Anzeiger 5/17

05 2017

anzeiger

Das Magazin für die österreichische Buchbranche

Traumberuf Knochenjob

Nur Book oder Non-Book?

Die Erregung lässt nach

Unser Branchennachwuchs steht vor großen Herausforderungen. Er verdient unsere besondere Aufmerksamkeit

Das ist die Frage, die sich viele BuchhändlerInnen stellen. Meinungen dazu und neue Trends im Non-Book-Bereich

Der kroatische Autor Zoran Ferić beklagt die Schwierigkeit, über Sex zu s­ chreiben.

Und Kroate zu sein

Ö s t e r r e i c h i s c h e P o s t A G M o n a t s z e i t u n g / M Z 0 2 Z 0 3 0 8 7 7 M / 1 5 2 . J a h r ga n g

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Der aktuelle Bestseller

Michael Lehofer

Hardcover / Schutzumschlag 168 Seiten € 19,– ISBN 978-3-99100-205-5

Ebenfalls im Frühjahr erschienen:

Braucht Gott die Religion? Brauchen wir sie?

Ein hermetisch er Text aus dem Mittelalter provoziert 1000 Jahre nach seinem ersten Auftauchen

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15.05.2017 11:55:00 Uhr

t r ie g e r r e ie w l, il w r e Wie er tickt, was Als Christian Kern zum Bundeskanzler aufstieg, ging ein Ruck durch das Land: Nicht wenige hatten einen technokratischen Manager erwartet, doch Kern versprach: „Wir wollen die Fenster aufmachen und frische Luft hereinlassen.“ Wer ist der neue Kanzler und SPÖ-Vorsitzende? Wie tickt er, woher kommt er, wofür brennt er? Kann er es schaffen, die müde Traditionspartei der Sozialdemokratie zu entstauben?

Der Autor Robert Misik hat seit den ersten Tagen von Kerns Kanzlerschaft einzigartige Einblicke hinter die Kulissen und führt für dieses politische Porträt viele Gespräche mit dem Kanzler, seinem Team, seinen Weggefährten. Ein Porträt aus der Nähe, in dem Kerns Pläne für eine radikale politische Erneuerung deutlich werden.

Wer keine Visionen hat, braucht einen Arzt.

Christian Kern

Robert Misik | Christian Kern | Ein politisches Porträt 224 Seiten | Format 140x220 | Hardcover | EUR 22,00 ISBN 978 3 7017 3411 5

residenzverlag.at

– 152. Jahrgang –

„Die BUCH WIEN feiert heuer im November bereits ihre zehnte Ausgabe“ Benedikt Föger

D

er Wert von Pressefreiheit und Meinungsäußerung ist derzeit auf der ganzen Welt Thema – auch und wieder vermehrt in Europa. Umso wichtiger ist daher eine Auszeichnung wie der Ehrenpreis des Österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln, den der HVB gemeinsam mit der Buch- und Medienwirtschaft der WKO stiftet.

Als starke Stimme für freie Meinungsäußerung ist die türkische Autorin Elif Shafak eine würdige Preisträgerin für diese höchste Auszeichnung, die der heimische Buchhandel zu vergeben hat. Die aktuelle Situation von JournalistInnen und AutorInnen in der Türkei wertet die Zuerkennung zusätzlich auf und ist ein Signal an alle demokratischen Kräfte in Europa (S. 10).

In „Essenziell“ widmet sich diese Ausgabe ab S. 16 dem Branchennachwuchs: den steigenden Anforderungen, Netzwerken und Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Auch für „Kurz gesagt“ (S. 7) haben wir die Frage gestellt: „Wo sind die Jungen?“ – und vier spannende Antworten erhalten.

Markus Hatzer (Haymon Verlag), Birgit Stark (Buchhandlung Stark), Wolfgang Edelmann (Othmar Edelmann GesmbH) und Domenico Jacono (Antiquariat Domenico Jacono) sind diesmal die „HVB-Mitglieder im Porträt“ ab S. 24. Wir möchten an dieser Stelle Wolfgang Edelmann für die jahrelange und enge Zusammenarbeit herzlich danken und wünschen ihm alles Gute für die Zukunft!

FOTO: LUDWIG SCHEDL

Im großen anzeiger-Interview sprach Erich Klein mit dem kroatischen Autor Zoran Ferić über seinen neuen Roman (S. 28).

Auch wenn die Temperaturen noch nicht daran denken lassen, feiert die BUCH WIEN heuer im November bereits ihre zehnte Ausgabe. Hunderte Aussteller, Lesungen und AutorInnen lockten im vergangenen Jahr 43.000 BesucherInnen an. Die Anmeldefrist für 2017 läuft nur noch bis 31. Mai, das BUCH WIEN-Team berät Sie gern für Ihren individuellen Messeauftritt.

Alle Infos dazu finden Sie auf www.buchwien.at

Benedikt Föger HVB-Präsident

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15.05.2017 11:55:15 Uhr

– Inhalt –

13

Gastkommentar Der Autor und Literaturkritiker

Klaus Nüchtern über Festivals

Non-Books in Buchhandlungen Was BuchhändlerInnen zu

Non-Book-Produkten sagen

Hundert Jahre Amalthea Die Verlagschefinnen im Interview

14 15

thema Die neuen Herausforderungen für unseren Branchennachwuchs

16

7

Kurz gesagt Vier Stimmen über die Situation des Branchennachwuchses

16

Essenziell Vor welchen Herausforderungen stehen junge Menschen, die in die Buchbranche wollen?

Persönlich

24

Markus Hatzer Verlagschef in Innsbruck

25

Birgit Stark Buchhändlerin in Gmünd

26

Wolfgang Edelmann Grossist und Vertreter in Wien

27

Domenico Jacono Antiquar in Wien

lyrik

6

Ein Gedicht „poem murder mystery“ von Thomas Ballhausen, kommentiert von Erwin Uhrmann

Selbstredend

Carmen Sippl und Brigitte Sinhuber-Harenberg, Amalthea Verlag

15

8

10

Gutenberg-Galaxie Thomas Brezina, Orlando, Fäkalsprache in Buchtiteln und Kommunismus für amerikanische Kinder

13 Autor und Literaturkritiker

Klaus Nüchtern über Literaturfestivals

Kurzmeldungen Personalia

Ehrenpreis des Österreichischen

Buchhandels an Elif Shafak

Vorlesetag am 17. November

Comics-Autor Stan Lee schafft

mexikanischen Superhelden

Anmeldung für BUCH WIEN

200 Jahre Buchhandlung Franz Leo & Comp.

Die 12 GewinnerInnen des EU Literaturpreises

Lojze Wieser über 30 Jahre Wieser

Verlag

Was die Aufhebung der Buchpreis-

bindung in der Schweiz gebracht hat

Rückblick auf „Rund ums Buch“ in

Strobl

28 Erklärt, warum es schwierig ist, über Sex zu schreiben: Zoran Ferić

31

Kramers Kinderstube

Lest uns mehr vor!

klassiker

33

Emanzipationsdrama „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen

Standards

marktdaten

monatsbestseller Titelschutz Impressum

9 22 34 34

F o t o s : A n t o M a g z a n / P i x s e l l , H e r t ha H u r n a u s , C h r i s t o ph e r M A v r i Č . I l l u s t r a t i o n : G e o r g f e i e r f e i l

wissenswert

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15.05.2017 11:55:32 Uhr

Birgit Müller-Wieland Flugschnee Roman 343 Seiten, gebunden € 20,- (E-Book: € 16,99) ISBN 978-3-7013-1248-1

„Als Leitmotiv fungiert der Schnee, der alles zu­ deckt und unter sich begräbt, auch ein Verbrechen, und genauso kalt ist wie der Stein, den Vera be­ arbeitet. Der dementen Großmutter ‚hüpfen die Wörter weg‘, aber ihr Wappenring bringt einen Stein ins Rollen. Und Peter Weiss’ ‚Ästhetik des Widerstands‘ wird zu einem Schlüsselwerk. Müller-­ Wielands schwebendes, bildreiches Erzählen ge­ staltet sich äußerst spannend und lässt vieles offen. Bleibt die tröstliche Erkenntnis, dass es Zeit ist, ins ‚eigene Leben loszumarschieren‘.“

Maria Renhardt, Die Furche

„Mario Schlembach gelingt mit seinem Prosa-­ Erstling eine schwarzhumorige und zutiefst sa­ tirische Betrachtung der jüngeren österreichischen Kulturgeschichte. Aus autobiografischen Elementen und literaturwissenschaftlichen Forschungspro­ jekten bastelt er einen höchst unterhaltsamen Roman – irgendwo zwischen Samuel Becketts ‚Endspiel‘ und Thomas Bernhards ‚Auslöschung‘.“

Mario Schlembach Dichtersgattin Roman 227 Seiten, gebunden € 20,- (E-Book: € 16,99) ISBN 978-3-7013-1249-8

Wolfgang Reitzammer, Nürnberger Nachrichten

Iris Wolff So tun, als ob es regnet Roman in vier Erzählungen 166 Seiten, gebunden € 18,- (E-Book: € 14,99) ISBN 978-3-7013-1250-4

„Im ungewöhnlich ruhigen Erzählton entsteht die Spannung durch den wohltemperierten Wechsel von Totalen und Naheinstellungen, durch sanftes Zoomen von Details auf das Ganze, den Wechsel von Innen und Außen, Glück und Tod, Sehnsucht und Erstarrung, Versagung und Versuchung. Iris Wolffs Figuren rühren einen – vielleicht weil sie ­ so stark für sich stehen und auch in Schlaflosig­ keit, Zweifeln und Unvernunft ganz bei sich sind.“

Carsten Hueck, „Ex libris“ Radio Ö1

OTTO MÜLLER VERLAG Inserat_Frühjahrsnovitäten_220x310.indd 1

www.omvs.at 11.05.17 13:16

– Lyrik –

Ein Gedicht

Kommentar

Ausgewählt und kommentiert von Erwin Uhrmann

Dunkle Dinge

Aus dem Band „Mit verstellter Stimme. Ein poem murder mystery aus früheren Tagen“ von Thomas Ballhausen

Du solltest: aufhören von mir zu träumen da es bereits zu spät ist es sind nur noch Trümmerleiber soweit das trübe Auge reicht; der Morgen zeigt mir etwas wie: die Wahrheit

eine Nacht nur: in Trümmer legen das Karussell anhalten für einen Moment: Luft holen sich AUFSPERREN und Gefühle wahllos in sich hineinschaufeln ganz ohne zu KAUEN – danach meinen KOPF auf Oberkörper pressend kontrollierend: ob diese Herzen noch schlagen oder ob sie schon leise, nein: still sind: wie meines

Düster, zart und archaisch sind Thomas Ballhausens Gedichte. Rhythmus und Ton entstehen dabei im direkten Sprachfluss, aber auch durch die gezielte Setzung von Doppelpunkten, der Schreibung ganzer Wörter in Versalien, Kursivsetzungen und die Verwendung der alten Rechtschreibung. Es geht um dunkle Dinge. Das lässt zunächst an die Balladen von Nick Cave denken, hat aber im Falle Ballhausens auch Züge von Film Noir und David Lynch. Ballhausen lässt surreale Bilder entstehen. Es geht äußerst körperlich, ja sogar kriegerisch zu. Die Texte ringen mit den Fragen der antiken Tragödie: das Ich und die Welt, Schuld, Verlust, Tod, Liebe, Vergebung und Vergeltung. Populärkultur, Filme und Musik sind Einflüsse des in Wien lebenden Ballhausen (*1975), der nicht nur Autor, sondern auch Wissenschaftler und Archivar ist.

Die zwei Gedichte stammen aus dem Band „Mit verstellter Stimme. Ein poem murder mystery aus früheren Tagen“, der im Frühjahr 2017 im Verlag Berger erschienen ist.

Eine der grössten Druckereien im Mitteleuropa  Druck und buchbinderische Weiterverarbeitung  unter einem Dach rund um die Uhr Jahresproduktion 24 Mio. Bücher  80 % der Produktion gehen in den Export  Jahresumsatz 33 Mio. €  Kundenservice in fünf Fremdsprachen  Zertifikate Carbon Neutral Produkt, Fogra  FSC®, CrefoCert, Eko energie

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Ident. nr.: 60778172 Gültigkeit: 1 Jahr Seit: 01.07.2016

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15.05.2017 11:56:13 Uhr

– Kurz gesagt –

Wo sind die Jungen?

Wie steht es um den Nachwuchs der Buchbranche in Österreich?

F o t o s : H V B A P A - F o t o s e r v i c e / L u d w i g S c h e d l , M i r j am R e i t h e r , k k , El i s ab e t h S c h e p e

Was können wir den Jungen bieten?

Die Jungen sind da. Es steht gut um den Nachwuchs, es steht gut um die Motiva­ tion in einer Branche wie dem Buchhandel, in der zu arbeiten Freude machen kann. Macht sie denn Freude? Das hängt natürlich von der Lehrfirma und dem Schulunterricht ab. Wird gelehrt auf respektvoller Basis in Augenhöhe, oder werden Lehrlinge im Betrieb als billige Erwin Riedesser, Leiter Arbeitskräfte gesehen und in der Schule „Rund ums Buch“ als notwendiges Übel? Wäre eine Überarbeitung der Lehrpläne nicht längst notwendig? Der Online-Handel ist z. B. das Stiefkind der Ausbildung! Eine Buchhandelskette hat die Ausbildung ihrer Lehrlinge zentriert, um da neben dem Blockunterricht in eigenen Klassen Multichannel Retailing im Unterrichtsprogramm zu haben. Ist es ihr zu verdenken, wenn sie ihre Lehrlinge ausbilden will für die Anforderungen ihrer Lehrfirma, respektive ihrer KundInnen? Die Jungen jedenfalls sind da, aber was können wir ihnen bieten?

Wir hätten gern mehr Junge Aktuell sind es 105 Lehrlinge im Buch- und Musikalienhandel, die mit großer Freude ausgebildet werden. Und freilich hätten wir gern mehr Junge in Ausbildung – zugegeben auch gern mehr Ausbildungsbetriebe. Die Nachfrage der Jugend ist da, doch die wirtschaftliche Perspektive, vor allem in den Buchhandlungen außerhalb der Ballungsräume, ist keine einfache.

Karl Puš, Obmann der Hier gilt es, die Online-Kompetenz stärker Fachgruppe Buch- und mit der Beratungsintensität zu koppeln.

Medienwirtschaft Das bedeutet, Buchhandlungen noch Niederösterreich, WKO mehr zu lebendigen Leseerlebnis-Oasen mit Eventcharakter zu formen. Ein Programm, das gegenwärtig konsequent verfolgt wird. Ein Zukunftsprojekt, an dem die Wirtschaftskammer, die Berufsschulen und Österreichs BuchhändlerInnen sehr konkret arbeiten.

Die Jungen sind überall Gegenfrage: Wer sind eigentlich „Die Jungen“, auf denen so viele Hoffnungen ruhen? Sind es die Auszubildenden, sind es die Young Professionals, sind es die junggebliebenen, erfahrenen KollegInnen? Wir von den JVM Wien glauben, dass all die „jung“ sind, die sich engagieren, die Ideen haben, die verwurzelt sind im Jetzt, mit dem Kopf in der Zukunft und über den Tellerrand Stefanie Jaksch, hin­aussehen. Diese Jungen sind überall – in Verein „Junge Verlagsder Berufsschule, in Praktika, im ersten Job, menschen“ als Selbstständige, als KollegInnen, als Chef oder Chefin. Wenn diese sich alle gegenseitig inspirieren, braucht man sich um den Nachwuchs keine Sorgen zu machen.

„Wenn sich alle gegenseitig inspirieren, braucht man sich um den Nachwuchs keine Sorgen zu machen“

Maria Caamano, Lehrling in der Buchhandlung Kuppitsch

Idealismus und Brennen für den Job Die derzeitige Situation sieht vielleicht auf den ersten Blick besorgniserregend aus, weil es immer weniger kleine und mittelständische Buchhandlungen und kaum Nachwuchs gibt. Jedoch bemerke ich, dass ich und meine KlassenkameradInnen in der Berufsschule uns viel mehr mit unserem Beruf identifizieren, als dies in anderen Branchen der Fall ist.

Unser Idealismus und unser „Brennen“ für den Job heben uns von anderen Lehrlingen ab. Durch unser Engagement gibt es eine ­reelle Chance, dass die schon von vielen totgesagte Buchbranche eine Zukunft hat.

Mehr zum Thema Nachwuchs, Ausbildung & Karriere in der Branche auf Seite 16

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15.05.2017 11:56:21 Uhr

– Wissenswert –

PIONIER

Charlie, Matilda & Co. Dass in Kinderbüchern auch geflucht oder der Held zu guter Letzt in eine Maus verwandelt wird, ist mutig. Genau deshalb werden die fantastischen Geschichten von Roald Dahl auch so gern gelesen. Sie sind mutig und machen mutig.

POLARSTERN

Aus der

PIN-UP

Forever Young. Die Videos auf Thomas Brezinas Facebook-Seite sprechen eine Zielgruppe an, die eigentlich noch zu jung ist, um auf Facebook sein zu dürfen. Den alten Fans gefällt’s. Gleich 16.164 Mal. Sein neuestes Buch „Demokratino“ schrieb er für den Burgenländischen Landtag. Die brauchen da offenbar Nachhilfe.

Gutenberg-

Zwei Pin-ups in einem. Orlando ist ein Mann. Und eine Frau. Virginia Woolf schreibt Orlandos Biografie nicht wie eine Bestandsaufnahme aus dem viktorianischen England und auch nicht wie ein Transgender-Buch. Dafür wird es geliebt.

Galaxie

Lukas Schöppl

POWIDL

PROSPEKT

Kommunistenkinder. Ein Kinderbuch sorgt in Amerika für Furore. Grund ist vor allem der Titel: „Communism for Kids“. Skandalös ist eigentlich nur, dass es kapitalistisch verkauft und nicht verschenkt wird.

Sch*** Buchtitel! Martin Luther wollte beim Deutschschreiben dem Volk aufs Maul schauen. 500 Jahre später wird einem oft allein vom Lesen deutscher Buchtitel schlecht. Fäkalsprache sorgt dafür: „Einen Scheiß muss ich“ (S. Fischer), „Am Ende kackt die Ente!“ (Edel-Books) oder „Newton – Wie ein Arschloch das Universum neu erfand“ (Hanser).

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15.05.2017 11:57:00 Uhr

– Marktdaten –

Buchhandelspanel April 2017

60

Das späte Osterfest bescherte dem Österreichischen Buchhandel im Monat April Gewinne. Es gab Umsatzsteigerungen in allen Editionsformen gegenüber dem Vorjahresmonat. Bei den Hörbüchern und Audiobooks gab es mit 12,5 Prozent den stärksten Zuwachs. Ähnlich stark war das Umsatzplus bei Hard- und Softcover (12,1 Prozent). Taschenbücher bilanzierten mit 8,9 Prozent auch eindeutig besser als im April 2016.

Wie auch im März nahm der Zeitpunkt des Osterfests 2017 Einfluss auf die Umsatzzahlen.

15

12 Umsatzveränderung

Tas

April 2017

Ha

9 6 3 0

−0,5% Kumuliert (Jänner bis April 2017) 11,5 % April 2017 zu April 2016

Umsatzveränderung Nach Warengruppen

50 April 2017 zu April 2016

Taschenbuch 8,9 %

Hörbuch/ Audiobook 12,5 %

Sachbuch

Auch bei den Warengruppen gab es im April überwiegend ein Umsatzwachstum.

Besonders die Warengruppe Kinder- und Jugendbücher sticht hervor: Sie konnte den Umsatz vom April 2016 um die Hälfte steigern. Das zweitstärkste Plus verzeichneten die Sachbücher (17,4 Prozent). Reiseliteratur und Belletris­tik wuchsen ähnlich mit 9,2 respektive 9,6 Prozent. Die Umsätze der Warengruppe Naturwissenschaften, Medizin, Informatik und Technik blieben ungefähr gleich (0,1 Prozent), die Warengruppe Ratgeber verlor mit 1,2 Prozent nur marginal.

Deutlicher fiel der Umsatzverlust bei der Warengruppe Geisteswissenschaften, Kunst, Musik aus (–5,3 Prozent).

Naturwissenschaften, M

30

Geisteswissenschaften,

20 Geisteswissen­ schaften, Kunst, Musik –5,3 %

10

-10

Hardcover, Softcover 12,1 %

Sozialwissenschaften, R

40

0

Hö

Belletristik 9,6 %

Ratgeber –1,2 %

Reisen 9,2 %

Ratgeber

Sozialwissenschaften, Recht, Wirtschaft –6,8 %

Kinder- und Jugend­ bücher 50,1 %

Naturwissenschaften, Medizin, Informatik, Technik 0,1 %

Reisen

Sachbuch 17,4 %

Belletristik

UmsatzveRteilung Nach Warengruppen

Umsatzverteilung

April 2017

April 2017 Taschenbuch 18,5 %

Hardcover, Softcover 79,8 %

Hörbuch / Audiobook 1,7 %

Sozialwissenschaften, Recht, Wirtschaft 2,8 % Naturwissenschaften, Medizin, Informatik, Technik 5,1 % Geisteswissenschaften, Kunst, Musik 5,0 %

Hö r b uch Tas /A c u h d en iob bu Ha oo ch r k d cov er, S o ftc ov er

Im Auftrag des HVB ermittelt das Marktforschungsinstitut GfK Entertainment monatlich die Umsatzveränderungen im Vergleich zum Vorjahresmonat für die Absatzwege Sortimentsbuchhandel und E-Commerce. Mit dem Buchhandelspanel werden 82 Prozent aller Barverkäufe in Österreich abgedeckt.

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Kinder- und Jugendbüc

Ratgeber 21,1 % Reisen 8,9 %

Sachbuch 11,3 %

Gegen

Belletristik 27,0 %

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Kinder- und Jugendbücher 18,7 % R

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– Wissenswert –

Lies vor!

Personalia Rüdiger Salat gehört seit Anfang des

Buchhandlungen können sich für den großen Vorlesetag am 17. November voranmelden

Jahres zum erweiterten Verwaltungsrat des Schweizer Diogenes Verlags. Er ist seit 2015 der Alleinvorstand der österreichischen Facultas AG.

Unter dem Motto „Wir feiern die Fantasie“ werden am 17. November 2017 wieder AutorInnen, Prominente und VorlesepatInnen Kindern in ganz Österreich vorlesen. Vergangenes Jahr fanden bei dem Event, das der Facultas Verlag in enger Kooperation mit dem HVB organisiert, 100 Veranstaltungen an 80 Standorten statt. 5.000 Kinder erreichte die Aktion – diese Zahl will das Team hinter dem großen Vorlesetag heuer verdoppeln. BuchhändlerInnen sind herzlich dazu eingeladen, sich mit Veranstaltungen voranzumelden. Zum Beispiel sind Kooperationen mit Schulen möglich: Dort können Buchhandlungen neben einer Vorleseaktion Büchertische anbieten.

Infos unter www.vorlesefest.at

Christina Riedel leitet seit Anfang Mai das Marketing bei MairDumont. Sie folgt auf Christof Classen.

Simon Grimm verstärkt nun das Presseteam von Rowohlt und betreut die literarischen Belletristik-Programme von Rowohlt, Rowohlt Berlin und Rowohlt Hundertaugen.

Dirk Rumberg ist ab sofort Geschäftsführer und Verleger der Salzburger Verlagsgruppe Benevento. Er folgt auf Hannes Steiner.

Schreiben

Der Ehrenpreis des Österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln geht an Elif Shafak Viktor Frankl hatte ihn, Simon Wiesenthal hatte ihn, Christine Nöstlinger hatte ihn auch. Und nun hat ihn Elif Shafak. Der Ehrenpreis des Österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln wurde dieses Jahr an die Schriftstellerin, die als Tochter türkischer Eltern in Straßburg aufwuchs, vergeben. Sie ist eine der meistgelesenen LiteratInnen in der Türkei, wo ihre Werke teilweise heftig umstritten sind. Heute lebt sie in London und Istanbul. In einem profil-Interview vergangenes Jahr über Erdoğans Türkei sagte sie: „Der Roman als Genre basiert auf Individualismus.

Wenn ich ein Buch schreibe, bin ich sehr einsam. Der Leser ist auch allein. Schreiben und Lesen sind das Gegenteil von Faschismus.“ Elif Shafak schreibt auf Türkisch und Englisch und hat bislang 15 Bücher veröffentlicht. Darunter erschienen zuletzt auf Deutsch: „Ehre“ (2014), „Der Architekt des Sultans“ (2015) und „Der Geruch des Paradieses“ (2016) – alle beim Schweizer Verlag Kein & Aber. Der Ehrenpreis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird seit 1990 vom HVB und dem Fachverband Buch- und Medienwirtschaft der WKO vergeben. Die Preisverleihung ist für Herbst 2017 angesetzt.

Super Hombre Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug?

Nein, es ist Stan Lee, der Comicautor, der auch im Alter von 94 Jahren immer noch SuperheldInnen erfindet Drogenkartelle, 23.000 Morde im Jahr 2016 und handlungsunfähige PolitikerInnen. Mexiko könnte einen Helden gut gebrauchen. Das findet auch Stan Lee, der Schöpfer der „Spiderman“- und „XMen“-Comics. Er plant, noch 2017 einen lateinamerikanischen Superhelden gegen die Schurken Mexikos kämpfen zu lassen. Die Herzen von Comic-Afficionados ließ auch der Gratis-Comic-Tag höherschlagen, der heuer am 13. Mai von BuchhändlerInnen im gesamten deutschen Sprachraum gefeiert wurde.

F O T O S : p r i va t ( 2 ) , m a i r d u m o n t, r o w o h l t v e r l a g , F e t h i K a r a d u m a n

gegen Faschismus

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15.05.2017 11:58:30 Uhr

Europas

Talente

Beeilung!

Noch bis Ende Mai können sich Aussteller für die BUCH WIEN und den HVB-Gemeinschaftsstand in Frankfurt anmelden.

Am 31. Mai endet die Anmeldefrist für die BUCH WIEN 17. Die Messe bietet vom 8. bis 12. November den Neuerscheinungen des Bücherherbstes eine Bühne. Anmeldeunterlagen für alle Messestandsvarianten und eine Servicemappe finden Interessierte unter www.buchwien.at. Am 31. Mai endet auch die Frist für Anmeldungen zum HVB-Gemeinschaftsstand auf der Frankfurter Buchmesse. Für HVB-Mitglieder gelten vergünstigte Tarife. Das Anmeldeformular steht auf www.buecher.at zum Download bereit.

Der mit je 5.000 Euro dotierte Literaturpreis der EU geht an zwölf aufstrebende SchriftstellerInnen Rudi Erebara (Albanien) Ina Vultchanova (Bulgarien) Kallia Papadaki (Griechenland) Sunjeev Sahota (Großbritannien) Halldóra K. Thoroddsen (Island) Osvalds Zebris (Lettland)

Buchhandlung Auskunftsbüro

&

Walid Nabhan (Malta) Aleksandar Bečanović (Montenegro) Jamal Ouariachi (Niederlande) Darko Tuševljaković (Serbien) Bianca Bellová (Tschechien) Sine Ergün (Türkei)

1817 wurde die Buchhandlung Franz Leo & Comp. KG am Lichtensteg 1 in Wien gegründet

Heute leiten die Schwestern Susanne (unten) und Ulla Remmer den Familienbetrieb.

Anlässlich des 200-Jahr-Jubiläums hat der anzeiger beide zum Wordrap gebeten.

Wir sind Teil der Buchbranche Österreichs.

Wir arbeiten an einem der interessantesten Schnittpunkte von Recht, Wirtschaft, Literatur und Publizistik.

1817 war die Buchhandlung Leo …

Wir suchen ab 1. September 2017 eine dynamische Persönlichkeit für die Funktion als:

… nicht nur Buchhandlung,

Sachbearbeiter/in (m/w), Vollzeit

sondern auch Auskunftsbüro Ihr Aufgabenbereich umfasst:

(und das sind wir heute noch).

- Erfassung von bibliografischen Daten von wissenschaftlichen Publikationen in unserer Datenbank - Recherche von bibliografischen Daten und sonstigen Informationen in digitalen Datenbanken - Tantiemenverrechnung an unsere Bezugsberechtigten - Sytem- und Datenpflege - Kommunikation mit unseren Bezugsberechtigte

Ein Familienbetrieb ist ...

… die schönste und schwierigste

Heraus­forderung.

F O T O S : p r i va t

Der Standort mitten in der Wiener Innenstadt bedeutet …

… viele Laufkunden zu treuen Stammkunden

zu machen, Menschen aus aller Welt zu

treffen und die Wiener Geschichte vor der

Haustür zu haben.

… wollen wir die Bücher

weiter hochleben lassen.

- HAK oder vergleichbare kaufmännische Ausbildung - mindestens fünf Jahre Berufserfahrung in einer vergleichbaren Position, auch Wiedereinsteiger/in - Sehr gute EDV-Kenntnisse (MS-Office) - Selbständiges und genaues Arbeiten - Rasche Auffassungsgabe - Gutes Auftreten, gepflegtes und höfliches Erscheinungsbild - Sehr gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift - Kundenorientierung - Kommunikative Kompetenz - Teamfähigkeit

Für diese Position ist kollektivvertraglich ein Mindestgehalt von EUR 2300.- brutto/Monat (Vollzeitbeschäftigung) festgelegt. Die Höhe der angemessenen Überzahlung ist abhängig von Ihren Qualifikationen und Erfahrungen.

Bitte senden Sie Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen an: Petra Rauch-Schmithausen (rauch@literar.at)

In den nächsten 200 Jahren …

Wir erwarten folgende Qualifikationen:

Literar-Mechana Wahrnehmungsgesellschaft für Urheberrechte Ges.m.b.H. Linke Wienzeile 18 1060 Wien http://www.literar.at

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Weltliteratur

Koste es, was es wolle

trotz Bauchgrummeln

Die Schweiz hat vor zehn Jahren die Buchpreisbindung abgewählt.

Was hat’s gebracht?

2007 fiel die Preisbindung für Bücher in der Deutschschweiz, fünf Jahre später wurden die SchweizerInnen in einer Volksabstimmung gefragt, ob sie die Preisbindung wieder einführen wollen. 56,1 Prozent sagten Nein.

Die Bilanz nach zehn Jahren: Bücher wurden um ein Fünftel billiger, dreißig Prozent der Buchhandlungen sperrten zu. In einem NZZ-Artikel wird die Preisbindung zumindest teilweise aus der Schuld genommen: Hauptgrund für die niedrigen Buchpreise ist die Preisaufwertung des Franken gegenüber dem Euro.

Der Wieser Verlag feiert sein 30-jähriges Jubiläum. Lojze Wieser blickt zurück und schaut nach vorn Lojze Wieser baut seit 30 Jahren Brücken zwischen Ost und West. Wieser ist Kärntner Slowene und gründete 1987 den Wieser Verlag (auch: Založba Wieser). Viel hat sich in diesen 30 Jahren in Kärnten getan: „Die verschwiegene und verschollene Literatur erklomm die Höhen des Olymps der Weltliteratur, und sie wurde in einem bisher unbekannten Maße in die zweite Sprache übertragen. Daran wird auch ein zeitweiliges Bauchgrummeln nichts ändern.“ Lojze Wieser blickt auch in die Zukunft: „In 30 Jahren wird es hoffentlich über Selbstverständlichkeiten keinen Streit mehr geben und das Bewusstsein vorherrschen, dass Investition in die Kultur eine gesellschaftliche Innovation ist. Dann werden wir auf eine Vielzahl von Übersetzungen in der europäischen Austauschbibliothek zugreifen können.“ Wieser hat knapp 900 Bücher verlegt – darunter die Reihe „Europa erlesen“, zu der heuer ein 500 Seiten starker Jubiläumsband erscheint.

Mittlerweile hat bei Wieser und Drava Erika Hornbogner die Geschäftsführung inne.

So schön war Strobl Die Fortbildungstage „Rund ums Buch“ am Wolfgangsee waren ein voller Erfolg

Ende April fand die 21. Ausgabe von „Rund ums Buch“ statt. Die drei Tage am See, an denen sich alles rund ums Buch gedreht hat, hatten viele Highlights zu bieten. Angereist sind etwa der Thriller-Autor Achim Zons, Irene Pellkofer (C.H. Beck), Horst Lauinger (Manesse) und die Hörbuchsprecherin und Schauspielerin Michou Friesz. Auch Anna Krupitza von Bunbury’s Comics berichtete

über die Erfahrungen mit ihrer neuen Buchhandlung. Die TeilnehmerInnen diskutierten außerdem mit HVB-Geschäftsführer Gustav Soucek neue Ansätze rund um den Hauptverband.

Eine der TeilnehmerInnen, Cordula Hofko von der Buchhandlung Moser in Graz, resümiert: „Die Möglichkeit, KollegInnen zu treffen und sich auszutauschen, motiviert

für den Alltag in der Buchhandlung zuhause.

Man sieht, wie es anderswo laufen kann, hat plötzlich Ideen oder hinterfragt eingefahrene Prozesse. Man erkennt auch, wie engagiert der Buchhandel ist.“ Die Seminare dienen nicht nur der Fortbildung, sondern auch der Netzwerkerweitung. Beides ist vor allem für junge BuchhändlerInnen von großer Bedeutung (siehe dazu auch „Essenziell“ ab S. 16).

F O T O S : p r i va t, H V B

Seminar am Wolfgangsee: Es gibt schlechtere Plätze, um über Bücher zu diskutieren

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15.05.2017 11:58:44 Uhr

– Wissenswert – Gastkommentar

Entzücken und öffentliche Erregung Klaus Nüchtern Die Saison der Literaturfestivals ist in Schwung. Welche Bedeutung hat die Festivalisierung der Literatur?

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s gibt FilmliebhaberInnen, die nicht mehr ins Kino gehen, weil ihnen ihre schwätzenden, smartphonenestelnden, krachfutterknisternden und darüber hinaus auch noch ungeduschten Nachbarn den letzten Nerv rauben. Wie wohltuend simpel und asozial dagegen der Literaturkonsum!

Schwer vorstellbar, dass sich irgendjemand einmal darüber beklagt hätte, mit einem Buch allein sein zu müssen. Würde es dabei bleiben, wäre Literatur freilich um ihre Möglichkeit gebracht, Erkenntnis, Entzücken und Erregung auch auf kollektiver Ebene herzustellen. Die Entscheidung darüber, ob und wie sehr Öffentlichkeit aus der Befassung mit Literatur erwachsen ist, mag man Jürgen Habermas und seinen KritikerInnen überlassen; dass die beiden einander bedürfen, steht indes außer Frage.

Als Ursache öffentlicher Erregung und öffentlichen Entzückens kann Literatur zum Ereignis werden. Ein solches wirkt sich verkaufsfördernd aus. Weil Literatur auch eine Ware ist, hat „der“ Markt auch ein Interesse daran, Literatur zum „Event“ zu machen.

Wobei man das gar nicht als sinistres Gewinnstreben entlarven wollen muss, sondern davon ausgehen darf, dass Aufmerksamkeit als solche eine harte Währung darstellt. Ja, es könnte sogar sein, dass so etwas wie ein unschuldiges Vergnügen an der Inszenierung und Zelebrierung kollektiven Kunstkonsums besteht.

Allerdings sind Lesungen sehr einfach zu inszenieren und also nachgerade wesensmäßig unspektakulär, auch wenn Ernst Jandl 1965 live at The Royal Albert Hall das Gegenteil bewiesen hat. Nicht nur ist der seit über einem halben Jahrhundert beschworene Niedergang des Buches ausgeblieben, es erfreut sich auch das altmodische, um nicht zu sagen archaische Format der Lesung ungebrochener, ja steigender Beliebtheit.

Die bis heute anhaltende Festivalisierung der Literatur reicht im deutschen Sprachraum bis ins vorige Jahrhundert zurück. 1980 wurde das Erlanger Poetenfest gegründet.

Die Wurzeln von „Leipzig liest“, das heuer 3.400 Veranstaltungen an 411 Orten umfasste, reichen bis 1990 zurück.

Die Clubkonzerte der Literatur finden heute fast schon in jeder Buchhandlung statt. Andernorts ist das Lesungspublikum längst auf Konzertsaalstärke angewachsen. Im Durchschnitt kamen zuletzt 550 BesucherInnen zu den Veranstaltungen der zur Jahrtausendwende ins Leben gerufenen Lit cologne.

Wenn Wolf Haas beim Open-Air der O-Töne zwei- bis dreitausend ZuhörerInnen in das MuseumsQuartier lockt, wird man ihn füglich als „Stadionrocker der österreichischen Literatur“ apostrophieren dürfen.

Sympathischerweise hat die Festivalisierung der Literatur aber keine bombastischen oder übermäßig elitären Auswüchse gezeitigt. Die Vier-Mann-Combo, die bei Jazz & Lyrik zum Einsatz gelangt, ist nicht wesentlich erweitert worden – wiederum eine Ausnahme: Ernst Jandl und das Vienna Art Orchestra. Auch von literarischen Gala-Dinners in den Prunkräumen von Museen hat man nichts vernommen. Wenn’s ganz glamourös und exklusiv hergeht, finden Lesungen im Theater statt und das Publikum muss – entgegen der nur hierzulande herrschenden Gewohnheit, dass Literaturveranstaltungen prinzipiell gratis sind – eine Eintrittskarte erstehen. Die Preise liegen irgendwo zwischen Kino und Schulball. Na, wenn das kein Grund ist, mangelnde Niederschwelligkeit zu beklagen! Herr Zierhofer-Kin, bitte übernehmen Sie! Anmerkung der Redaktion: Die BUCH WIEN, das größte Literaturevent Österreichs, findet heuer vom 8.–12. November statt

„Die Clubkonzerte der Literatur finden heute fast schon in jeder Buchhandlung statt“

Klaus Nüchtern ist Kulturjournalist bei der Wochenzeitung „Falter“ und Staatspreisträger für Literaturkritik

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– Wissenswert – Non-Books

To Book or to Non-Book?

Text: Lukas Schöppl

BUCHHÄNDLERINNEN VERZICHTEN AUF NON-BOOKS ODER FOLGEN AKTUELLEN TRENDS

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s ist ein wenig wie bei den bunten Süßigkeiten an der Supermarktkassa, die jedes Kind zum Strahlen bringen. Non-Books, also Artikel in Buchhandlungen, die keine Bücher sind, haben eine ähnlich magische Anziehung – nicht nur auf Kinder, sondern auch auf Erwachsene. Da kann einen an der Kassa das Gefühl überkommen, es sei noch nicht genug, obwohl man schon HardcoverWeltliteratur im Wert von 75 Euro in Händen hält.

Manche Buchläden sind so eingerichtet, dass man vor dem Bezahlen den Non-Book-Bereich passieren muss. Non-Books braucht man nicht. Aber man will sie. Außerdem sind Non-Books längst mehr als Geschenkartikel. Sie können in Buchhandlungen zu einem besonderen und personalisierten Verkaufserlebnis verhelfen. Claus Ebster, Professor für Marketing an der Universität Wien, meint dazu: „Non-Books sind eine stilvolle Möglichkeit, das Sortiment abzurunden. Im Gegensatz zu OnlineHändlern kann der stationäre Buchhandel eine Erlebniswelt kreieren. Non-Books helfen dabei.“ Der Markt beschränkt das Sortiment nicht nur auf Kinderartikel, sondern wendet sich auch der weitaus stärkeren Kaufkraft zu: den Erwachsenen.

Nachdem diese ihre Romanhelden eher nicht als Plüschtier mit nach Hause nehmen wollen – man denke nur an Christian Grey –, gibt es für Erwachsene eigene Non-Books.

sonders angesagt sind gerade Coffee-To-Go-Becher aus Bambus. Sonst haben wir Produkte von Spiegelburg (Coppenrath Verlag) und vom moses. Verlag.

Kunden schätzen unseren Non-Book-Bereich sehr und kommen extra zu uns, weil sie wissen, dass es Besonderes bei uns gibt. Wir haben auch viele Non-Books als Ergänzungen zu Kochbüchern, etwa Backformen.“ Fritz Duda von der Facultas Dombuchhandlung Mistelbach plant, sein Non-BookSortiment demnächst zu wechseln. „Wir haben wenig Laufkundschaft, aber viele Stammkunden.

Wir versuchen also, das Sortiment an die Wünsche unserer Kunden anzupassen. Was immer gut geht, sind Magnetlesezeichen oder der Bookchair.“

Trendsetter

Umsatzbringer Woran liegt es nun, ob eine Buchhandlung NonBook-Artikel anbietet oder nicht? Die Haltung der BuchhändlerInnen ist gespalten. Manche können gut auf Non-Books verzichten, zum Beispiel die Buchhandlung Herder in der Wollzeile in Wien. „Wir wollen uns als Buchhandlung positionieren, verzichten also bewusst auf den Verkauf von NonBooks.“ Für andere sind Non-Books eine wesentliche Einnahmequelle. Der Grund dafür: Im Gegensatz zu Büchern unterliegen Non-Books keiner Preisbindung. Die Non-Books stellen also eine lukrative Ergänzung zum literarischen Sortiment dar.

Die größten Non-Book-Bereiche befinden sich in den Filialen der Buchhandelskette Thalia. In jener an der Mariahilfer Straße macht der Non-BookBereich einen wesentlichen Teil der Verkaufsfläche aus. Miljana Nura, verantwortlich für den NonBook-Bereich, erzählt, was gern gekauft wird. „Be-

Blumenübertopf (Coppenrath), Buchsessel (bookchair Vertrieb), Leselicht (moses. Verlag)

Welche Trends sind im Bereich Non-Books zu beobachten? Geht es nach Angelika Niestrath, Organisatorin und Gründerin der Website nonbook. de, sollen Non-Books den Lesegenuss ergänzen: „Der aktuelle Trend geht zurück zu buchnahen Produkten wie hochwertiger Papeterie und damit in die richtige Richtung. Auch Feinkost und Wein sind empfehlenswert. Genuss ist ein wichtiges Thema, schon beim Einkaufen.“ Claus Ebster betont die Inszenierung: „Wichtig für Non-Books ist eine kontextorientierte Verbundpräsentation, also Produkte, die in Zusammenhang stehen, auch miteinander zu präsentieren. Das kann entweder jahreszeitenabhängig sein, etwa Tee zum Buch im Winter, oder gebunden an einen Anlass. Als Prince Charles und Camilla zu Besuch in Wien waren, habe ich zum Beispiel eine Buchhandlung gesehen, die ihre Auslage für das Prinzenpaar thematisch umgestaltet hat.“ Und als BücherfreundInnen? Sich den Non-Books hingeben oder doch ein Statement für „Just Books“ setzen? Wo dieser Stift mit dem Swarovski-Stein so schön ist! Auch das bunte Leselicht ist äußerst praktisch! Zum Schluss nimmt man noch die Gewürzmischung vom Fernsehkoch mit und bekommt daraufhin so einen Hunger, dass es auch noch eine Tafel Fair-Trade-Schokolade sein muss.

Im Extremfall zahlt man dann für seinen Besuch in der Buchhandlung, in der man eigentlich nur „Das Kapital“ von Karl Marx erwerben wollte, eine halbe Monatsmiete. Und geht mit dem guten Gefühl, dass mit Non-Books das Glück käuflich ist.

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– Wissenswert –

Auf der Suche nach dem

ultimativen Autor

Der Wiener Amalthea Verlag feierte im heurigen Jahr sein hundert­ jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass hat der anzeiger die Verlags­ leiterin Carmen Sippl und die verlegerische Beirätin Brigitte Sinhuber­Harenberg zu einem Interview über den Verlag getroffen.

In den vergangenen hundert Jahren hat sich viel verändert. Was ist beim Amalthea Verlag gleich geblieben?

Brigitte Sinhuber-Harenberg: — Die Schwerpunkte des Verlags haben sich gehalten: österreichische Geschichte, Sachbuch und Biografien. Was Künstlerbiografien betrifft, sind wir am österreichi­ schen Markt führend. Und wir sind immer noch ein eigenständi­ ger Verlag. Im Unterschied zu großen Konzernen stehen bei uns Persönlichkeiten hinter dem Programm – nicht Manager, die nur Zahlen rauf- und runterrechnen.

Sippl: — Es ist ein Phänomen, dass es Autoren gibt, die schon über 40 Jahre hier publizieren. Das war unter dem Verlagsgründer ­Heinrich Studer so und das ist bis heute so. Aktuell sind das unsere Autoren Georg Markus und Dietmar Grieser.

Viele erfolgreiche österreichische Autoren gehen mittlerweile zu deutschen Verlagen …

Sinhuber-Harenberg: — Für die Belletristik-Verlage ist das schmerzlich. Im Sachbuchbereich ist das weniger schlimm. Wir ha­ ben einen starken Österreich-Schwerpunkt. Dieser lokale Bezug ist ein Vorteil.

Wie bringt man einer breiten Leserschaft österreichische Geschichte, die ja einer Ihrer Programmschwerpunkte ist, näher?

Carmen Sippl: — Natürlich hat der Verlag immer wieder neue Ak­ zente gesetzt. In den 1960er-Jahren ist zum Beispiel der Humor ins Programm dazugekommen. Diese Sparte haben wir nun auch in ein neues Medium gesetzt: in Graphic Novels. So haben wir ein neu­ es Publikum gewonnen.

Sinhuber-Harenberg: — Dieses Medium entwickelt sich ganz gut.

Besonderes Glück hatten wir mit der Graphic Novel „Der Herr Karl“, ein Comicbuch von Christian Qualtinger und Reinhard Trinkler.

Sippl: — Das war natürlich einmalig. Qualtinger zeichnet Qualtin­ ger! Wir gehen jetzt auch auf die Comics-Messen. Für einen Verlag ist es wichtig, dass man sich überlegt, welche neuen Wege Bücher gehen können. Der Buchhandel ist unser allerwichtigster Partner.

Und vice versa. Aber Bücher gehen heute auch andere Wege – über Mundpropaganda, über Social Media …

Wie gewinnt der Amalthea Verlag immer wieder so große Persönlichkeiten für seine Bücher?

Sinhuber-Harenberg: — Eine Schlüsselpersönlichkeit war für uns Otto Schenk. Er wollte niemals ein Buch machen. Mit uns sind es dann doch sieben geworden. Er hat andere nachgezogen. Und nachdem wir Elisabeth Orths Biografie herausgebracht haben, ha­ ben wir wiederum Peter Matić überzeugen können. Das entwickelt eine gewollte Eigendynamik.

F o t o : C h r i s t o p h e r M Av r i Č

Wie wichtig ist Ihr persönliches Netzwerk?

Sinhuber-Harenberg: — Sehr wichtig. Das ist es eigentlich. Das Netzwerk kann dann auch an die jeweiligen Programmleiter im Verlag weitergegeben werden.

Sippl: — Mit Lebensgeschichten und besonderen Schicksalen. Wir versuchen, Geschichte in der Biografie eines Menschen greifbar zu machen. Und es ist auch die Erzählweise: Geschichtsbücher hatten früher oft einen getragenen Ton, heute muss man neue Sprachbil­ der finden. Es werden nicht die Themen alt, es wird die Erzählweise eine neue.

Gibt es im diesjährigen Programm ein Highlight, auf das Sie sich besonders freuen?

Sippl: — Oh ja, auf das freuen wir uns schon lange! (lacht) Der neue Niavarani ist unser Highlight im Jubiläumsprogramm.

Sinhuber-Harenberg: — Nach vielem Hinarbeiten wird das Buch im Juni endlich erscheinen. Gestern um zehn Uhr nachts haben wir das Lektorat abgeschlossen.

Frau Sinhuber-Harenberg, Sie haben die Verlagsleitung 2015 an Frau Sippl übergeben. Seither sind Sie verlegerische Beirätin. Wie teilen Sie beide sich die Aufgaben auf ?

Sippl: — Im Sachbuchbereich ist es auch das tägliche Beobachten der Themen der Zeit.

Sinhuber-Harenberg: — Wir sind beide auf der Suche nach dem ultimativen Autor und wer ihn findet, wird gelobt.

Die Betreuungssituation ist bei Ihnen ja eine besondere.

Sippl: — Ganz genau.

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– Essenziell – Der Branchennachwuchs

Traumberuf

Knochenjob

Der Branchennachwuchs steht vor steigenden Anforderungen, während die Lehre an Bedeutung verliert. die Jungen verdienen noch mehr Aufmerksamkeit Text: Elisabeth Schepe Illustration: Georg Feierfeil

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aria Caamano ist eine von wenigen. Sie möchte Buchhändlerin werden. Bei Kuppitsch am Wiener Schottentor hat sie nun eine Lehrstelle.

In der Fachabteilung im Untergeschoß ist sie für den Psychologie- und Philosophiebereich zuständig. Zwei Halbtage pro Woche verbringt sie an ihrer Berufsschule im 15. Bezirk. Maria ist 20 Jahre alt und verdient in ihrem zweiten Lehrjahr 720 Euro brutto.

Wer will heute noch Lehrling werden?

Die Lehre mit ihrem dualen System, das Berufspraxis und Unterricht verbindet, verliert an Bedeutung. Branchenübergreifend. Laut einer WKO-Statistik ist die Zahl der Lehrlinge in Österreich zwischen 1980 und 2016 von rund 194.000 auf ca. 107.000 gesunken.

Zwei Gründe dafür: einmal die demografische Entwicklung. Es gibt immer weniger junge Menschen. Zweitens strebt ein immer größerer Teil von ihnen eine Ausbildung mit Hochschulberechtigung an.

Die Buch- und Medienwirtschaft bietet aktuell drei Lehrberufe: Buch- und Pressegroßhandel, Buch- und Musikalienhandel und Verlag. Berufsschulen dafür gibt es in Wien, St. Pölten und Linz. Drei Jahre dauert die Ausbildung jeweils, für MaturantInnen nur zwei Jahre. In den drei Berufen gab es Ende 2016 insgesamt 121 Lehrlinge, 105 davon im Buch- und Musikalienhandel.

Maria Caamano sitzt an ihrer Berufsschule mit elf Lehrlingen in der Klasse. „Immer weniger Menschen wollen den Job machen“, sagt sie. Oft bekomme sie zu hören: „Was? Du machst eine Lehre?“ Sie verdreht die Augen. „Jeder will maturieren und studieren.“ Maria hat die HAK nach drei Jahren abgebrochen. Nun holt sie die Matura nach.

Abends, wenn die Buchhandlung Kuppitsch geschlossen hat. Nicht nur ihre Ausbildung, auch ihre Berufswahl stößt oft auf Unverständnis: „Viele fragen mich: ,Wozu braucht man einen Buchhändler? Das kann man ja eh alles online bestellen!‘“ Maria lacht und verdreht wieder die Augen. Sie weiß, dass Bücher online weder günstiger noch schneller zu bekommen sind. Und: „Ich finde es toll, von Büchern umgeben zu sein. Und weil ich in der Fachabteilung arbeite, eigne ich mir viel Allgemeinwissen an.“ Der Job hat ihre Erwartungen bereits übertroffen: „Ich habe gedacht, dass ich nicht so gut mit Kunden umgehen kann. Aber jetzt gefällt mir die Beratung richtig gut!“ Ihr Chef Michael Kratochvil ist ein Verfechter der Lehre. 2016 hat seine Buchhandlung einen Ausbildungspreis der WKO erhalten. Doch der Weg in den Buchhandel diversifiziert sich. Das merkt auch Kratochvil: „Bei mir bewerben sich viele Studienabbrecher. Und viele Angestellte legen eine externe Lehrabschlussprüfung ab, ohne davor eine Lehre gemacht zu haben.“ »

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– Essenziell – Der Branchennachwuchs

» Lehre: Letzter Ausweg oder praktischer Zugang?

Woran liegt die Lehrlingsflaute? An den BewerberInnen, aber auch an der Wirtschaft, sagt Elisabeth Knafl, stellvertretende Leiterin der Berufsschule für Handel und Reisen in Wien. „Es gibt wenige Lehrbetriebe, die noch Personen aufnehmen. Und es gibt nicht immer den geeigneten Jugendlichen für die Lehrstelle.“ Und warum? „Vereinfacht gesagt: Jugendliche, die lesen, gehen weiter in die Schule.

Jugendliche, die nicht lesen, entscheiden sich für andere Berufe – und sind wohl auch für andere Berufe besser geeignet.“ Lehrlinge steigen heute später ein. „Wir haben in unserer Klasse den Altersschnitt ausgerechnet“, sagt Maria. „Wir sind durchschnittlich 21,8 Jahre alt.“ Immer weniger SchülerInnen kommen bereits mit 15 Jahren nach der Schulpflicht an die Berufsschule. „Für viele ist die Lehre nicht die erste Wahl. Es wäre wichtig, schon während der Pflichtschulzeit gegen dieses Bild zu arbeiten. Mit einer Lehre wächst man stärker in einen Beruf hinein“, sagt Elisabeth Knafl. Sie betont aber: „Wir versuchen, in Zusammenarbeit mit der Fachgruppe und z. B. den Polytechnischen Schulen, die Berufe zu promoten. Aber wir sind nur bedingt dafür verantwortlich, junge Menschen in die Branche zu bringen. Wir stellen niemanden an, sondern sind der Ausbildungspartner für die Wirtschaft.“

Das AMS und die WKO bieten Förderungen für Lehrbetriebe an. Letztes Jahr wurden bei Kuppitsch wieder drei Lehrlinge übernommen. Maria ist erst in ihrem zweiten Lehrjahr. „Ich würde mich freuen, wenn ich bleiben könnte. Aber davon ist jetzt noch nicht die Rede.“ Aus anderen Betrieben hört sie, dass viele nicht übernommen werden. „Aus wirtschaftlichen Gründen.“ Auch Michael Kratochvil kann nicht immer alle behalten. „Sie finden dann in anderen Buchhandlungen einen Job.“ Eine abgeschlossene Lehre in seinem Betrieb macht sich gut im Lebenslauf. Es gibt nur mehr wenige Ausbildungsbetriebe. Das liegt an der Strukturkrise im Buchhandel, aber auch an den vielen Einpersonenbetrieben.

Wie machen es die Deutschen?

Der Rückzug der Lehre geht über die Buchbranche und über Österreich hinaus. Kürzlich hat eine Berufsschule für BuchhändlerInnen in Köln geschlossen. Für das neue

Schuljahr lagen nur elf Anmeldungen vor.

Monika Kolb-Klausch spricht von der „Akademisierung der Gesellschaft“. Sie leitet den mediacampus frankfurt. Er gilt als Vorzeigeeinrichtung für die Aus- und Weiterbildung in der Buchwirtschaft.

Die Situation in Deutschland ist besonders paradox: Obwohl das Angebot an Ausbildungsplätzen im dritten Jahr in Folge steigt, sinkt laut Kolb-Klausch die Zahl der BewerberInnen. „Es wird schwieriger, guten Nachwuchs zu finden, daher muss man das Angebot differenzieren.“ Kolb-Klausch gibt ein Beispiel: Der mediacampus bietet ein AbiturientInnen-Modell, mit dem man gleichzeitig die Lehre und einen dem Bachelor gleichgestellten Abschluss in der Tasche hat.

Das durchschnittliche Bildungsniveau der BewerberInnen sei in Deutschland jedenfalls deutlich höher als noch vor einigen Jahren.

Die räumliche und finanzielle Flexibilität der Auszubildenden sinke aber. So finden Betriebe und Nachwuchs oft nicht zusammen.

Deutsche Betriebe können ihre Lehrlinge an eine regionale staatliche Berufsschule oder an den kostenpflichtigen mediacampus frankfurt schicken. Erwin Riedesser vermisst eine solche zentrale Ausbildungsmöglichkeit in Österreich. Er organisiert die „Rund ums Buch“-Seminare in Strobl. „Die Zerfaserung der Schulausbildungen ohne zentrale Synergien ist schlecht. Schon das Nachdenken darüber scheitert an den Länderkompetenzen.“ Heute den Buchhandel von morgen lernen An den hiesigen Berufsschulen kritisiert ­Riedesser auch, „dass Onlinehandel in all seinen Facetten noch nicht ernsthaft vermittelt wird“. Thalia hat in Linz und St. Pölten bereits eigene Berufsschulklassen eingerichtet.

Neben dem regulären Berufsschulunterricht bringen interne TrainerInnen den ThaliaLehrlingen das Thema Omnichannel näher.

Der Filialist hat somit ein Stück weit seinen eigenen digitalen Lehrplan umgesetzt.

Wer stellt in Österreich noch Lehrlinge an?

Von der Lehrlingsausbildung profitiert nicht nur der Nachwuchs, meint Michael Kratochvil: „Lehrlinge bringen Bewegung in den Betrieb. Mit ihnen holt man sich eine Außensicht herein.“ Außerdem: „Jemandem etwas zu zeigen, bedeutet, dass man auch selber darüber nachdenken muss.“ Auch finanzielle Anreize für die Wirtschaft gebe es genug.

Stammtische Die nächsten Treffen der „Jungen Verlagsmenschen“: • Amalthea Verlag, 23. 5., 18.30 Uhr • Klever Verlag, 21. 6., 19 Uhr Anmeldung via wien@jungeverlagsmenschen.at

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Kommentar Anna Krupitza Buchhandlung Bunbury’s Comics

Die jungen Wilden war sofort begeistert. Ihr Handwerk schaute sie sich unter anderem bei Rainer Götz, dem langjährigen Droschl-Lektor, ab. Heute ist sie selbst Lektorin und Projektmanagerin bei Braumüller.

Reagieren die Berufsschulen wirklich zu wenig auf den technologischen Wandel? Elisabeth Knafl verneint. In ihrer Schule würden die Lehrlinge etwa lernen, wie sie eine Website gestalten, einen Newsletter erstellen und Social Media im Handel einsetzen. Sie befassen sich mit E-Books und E-Commerce ist im Lehrplan verankert. Trotzdem hat Knafl das Gefühl, „dass uns die technischen Neuerungen immer wieder überholen“.

Foto: bo oks i n vi enna

Woher kommt der Nachwuchs in den Verlagen?

Im Verlagswesen ist die Lehre noch unüblicher als im Handel. Laut der Lehrlingsstatistik der WKO gibt es aktuell nur sieben Verlags-Lehrlinge in ganz Österreich. „Bei uns gibt es viele Quereinsteiger. Die meisten haben irgendeine Geisteswissenschaft studiert“, sagt Stefanie Jaksch. Sie ist eine der InitiatorInnen des Vereins „Junge Verlagsmenschen Wien“.

Viele ihrer KollegInnen kommen über Praktika in die Verlage. Zum Beispiel Anita Luttenberger: Nach dem Germanstikstudium arbeitete sie am Theater in der Dramaturgie. Über ein Praktikum beim Droschl Verlag kam sie in den Literaturbetrieb. Und

Sind Buchmenschen besonders glücklich?

Die Arbeit in der Bücherbranche wird von vielen jungen Menschen idealisiert und romantisiert. Der deutsche Börsenverein veröffentlichte Anfang April eine Umfrage über Glück im Beruf. Das Ergebnis: Mehr als jede vierte befragte Person hält Menschen in der Buchbranche für besonders glücklich. BerufseinsteigerInnen unterschätzen vor allem den betriebswirtschaftlichen Part, meint Erwin Riedesser: „Leider wird hier die Tatsache, dass im Wort Buchhandel auch das Wort Handel steckt und deutlich länger ist, nicht erkannt.“ Auch Elisabeth Knafl schmunzelt, wenn sie über manche ihrer SchülerInnen spricht: „Viele sagen: ,Ich habe den Beruf gewählt, weil ich gern lese. Mit Mathematik brauchen Sie mir nicht zu kommen.‘“ Sichert die Bezahlung den Lebensunterhalt?

Kalkulieren müssen die jungen BerufseinsteigerInnen auch mit ihren Lebensunterhaltskosten. Denn die Bezahlung ist nicht gerade üppig. Ein Buchhandelslehrling verdient laut Kollektivvertrag im ersten Lehrjahr

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„Ich habe das Gefühl, dass uns die technischen Neuerungen immer wieder überholen“ Elisabeth Knafl, stv. Direktorin der BS für Handel und Reisen, Wien

Der Buchhandel kann auch laut „Du bist echt mutig, dass du jetzt eine Buchhandlung aufmachst.“ Mit Mut hat das nichts zu tun, ant­ worte ich dann immer. Es ist ein langer Prozess, mit dem sich auch andere junge Menschen konfron­ tiert sehen. Ausgelernt, aber nicht übernommen, auf einen Markt geschmissen, in dem die Nachfrage nach innovativen Buchhandlungen durchaus gegeben ist, aber nicht genügend Nachfrage nach ausge­ lernten Fachkräften besteht.

Und dann passiert das, was mir passiert ist.

Man hat Ideen, man liebt Bücher, man redet mit Menschen und man macht sich selbstständig. Natürlich, das ist kein Zuckerschlecken.

Da sind schlaflose Nächte, weil man nie wirklich aus dem Geschäft geht, und da sind durchgestandene Tage, um Veranstaltungen zu planen und Kundengespräche zu führen.

Aber jeder einzelne Tag, an dem ich die Rollläden in die Höhe hieve und Bunbury begrüße, jeder dieser Tage ist ein verdammt guter Tag meines Lebens. Und seien wir ehrlich, das braucht die Welt doch. Leute, die sich was trauen. Menschen mit Ideen, die frischen Wind in die Branche bringen. Sowohl mit der eigenen Buchhandlung wie auch unter guten Vorgesetzten.

Wir sind jung, wir sind gut, wir sind da und wir machen diesen Job nicht wegen des Geldes, sondern weil wir die Arbeit in der Buch­ branche verdammt geil finden.

Quatscht mit uns, unterstützt uns, zeigt uns eure Sicht der Dinge.

Gemeinsam können wir verdammt noch mal rocken.

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– Essenziell – Der Branchennachwuchs

In Kürze im mediakolleg Das mediakolleg ist eine Weiterbildungsoffensive des HVB und des mediacampus Frankfurt. Im Juni finden folgende Seminare statt: Verkaufstraining, 26. 6., 9.30–17 Uhr Die TeilnehmerInnen lernen, wie sie das Beste aus verschiedenen Gesprächs- und Verkaufssituationen machen. Katrin Bommart, systemischer Coach und Trainerin, gibt etwa Einblicke in verkaufspsychologische Grundlagen, Storytelling und Beschwerdemanagement.

Erfolgreich mit ONIX 3.0, 27. 6., 9.30–17 Uhr Der digitale Markt entwickelt sich rasant weiter. So auch der internationale Metadaten-Standard „ONIX for Books“.

Datenmanager Martin Lüning erklärt, was die neue Version ONIX 3.0 kann, gibt Tipps zum Umstieg von ONIX 2.1 auf ONIX 3.0 und zeigt, wie man ONIX-Meldungen im neuen Format erstellt.

Grundwissen Verlag, 28. 6., 10–17.30 Uhr In diesem interaktiven Seminar werden die TeilnehmerInnen in die wichtigsten Bereiche des Verlagswesens eingeführt. Sie erfahren unter anderem Grundlegendes zu Verlagsgründung, Verlagsarten, Aufgaben eines Verlags, der Entstehung und Verbreitung von Büchern und machen einen kurzen Ausflug ins Urheberrecht und ins Self Publishing.

Die Seminare werden beim HVB in der Grünangergasse 4 abgehalten. Die reguläre Kursgebühr beträgt jeweils € 250,–.

HVB-Mitglieder zahlen nur € 199,–.

Die Anmeldeformulare und das aktuelle Programm finden Sie auf www.buecher.at/mediakolleg

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570 Euro, im zweiten 720 Euro und im dritten 1.020 Euro brutto. Im ersten Berufsjahr nach Lehrabschluss steht ihm laut Nachholbedarf“, meint ­Stefanie Jaksch. KaKollektivvertrag ein Gehalt von 1.546 Euro tharina Bacher wünscht sich außerdem eibrutto zu. Elisabeth Knafl weiß, dass die Entnen offenen Stellenmarkt: „Viele Verlage reilohnung auch in die Berufswahl hineinspielt: chen Praktikanten anderen Verlagen weiter. „Es ist schwierig, sich mit diesen EinstiegsIch fände es schön, wenn es mehr öffentligehältern eine Existenz aufzubauen.“ che Ausschreibungen für Jobeinsteiger gäbe.

Schwierig ist auch die Situation im VerDann wäre die Chancengleichheit höher.“ lagswesen: In vielen Verlagshäusern sind laut dem Verein „Junge Verlagsmenschen“ Auch nach der Lehre: unbezahlte Praktika gang und gäbe. „Da lebenslanges Lernen braucht man schon viel Idealismus“, sagt Selbst wenn es die Jungen in eine Anstellung Stefanie Jaksch. „Viele Betriebe verschanzen geschafft haben: Weiterbildung ist aufgrund sich hinter dem Argument ,Die Branche ist des Strukturwandels in der Branche gefraghalt so‘. Das ist eine Ausflucht.“ Katharina ter denn je. Dafür bietet etwa das mediakolBacher engagiert sich auch im Verein: „Es ist leg des HVB Seminare an. Auch „Rund ums schon ein Highlight, wenn ein Verlag jemanBuch“ in Strobl ist für viele ein Fixtermin. den für drei Monate sucht und 300 Euro moAnita Luttenberger war dieses Jahr dabei: natlich zahlt. Damit kann man nicht einmal „Das ist eine großartige Veranstaltung. Buchein WG-Zimmer finanzieren.“ handlungen stellen ihre Konzepte vor, es wird über die Zukunft der Branche diskutiert und Ist der Buchhandel man bekommt einen richtig guten Einblick. eine weibliche Branche?

Das ist für den Nachwuchs ganz wichtig.“ Die Buchbranche ist zwar weiblich dominiert, Aus- und Weiterbildung bekommen imin Führungspositionen spiegelt sich das aber mer mehr Aufmerksamkeit. Monika Kolbnicht wider. Kürzlich ergab eine Umfrage des Klausch vom mediacampus frankfurt freut Beratungsunternehmens Narses, dass nur sich, dass die Buchwirtschaft erkannt hat, 5,7 Prozent der deutschen, österreichischen wie wichtig gut ausgebildetes Personal ist: und Schweizer Verlage ausschließlich von Frauen geleitet werden. Das merken auch Stefanie Jaksch und ihre Kolleginnen von den „Jungen Verlagsmenschen“: An ihrem letzten Treffen nahmen 20 junge Frauen und ein Mann teil – der Chef des Verlags, den die Gruppe besuchte. Das Netzwerken sei vor allem für Frauen wichtig. „Männer organisieren sich anders. Frauen haben da

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„Ich fände es schön, wenn es mehr öffentliche Ausschreibungen für Jobeinsteiger gäbe“

sachbuch UNHEIMLICH UND ERSCHRECKEND

Katharina Bacher, Verein Junge Verlagsmenschen Was sexualität, FrauenFeindlichkeit, reichtum und macht mit der kirche zu tun haben.

„Bildung ist ein wachsendes Thema. Ich finde es sehr beruhigend, dass das in der Branche angekommen ist.“ Hört man sich beim Nachwuchs um, spürt man trotz Strukturkrise Optimismus: „Die SchülerInnen haben viele Ideen, was sie nicht alles machen wollen oder könnten“, sagt Elisabeth Knafl. „Eine Klasse redet immer wieder über das ,Buch auf Knopfdruck‘, einen Buchautomaten.“ Stefanie Jaksch stimmt zu: „Es tut sich relativ viel. Es gibt Neugründungen, zum Beispiel die Wiener Buchhandlung ,Bunbury‘ oder ,Die Seeseiten‘ in der Seestadt Aspern. Die Stimmung in der Branche ist trotz der Herausforderungen sehr gut.“ Daran ändern auch die unterschiedlichen Wege nichts, auf denen der Nachwuchs heute in den Beruf findet. Längst nicht mehr alle streben eine klassische Ausbildung und eine klassische Karriere an. Denn auch die Berufe rund ums Buch sind nicht mehr klassisch.

Sie verändern sich mit ihrem Produkt. Die PraktikantInnen, Lehrlinge und QuereinsteigerInnen von heute stehen angesichts des Wandels, der die Branche erfasst, vor riesigen Herausforderungen. Damit der Nachwuchs diese bewältigen kann, braucht er viel Idealismus, aber auch faire Bedingungen.

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Der aus der ZDF Sendung „Aspekte“ bekannte Autor verbindet in diesem für religionsgeschichtliche Laien geschriebenen Werk seine Erfahrungen als Lehrer im bischöflichen Dienst mit seinen kulturhistorischen und theologischen Kenntnissen. Zudem beschäftigt er sich mit der Frage, warum die Kirche heute kaum noch mit dem urchristlichen Gedankengut übereinstimmt. Schon der Philosoph Friedrich Nietzsche stellte im 19. Jahrhundert fest: „Die Kirche ist genau das, wogegen Jesus gepredigt hat.“ Den Nachweis dieser Aussage führt Peter Sasse anhand von Themen wie Sexualität, Frauenfeindlichkeit, Reichtum und Macht der Kirche sowie Fälschungen von Bibeln und geschichtlichen Wahrheiten zutage. Der Leser erfährt eine Glaubensgeschichte, die nicht nur interessant, wissenswert und spannend, sondern auch unheimlich und erschreckend ist.

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11.05.17 11:24 15.05.2017 12:02:43 Uhr

– HVB-Mitglieder im Porträt – Verleger / Haymon Verlag, Innsbruck Porträts: Lukas Schöppl

F o t o : m a r t i n va n d o r y

„Ein Verleger muss ein Interesse und eine Leidenschaft für Literatur haben.

Und nicht nur lesen, sondern auch rechnen können“

M

Markus Hatzer

Markus Hatzer ist durch und durch Verleger. Er leitet den Haymon Verlag, den Studienverlag und den Löwenzahn Verlag. Geboren als einer von nur 1.170 Bewohnern in Prägraten am Großvenediger, begann er mit fünfzehn Jahren die Lehre zum Buchhändler bei Tyrolia in Lienz. 1990 gründete er als 24-Jähriger mit zwei Freunden einen Kleinverlag: Der Studienverlag existiert heute noch als einer der führenden Wissenschaftsverlage Österreichs. Im Jahr 2004 kaufte Hatzer den Haymon Verlag.

Der Name stammt vom sagenhaften Riesen Haymon, der einen Drachen besiegte, ein Kloster gründete und Landesherr von Tirol war. Haymon ist ein Literaturverlag mit Fokus auf Belletristik. Wie viel Daseinsberechtigung hat fiktionale Literatur noch im Zeitalter von Fake-News? Markus Hatzer kennt die Antwort: „In Büchern stehen viel-

leicht erfundene Sachen, aber gerade diese spiegeln die Realität oft besser wider.“ Eine Besonderheit des Haymon Verlags ist sein Fokus auf Übersetzungen ukrainischer AutorInnen. Grund dafür ist die persönliche Faszination Hatzers für diese hierzulande wenig beachtete Literaturszene. „Ich war mehrmals in der Ukraine und bin oft in Kontakt mit dem Autor Andrei Kurkow. Ich habe es mir zur persönlichen Aufgabe gemacht, dieser besonderen Literatur einen Platz in den österreichischen Buchhandlungen zu geben.“ Spricht er auch selbst Ukrainisch? „Ich habe das Glück, immer einen Übersetzer dabeizuhaben“, sagt Hatzer und lacht.

Gemeinsam mit Markus Renk kaufte er 2015 die Wagner’sche Buchhandlung von Thalia zurück. Dennoch ist Hatzer bei

s­ einen Verlagen geblieben. „Ich habe zwar meine Wurzeln eindeutig im Buchhandel, aber ich habe mich zum Verleger entwickelt.

Ich arbeite halbtags, von acht Uhr früh bis acht Uhr abends, da bliebe für eine Buchhandlung keine Zeit“, meint er mit einem Augenzwinkern. Dabei gibt es mit der Buchhandlung Haymon sogar eine verlagseigene Buchhandlung, die neben eigenen Titeln auch Bücher anderer Häuser verkauft.

Markus Hatzer sieht Unterhaltungsliteratur und ernste Literatur nicht als getrennte Sparten: „Kriminalliteratur ist sehr wichtig für den Haymon Verlag. Und nachdem wir auf Qualität achten, wäre eine Trennung von U- und E-Literatur verkrampft und widersinnig.“ Das Profil eines guten Verlegers skizziert Hatzer so: „Er muss ein Interesse und eine Leidenschaft für Literatur haben.

Er muss mit den Autoren kommunizieren können. Und er muss nicht nur lesen, sondern auch rechnen können.“

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15.05.2017 12:02:58 Uhr

– HVB-Mitglieder im Porträt – Buchhändlerin / Stark, Gmünd

F o t o : C h r i s t o p h e r M Av r i Č

Birgit Stark

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„Jammern nützt nichts.

Daraus entsteht nichts Neues.

Man muss aktiv sein und Ideen haben“

ie Stadt Gmünd im Waldviertel zählt 5.500 EinwohnerInnen und damit zu den größeren Orten im Umland. „Gmünd ist das urbanste Eck im Waldviertel und gut erreichbar“, sagt Birgit Stark, die hier die Buchhandlung Stark gegründet hat. Sie entstand 2011 aus einem ehemaligen Wirtshaus. Birgit Stark studierte Germanistik und Anglistik und unterrichtete mehrere Jahre an einer HAK, bevor sie ihre eigene Buchhandlung eröffnete. Damit erfüllte sie sich einen lang gehegten Traum.

Die Wahl von Gmünd als Standort fanden viele „mutig“: „Man würde nicht vermuten, dass jemand hier eine Buchhandlung eröffnet. Das war jedenfalls die Meinung von vielen Menschen.“ Stark hörte nicht auf sie.

Die Buchhandlung heißt nicht nur so, sie macht sich auch stark: in erster Linie für die Bewohnerinnen und Bewohner der Region.

Besonders stolz ist Birgit Stark auf den von ihr ins Leben gerufenen Stark-Buch-Frühling.

Der Stark-Buch-Frühling findet jedes Jahr um den Welttag des Buches herum statt. „Es gab bereits Literaturfeste in der Umgebung,

zu denen in erster Linie Menschen aus den großen Städten gekommen sind. Eigens für WaldviertlerInnen gab es da noch zu wenig.

Mit dem Stark-Buch-Frühling gibt es nun eine Veranstaltung, die für die Region da ist.“ Zu den geladenen Vortragenden gehörten etwa die Schauspielerin Erni Mangold, der Autor Bernhard Aichner oder auch FalterHerausgeber Armin Thurnher. „Ich fühle mich nicht nur als Buchhändlerin, sondern auch als Eventmanagerin. Die Buchhandlung ist eine Kommunikationsdrehscheibe und ein Ort des Zusammenkommens.“ Das liegt an der Stammkundschaft, aber auch am Beratungsservice der Buchhandlung Stark. „Ein Besuch in einer Buchhandlung ist ein freudiges Erlebnis. Niemand kommt grantig hierher. Es entstehen immer nette und positive Begegnungen und Gespräche.“ Ihren positiven Zugang hält Birgit Stark hoch und würde ihn gern öfter in der Branche beobachten. „Es wird schon viel gejammert.

Aber Jammern nützt nichts. Daraus entsteht nichts Neues. Man muss aktiv sein und neue Ideen haben.“ In der Buchhandlung Stark hat man keinen Grund zum Jammern. Dafür sorgt neben dem Sortiment auch das Café „Leselounge“. „Als Studentin war ich oft in England. Dort kann eine Buchhandlung noch so klein sein, ein Bereich, wo man Tee oder Kaffee genießen kann, findet sich immer. Man braucht beim Lesen eine Kleinigkeit zum Essen oder Trinken. Das haben schon die Kaffeehausliteraten gewusst.“

Buchhandlung Stark Bahnhofstraße 5 3950 Gmünd

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15.05.2017 12:03:08 Uhr

– HVB-Mitglieder im Porträt – Grossist / Othmar Edelmann GesmbH

F o t o : C h r i s t o p h e r M Av r i Č

Wolfgang Edelmann

„Nach der langen Zeit unterwegs und dreißig Jahren als Geschäftsführer habe ich mir Zeit zum Leben und Lesen verdient“

M

ein Großvater Willibald hatte 1945, nach dem Zweiten Weltkrieg, eine Buchhandlung in Wien gegründet und in der eigenen Wohnung eine kleine Auslieferung eingerichtet“, erzählt Wolfgang Edelmann. Sein Vater Othmar baute die Buchhandlung in den 1960er-Jahren an einem neuen Standort und mit drei Filialen aus. Wolfgang wandelte als Geschäftsführer 1986 das Einzelunternehmen in eine GmbH um. 2001 widmete sich die Firma, nun im 10. Wiener Gemeindebezirk angesiedelt, nur mehr der Auslieferung und Vertretung. Im Zuge von Umstrukturierungen musste die Auslieferung 2010 aufgelassen werden, seitdem gibt es nur mehr die Verlagsvertretung.

Wolfgang Edelmann hat den Buchhandel in einer Floridsdorfer Filiale des Familienbetriebs erlernt. Die Aufgaben eines ­Grossisten

beschreibt er als vielfältig: „Als Grossist muss man für Verlage Vertretung wie Logistik bereitstellen. Es geht um perfekte Betreuung und eine optimale Lagerhaltung, die den technischen Neuerungen entsprechen muss. Buchhandlungen sollen so schnell wie möglich versorgt werden. Also muss man als Grossist den Überblick bewahren und zusehen, dass alle Bücher vorrätig sind. Die Auslieferung sollte möglichst noch am Tag der Bestellung erfolgen, damit die Buchhandlung das Buch am Folgetag verkaufen kann.“ Manche Auslieferungen verzichten auf eigene VertreterInnen. Wolfgang Edelmann nicht. Er hat diese Dienstleistung einige Jahre lang selber ausgeführt. „Ich finde es eine gute Symbiose“, sagt er. „Aber die Verlage entscheiden, was für sie mehr Sinn macht.“ Seit den Zeiten von Edelmanns Vater Othmar ist die Othmar Edelmann GesmbH Mitglied des HVB. „Mir war es immer wichtig, beim HVB zu sein. Ich habe die Zusammenarbeit auch stets als gut empfunden.

Und für die BUCH WIEN habe ich immer versucht, die Verlage zu begeistern.“ Doch nun, nach dreißig Jahren als Geschäftsführer, ist Schluss. Mit Ende Mai legt Wolfgang Edelmann seine Tätigkeiten nieder.

Wie geht es mit dem Familienunternehmen weiter? „Die Übergabe verläuft gut, da mach’ ich mir keine Sorgen. Es gibt allerdings keinen einzelnen Nachfolger, bereits gut in der Branche eingeführte Kollegen werden das Programm übernehmen. Das ist den Verlagen wichtig. Auch die gute Kundenkenntnis und Kundenbetreuung sollen erhalten bleiben.“ Was aber wird Wolfgang Edelmann machen? „Leben. Nach der langen Zeit unterwegs und dreißig Jahren als Geschäftsführer habe ich mir Zeit zum Leben und zum Lesen verdient.“ Sein Gesichtsausdruck gibt zu verstehen, dass er sich auf diese Zeit freut.

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15.05.2017 12:03:17 Uhr

– HVB-Mitglieder im Porträt – Antiquar / Wien

F o t o : C h r i s t o p h e r M Av r i Č

„Ein Buch verkaufe ich dann am besten, wenn ich die Geschichte des Objekts erzählen kann“

Domenico Jacono Antiquariat/Verlag/Galerie Neubaugasse 35/1A/R5 1070 Wien

Domenico Jacono

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mor Librorum Nos Unit.“ Der Leitspruch der Antiquare prangt auf dem Schild von Domenico Jaconos Antiquariat in der Neubaugasse. Über wenige Stufen betritt man die Räumlichkeiten. Sie erinnern an eine Galerie und haben nichts von einem angestaubten Bücherfundus. Kein Sammelsurium an muffigen Büchern, sondern ein Museum mit sorgfältig präsentierten Exponaten: exklusive Werke und Kunstdrucke von sowjetischen Plakaten.

Das Antiquariat besteht aus einem Schauraum und einem angrenzenden Kabinett mit Handbibliothek und Schreibtisch. Auf einer Seite des Raumes steht ein schwarzes Ledersofa aus den 1950ern, auf der anderen Seite lodert Feuer in einem geschlossenen Kamin.

Der massive Glaskubus bildet einen Kontrast zu den zierlichen Holzregalen und den Objekten darauf. Die Bücher geben auf den ersten Blick nichts von ihrem Wert preis. „Antiquar bin ich aus meiner Lesefreude heraus geworden.“ Jaconos Faszination für

Literaturwissenschaft ließ ihn Germanistik und Komparatistik studieren. „Wenig später ist dann auch das Interesse für das Objekt Buch gekommen, nicht nur für den Inhalt.“ Zwischen 2009 und 2015 leitete ­Domenico Jacono das Rapideum, das Museum vom SK Rapid. Die Arbeit als Museumskurator veränderte seine Einstellung zum Antiquariat. „Das Buch sehe ich jetzt mehr als Kunst- und Sammelobjekt. Wie ein Museumsexponat.“ Interessieren sich Antiquare also mehr für den schönen Einband als für den Inhalt eines Buches? „Aus kaufmännischer Sicht ist das Objekt wichtiger. Zustand, Ausstattung, der bibliophile Aspekt – alles, was nicht der Inhalt ist. Kafkas ,Amerika‘ in der Erstaus-

gabe ist von Sammelwert und wird gekauft.

Kafkas ,Amerika‘ als Taschenbuch mit dem gleichen Text nicht. Ideal ist beides: der fantastische Text von Kafka und die Erstausgabe. Am besten im Schutzumschlag.“ Jaconos Antiquariat hat auch die Ruhe von einem Museum. Das Holz im Kamin knackt – vom geschäftigen Treiben draußen auf der Straße bekommt man nichts mit. „Ein Buch verkaufe ich dann am besten, wenn ich die Geschichte des Objekts erzählen kann. Besondere Exemplare haben eine Widmung, eine Signatur oder ein Exlibris von einer historischen Persönlichkeit. Diese Dinge erzählen eine Geschichte. Aber auch der Zustand, Flecken auf einer Seite oder Anmerkungen neben einem Absatz. Ich versuche die Geschichte, die Aura der Bücher zu erzählen.“ Stolz ist Domenico Jacono auf jedes einzelne seiner Bücher.

Fällt es ihm eigentlich schwer, ein wertvolles Buch zu verkaufen, dessen Geschichte er lieb gewonnen hat? „Ein Antiquar darf kein Sammler werden. Aber manchmal fällt es schon schwer.“

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15.05.2017 12:03:25 Uhr

– Selbstredend –

In Ihrem neuen Buch „In der Einsamkeit nahe dem Meer“ geht es vor allem um Sex im Jugoslawien der 1970er-Jahre. Warum?

Zoran Ferić — Ja, aber es geschieht nicht ganz ohne Ironie! Warum so viel Sex vorkommt? Weil es mir um einen bestimmten Typus junger jugoslawischer Männer dieser Zeit ging, die junge europäische Frauen und Mädchen und deren Mütter verführten. Ich wollte zeigen, wie sehr es in dieser katholischen Welt an der dalmatinischen Küste auch in sozialistischen Zeiten noch immer um Gott ging. Nur war der damals ein anderer.

Mich bewegte der Kontrast zwischen einer traditionellen Gesellschaft und Westeuropa, wo eine Revolution mit allen sexuellen Freiheiten der 1960er-Jahre stattgefunden hatte.

Die Romanfiguren sind sehr ambivalent.

Die Hauptfigur, der Hauptficker sozusagen, hat zwar eine Freundin, die er liebt, doch im Sommer schläft er mit vielen anderen Frauen.

Und bleibt dabei immer äußerst traditionell.

Das klingt nach einer katholischen Perversion …

Ferić — Es ist nicht so sehr katholisch als vielmehr verdeckt antikatholisch. Ich als Privatperson würde mich als ziemlich antikatholisch bezeichnen. In der Literatur muss man diesbezüglich aber eine Balance finden.

Ein Teil des Buches spielt in Polen, also in einer sehr katholischen Welt. Ein Schriftsteller trifft dort auf religiöse Fanatiker, darunter

Die Erregung lässt nach Der kroatische Autor Zoran Ferić über sein Werk, warum der Krieg in Jugoslawien darin nicht vorkommt und es so schwierig ist, über Sex zu schreiben Interview: Erich Klein

eine sehr gläubige Frau. Konflikte dieser Art wirken auf den ersten Blick nicht zeitgemäß, sind für mich aber umso interessanter.

Der Raum, in dem der Roman spielt, fällt fast mit dem einstigen Kakanien zusammen. Nur eine Figur, eine alte Frau und Mitglied der Zeugen Jehovas, verschlägt es auf abenteuerliche Weise nach Afrika.

Ferić — Es ging mir darum, das ganze 20.

Jahrhundert abzubilden. Es ist nicht nur ein Buch über die lustigen 1970er-Jahre, auch wenn der Fokus auf unserer Küste sowie

dem kulturellen Clash liegt, der sich dort abgespielt hat. Die Komposition des Romans funktioniert wie bei einer Jam-Session im Jazz – jede Person spielt einen eigenen Part.

Außerdem wollte ich nicht nur das Leben dieser Verführer schildern, sondern auch, was aus ihnen später geworden ist und wie das Leben der Generation vor ihnen aussah.

Mir ging es darum, einen ganzen kroatischen Lebenszyklus darzustellen.

Eine ähnliche Poetik findet man schon in „Das Alter kam am 23. Mai gegen 11 Uhr“ …

Foto: Anto Magzan/PIXSELL

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oran Ferić, 1961 in Zagreb geboren und aufgewachsen, ist der kroatische Erzähler von Bizarrem und Frivolem, also den Abgründen der menschlichen Seele.

Nach dem Studium der kroatischen Literatur in seiner Heimatstadt begann er in den 1990er-Jahren Erzählungen und Romane zu verfassen. Bislang erschienen neun – mit den höchsten kroatischen Literaturpreisen ausgezeichnete – Bücher. Mit „Das Alter kam am 23. Mai gegen 11 Uhr“ schrieb er sich als Romancier in die Oberliga der europäischen Literatur. Zoran Ferić erzählt aufwendig und schnell zugleich, seine Dialoge sind voller Witz und Pikanterie: vor allem in seinem jüngsten Buch „In der Einsamkeit nahe dem Meer“, Geschichten über jugendliche Frauenverführer in den 1970er- und 1980er-Jahren an den Stränden Dalmatiens. Als Kolumnist der kroatischen Zeitschrift Nacional und langjähriger Radiojournalist ist Zoran Ferić auch keinem Gespräch über Kroatiens Geschichte und Politik abgeneigt. Im Bahnhofsrestaurant von Zagreb haben wir den Autor noch vor Erscheinen seiner neuesten Geschichten getroffen.

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15.05.2017 12:03:41 Uhr

die unendlich vielen Nuancen dieses Grau zu finden und zu untersuchen. Nur schlechte Zeitungen zeigen die Welt in Schwarz und Weiß. Was ist mit dem Rest?

Waren die 1970er-Jahre in Dalmatien tragisch?

Ferić — Für mich waren sie tragisch. Ich habe damals meine Mutter verloren. Mein Vater war eine sehr düstere Person. Ich habe über ihn schon einmal geschrieben und tue das gerade noch einmal viel ausführlicher.

Hat sich in Jugoslawien damals nicht schon das angekündigt, was später kommen sollte?

Ferić — Deshalb habe ich nicht darüber geschrieben. Es ging mir auch nicht einfach

„Nur schlechte Zeitungen zeigen die Welt in Schwarz und Weiß. Was ist mit dem Rest?“ Zoran Ferić

um Nostalgie. Im Mittelteil des Buches hatte ich die Vorstellung von einem Roman im Roman. Wie bei manchen Badezimmerspiegeln befindet sich darin noch ein weiterer Spiegel, der alles noch mehr vergrößert. Ich wollte die Risse im Lack der 1970er-Jahre ganz genau sehen.

Ferić — Auch dort bekommt man erst den Eindruck, es sei ein lustiger Roman über die Erinnerungen älterer Menschen. Doch während sie in den Erinnerungen an ihre Maturareise schwelgen, verwandelt sich das Ganze in eine düstere Geschichte über das Leben. Ähnliches wollte ich auch mit „In der Einsamkeit nahe dem Meer“ erreichen.

Es beginnt als eine Art Bildungsroman über sexuelles Erwachen und erste Erfahrungen, dann weitet es sich auf das ganze Leben aus und beginnt sich räumlich und zeitlich auszudehnen.

Der Erzähler Ihres Buches ergeht sich mitunter in Geschmacklosigkeiten, wenn er etwa den Hunger nach einem Kuss mit der Hungersnot in der Ukraine unter Stalin vergleicht.

Ferić — Der Zusammenprall der unterschiedlichen Zivilisationen bringt eben politische Inkorrektheit hervor. Das ist Nahrung und Medizin für die Literatur. Ich halte Political Correctness für eine gefährliche Ideologie – der Wahlerfolg von Trump ist ein Ergebnis davon. Milan Kundera sagte einmal, die Dinge sind nicht weiß oder schwarz, sondern grau. Aufgabe der Literatur ist es,

Peter Handke schrieb über diese Zeit einmal: „Der Kommunismus war in Jugoslawien fast nur noch eine Legende“. Es ist auffällig, dass in Ihren Büchern auch die Kriege der 1990erJahre kaum vorkommen.

Ferić — Der Krieg hat für die 1970er-Jahre keine Bedeutung. Im Gegenteil. Ich habe einmal eine Geschichte über den Tag geschrieben, an dem Tito starb und das ganze Chaos begann. Damals wusste noch niemand, was später geschehen würde. Die 1970er-Jahre waren in Jugoslawien nett – die beste Zeit, die das Land je gesehen hat. Es gab Stabilität, eine Menge Geld, sicheres Leben. Die Menschen hatten Perspektiven, Arbeit in der Fabrik, man bekam eine Wohnung, fuhr nach Österreich Skifahren, nach Italien oder Graz einkaufen. Natürlich stellen sich die Dinge nur im Rückblick so dar. Nostalgie veränderte das Bild. Salman Rushdie bezeichnete die Vergangenheit als sonderbares Land. Wir glauben, alles sei besser gewesen. »

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15.05.2017 12:03:51 Uhr

– Selbstredend –

Warum glauben wir das?

Ferić — Weil wir überlebt haben und uns jetzt erinnern können.

Wie würde eine Geschichte über kroatische Jugendliche heute aussehen?

Ferić — Die könnte ich nicht schreiben. Außerdem gibt es diese „Möwen“, diesen Typ des Verführers, gar nicht mehr. Kontaktaufnahme funktioniert heute sehr viel direkter. In „Das Alter kam am 23. Mai gegen 11 Uhr“ geht es unumwunden und direkt um Sex. Eine ganze Schiffsladung von Menschen kommt an, die sofort zu rammeln beginnen.

Die „Möwen“ verschwanden in den 1970erJahren und damit auch ihr Verhaltensmodell: einem Mädchen den Hof zu machen und Blumen zu einem Rendezvous mitzubringen. Nach dem Krieg gab es diese Burschen in Kroatien einfach nicht mehr.

Hat das mit dem Krieg zu tun?

Ferić — Nein. Das Modell „Zuerst den Hof machen, dann folgt die Eroberung“ ist schlicht veraltet. Die Frauen wurden selbstbewusster und verlangten direkten Sex, der nicht mehr mit romantischen Zutaten garniert war. Später kam Aids dazu, was die Verhaltensweisen grundlegend veränderte, und schließlich die Renaissance des Konservativismus.

Und die hinterfotzigen Geschichten nach den sommerlichen Abenteuern mit brieflichen Kontakten und falschen Adressen wären heute nicht mehr möglich?

Ferić — In Zeiten von Facebook würde das nicht mehr funktionieren. Man findet heutzutage jeden und überall. Dieser Roman ist in unserer Zeit nicht mehr möglich.

Wo spielt die Geschichte eigentlich genau?

Ferić — Auf der Insel Rab. Im letzten Sommer habe ich dort ein Bier mit einigen der Protagonisten des Buches getrunken.

Noch einmal die Frage nach dem Krieg der 1990er-Jahre, der alles verändert hat. Er kommt in Ihren Büchern kaum vor.

Ferić — Ich habe in meinem zweiten Buch „Der Tod des Mädchens mit den Schwefelhölzchen“ eine einzige Story über den Krieg geschrieben. Auch sie spielt auf Rab. Es ist nur der Kanonendonner vom Velebit-Gebirge her zu hören. Aber der Krieg bleibt auch dort im Hintergrund.

Die historische Fantasie, eine Figur in die Zukunft der kommenden Tragödie schauen zu lassen, hat Sie nie interessiert?

Ferić — Nein, meine Figuren denken darüber nicht nach. Dass es in der Zukunft Krieg geben könnte, war in den 1970er-Jahren eine absolut unmögliche Vorstellung. Wir waren jung. Mein Vater, der im Zweiten Weltkrieg gewesen war, sagte mir einmal: „Wir werden uns noch einmal gegenseitig umbringen.“ Ich antwortete: „Du bist doch verrückt!“ Leider besteht die Geschichte aus derartigen Verrücktheiten. (lacht)

Kroatien alles dominiert. Alle haben sich daran gewöhnt. In den großen Firmen werden vor allem Verwandte beschäftigt. Es ist kein Zufall, dass die beliebtesten Fernsehserien bei uns türkische Soap-Operas sind. Genauso geht es in Kroatien zu!

Im Vorjahr gab es einen Regierungswechsel.

Die konservative Partei kam mit viel Patriotismus an die Macht. Plötzlich standen Themen

„Schon unsere Art, Geschäfte zu machen, zeigt, wie orientalisch hier alles abläuft“ Zoran Ferić

Ist es schwierig, über Sex zu schreiben? Der Regisseur Jean-Luc Godard meinte einmal, die meisten Sex-Szenen im Kino schauen aus wie zusammengepickte Kaugummis.

Ferić — Sehr schwierig. Je älter ein Mensch wird, umso schwieriger wird es. Die Erregung lässt nach. (lacht) Ich habe kürzlich mit jungen Autoren darüber gesprochen und alle waren ratlos. Es ist so schwierig, weil es viel zu viel davon gibt – im Film, in der Literatur. Wir leben in einer Zeit, die vor allem Stereotype hervorbringt. Meine Bücher werden vor allem vom ständigen Konflikt zwischen mediterraner Atmosphäre und den Perversionen des Katholizismus durchzogen.

Kroatien ist seit 2013 Mitglied der EU. Außer bei Wahlen erfährt man über das Land nicht sehr viel. Wie sieht das von innen aus?

Ferić — Wir reden gern davon, dass wir zu Mitteleuropa gehören, zum Westen. Aber schon unsere Art, Geschäfte zu machen, zeigt, wie orientalisch hierzulande alles abläuft. Ich spreche von der Korruption, die in

wie das Verbot der Abtreibung im Mittelpunkt hitziger Diskussionen …

Ferić — Im Moment ist das kein Problem – in naher Zukunft wird es eines. Wir sehen konservative Revolutionen allerorts. Auch in der Slowakei, in Polen, in Ungarn. In der wichtigsten aktuellen Diskussion geht es nicht um Abtreibung, sondern um Kultur überhaupt. Die Konservativen versuchen, die Kultur als eine Waffe zur Veränderung der Stimmung im Lande einzusetzen.

Was heißt das konkret?

Ferić — Man versucht zum Beispiel an der Universität Zagreb, die katholische mit der philosophischen Fakultät zusammenzulegen. Sie wollen die Geisteswissenschaft unter die Ägide der Kirche bringen. Es wurde dagegen protestiert, mittlerweile sind viele Institutionen in diesen Kampf involviert. An der hiesigen Fakultät für Philosophie gab es immer eine starke liberale Tradition, selbst in sozialistischen Zeiten. Die Zagreber waren die Ersten in Jugoslawien, die in den 1970er-

Foto: Anto Magzan/PIXSELL

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Kramers Kinderstube Irmgard Kramer Jahren, im „kroatischen Frühling“, für Liberalisierungen eintraten. Jetzt will die Kirche alles kontrollieren. Ein anderer Kampf findet im Bereich Film statt. Die Konservativen wollen alles in ihre Macht bekommen. Einer unserer derzeitigen Minister, ein Historiker, ist gerade dabei, eine neue Geschichte des Landes zu erfinden. Er machte einige regelrecht faschistische Aussagen. Bei einer Grabrede am Hauptfriedhof von Zagreb meinte er, Kroatien habe 1945 den Krieg verloren. Tatsächlich hat Kroatien mit den antifaschistischen Partisanen den Krieg aber gewonnen!

Solche Dinge passieren laufend.

Der Kult um den umstrittenen Zagreber Kardinal Stepinac, der im Dom aufgebahrt ist, wirkt nicht nur makaber, er erinnert auch ein wenig an den sowjetischen Lenin-Kult …

Ferić — Da besteht nicht viel Unterschied, auch wenn die Geschichte mit Kardinal Stepinac komplizierter ist. Heute wird behauptet, der faschistische NDH-Staat während des Krieges sei nicht so schlimm gewesen. Man rehabilitiert auf diese Weise den Faschismus. Historisch gab es tatsächlich Konflikte zwischen dem Diktator Ante Pavelić und Stepinac, der während des Krieges auch Juden geholfen hat. Darauf verweist man jetzt gern. Und natürlich war es kriminell, als die Kommunisten den Kardinal nach dem Krieg verhafteten und unter Hausarrest stellten.

Aber man macht Stepinac heute zum Helden, nicht weil er Juden gerettet hat, sondern weil er den faschistischen NDH-Staat,

Bücher von Zoran Ferić Der Tod des Mädchens mit den Schwefelhölzchen (2003): Balkanisches „Twin Peaks“, in dem Angst und Paranoia mit Sex und Humor gewürzt sind.

Die Kinder von Patras (2006): Ein Roman über Leidenschaft, Kroatien, Zagreb, Eifersucht und Biopolitik.

Das Alter kam am 23. Mai gegen 11 Uhr (2011): Opus maximum – eine Schiffsreise saturierter BürgerInnen in der Adria voll schwarzem Humor, die zur Orgie gerät.

In der Einsamkeit nahe dem Meer (2017): Foto: darko tod orovic

Dalmatinische Jungs, die sich in den 1970ern und 1980ern als Frauenverführer versuchen.

Alle Bücher von Zoran Ferić sind im Folio Verlag erschienen und wurden von Klaus Detlef Olof übersetzt.

den Vasallenstaat Hitlers, gerechtfertigt hat.

Der Kardinal war ein Kollateralschaden von Geschichte und Politik, aber er war auch Kardinal während des Kriegs, als bei uns ein „kleiner“ Holocaust stattfand.

Worum geht es bei dieser merkwürdigen Rehabilitierung des faschistischen UstaschaRegimes eigentlich?

Ferić — Ich brauche das nicht! Es gibt zwei Hauptgründe: Der erste Grund ist, dass unsere Regierungspartei weiß, dass sie mit diesen Fragen Wahlen gewinnen kann. Einige bei den Konservativen sind natürlich klüger. Unser Premierminister versucht zum Beispiel, den Europäern und auch uns selbst einzureden, dass er mit der Ustascha nichts am Hut hat, sondern ein normaler konservativer europäischer Politiker ist. Außerdem glaubt eine Menge von Leuten in Kroatien, dass die Serben tatsächlich unsere Feinde sind. Nicht Mladić oder Milošević, sondern das ganze Volk. Und leider denkt auch eine Menge junger Leute so.

Warum glauben junge Menschen das?

Ferić — Weil sie zwanzig Jahre lang indoktriniert wurden. Durch Geschichtsbücher, mit dem Katechismus, in der Schule. Das ist ein Problem. Wir haben eine sehr konservative Gesellschaft, wobei es bei den anderen auch nicht besser ausschaut. In Serbien gibt es keine linke Opposition mehr, in Ungarn und in Polen ist es genauso schwierig.

Ein anderer Teil der jungen Kroaten verlässt heute massenhaft das Land.

Ferić — Diesbezüglich erleben wir eine Apokalypse. Es hat katastrophale Ausmaße angenommen. In Zagreb sieht man das Problem vielleicht nicht, aber in Slawonien und in der Baranja gibt es bald keine Menschen mehr.

Einer unserer berühmtesten Dichter, mein Freund Denimir Leschitzky, der in Osijek lebt und in der Baranja geboren wurde, ist mit Fahrrad und Fotoapparat in dieser Gegend herumgefahren. Auf seinen Bildern sind Dörfer ohne Menschen zu sehen. In einem Ort fand er einen einzigen Menschen, einen alten Mann, der im Bett lag und nicht mehr gehen konnte. Er hatte Hunger und Durst.

Sonst war niemand mehr da. Slawonien und die Baranja gehörten einst zu den reichsten Regionen des Landes. Bei den Wahlen wollte die konservative Partei beweisen, dass die Linke für diese Zustände verantwortlich ist.

Und wer ist verantwortlich?

Ferić — Die zwanzig Jahre, in denen sich eine konservative Regierung an »

Jugendbuchautorin

Lest uns mehr vor!

Wie man erwachsene LeserInnen bekommt Im Bregenzerwald hat eine Bibliothek eröffnet. Nicht, dass Sie glauben, wir leben hier im literarischen Hinterwald. Im Gegenteil. In 71 von 93 Vorarlberger Gemeinden gibt es eine öffentliche Bibliothek. Und in einer sollten George Nussbaumer und ich, zur Anschaffung neuer Bücher, benefizmäßig musizieren und lesen. Am besten Piratengeschichten. Piraten mag jeder. In der Volksschule übten sie das Lied „Alle Kinder lernen lesen“. Der Saal wurde geschmückt, ein Keyboard, ein Lesepult und eine Leinwand auf die Bühne gestellt, damit wir die grandiosen Illustrationen von Zapf zeigen konnten. Die Lesung war am Sonntagmorgen, danach sollte es Schnitzel oder Schweinsbraten geben. Als sich die Türen öffneten, kamen Väter, Mütter, Kinder. Sie behielten ihre Jacken an und machten keine Anstalten, sich setzen zu wollen. Die VolksschülerInnen sangen ihr Lied. Und alle zogen ab: Väter, Mütter, Kinder. Sie hätten ein paar Euro zahlen müssen. Für die Bücherei im Dorf. Übrig blieben zwangsbeglückte PolitikerInnen und ein paar Freunde. Nach der Lesung kam ein älterer Herr auf mich zu.

Den Tränen nahe. Es war die erste Kinderbuchlesung seines Lebens. Er habe nie ein Kinderbuch bekommen und zum ersten Mal habe ihm jemand vorgelesen. „Lest uns mehr vor“, verlangten Kinder in einer Vorlesestudie des ZEIT Verlags von 2016. Wer sich nicht um die Kinder kümmert, wird keine erwachsenen LeserInnen bekommen.

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– Selbstredend –

der Spitze unseres Landes befindet.

Und zwar nicht, weil sie konservativ ist oder die katholische Kirche übermäßig viel Einfluss hat, sondern weil der Großteil dieser Leute ehemalige Kriminelle sind. Es gab in Kroatien eine absolut kriminelle Phase der Privatisierung, bei der viele Leute ihren Job verloren. Gleichzeitig entstand eine Klasse von Multimillionären. Eine Idee von Franjo Tuđman wurde in die Tat umgesetzt: zweihundert Familien zu schaffen, die die Oligarchie, die wirtschaftliche Aristokratie des Landes, bilden sollten. Diese Idee stammte ursprünglich aus Südamerika von den dortigen Diktatoren. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren viele Kroaten dorthin emigriert, die in den 1990er-Jahren zurückkamen. Sie haben das geschaffen, was wir heute haben.

Das wäre doch ausreichend Stoff für einen großen Roman!

Ferić — Mal sehen …

Kehren wir zur Literatur zurück. Was haben Sie als junger Mann gelesen?

Ferić — Zuerst die Bücher, die es zuhause gab. Am Anfang standen Hemingways „Schnee auf dem Kilimandscharo“ und ein weiteres Buch über weiße Jäger in Afrika. In der Schulzeit las ich viel Lyrik und vor allem Kafkas Erzählungen. In den 1970er-Jahren war in Kroatien Borges sehr populär. Es gibt bei uns eine ganze Generation von Autoren, die als „Borgesowtsi“ bezeichnet werden.

Ich hab’ damals auch viel phantastische Literatur gelesen – Ambrose Bierce und Edgar Allan Poe. Später kam Raymond Carver dazu.

Die meisten Autoren meiner Generation versuchten, wie Carver zu schreiben – über das Leben, nicht über Literatur. Dann kam der Krieg. Heute geht es in vielen kroatischen Romanen und Erzählungen um die Probleme der Gesellschaft nach dem Krieg – etwa um Armut.

Sie haben jetzt keine jugoslawischen Autoren genannt.

Ferić — In den 1970er- und 1980er-Jahren waren die populärsten Schriftsteller Danilo Kiš, ein serbischer Autor, und Milorad Pavić, auch ein Serbe. Kiš war links, Pavić wurde später zu einem sehr konservativen serbischen Nationalisten. Beide waren in Kroatien damals äußerst populär. Ein Star in der Lyrik war damals Tomaž Šalamun aus Slowenien, der vor wenigen Jahren gestorben ist. Serbien hatte eine ganze Reihe sehr starker Prosaautoren: Danilo Kiš, Mirko Kovač, Bora Ćosić und Borislav Pekić. Das waren die Schriftsteller meiner Universitätszeit.

In Bezug auf den Jugoslawienkrieg wird oft von der Verantwortung der Intellektuellen gesprochen. Lassen Sie mich die Frage anders stellen: Gab es viele Autoren, die während des Krieges mit ihren Kollegen auf der anderen Seite Kontakt pflegten?

Ferić — Ja, natürlich. Aber während des Krieges gab es zwischen den Ländern weder Telefon noch Internet. Kontakte waren sehr

„Es war für uns sehr wichtig, dass sich Tito 1948 vom sowjetischen Block gelöst hat“ Zoran Ferić

Biografien und politische Bedeutung oft sehr simplifiziert werden. Beide spielten bei der Schaffung Jugoslawiens und Kroatiens eine wichtige Rolle. Im Falle Titos gab es bis in die 1990er einen immensen Persönlichkeitskult – dann begann seine Demontage.

Bleiben wir bei Tito …

Ferić — Er hatte ohne Zweifel ungeheure Verdienste nicht nur für dieses Land, sondern auch für die Länder in unserer Nachbarschaft. Es war für uns sehr wichtig, dass sich Tito 1948 vom sowjetischen Block gelöst hat. Ich war kürzlich in der Ukraine, in Lemberg, und sah dort die traurigen Folgen und Reste des realen Sozialismus. Ich hab mir gesagt: „Danke, Genosse Tito, dass du uns das erspart hast!“ Oder nehmen Sie das Begräbnis von Tito. Es war eines der großen politischen Ereignisse dieser Zeit, an dem viele große Staatsmänner teilnahmen.

Kurt Waldheim war als Generalsekretär der UNO auch anwesend …

Ferić — Es ist bezeichnend, dass es über den Todestag von Tito zahlreiche Erinnerungsbücher gibt, über Tuđman lässt sich nichts Vergleichbares sagen. Er war Titos jüngster General und verhielt sich Zeit seines Lebens wie ein General. Ich bin kein Freund von Tuđmans Persönlichkeit, aber seine Verdienste bei der Schaffung des Staates Kroatien sind unbestritten. Genauso unbestritten ist, dass er große „Verdienste“ daran hat, wie der Staat heute beschaffen ist und dass die Dörfer der Baranja jetzt leer sind. Um über ihn urteilen zu können, müsste man viele Quellen studieren. Die beste Antwort wäre ein großer Roman. Ich werde den aber sicher nicht schreiben.

schwierig. Ein Freund lebte mit einer Frau in Zagreb, zur Geburt fuhr sie nach Belgrad, woher sie stammt. Sie haben sich dann erst ein Jahr später in Ungarn wieder getroffen.

Richtige Kontakte wurden erst nach dem Krieg wieder aufgenommen, zu Beginn der 2000er-Jahre mit einigen Festivals. Heute ist diesbezüglich alles normal. Meine Bücher erscheinen in Serbien, mein Verlag hat Filialen in Serbien, Bosnien und Slowenien. Bücher sind in Serbien billiger als bei uns.

Die beiden berühmtesten Kroaten der jüngeren Geschichte sind Tito und Franjo Tuđman.

Könnten Sie über diese Figuren schreiben?

Ferić — Ich könnte über jeden von ihnen einen Roman schreiben, würde es aber nicht tun. Außerdem ist es schwierig, eine kurze Antwort über die beiden zu geben. Sie sind komplexe historische Persönlichkeiten, ­deren

Woran schreiben Sie denn gerade?

Ferić — Ich arbeite an dokumentarischer Prosa, die nicht steng historisch ist. Es geht um eine Familiengeschichte. Danilo Kiš sagte, jeder Autor hat sein spezielles Familienschicksal. Das steht am Beginn aller Werke.

Ich schreibe eine Art Erzählung über meine Familie und mein Leben vor dem Krieg.

Was, wenn Sie nicht schreiben könnten?

Ferić — Ich würde anfangen, enorm viel zu trinken!

Schreiben ist also Ihre Rettung?

Ferić — Was meine Gesundheit betrifft, auf jeden Fall. Aber ich schreibe auch für die Menschen, die lesen. Ob es die in Zukunft noch geben wird, ist allerdings eine große Frage. Ich hoffe es. «

Foto: Anto Magzan/PIXSELL

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– Klassiker – neu entdeckt

Emanzipations-

dig. „Nun, du willst mir’s ja erzählen, und ich bin durchaus bereit, mir die Sache anzuhören.“ Das ließ sie sich nicht zweimal sagen und begann. „Also, mein Lieber, denk dir nur, Frau Long sagt, Netherfield ist von einem jungen Mann aus Nordengland übernommen worden, und er hat eine Menge Geld; am Montag ist er vierspännig in einer Kutsche mit Halbverdeck hergekommen, um sich alles anzusehn, sagt sie, und es hat ihm gleich so gefallen, daß er sofort mit Herrn Morris einig geworden ist; noch vor Michaelis soll er einziehn, sagt sie, und einige von seinen Dienstboten werden schon bis Ende nächster Woche im Haus erwartet.“ „Wie heißt er denn?“ „Bingley.“ „Ist er verheiratet oder ledig?“ „Ledig ist er, mein Lieber, denk nur, ledig! Ein Junggeselle mit großem Vermögen; vier- oder fünftausend Pfund Einkommen im Jahr. Das ist doch wunderbar für unsere Mädchen!“ „Wieso? Was sollen denn die damit zu tun haben?“ „Aber mein lieber Bennet“, erwiderte die treue Gattin, „wie kannst du nur so schwer von Begriff sein! So nimm denn zur Kenntnis, daß er meiner Meinung nach eine von ihnen heiraten wird.“ „Will er sich deswegen hier niederlassen?“ „Deswegen! – Wie kannst du nur solchen Unsinn reden! Aber es ist doch sehr wahrschein-

D r ama STOLZ UND VORURTEIL (1813) VON JANE AUSTEN (1775–1817) In der ganzen Welt gilt es als ausgemachte Wahrheit, daß ein begüterter Junggeselle unbedingt nach einer Frau Ausschau halten muß. Wie wenig auch sonst von den Gefühlen und Ansichten eines solchen Mannes bekannt sein mag, wenn er zuerst in einem nachbarlichen Lebenskreis auftaucht, so ist die besagte Binsenwahrheit in den Gemütern der ringsum wohnenden Familien doch so fest verankert, daß er von vornherein als das rechtmäßige Eigentum der einen oder anderen ihrer Töchter betrachtet wird. „Mein lieber Bennet“, sagte dessen bessere Ehehälfte eines Tages, „hast du schon gehört, daß der Gutssitz Netherfield Park nun endlich einen Mieter gefunden hat?“ Herr Bennet erwiderte, das sei ihm neu. „Es stimmt aber“, gab sie zurück, „denn eben ist Frau Long hier gewesen und hat mir alles haargenau berichtet.“ Herr Bennet gab keine Antwort. „Ja willst du denn nicht wissen, wer das Gut übernommen hat?“, rief die Gattin ungedul-

Weshalb wir das lesen sollen. anleitung von erich Klein.

Jane Austen, Tochter eines Pastors in Hampshire, begann in jungen Jahren zu schreiben. Zuerst Parodien auf schmachtende Frauenromane für den Hausgebrauch. Die erste Version von „Stolz und Vorurteil“ verfasste sie mit einundzwanzig – die Autorin bezeichnete es als ihr Lieblingsbuch. Es folgten fünf weitere große Romane. Jane Austen starb im Alter von fünfundvierzig Jahren. „Stolz und Vorurteil“ beginnt mit einem der meistzitierten ersten Sätze der Literatur: „In der ganzen Welt gilt es als ausgemachte Wahrheit, daß ein begüterter Junggeselle unbedingt nach einer Frau Ausschau halten muß.“ „Stolz und Vorurteil“ besticht durch boshafte Ironie und nüchternen Sarkasmus. Im Mittelpunkt des Romans steht eine Frau, die Liebesdinge lieber selbst in die Hand

nimmt. Dass am Ende drei der fünf Bennet-Töchter verheiratet sind, ist nicht nur der erfolgreichen Durchführung eines literarischen Experiments geschuldet.

Die Autorin hatte es darauf tatsächlich abgesehen. Es sollte alles anders als bei Aschenputtel sein. Vor allem die Intrige zwischen dem wohlhabenden Mr. Darcy und der Protagonistin Elizabeth Bennet weist die Heiratskomödie als eine Form des Emanzipationsdramas aus. Happy End bedeutet nicht automatisch Kitsch. Kein anderer der großen Frauenromane des 19. Jahrhunderts (die meist von Männern verfasst wurden) zeigt eine derart kluge Widerspenstige, die sich auch gar nicht zähmen ließe. Stolz und Vorurteil sind dabei – mehr als alle moralischen Überlegungen – Antriebsmomente für Verliebtheit und Zurückweisung, Kränkung und Versöhnung der Figuren.

Die weiteren Paarungen des Romans – zwischen der älteren Schwester Jane

lich, daß er sich in eine von ihnen verlieben könnte, und deshalb mußt du deinen Besuch machen, sobald er einzieht.“ „Ich sehe nicht ein, warum ich das sollte. Du und die Mädchen, ihr könnt ja hinüberfahren, oder du kannst sie auch allein hinschicken, was vielleicht noch besser sein wird, denn da du’s an Schönheit mit jeder von ihnen aufnehmen kannst, besteht die Gefahr, daß Herr Bingley nur Augen für dich hat.“ „Ach, mein Lieber, jetzt schmeichelst du aber!

Natürlich habe ich mich bestimmt mal sehen lassen können, aber ich bilde mir nicht ein, jetzt noch etwas ganz Besonderes darzustellen. Wenn eine Frau fünf erwachsene Töchter hat, sollte sie nicht mehr so sehr an ihre eigene Schönheit denken.“ „Meist hat sie dazu auch gar keinen Grund mehr.“ „Aber, mein Lieber, du mußt Herrn Bingley trotzdem besuchen, wenn er in unserer Nachbarschaft ansässig wird.“ „Darauf kann ich mich nicht einlassen, bestimmt nicht.“ „Aber denk doch an deine Töchter! Überleg dir mal, was das für eine wunderbare Versorgung für einen von ihnen bedeuten würde. Sir William und Lady Lucas sind fest entschlossen, auch hinzufahren, und zwar nur deswegen, denn im allgemeinen machen sie ja nie Besuche bei neu Zugezogenen, wie du wohl weißt. Du mußt einfach hin, denn wenn du es nicht tust, wird es für uns unmöglich sein, ihm einen Besuch abzustatten.“ Aus dem Englischen von Werner Beyer. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2008

und Mr. Bingley, und jene zwischen dem schwatzhaften Mr. Collins, der sich anfangs um Elizabeth bemüht, nur um zugleich zu deren Freundin Charlotte überzulaufen – stellen andere, weniger realistische Liebesmodelle in der englischen Gentry der georgianischen Zeit dar. Dazu kommen zahlreiche Verwechslungen, romantische Fluchten, Bälle und Konversationen zuhauf.

Am Ende der splendid isolation der fünf Frauen im Umfeld des englischen Landadels bekennt Elizabeth Bennet, dass ihre Liebe zu Mr. Darcy erst beim Anblick seines stattlichen Herrensitzes in Permberly so richtig Gestalt annahm.

Zynismus? Mitnichten! So denkt sie in sich hinein: „Wäre ich verliebt gewesen, hätte ich nicht blinder sein können. Aber mein Fehler entsprang der Eitelkeit, nicht der Liebe.“ Nach Ausräumung aller Vorurteile kommt der Stolz der Liebe auf passabler ökonomischer Basis.

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