ein.“ Und eine halbe Stunde später weckte mich dann der Gedanke, dass es nun Zeit sei, den Schlaf zu suchen; ich wollte das Buch, das ich noch in meinen Händen glaubte, zur Seite legen und mein Licht ausblasen; ich hatte auch während ich schlief nicht aufgehört, über das gerade Gelesene nachzudenken, aber diese Gedanken hatten einen etwas seltsamen Gang genommen; es schien mir, als sei ich selbst das, wovon das gelesene Werk erzählte; eine Kirche, ein Quartett, die Rivalität zwischen Franz I. und Karl V. Diese Einbildung hielt sich noch einige Sekunden, während ich erwachte; sie verstörte nicht

Weshalb wir das lesen sollen. anleitung von erich Klein.

Marcel Proust (1871–1922), asthmakrank seit seiner Kindheit, gelernter Jurist und Kurzzeitbibliothekar, Verwandter des Philosophen Henri Bergson, unter dessen Einfluss er gerät, beginnt mit seinem siebenbändigen Romanzyklus „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ nach dem Tod seiner Eltern. Zwar erlaubt ihm das ererbte Vermögen das Leben eines Privatiers, allein, dieser Verlust und die unglückliche Liebe zu seinem Chauffeur stürzen den Autor mit Dandy-Allüren in tiefe Depression. Alle Heilungsversuche mittels Therapiemethoden wie „Isolation“ und Nötigung zu „unwillkürlicher Erinnerung“ fruchten nicht; sie stellen aber schließlich die äußeren Bedingungen für den Schriftsteller dar. Proust schreibt schalldicht von der Außenwelt abgeschlossen. „À la recherche du temps

etwa meine Vernunft, sondern lag wie Schuppen auf meinen Augen und hinderte sie, sich darüber klar zu werden, dass der Kerzenleuchter nicht mehr brannte. Schließlich begann sie, mir immer unverständlicher zu werden, wie nach der Seelenwanderung die Gedanken einer früheren Existenz; der Gegenstand des Buches löste sich langsam von mir, ich war wieder frei, mich damit zu beschäftigen oder nicht; sogleich gewann ich das Sehvermögen wieder zurück und war sehr erstaunt, um mich herum ein Dunkel zu finden, das sanft und erholsam war für meine Augen, aber vielleicht sogar mehr noch für meinen Geist, dem es wie eine Sache ohne Ursache erschien, unverständlich, wie eine ganz und gar dunkle Sache. Ich fragte mich, wie spät es wohl sein mochte; ich hörte das Pfeifen der mehr oder weniger fernen Züge, das wie ein Vogellied im Wald die Entfernungen verdeutlichte und mir die Weite der verlassenen Landschaft beschrieb, durch die der Reisende der nächsten Station zueilt; die kurze Strecke, der er folgt, wird sich seiner Erinnerung einzeichnen durch

perdu“ ist eine Vivisektion der Pariser Belle Époque am Vorabend des Ersten Weltkriegs aus biografischen Gründen.

Mit maximaler Lakonie taucht der Erzähler schon im ersten Satz in ein grenzenloses Reich der Schlaflosigkeit und der Literatur ein: „Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen.“ Anstatt aber einzuschlafen, erfolgt sogleich eine fantasierte Reise „über Jahrhunderte der Zivilisation hinweg“ nach Combray, wo Marcel seine Kindheit bei den Großeltern verbrachte. Proust evoziert immer wieder derartige Momente der Ekstase: durch scheinbar banale Ereignisse wie ein Stolpern, den Anblick einer Weißdornhecke oder durch den Geschmack einer Madeleine ausgelöst, scheint die Welt stillzustehen. Die Zeit ist gleichsam „wiedergefunden“. Als Vorderund Hintergrund derartiger privater Erleuchtungen entsteht ein überbordendes Paris-Porträt aller Gesellschaftsschichten.

die Erregung, die er neuen Städten verdankt, ungewohnten Tätigkeiten, der vor kurzem geführten Unterhaltung und dem Abschied unter einem fremdartigen Licht, der ihm noch nachfolgt in die Stille der Nacht, zu der bevorstehenden Süße der Heimkehr.

Ich schmiegte meine Wangen zärtlich an die sanften Wangen des Kissens, die so voll und frisch den Wangen unserer Kindheit gleichen. Ich riss ein Streichholz an, um auf die Uhr zu sehen. Gleich Mitternacht. Dies ist der Augenblick, da der Kranke, der zu einer Reise gezwungen gewesen ist, in einem unbekannten Hotel hat einkehren müssen und von einem Anfall geweckt wird, sich freut, wenn er einen Streifen Tageslicht unter der Tür entdeckt. Welch Glück, es ist ja schon Morgen! Gleich werden die Dienstboten aufgestanden sein, er wird läuten können, man wird kommen, ihm zu helfen. Die Hoffnung auf Erleichterung gibt ihm die Kraft zu leiden. Eben schon hat er geglaubt, Schritt zu hören; die Schritte nähern sich, entfernen sich dann. Und der Streifen Tageslicht, der unter seiner Tür lag, ist verschwunden. Es ist Mitternacht: man hat gerade das letzte Gaslicht gelöscht; der letzte Dienstbote ist gegangen, und er wird die ganze Nacht leiden müssen ohne Beistand.

Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Band 1. Auf dem Weg zu Swann Übersetzung und Anmerkungen von BerndJürgen Fischer Reclam Bibliothek, Stuttgart 2013

Das Buch enthält insgesamt an die fünfhundert Personen, wobei das Hauptaugenmerk auf dem Salon um den aristokratischen Faubourg Saint-Germain liegt. Proust versteht es, psychologisierend alles zu inszenieren: versteckte Leiden­ schaften und unverhohlen schwule Liebes­­­geschichten, Kutschenfahrten und jugendliche Eifersucht ebenso wie das Geplänkel der Salons über eine WagnerOper oder die Affäre Dreyfus. Die Welt mondäner Melancholie ist im Jahre 1913, als der erste Band der „Suche nach der verlorenen Zeit“ erscheint, gerade dabei, unwiederbringlich unterzugehen. Allein, der Erzähler weiß von Beginn an, dass sich ein Moment trotz allen schriftstellerischen Eifers ohnedies nie wieder einstellen wird: „Wenn ich hinaufging, um mich schlafen zu legen, so war mein einziger Trost, dass Maman, wenn ich im Bett läge, kommen würde, um mir einen Gutenachtkuss zu bringen.“

anzeiger / 33

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17.07.2017 11:48:14 Uhr

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Impressum Herausgeber: Hauptverband des Österreichischen Buchhandels/ ISSN 0003-6277, Grünangergasse 4, 1010 Wien, T: +43 1/512 15 35, F: +43 1/512 84 82, www.buecher.at Geschäftsführung: Gustav Soucek Projektleitung: Teresa Preis, DW 11, preis@hvb.at Abonnements: Ulrike Hütter, DW 14, huetter@hvb.at Bezugspreis: (Inland) Jahresabonnement EUR 109,–, für Mitglieder EUR 54,– zuzüglich 10 % MwSt. Medieninhaber, Konzept, Redaktion und Herstellung: Falter Verlags­gesellschaft m. b. H., Bereich Corporate Publishing, Marc-Aurel-Straße 9, 1011 Wien, T: +43 1/536 60-0, E: magazine@falter.at, www.falter.at Chefredaktion: Christian Zillner, DW 926, Elisabeth Schepe, DW 946 Redaktion: Lukas Schöppl, DW 971 AutorInnen dieser Ausgabe: Jürgen Lagger, Erich Klein, Irmgard Kramer, David Schwarzenbacher, Erwin Uhrmann Fotograf: Christopher Mavrič Illustrator: Georg Feierfeil Gestaltung: Barbara Blaha, Raphael Moser Lektorat: Ewald Schreiber Produktion: Daniel Greco Geschäftsführung: Siegmar Schlager Anzeigenleitung: Sigrid Johler, DW 952, johler@falter.at Anzeigen: Sebastian Fuchs, DW 942, fuchs@falter.at Abwicklung: Oliver Pissnigg, DW 919, Franz Krassnitzer, DW 940 Die Offenlegung gem. § 25 Mediengesetz ist unter www.falter.at/offenlegung/falter-verlag ständig abrufbar

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