Anzeiger 2/17

02 2017

anzeiger

Das Magazin für die österreichische Buchbranche

Der gute Rat

Jessasna!

Was hat es mit dem „Sterben der ­Buchhandlungen“ auf sich? Und wie sieht die Zukunft des Buchhandels aus?

Von Ovids Dating-Epos „Kunst zu lieben“ bis zur Diät-Bibel: die Geschichte des Ratgeber-Genres durch 2.000 Jahre

Claudia Erdheim erzählt von ihrer Mutter, der Psychoanalyse, Galizien, dem ­Kommunismus und ihrer Kunst

Foto: © Suzy Stöckl

Totgesagte leben länger

André Heller 70. Geburtstag am 22. März 2017

Ö s t e r r e i c h i s c h e P o s t A G F i r m e n z e i t u n g / G Z 0 2 Z 0 3 0 8 7 7 M / 1 5 2 . J a h r ga n g

Ein kleines Buch von großer Weisheit, Poesie und Witz.

Ab 13. März

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17.02.2017 9:45:35 Uhr

Spannende SachbuchNeuheiten im Frühjahr!

Angelika Schett

Robert B. Cialdini

Des Menschen Traurigkeit

Die Psychologie des Überzeugens

Zwölf Gespräche

Angelika Schett

Des Menschen Traurigkeit

Etwa März 2017.

Etwa 208 Seiten, gebunden Etwa CHF 32.50 ISBN 978-3-456-85657-5 Auch als eBook erhältlich

Wie Sie sich selbst und Ihren Mitmenschen auf die Schliche kommen Übersetzt von Matthias Wengenroth.

8., unveränderte Auflage 2017.

400 Seiten, 42 Abbildungen, gebunden CHF 45.50 ISBN 978-3-456-85720-6 Auch als eBook erhältlich

Zwölf Gespräche

Neben der Trauer, der depressiven Erkrankung und der nobilitierten Melancholie ist die ganz normale Traurigkeit ins Hintertreffen geraten. Was schade ist. Denn, wer seiner Traurigkeit Raum gibt, kann sich auf der anderen Seite besser freuen. Zwölf Gespräche mit Philosophen, Psychiatern, Kulturwissenschaftlern und Psychoanalytikerinnen rücken aus unterschiedlichen Perspektiven die Traurigkeit ins Zentrum.

Dieser Weltbestseller ist in millionenfacher Auflage erschienen und wird für seine gute Lesbarkeit, seine praktischen Anregungen sowie seine wissenschaftliche Genauigkeit hoch gelobt. Das Buch findet eine begeisterte Leserschaft unter Wirtschafts- und Marketingfachleuten, Fundraising-Spezialisten und Menschen mit Interesse an Psychologie.

Thomas Fritzsche

2017. 168 Seiten, 19 Abbildungen, 2 Tabellen, kartoniert CHF 26.90 ISBN 978-3-456-85723-7 Auch als eBook erhältlich

Arbeiten mit der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT)

Grundlagen der Mitarbeiterführung

Thomas Fritzsche liefert kurz und prägnant die wichtigsten praktischen Werkzeuge für den Führungsalltag. Theoretisch fundiert gibt er klare Handlungsanweisungen mittels zahlreicher Beispiele und 14 konkreten Übungen. Alle Inhalte sind seit über 20 Jahren in der Praxis erprobt.

Wegbegleiter für den Berufsweg

M. Waadt / J. Martz / A. Gloster (Hrsg.)

Führen. Einfach.

Machen.

Dörthe Beurer

Tipps der Psychologie für Erwerbstätige und solche, die es werden wollen

Dörthe Beurer

Wegbegleiter für den Berufsweg

Etwa April 2017.

208 Seiten, kartoniert Etwa CHF 26.90 ISBN 978-3-456-85649-0 Auch als eBook erhältlich

Tipps der Psychologie für Erwerbstätige und solche, die es werden wollen

Der Ratgeber richtet sich an alle, die sich für die Themen Berufswahl, Motivation, Persönlichkeit und Gesundheit interessieren – an angehende „Berufsmenschen“ und an solche, die sich vor oder in einem beruflichen Übergang befinden sowie an Berufsberater und Coaches zu beruflichen Fragen.

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15.02.17 17:34

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– 152. Jahrgang –

„Erfolgreiche und neue Konzepte für Buchhandlungen sind heute gefragter denn je“

»Dieser Roman trifft mitten ins Herz.« Ljudmila Ulitzkaja

Benedikt Föger

H

erzlichen Dank für die vielen positiven Rückmeldungen zum neuen anzeiger! Wir sehen das als Auftrag, Ihnen weiterhin Beiträge in hoher Qualität zu liefern, die die gesamte Branche interessieren und abbilden.

Bitte schicken Sie uns auch in Zukunft Ihre Meinung unter redaktion@hvb.at.

Der Buchhandel ist mitten in einem Strukturwandel – das sehen viele als Ansporn und Motivation. Wie die Zukunft des Buchhandels aussehen könnte, lesen Sie in der Rubrik „Kurz gesagt“. (S. 7) Der Artikel „Das große Sterben?“ zeigt, wie unterschiedlich der stationäre Buchhandel mit dieser Zeit der Veränderung umgeht und vor welchen Herausforderungen er dabei steht. (S. 16) Erfolgreiche und neue Konzepte für Buchhandlungen sind also gefragter denn je.

Die Jury tagt bereits über den 81 Einreichungen für den neu geschaffenen Österreichischen Buchhandlungspreis. Nicht nur innovative Ideen sollen damit belohnt, sondern es soll auch eine neue Aufmerksamkeit für die Stärken des stationären Handels in der Öffentlichkeit geschaffen werden.

FOTO: LUDWIG SCHEDL

Im Februar wurden außerdem die 15 „Schönsten Bücher Österreichs“ vom Hauptverband gemeinsam mit dem Bundeskanzleramt bekannt gegeben. Seit über 60 Jahren wird bei diesem Wettbewerb der Fokus auf traditionelle und innovative Umsetzung im Handwerk des Buchmachens gelegt. (S. 14) Als AkteurInnen der Buchbranche stehen wir in der Pflicht der Aufklärung und folglich auch der Pressefreiheit. Umso schockierender sind die aktuellen Entwicklungen in der türkischen Medien- und Verlagslandschaft, wie die Autorin und Journalistin Fatma Aydemir im Gastkommentar „Der Skandal ist allgegenwärtig“ zur Relevanz des kritischen Journalismus berichtet. (S. 11) Im Gespräch mit Erich Klein erzählt Autorin Claudia Erdheim von ihrer Kindheit in Wien zwischen Judentum und Kommunismus, von der Psychoanalyse und der Widerstandskämpferin Vilma Steindling. (S. 28)

Tartarien 1930: Suleika ist Bäuerin und wurde mit fünfzehn verheiratet. Eingeschüchtert und rechtlos lebt sie auf dem Hof ihres Ehemannes, der viele Jahre älter ist als sie. Ihr Weg zu sich selbst führt durch die Hölle, durch das Sibirien der von Stalin Ausgesiedelten.

Mit einem Geleitwort von Ljudmila Ulitzkaja 541 Seiten | Gebunden | € [D] ��,�� € [A] ��,�� | Auch als E-Book erhältlich

Benedikt Föger HVB-Präsident

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17.02.2017 9:26:03 Uhr

– Inhalt –

Persönlich

24

Angelika Schimunek

Die Grazer Buchhändlerin orientiert sich nicht am Mainstream

25

Bernhard Spiessberger

Der Verlagsvertreter erzählt, welche Bücher er besonders gerne verkauft

26

Wie geht Österreichs Buchhandel mit dem aktuellen Strukturwandel um?

16

thema

7

Kurz gesagt Vier Stimmen zur Zukunft des stationären Buchhandels

16

Erika Hornbogner Die Verlegerin aus Klagenfurt erklärt, warum ihre Arbeit politisch ist

Essenziell Was hat es mit dem „Sterben der Buchhandlungen“ auf sich?

27

Robert Schoisengeier

Der Antiquar lädt zu einer Ent­deckungsfahrt durch sein Geschäft

Selbstredend

28

lyrik

6

wissenswert

5 8

Kurzmeldungen Verlage lernen Social Media Frühbucherrabatt für Buch Wien Zwei Schüler gegen Amazon Start für den Deutschen Buchpreis Kurzmeldungen „1984“ verkauft sich bestens Die Stadt wird zum Lesezirkel

11

Gastkommentar Fatma Aydemir will kritische Medien in der Türkei stärken

Zwei Wiener Schüler haben einen Lieferdienst für Bücher gestartet

Gutenberg-Galaxie Neues von Jandl, Rowling und Grey

10

8

Ein Gedicht „Ping Pong“ von Waltraud Haas, kommentiert von Erwin Uhrmann

12

Ratgeber

Eine kleine Geschichte des Genres

Kurzmeldungen Die schönsten Bücher 2017

Junge Verlagsmenschen

Anthologie zum Welttag des Buches

Die Redner bei „Rund ums Buch“

Kinderbuchpreis 2017

Ukraine stoppt Bücher aus Russland

14

28 Die Autorin Claudia Erdheim wird

in Österreich viel zu wenig beachtet

klassiker

33

Verfluchte Tage

Warum man Iwan Bunins Revolutionstagebuch lesen muss

Standards

marktdaten

monatsbestseller Titelschutz Impressum

9 22 34 34

F o t o s : C h r i s t o p h e r M av r i č , L O B U, B r a d l e y S e c k e r

Autorin Fatma Aydemir hat die Plattform taz.gazete mitbegründet

11

Claudia Erdheim Die „Skandalautorin“ über ihre Kind- heit, ihre Familie und ihr Schaffen

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17.02.2017 10:09:55 Uhr

– Wissenswert –

PIONIER

POLARSTERN

Ernst Jandls Lautgedichte. Hab Acht: Jandl macht. Jandl macht Spaß. Jandl am Land an da Wand. Ka Land, ka Jandl. Fad. Jandl hat Macht. Jandl macht hald. Jandl sprach: Sag was! Aba was? Jandl macht kan Schas. Jandl macht Spaß. Dann & wann. Was sagst? Ja!

Joanne K. Rowling. Harry Potter und die ewige Goldgrube. Zwanzig Jahre nach dem ersten Buch liefert uns Rowling weiterhin Geschichten, Filme und Theaterstücke aus der Welt der Zauberei. Dass Fans gerade ihre Bücher verbrennen, weil sie sich offen gegen Trump ausspricht, lässt sie kalt. Zauberhaft!

Aus der

GutenbergPIN-UP

Christian Grey aus „50 Shades of Grey“. Die meisten Frauen kennen ihn, obwohl er gar nicht existiert: Christian Grey. Bald ist er wieder auf der Leinwand zu sehen. Über ihn zu lesen ist aber das weit bessere (Kopf-)Kino.

Galaxie

Lukas Schöppl

POWIDL

PROSPEKT

US-Bibliothekare erfinden Kunden. Damit die Bibliothekssoftware nicht weiter selten entlehnte Bücher aussortiert, haben zwei Bibliothekare im US-Bundesstaat Florida einen fiktiven Kunden erfunden, der monatlich rund 220 Bücher ausgeliehen hat. Fight the system, fight the power!

Gefährliches von Milo Yiannopoulos.

Schwul sein und dennoch homophob?

Kein Problem für Strahlemann Yiannopoulos. Auf Twitter wurde der Alt-RightFan schon mundtot gemacht. Zu sagen hat er aber noch viel. Sein umstrittenes Buch „Dangerous“ erscheint am 13. Juni bei Simon & Schuster. Bleibt zu hoffen, dass es nicht übersetzt wird.

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17.02.2017 9:27:42 Uhr

– Lyrik –

Ein Gedicht

Ausgewählt und kommentiert von Erwin Uhrmann

Auswahl aus „Ping Pong“ von Waltraud Haas

sie fahren alle mit dem mercedes demolieren alle ihre wohnung kriegen alle alles geschenkt schreit er wird blau im gesicht und fällt tot um

brennt die welt bricht der tag nicht an ich ducke mich in erwartung der stille

meine tage machen sich selbständig ich mokiere mich über ihre sinnlosen tändeleien meine nächte jedoch rufen mich sie drücken ihren stempel auf meine augen

unermüdlich baut sie potemkinsche dörfer und schützt sie mit elektrozäunen

Kommentar Schrecken und Stille Die Gedichte von Waltraud Haas sind ebenso Stillleben wie Schreckmomente. Mit wenigen Sätzen erschafft die Lyrikerin die vielfältigen Szenarien des Alltags. Mit Leichtigkeit dichtet sie die Abgründe, die sich in den einfachen Dingen des Lebens verstecken.

Die kurzen Texte sind kleine Dramen, Erinnerungsstücke, Miniaturen, Reiseerlebnisse.

Trotz ihrer Wucht und Nachwirkung ist die Sprache von Waltraud Haas still, meditativ, durchsetzt von einer meist sanften, bisweilen aber auch schneidenden Ironie und manchmal einfach nüchtern. Die Gnadenlosigkeit des Lebens, über eine lange Zeit beobachtet und studiert, wird hier verdichtet und entschlackt, auf das Wesentliche reduziert: das, was eben gesagt werden muss.

Haas’ Gedichte sind eine Art Gegenentwurf zum Narzissmus, der Versuch einer Auflehnung gegen das eigene Ich, das hier wie ein Ping-Pong-Ball von den Spielern hin und her gespielt wird.

Die Lyrikerin Waltraud Haas (*1951) lebt und schreibt in Wien. Sie hat mehrere Gedichtbände veröffentlicht, darunter „Weiße Wut“ (1995), „Run and Run“ (2002), „Zwerchfellgewitter“ (2009) und „Selbstportrait auf rotem Grund“. In ihrem aktuellen Buch „Ping Pong“ finden sich neben den Gedichten auch Prosastücke.

Die vier abgedruckten Gedichte sind entnommen aus: Waltraud Haas, Ping Pong, Lyrik und Prosa, Klever Verlag, Wien 2016

Nähere Informationen auf www.westermanngruppe.at

Wir gestalten Überschrift die Zukunft des Lernens.

ALLES KLAR FÜR DIE

2017

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17.02.2017 9:31:46 Uhr

Wie geht’s weiter?

Wie sieht die Zukunft des Buchhandels aus?

Omni-Channel und Wohlfühlerlebnis.

Thalia steht für die nahtlose Verbindung der Absatzkanäle – Stichwort „OmniChannel“ und E-Commerce-Plattform für erweiterte Angebote –, die hohe Qualität der Standorte in besten Lagen, verbunden mit einem einmaligen Wohlfühlerlebnis zum Stöbern und Schmökern in den Filialen. Weitere Erfolgsfaktoren sind die individuelle und flexible KundInnenJosef Pretzl, ansprache mit bester Beratung und ServiThalia ces sowie ein ansprechender Sortimentsmix. Der Brain-Food-Nahversorger Thalia setzt mit seiner durchgängigen Digitalisierung der Geschäftsprozesse auch einen Widerstand gegen die ausländisch dominierten Vertriebsplattformen. Die Zukunft des Buchhandels liegt darüber hinaus in der Zusammenarbeit auf Basis firmenübergreifender Kooperationen.

F o t o s : t h a l i a , h e i n z m i t t e r e g g e r , L u n g h a m m e r , w w w. s e b a s t i a n r e i c h . c o m

017

– Kurz gesagt –

Friedrich Hinterschweiger, Fachverbands-Obmann der Buch- und Medienwirtschaft, WKO

„Die BuchhändlerInnen ums Eck müssen noch mehr als BeraterInnen für das gute Buch erkannt werden“

„Ich könnte mir vorstellen, dass es sich auf stärkere Spezialisierungen zuspitzen wird“

Annette Knoch, Droschl Verlag

Beratung und Online-Kompetenz.

An der Zukunft des Buchhandels ist aktiv zu arbeiten! Wir haben Staaten in Europa, in denen das BuchhändlerInnennetz dramatisch geschrumpft ist: Von 100 Buchhandlungen haben bis zu 60 zugesperrt. Österreich hat derzeit noch eine BuchhändlerInnendichte, die auch eine gute Versorgung des ländlichen Raumes gewährleistet. Dennoch ist für die Zukunft darauf zu achten, dass die BuchhändlerInnen ums Eck noch mehr als BeraterInnen für das gute Buch erkannt werden und dass sie ihre Online-Kompetenzen intensivieren. Die Wirtschaftskammer arbeitet mit Österreichs BuchhändlerInnen daran.

Originalität und Spezialisierung.

Ich denke, dass sich die Tendenzen, die heute zu erkennen sind, verstärken werden: Der Online-Handel punktet mit der Titelzahl, der stationäre Buchhandel besticht mit persönlicher Betreuung, mit Service – hier kann durchaus Originalität ins Spiel kommen – und Engagement. Ich könnte mir vorstellen, dass es sich auch auf stärkere Spezialisierungen zuspitzen wird. Wobei die individuelle Beratung auch gute Buchhändlerinnen und Buchhändler voraussetzt, der Online-Handel einen guten Algorithmus.

Einfach weitermachen.

Es reicht schon lange nicht mehr, eine gute Buchhändlerin zu sein. Da musst du dir schon ein bisschen mehr einfallen lassen: Marketingexpertin, Werbefrau, Grafikerin, Controllerin, Webdesignerin, Veranstaltungsprofi, Verpackungskünstlerin, Psychotherapeutin. Die Reihe ließe sich endlos fortsetzen. Und eigentlich ist es auch gerade das, was uns antreibt, einfach weiterzumachen, Petra Hartlieb, alles andere wäre langweilig. WeiterzumaHartliebs Bücher chen in Zeiten, in denen so anachronistische Läden wie unserer einmal pro Woche totgesagt werden. Weitermachen, weil uns nichts anderes übrig bleibt.

Weil wir nichts besser können. Weil wir nichts lieber tun.

Mehr zur Zukunft des stationären Buchhandels auf Seite 16

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17.02.2017 9:28:21 Uhr

– Wissenswert –

Social Media für VerlegerInnen

Besser früh als spät Ab sofort kann man sich zum Frühbucherrabatt für die BUCH WIEN 17 anmelden Vom 8. bis 12. November bündelt die BUCH WIEN 17 die Welt der Literatur in der Wiener Messehalle. Bis 31. März können sich AusstellerInnen zum reduzierten Frühbucherpreis anmelden.

Komplett- und Eigenbaustände werden bis dahin vergünstigt vergeben. Die Anmeldeunterlagen und die Servicemappe stehen unter www.buchwien.at zum Download bereit. Nicht-FrühbucherInnen haben noch bis 31. Mai Zeit, sich anzumelden. 2016 nahmen 350 AusstellerInnen an der Wiener Buchmesse teil.

Michaela Wein erklärt VerlegerInnen im mediakolleg, wie Social Media funktionieren

43.000 Menschen besuchten die BUCH WIEN 16

Das größte No-Go in Social Media …

Die bloße Bewerbung von Produkten. Viele versuchen auch mit Gewinnspielen in Kombination mit Produktankündigungen Interaktion zu generieren. So bindet man User nicht an die Marke – sie wollen nur teilnehmen und dann wieder gehen.

Deutscher Buchpreis

Ihre Botschaft an die Verlage …

Es wäre schön, wenn man sich ein bisschen mehr trauen würde. In vielen Unternehmen hat man Angst, dass ein Thema nicht gut ankommt oder ein Foto nicht gut genug ist, und fürchtet sich vor der Resonanz.

Bücher in Social Media … sind ein super Thema. Sie bieten unglaublich viel Gesprächsstoff. Das in Social Media umzusetzen, ist die Herausforderung, und es passiert in der Branche immer öfter.

Books

2017

Die Einreichungsfrist geht noch bis 29. März.

Die Verleihung findet am 9. Oktober zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse statt

to Go

Zwei Wiener Schüler bieten Amazon mit einem lokalen Lieferservice für Bücher die Stirn Moritz Stephan (16) und Konstantin Klinger (17) haben Ende Jänner mit ihrem Start-up für viel Aufmerksamkeit gesorgt: lobu.at ist ein Lieferservice für Bücher in Wien. Und eine richtig gute Idee. Statt aus dem Amazon-Zentrallager kommen die Bücher aus Buchhandlungen in der Umgebung, die diese lagernd haben.

Bestellt man bei lobu.at tagsüber ein Buch, wird es noch am selben Abend per Kurier zugestellt. Zusätzlich zum Buchpreis ist eine kleine Liefergebühr zu zahlen. Die beiden Schüler wollen mit lobu.at eine Alternative zu multinationalen Konzernen wie Amazon bieten. Nach dem Testlauf in Währing soll der Lieferdienst nun auch auf andere Wiener Bezirke ausgedehnt werden.

Für den mit 25.000 Euro dotierten Deutschen Buchpreis können Bücher eingereicht werden, deren Erscheinungsdatum zwischen Oktober 2016 und September 2017 liegt. Voraussetzung ist außerdem eine Mitgliedschaft im Börsenverein des Deutschen Buchhandels, im Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband oder im Hauptverband des Österreichischen Buchhandels.

Bestellt wurde die diesjährige Jury von Mitgliedern der Akademie Deutscher Buchpreis, zu denen nun auch HVB-Präsident Benedikt Föger zählt. Die Fachjury besteht aus Silke Behl (Radio Bremen), Mara Delius (Die Welt), Christian Dunker (autorenbuchhandlung berlin), Katja Gasser (ORF), Maria Gazzetti (Casa di Goethe), Tobias Lehmkuhl (Freier Kritiker) und Lothar Schröder (Rheinische Post). Sie erstellen zunächst eine Longlist, die am 15. August verkündet wird. In weiterer Folge werden sechs Titel für die Shortlist ausgewählt. Diese wird am 12. September bekannt gegeben.

F o t o s : J u l i a S t a l l e r , F o t o s t u d i o R i c h a r d s c h u s t e r , LO B U

Michaela Wein ist Beraterin für OnlineKommunikation

Facebook, Instagram, YouTube & Co. bieten weitreichende Möglichkeiten für die Buchbranche. Zuerst muss man aber wissen, wie man sie für seine Zwecke nutzt. Wie das geht, zeigt Beraterin Michaela Wein allen interessierten VerlegerInnen am 5. April. Ihr Workshop findet von 10 bis 17.30 Uhr beim HVB in der Grünangergasse 4 statt. Übrigens: Das gesamte mediakolleg Seminarprogramm für 2017 ist bereits auf www.buecher.at einsehbar.

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17.02.2017 9:28:37 Uhr

– Marktdaten –

Buchhandelspanel Jänner 2017 Das neue Jahr beginnt für den Buchhandel nicht optimal. Im Vergleich zum Vorjahresmonat schnitt der Buchhandel im Jänner 2017 mit −2,1 Prozent schlechter ab. Besonders bei den Taschenbüchern ist der Rückgang stark ausgeprägt – sie verloren um 5,3 Prozent.

Auch Hörbücher und Audiobooks wurden weniger gekauft, der Umsatz sank um 11,2 Prozent. Stabil hielten sich hingegen Hard- und Softcover mit lediglich 1,1 Prozent weniger als Anfang 2016.

Umsatzveränderung

Jänner 2017

Hardcover, Softcover –1,1 %

Taschenbuch –5,3 %

Hörbuch/ Audiobook –11,2 %

0

Hörbu

-2

Tasche

−2,1 % Kumuliert (Jänner bis Dezember 2016) -4 −2,1 % Jänner 2017 zu Jänner 2016

Hardco

-6 -8

Umsatzveränderung Nach Warengruppen

6 Jänner 2017 zu Jänner 2016 4 2 0 -2 -4 -6 -8 -10 -12 Ratgeber –6,6 %

Belletristik 0,4 %

Kinder- und Jugend­ bücher 1,4 %

Geisteswissen­ schaften, Kunst, Musik –1,5 %

Reisen 2,0 %

Sachbuch –10,4 %

Naturwissenschaften, Medizin, Informatik, Technik 5,6 %

Sozialwissenschaften, Recht, Wirtschaft 4,6 %

-10 -12

Sachbuch

Sozialwissenschaften, R

Neben Sachbüchern waren es vor allem die Ratgeber, die im Jänner 2017 schlechter abschnitten als im Jahr zuvor. Der Rückgang betrug 10,4 respektive 6,6 Prozent.

Die Gruppe Naturwissenschaften, Medizin, Informatik und Technik blieb auch im Jänner stark und konnte mit 5,6 Prozentpunkten am meisten zulegen. Auch die Sparte Sozialwissenschaften, Recht und Wirtschaft konnte ein Wachstum von 4,6 Prozent verbuchen. Wenig Veränderung gab es bei der Warengruppe Belletristik (+0,4 Prozent). Ein etwas größerer Zuwachs wurde bei Kinderund Jugendbüchern (1,4 Prozent) sowie bei Reisen (2,0 Prozent) ermittelt.

Naturwissenschaften, M Geisteswissenschaften, Ratgeber Reisen

Kinder- und Jugendbüc

Umsatzverteilung

UmsatzveRteilung Nach WarengruppenBelletristik

Jänner 2017

Jänner 2017 Taschenbuch 19,1 %

Hardcover, Softcover 79,4 %

Hörbuch / Audiobook 1,5 %

Sozialwissenschaften, Recht, Wirtschaft 3,2 % Naturwissenschaften, Medizin, Informatik, Technik 6,0 % Geisteswissenschaften, Kunst, Musik 6,1 %

Hö r b uch Tas /A c u h d en iob bu Ha oo ch r k d cov er, S o ftc ov er

Im Auftrag des HVB ermittelt das Marktforschungsinstitut GfK Entertainment monatlich die Umsatzveränderungen im Vergleich zum Vorjahresmonat für die Absatzwege Sortimentsbuchhandel und E-Commerce. Mit dem Buchhandelspanel werden 82 Prozent aller Barverkäufe in Österreich abgedeckt.

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Ratgeber 24,1 %

Sachbuch 11,3 %

Gegen

Belletristik 27,2 %

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Reisen 8,2 %

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Kinder- und Jugendbücher 13,8 % R

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17.02.2017 9:29:16 Uhr

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– Wissenswert –

Gemeinsam lesen

George Orwells „1984“ verkauft sich ausgezeichnet

Nach Wien hat nun auch New York seinen eigenen StadtLesezirkel gestartet

Big Brother schaut wieder her George Orwells Dystopie „1984“ hat im Jahr 2017 offenbar nichts an Aktualität eingebüßt Eineinhalb Wochen nach Donald Trumps Angelobung zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten ist George Orwells Dystopie „1984“ erneut auf den Bestsellerlisten. Allein in der letzten Jännerwoche wurden in den USA 26.000 Exemplare gedruckt. Das Buch erschien erstmals 1949. Ironischerweise ist „1984“ auch auf amazon.de und Apples E-Book-Portal iBooks in den Top Ten der Bestsellerlisten. Angesichts der fragwürdigen Datenspeicherung, die diese beiden Firmen eifrig betreiben, würde das George Orwell wohl nicht gefallen.

Die Aktion „Eine Stadt. Ein Buch.“ jährte sich im November 2016 zum fünfzehnten Mal. Seit 2002 werden in Wien jeden Herbst 100.000 Exemplare eines vorher ausgewählten Buches gedruckt und gratis verteilt. Seit fünfzehn Jahren gibt es auch in New York Ambitionen für ein ähnliches Projekt. Im März 2017 soll es endlich so weit sein – im Rahmen des Projekts „One Book, One New York“, das von Bürgermeister Bill de Blasio initiiert wurde. New YorkerInnen konnten bis 28. Februar eines aus fünf Büchern wählen. Es soll dann von möglichst vielen im selben Zeitraum gelesen werden. Anders als bei „Eine Stadt. Ein Buch“ werden die Bücher nicht gratis verteilt. Die Aktion soll veranlassen, in eine Buchhandlung zu gehen und das Buch zu kaufen – besser noch, alle fünf. Unabhängige Buchhandlungen sind in den Bezirken der Millionenmetropole nämlich spärlich.

Staten Island hat gerade eine, in der Bronx gibt es gar keine. „One Book, One New York“ soll das ändern. „Shared Reading“ ist generell im Trend. Nach Berlin soll Frankfurt die zweite Stadt sein, die diese Initiative zum gemeinsamen Lesen nach Deutschland bringt. Gemeinsames lautes Lesen soll Menschen zusammenbringen und ihr Wohlbefinden steigern.

Eine der grössten Druckereien im Mitteleuropa  Druck und buchbinderische Weiterverarbeitung  unter einem Dach rund um die Uhr Jahresproduktion 24 Mio. Bücher  80 % der Produktion gehen in den Export  Jahresumsatz 33 Mio. €  Kundenservice in fünf Fremdsprachen  Zertifikate Carbon Neutral Produkt, Fogra  FSC, CrefoCert, Eko energie

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17.02.2017 11:50:48 Uhr

– Wissenswert – Gastkommentar

Der Skandal ist allgegenwärtig Fatma Aydemir Die in Berlin lebende Autorin Fatma Aydemir über den Versuch, die kritischen Medien in der Türkei zu stärken

I L L U S T R AT I O N : G E O R G F E I E R F E I L , F O T O : B R A D L E Y S E C K E R

W

as Erdoğan sagt, stimmt: Die Medien in der Türkei sind freier als in Deutschland und anderen europäischen Ländern. So frei, dass sie schreiben, was sie wollen, auch wenn es nicht den Tatsachen entspricht oder erfunden ist.

Dafür müssen sie sich weder verantworten, noch werden sie bestraft.“ So beschrieb die Journalistin Elmas Topcu kürzlich, wie in der Türkei der Begriff der Pressefreiheit dieser Tage neu besetzt wird.

Denn ja, die Presse ist frei – von Fakten, Ethik und regierungskritischen Meinungen.

Der Artikel von Topcu erschien auf dem türkisch-deutschen Webportal taz.gazete, das wir von der Berliner Tageszeitung taz im Januar als Gegenpol zur inhaltlichen Verwesung innerhalb der türkischsprachigen Medienlandschaft gegründet haben. Damit wollen wir einen Platz schaffen, an dem JournalistInnen aus der Türkei unabhängig berichten können. Täglich bringen wir ihre Texte in beiden Sprachen zu jenen Themen, die das weitmaschige Netz der Mainstreammedien in der Türkei längst nicht mehr auffangen kann.

Wieso die Betonung auf Mainstreammedien? Weil es inkorrekt wäre zu behaupten, dass es in der Türkei gar keinen kritischen Journalismus mehr gibt. Tag für Tag riskieren unzählige KorrespondentInnen, ReporterInnen, RedakteurInnen, VerlegerInnen ihre Freiheit und ihr Leben, um das zu recherchieren und zu drucken, was die AKPRegierung nicht lesen und hören möchte.

Allerdings stehen sie einerseits vor dem Problem, dass alle großen Medienhäuser mit Reichweite inzwischen wirtschaftlich zu tief in Regierungskreisen stecken. Zum anderen leiden alternative Medien nicht nur an direkter Zensur durch Strafanzeigen, Schließung und der systematischen Verhaftung ihrer MitarbeiterInnen, sondern auch am Ausbleiben von Werbeanzeigen. Ein Umstand, der sie in den finanziellen Ruin zwingt.

Gleichzeitig leiden die kritischen Medien an der Überflut aktueller Ereignisse, die sich täglich dreimal überschlagen. Das harte Vorgehen der AKP-Regierung gegen Oppositionelle, die horrende Korruption, die Vertuschungsversuche von Fällen des Machtmissbrauchs sorgen regelmäßig für Skandale,

die in jedem gewöhnlichen demokratischen Land die Regierung stürzen würden. In der Türkei passiert aber nichts dergleichen. Im Gegenteil: Die Allgegenwärtigkeit des Skandals sorgt dafür, dass ReporterInnen unentwegt der nächsten Meldung hinterherrennen, sodass kaum Zeit für ruhige Analysen und umfassende Debatten bleibt.

Dieser Aufgabe nahmen sich mutige DenkerInnen wie etwa die Schriftstellerin Aslı Erdoğan und die Sprachwissenschaftlerin Necmiye Alpay an. Sie ließen sich in den Beirat der Zeitung Özgür Gündem aufnehmen, die im August 2016 mit dem Vorwurf der Terrorpropaganda geschlossen wurde. Das Blatt gehörte zu den wenigen Publikationen, die von den Menschenrechtsverletzungen in den kurdischen Gebieten der Türkei berichtete. Alpay und Erdoğan landeten in Untersuchungshaft und kamen erst vier Monate später wieder frei.

Erschöpft hat sie das nicht. „Es gibt keine absolute Hoffnungslosigkeit“, sagte Necmiye Alpay, die 70-jährige Grande Dame der türkischen Friedensbewegung, kurz nach ihrer Freilassung zur taz.gazete. Eines unserer Anliegen ist es auch, mit unserem Web-Portal diese Hoffnung aufrechtzuerhalten und uns jenseits der skandalträchtigen Newsfeeds zu bewegen. Dazu hilft die räumliche Distanz, unsere Redaktion sitzt in Berlin und nicht in Istanbul. Und doch plagt uns ein ähnliches Gefühl wie Alpay, die schlicht hinzufügte: „Nur manchmal gibt es weniger Hoffnung.“

„Wir wollen uns jenseits der skandalträchtigen Newsfeeds bewegen“

Fatma Aydemir ist Autorin und Journalistin in Berlin. Sie hat das deutschtürkische Portal taz.gazete mitbegründet und gerade ihr erstes Buch „Ellbogen“ (Hanser) veröffentlicht

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17.02.2017 9:29:40 Uhr

– Wissenswert – Ratgeber

Heute das Morgen, von dem wir gestern geträumt?

Text: Lukas Schöppl

Egal ob man mit dem Rauchen, Trinken oder Essen aufhören will: Für alles gibt es einen Ratgeber. Wie hat sich das Genre entwickelt, das im Dezember 2016 ein Fünftel des Buchhandelsumsatzes ausmachte?

Was war am Anfang?

In den Fünfzigerjahren wandelte sich das Motto zu „Du bist, was du isst“. Lebensmittelfirmen berieten Frauen, mit welchem Aroma sie am besten den dritten Gang des Abendessens würzen und wie sie den Gatten einkochen sollten. Ratgeber kamen so in Form sexistischer Werbung daher.

1983 landete der britische Autor Allen Carr mit seinem Buch „Endlich Nichtraucher“ einen großen Erfolg – angesichts der Macht von Tabakfirmen keine Selbstverständlichkeit. Ratgeber sorgten sich also nicht nur um das geistige, sondern auch um das körperliche Wohl ihrer Lesenden.

Der Anfang von Ratgebern? Schwierig zu beantworten. Wohl deshalb, weil eine eindeutige Definition unmöglich ist. Wann spricht man bei einem Buch von Ratgeber? Sind Märchen mit einer in vier Schlusssätze gepackten Moral Ratgeber?

Ein Buch, das die Bezeichnung wohl verdient und schon um 1 n. Chr. geschrieben wurde, ist die „Ars amatoria“ von Ovid. Im elegischen Distichon verfasst, schreibt uns der Römer in der „Kunst zu lieben“ vor, wie man im Circus Maximus eine Frau bezirzt. Quasi ein früher Dating-Ratgeber.

Im Mittelalter waren Erbauungsliteratur als Ansporn zur Frömmigkeit und allgemeine Benimmregeln beliebt – nicht nur in Hinblick auf den Umgang mit Frauen. Ende des 18. Jahrhunderts schrieb Adolph Freiherr von Knigge sein Buch Über den Umgang mit Menschen. „Knigge“ sollte schon bald der Inbegriff für Etikette sein.

Wo sind wir jetzt?

Wo führte das hin?

Das 20. Jahrhundert erlebte die Hochblüte der Ratgeber. Wirtschaftliche Umwälzungen waren der Grund für die Selbsthilfeliteratur. Die Wirtschaftskrise in den Dreißigerjahren schuf einen großen Bedarf: Man wollte die „Great Depression“ gut überstehen. Die Weltwirtschaft war am Boden, der Ratgeber auf dem Weg zu hohen Auflagen.

Selbsthilfeliteratur verfolgte damals eines von zwei dominierenden Grundkonzepten: Stärkung („empowerment“) oder Opferrolle („victimisation“). Letztere diente dazu, dem Volk zu versichern, dass es nicht sein Fehler sei, wenn die Welt so ist, wie sie ist. „Victimisation self-help“ sprach dem Individuum jegliche Wirkmacht ab. Man solle nur warten, irgendwann werde alles besser werden.

Weitaus aktiver agierte dagegen die „Empowerment literature“, die vor allem von AutorInnen des „New Thought Movement“ geschrieben wurde. Die Neugeistbewegung war so etwas wie die Erfindung des „positive thinking“. Ihr Credo: „Du bist das, was du denkst. Nicht das, was du glaubst, dass du bist.“

Ovid brachte rund um das Jahr 0 den ersten Dating-Ratgeber heraus. Die obige Ausgabe seiner „Ars amatoria“ wurde 1644 in Frankfurt herausgegeben

„Jetzt! – Die Kraft der Gegenwart“. So titelte Bestsellerautor Eckhard Tolle sein wohl berühmtestes Werk. Er räumt dem Präsens besondere Wichtigkeit ein. Aber ist heute das Morgen, von dem wir gestern geträumt haben? Mittlerweile gibt es auch Anti-Ratgeber, die dem dogmatischen Tenor vieler Lebenshilfebücher ein Gegengewicht sein wollen.

Diese Meta-Ratgeber überzeugen jedoch oft nur auf den ersten Seiten. In Österreich wurden im Jahr 2016 die meisten Ratgeber zum Thema „Essen und Trinken“ (26,4 %) gekauft. 19,4 % wurden von LeserInnen zum Thema „Gesundheit“ erworben.

Die Rubrik „Lebenshilfe und Alltag“ machte 17,5 % aus, gefolgt von „Hobby und Haus“ (12,2 %). Am wenigsten wurden Ratgeber zu den Themen „Fahrzeuge und Raumfahrt“ (2,5 %) sowie „Recht, Beruf und Finanzen“ (2,4 %) gekauft.

Wo wollen wir sein?

Auch Ratgeber machen nicht vor der Digitalisierung halt. Ihre neueste Erscheinungsform ist die mobile App am Smartphone. Sie hilft zum Beispiel beim Geldsparen, erleichtert das Abnehmen oder verspricht ein effizienteres Arbeiten. Damit wächst das ohnehin schon riesige Angebot an Ratgebern weiter. Angesichts dieser Fülle ist es nicht einfach, den richtigen für sich zu finden – und daher guter Rat nach wie vor teuer.

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So umfassend wurde wohl noch selten an die persönliche Lebensplanung (und darüber hinaus) in einem Buch herangegangen.

Geld Magazin, 11/2016 Schritt für Schritt zeigt das Buch in verständlichen Worten auf, worauf Ratsuchende je nach Lebenssituation achten sollten und wo sie bei Bedarf professionelle Unterstützung finden.

Lazarus Care-Letter, 11-12/2016 HVB – Ratgeber Bestsellerliste, Platz 8 Der Standard, 26.11.2016

tsyhun/Shutter

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Alles geregelt. Das KONSUMENT-Vorsorgebuch Unfall, Krankheit oder Begleiterscheinungen des Alterns können jederzeit dazu führen, dass man im wahrsten Sinn des Wortes die Kontrolle über sein Leben verliert, weil man wichtige Entscheidungen nicht mehr selbst treffen kann. Nicht alle Fragen, die dabei auftauchen, sind bis ins Letzte gesetzlich geregelt.

Vieles, etwa das Ausmaß medizinischer Behandlungen bei tödlichen Erkrankungen oder die Gestaltung des eigenen Begräbnisses, kann man vorsorglich auch selbst festlegen. Dieses Buch ist ein Leitfaden für alle Menschen, die ihr Leben möglichst selbstbestimmt vorausplanen wollen und ihren Angehörigen zusätzliche Belastungen in ohnehin schwierigen Situationen ersparen möchten. Dabei leistet das Buch systematische Hilfestellung durch konkrete Handlungsanleitungen,die nötigen Formulare und verständliche Ausfüllhilfen. Zu den Themen gehören u.a. Organspende, Patientenverfügung, Sachwalterschaft und Vorsorgevollmacht. Zum Inhalt zählen auch die Grundzüge des Erbrechts, insbesondere alle wesentlichen Fragen rund um das Testament.

ISBN 978-3-99013-058-2 broschiert | 168 Seiten | € 19,90 www.konsument.at/allesgeregelt

Das Auge liest doch mit!

Die Jury hat entschieden: Das sind die „Schönsten Bücher Österreichs“.

Am 9. März werden die Preise verliehen Aus 174 Einreichungen wurden die fünfzehn „Schönsten Bücher Österreichs“, die vom HVB und dem Bundeskanzleramt ausgezeichnet werden, ausgewählt. Die Bücher zeichnen sich durch ihre gestalterische und konzeptionelle Qualität aus.

Ziel des Wettbewerbs: die visuellen Aspekte der Buchproduktion präsentieren und die besten Umsetzungen prämieren. An drei der „Schönsten Bücher“ wird außerdem der mit 3.000 Euro dotierte Staatspreis vergeben.

Preisträger: aufSÄTZE!. Essays zur Poetik, Literatur und Kunst / In Paradisum / Sammlung Strasser. Ausgewählte Fossilien / Topografie der Erinnerung / SchwarzÖsterreich. Die Kinder afroamerikanischer Besatzungssoldaten / Asagan. Neue Geschichte(n) / Eine andere Art von Schönheit / Oskar Leo Kaufmann / Filmlandschaft Niederösterreich. 20 Jahre Filmförderung / Frida Parmeggiani / Wie viel Erde braucht der Mensch? / Die Antwort des Bildes / The Toolbox is You / Richtig Streiten / Kunstraum/Schloss Buchberg am Kamp. DVD Edition

Junge Verlagsmenschen

– Wissenswert –

Der nächste Stammtisch findet bei der Druckagentur MDH-Media statt Was wäre das Verlagswesen ohne Druckereien? Gäbe es sie nicht, würde kein Buch das Licht der Welt erblicken. Der März führt die Jungen Verlagsmenschen Wien zur Druckagentur MDH-Media.

Geschäftsführer Mariusz Holodynski stellt uns das Unternehmen vor, das von der Broschüre bis zum klassischen Buch ein breites Portfolio zu bieten hat. Doch damit nicht genug: Als Allrounder übernimmt MDH auch Zusatzleistungen wie Satz, Papierveredelung oder die Entwicklung von Werbemitteln. Wer mehr herausfinden möchte, ist herzlich eingeladen!

Dienstag, 28. März 2017, 19 Uhr Stammtisch bei der Druckagentur MDH-Media Schüttauplatz 22, 1220 Wien Anmeldungen unter wien@jungeverlagsmenschen.at

Die Welt feiert Am 23. April ist der Welttag des Buches.

Der HVB präsentiert auch dieses Jahr wieder eine Anthologie zum Verschenken

Der 23. April ist der Todestag von Shakespeare und Cervantes und der Namenstag des heiligen Georg, an dem nach katalanischer Tradition Bücher verschenkt werden. Jedes Jahr präsentiert der HVB eine Anthologie zum Aktionspreis, die die BuchhändlerInnen an diesem Tag gratis anbieten können. 2017 wurde „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ von Brigitte Sinhuber-Harenberg ausgewählt. Ein Paket von 50 Stück ist für HVB-Mitglieder zum Preis von € 54,– zzgl. 10 % MwSt. erhältlich. Nichtmitglieder zahlen € 108,– zzgl.

10 % MwSt. Zusätzlich können Werbemittelpakete, bestehend aus 50 Lesezeichen und einem Plakat im Format A2, zum Welttag des Buches angefordert werden.

Bestellungen sind bis zum 1. April 2017 möglich.

Ausblick auf Strobl Das Programm für die diesjährige Seminar-Reihe „Rund ums Buch“, die vom 23. bis 26. April in Strobl stattfindet, steht fest Am ersten Abend wird eine Lesung mit Achim Zons, Autor von „Wer die Hunde weckt“ (C.H. Beck), mit anschließendem Autorengespräch stattfinden. Am 23. 4. spricht Irene Pellkofer, Verkaufsleiterin bei C.H. Beck.

Anschließend berichtet Anita Luttenberger vom innovativen Konzept ihres Vereins BuK. Am Nachmittag folgen Vorträge von Markus Hatzer (Haymon) und Markus Renk (Wagnersche Buchhandlung), außerdem eine Podiumsdiskussion zur Zukunft des Buchhandels. Am 25. 4. berichtet Verlagsleiter Horst Lauinger über den „Manesse-Club der toten Dichter“ und die Kunst der Neuübersetzung. Im Anschluss erzählt Robert Wildgruber von Hörverlag/Random House Audio/cbj audio von der Erfolgsgeschichte des Hörbuchs. Lektor Oskar Rauch stellt im Gespräch mit Autorin Marina Heib die neue Reihe Heyne Core vor. Heib liest anschließend aus ihrem Roman „Drei Meter unter Null“ (Heyne). Am 26. 4. folgt ein Vortrag von Anna Krupitza (Bunbury’s Comics) und zum Abschluss des Seminars wird sich der neue HVB-Geschäftsführer Gustav Soucek vorstellen und seine Visionen für den Verband präsentieren.

Foto: Michael Goldgruber/bka

das Buch

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begeistern

Kinder

Der Österreichische Kinder- und Jugendbuchpreis 2017 wurde vergeben. Unter den preisgekrönten Büchern ist auch „Die Nacht, der Falter und ich“ (Tyrolia)

bezahlte anzeige

Vier Frauen

Sachbuch

Mehr Respekt bitte Der Gesellschaftsphilosoph Peter Sasse geht dem Verhältnis des Menschen zum Tier auf den Grund und kommt zu aufrüt telnden Ergebnissen.

Vier Autorinnen haben den mit je 6.000 Euro dotierten Preis gewonnen: Julie Völk für ihr Buch „Guten Morgen, kleine Straßenbahn!“ (Gerstenberg), Luna Al-Mousli für ihr Erstlingswerk „Eine Träne. Ein Lächeln. Meine Kindheit in Damaskus“ (weissbooks.w), Julya Rabynowich für „Dazwischen: Ich“ (Carl Hanser) und schließlich Elisabeth Steinkellner (Foto unten) und Illustratorin Michaela Weiss für „Die Nacht, der Falter und ich“ (Tyrolia). Letzteres Buch ist eine fantastische Sammlung an Kurzgeschichten und Lyrik, darunter das Gedicht „Juli“:

kurze Kleider kurze Nächte l ä n g s g/e/s/t/r/e/i/f/t/e/r Honigmond

Tierversuche, Massentierhaltung und Tierquälerei etwa bei der Herstellung von Mozzarella: Unser Verhältnis zum Tier ist immer noch ein desaströs unempathisches, wie Peter Sasse in seinem bemerkenswerten Buch zeigt. Dabei sind Tiere oft einfühlsamer und selbstloser als wir; das belegt der Autor anhand von verhaltenspsychologischen Studien und vielen konkreten, oft anrührenden Beispielen, wie der Geschichte des sechsjährigen Shane und seines krebskranken irischen Wolfshundes. Auf der Suche nach Erklärungen streift Sasse Religion, Philosophie und Naturwissenschaft. Ein aufklärendes und aufrüttelndes Sachbuch mit der deutlichen Aufforderung, den Umgang mit Tieren gründlich zu hinterfragen.

Ukraine verbietet Bücher vom bösen Nachbarn

F o t o : P R I VA T

Buch-Blockade bis April: Auf ukrainische VerlegerInnen wartet ein karger Bücherfrühling Nach erneuten Unruhen im Osten des Landes reagierte die ukrainische Regierung mit einem Importverbot von russischen Büchern. Über diese Maßnahme wurde bereits im September 2016 spekuliert. Die plötzliche Umsetzung trifft zuerst aber die eigenen Reihen: die VerlegerInnen und BuchhändlerInnen. Bücher aus Russland machen ca. 60 Prozent des ukrainischen Buchmarktes aus. Es wird befürchtet, dass Lehrwerke und Klassiker knapp werden. Aufgrund der hohen Kosten können die Verlage nicht selbst für Übersetzungen sorgen. Von dem Beschluss der Regierung wird letztlich vor allem der Schwarzmarkt profitieren, nicht die Ukraine.

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Tiere sind die besseren Menschen Peter Sasse MusketierVerlag 232 Seiten, gebunden € 20,50 ISBN 978-3-946635-01-7

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– Essenziell – Stationärer Buchhandel

Das

große

Sterben

?

Text: Elisabeth Schepe Fotos: Christopher Mavrič

Der stationäre Buchhandel erlebt auch in Österreich einen Strukturwandel. Die Frage ist nicht, ob das gut oder schlecht ist, sondern wie die Branche damit umgeht

N

iemand macht das, um reich zu werden.“ Diesen Satz hört man in Österreichs Buchhandlungen immer wieder. Und: „Das macht man nur, weil man es gerne macht.“ BuchhändlerInnen gelten oftmals als IdealistInnen, die ihr Leben dem Kulturgut Buch widmen. Einige sehen sich auch selbst so.

Buchhandlungen sind aber auch Unternehmen, für die betriebswirtschaftliche Regeln gelten. Um das Überleben zu sichern, geht es vor allem um eines: jede Menge Bücher zu verkaufen. Österreichs stationärer Buchhandel steht vor vielen Herausforderungen. Die Konkurrenz durch den Online-Handel und seinen Marktführer Amazon, die Einführung der

E-Books und die steigenden Kosten verändern die Branche grundlegend. Wie also verkauft man jede Menge Bücher im Jahr 2017?

Die Branche ist unglaublich vielfältig. Das wird in Zeiten des Strukturwandels besonders deutlich. Jede und jeder muss eine eigene Strategie finden. Ein Großfilialist hat nur wenig mit einem Dorfbuchladen gemeinsam. Individuelle Beratung ist für die eine Buchhandlung der Weg zum Erfolg. Eine andere setzt sich mit ihrem eigenen OnlineVersand durch. Eine schließt, weil sich keine Betriebsnachfolge findet. Einer anderen wird die Miete zu hoch. Und wieder andere schließen wegen Amazon. Lässt sich die Branche überhaupt im Überblick darstellen?

Vielleicht mit einem Glossar. »

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A wie „Amazon“

Die Online-Bestellplattform gilt als der wahr gewordene Albtraum für den stationären Buchhandel. Im Jahr 2015 erwirtschaftete amazon.de laut einer Studie von EHI und Statista mit all seinen Produktsparten 551,6 Millionen Euro in Österreich. Beinahe so viel Umsatz wie die restlichen neun erfolgreichsten Online-Shops zusammen. Laut einer Studie von Friedrich Schneider (Johannes Kepler Universität Linz) kam der gesamte österreichische Bucheinzelhandel 2015 auf etwa 730 Millionen Euro. Die Bücher unterliegen beim Verkauf in Österreich der BuchpreisB bindung. Das gilt auch für Amazon. Daher wie „Beratung“ kosten sie auch dort gleich viel, was aber Für viele BuchhändlerInnen ist die persönvielen KundInnen nicht bewusst ist. Ebenliche Beratung das Ass gegen den Onlineso wenig, dass Amazon nicht nur Neuware, Versand und seine Suchalgorithmen. In Petra sondern auch Gebrauchtes von MarketplaceHartliebs 60-Quadratmeter-Buchhandlung VerkäuferInnen anbietet. So kann Amazon in Wien Währing stehen immer mindestens auch vergriffene Bücher drei MitarbeiterInnen zur Verfügung: „Wenn verkaufen, die im stajemand kommt und ein Buch sucht, das tionären Buchhandel grün und auf dessen Umschlag ein Mann ist, nicht mehr aufliegen. finden wir das in 90 Prozent der Fälle.“ „Die KundInnen wissen durch Amazon sehr K genau Bescheid, was wie „Kosten“ sie wollen und wann was erhältlich ist“, sagt Die Personalkosten sind zwischen 2005 und Buchhändlerin Birgit 2015 um 44 Prozent gestiegen, die RaumStark aus Gmünd. „Das kosten, also Mieten und Betriebskosten, um weckt die Neugierde. 40 Prozent, so das Ergebnis von Friedrich Im Optimalfall kommt Schneiders Studie. Bücher wurden im selben jemand mit einem Aus- Zeitraum nur um 7,2 Prozent teurer. Geradruck von Amazon zu de die großen Buchhandlungen und jene in uns und kauft bei uns.“ teuren Lagen haben Probleme, die Kosten Petra Hartlieb von der bei gleichbleibenden Buchpreisen hereinWiener Buchhandlung zubekommen. Hinzu kommt: Trotz ihrer Hartliebs Bücher sieht Geschäftsfläche kann sich ihr Angebot nicht bereits einen Rückwärtstrend: „Es ist nicht mit dem von Online-Händlern messen. mehr ganz so sexy, alles im Internet zu bestellen. Die Berichterstattung über Steuerflucht und Arbeitsbedingungen hat geholfen.“ Zu dieser Theorie passt, dass Amazon in den letzten zwei Jahren eigene stationäre Buchhandlungen in den USA aufgesperrt hat.

E wie „E-Books“

Die meisten Buchhandlungen bieten E-Books in ihren Online-Shops an. Thalia hat in Kooperation mit der Deutschen Telekom und anderen Buchhandlungen sogar einen eigenen Reader entwickelt: den Tolino. Die Kette schloss im September 2016 das Geschäftsjahr in Österreich mit einem Umsatzplus von 15 Prozent bei E-Books ab.

L wie „Lage“

Je nach Lage variieren die Anforderungen an eine Buchhandlung. Der Stadt-Land-Unterschied ist dabei nur einer von vielen. „Auch in Wien unterscheiden sich die Grätzel voneinander“, sagt Petra Hartlieb, die im 9. und 18. Bezirk Bücher verkauft. „Der 18. funktioniert wie ein Dorf. Der 9. ist schon urbaner.“ Für Inge Emich ist die Lage ihres „Lesekistls“ auf der Golser Hauptstraße „ideal“.

Das burgenländische Gols ist dank seiner Nähe zu Wien eine wachsende Gemeinde.

Andere Geschäfte mit Buchsortiment sind mindestens 15 Kilometer entfernt. Schwieriger ist die Lage im strukturschwachen Waldviertel. Für Birgit Stark kam als Standort für ihre Buchhandlung nur Gmünd mit seinen 6.000 EinwohnerInnen in Frage. Die Frequenz und Kaufkraft einer größeren Stadt hat sie auch dort nicht, dafür einen hohen Anteil an Stammkundschaft. Auf hohe Frequenz setzt vor allem Thalia: Österreichs größte Buchhandelskette hat ihre 35 Filialen in erster Linie in den großen Einkaufszentren des Landes und in Innenstädten.

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– Essenziell – Stationärer Buchhandel

Word-Rap

Lothar Laaber / Buchhandlung Laaber

Josef Pretzl / Thalia

Ich/Wir verkaufe(n) Bücher, weil …

Laaber: … ich Literatur liebe und mit meinen

Pretzl: … wir von diesem Geschäft allerhand

Mitmenschen gern darüber rede.

verstehen.

Eine Buchhandlung muss …

Laaber: … das Kunststück zusammenbringen,

Pretzl: … ein Platz sein,

sowohl das alte Flair von früher als auch die

in dem sich der Leser wohlfühlt.

Moderne widerzuspiegeln. Wir müssen auf alles eine Antwort finden können.

Bücher verkaufen ist …

Laaber: … viel Arbeit, die man nicht immer sieht,

Pretzl: … Leidenschaft, Freude

aber immer viel Spaß macht.

und auch ein Geschäft.

Bücher kosten …

Laaber: … nicht viel. Lesen ist die billigste

Pretzl … weil darin viel Kreativität,

(und wertvollste) Beschäftigung, die es gibt.

Arbeit und schöpferische Kraft steckt.

Unsere KundInnen kommen zu uns, weil ...

Laaber: … wir der Filter sind, der die richtigen

Pretzl: … wir ständig danach trachten,

Inhalte für sie findet.

sie zu verstehen.

Unsere KundInnen wollen ...

Pretzl: … das Erlebnis Buch umfassend erleben.

Laaber: … gute Bücher. Die bekommen sie bei uns!

Wir sind wirtschaftlich erfolgreich, weil ...

Laaber: … wir Geduld und Ausdauer haben und

Pretzl: … wir neue Trends setzen wie bspw. die

uns nicht vor der Konkurrenz fürchten.

Buchhandlung als Wohlfühlraum oder technologische Entwicklungen wie E-Commerce aktiv angehen und nicht auf dem Status quo verharren.

Die Digitalisierung ist für uns …

Pretzl: … eine Herausforderung, die genutzt wird.

Laaber: … eine Krankheit. Sie zerstört das Produkt, das wir lieben.

Unsere bisher beste Geschäftsidee ist …

Laaber: … dass wir nicht im Geschäft auf

Pretzl: … 1. Online-Reservierung und Abholung in

Kundschaft warten, sondern hinausgehen:

der Filiale. 2. Online-Bestellung auf Thalia.at.

Wir finden neue KundInnen in Schulen, auf Messen, bei Buchpräsentationen und Büchertischen.

In 20 Jahren wird unser Buchhandel …

Laaber: … noch immer so funktionieren wie in

Pretzl: … anders aussehen als heute. Letztlich sind

den letzten 85 Jahren.

aber Prognosen über zwei Dekaden mehr als irrwitzig. Wie hat vor 20 Jahren ein Handy ausgesehen?

Der Buchhandel ist eine Zukunftsbranche, weil …

Pretzl: ... Bücher immer gelesen werden.

Laaber: … das Buch nie aussterben wird.

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Kommentar Erwin Riedesser Vorsitzender des Buchhändlerverbandes,

O wie „Online-Shop“

L wie „Lieferdienst“

In Wien ernteten Ende Jänner zwei Schüler mit der Idee eines Zustelldiensts für Bücher viel Aufmerksamkeit (siehe „Wissenswert“, S. 8). Nichts Neues für Tyrolia: Der Filialist bietet in Innsbruck und Umgebung mit „Running Book“ schon länger einen Lieferdienst an. Allerdings fehlt es noch an der Nachfrage, was Prokurist Stephan Bair überrascht: „Same-Day-Delivery wäre ja in aller Munde.

Wir haben ordentlich die Werbetrommel gerührt. Aber offenbar sind wir zu früh dran.“

Foto: ludwig schedl (1)

N wie „Non-book“

Neben Büchern werden in den meisten Buchhandlungen auch andere Warengruppen wie CDs, DVDs, Schreibwaren oder Süßigkeiten angeboten. Mit ihnen können die HändlerInnen höhere Gewinne erzielen, denn sie unterliegen keinem Preisbindungsgesetz.

Besonders Thalia setzt stark auf Non-BookProdukte. Ihr Anteil am Gesamtumsatz wird aber nicht öffentlich gemacht. Stephan Bair von Tyrolia sagt dazu: „Es ist kein Geheimnis, dass es an manchen unserer Standorte ohne dieses Zusatzangebot schwierig wäre, wirtschaftlich zu reüssieren.“ Für Buchhandlungen am Land wie das Golser Lesekistl von Inge Emich sind Non-Book-Produkte unverzichtbar: „So müssen die Kunden nicht alles außerhalb der Ortschaft besorgen.“ Zu Schulanfang etwa gehen Schreibwaren gut. Für die Wiener Buchhandlung Kuppitsch wiederum ist die umfangreiche CD-Abteilung mit Jazz- und Klassik-Schwerpunkt ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal.

Die meisten Buchhandlungen setzen auf einen eigenen Online-Shop inklusive Versand.

So soll Amazon mit seinen eigenen Waffen geschlagen werden. Für kleinere Unternehmen bleibt allerdings bei Online-Bestellungen nur wenig Marge übrig. Da Gratisversand meist vorausgesetzt wird, müssen sie selbst für das Porto aufkommen. Tyrolia verdient mit dem Online-Handel nur 4,5 Prozent des Gesamtumsatzes. Stefan Mödritscher von Morawa zeigt sich mit dem hauseigenen Webshop zufrieden: „Mittlerweile ist er unsere fünftgrößte Buchhandlung.“ Bei Morawa wie bei vielen anderen holen 40 Prozent der Kundschaft die online bestellten Bücher in den Filialen ab, statt sie liefern zu lassen.

Kuppitsch-Geschäftsführer Michael Kratochvil sieht darin einen wichtigen Vorteil: „Bei uns kann man online checken, ob das Geschäft das Buch auf Lager hat, und es dort sofort abholen. Das geht bei Amazon nicht.“ Allerdings können sich viele Buchhandlungen das Programmieren einer eigenen Website nicht leisten. Daher bieten etwa der Buchgroßhändler KNV und der Marketingverbund Buchmedia Online-Shop-Lösungen an. Diese Muster-Shops lassen sich zumindest teilweise individualisieren. Thalia hat einen eigenen Online-Shop und will unter dem neuen Eigentümer Herder zum „OmniChannel-Händler“ werden. KundInnen können dort „kanalübergreifend“ kaufen: per Filialabholung, Reservierung, per Thalia Apps und digitalen Screens in den Filialen.

P wie „Preis“

Die Buchpreisbindung ist bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts Usus. Im Jahr 2000 wurde sie in Österreich gesetzlich festgelegt.

Seit 2014 gilt sie auch für Online-Handel und E-Books. Der Buchhandel darf nicht unter dem vom Verlag festgesetzten Preis verkaufen. Die Preisbindung regelt allerdings nicht den Einkaufspreis. HändlerInnen mit großen Bestellmengen erhalten auch höhere Rabatte.

In Österreich kommt ein großer Teil des Lesestoffs von deutschen Verlagen.

Sie legen meist Preise von 9,99 bzw. 19,99 Euro fest. Dank Österreichs höherer Mehrwertsteuer kosten die Bücher hier 10,30 bzw. 20,60 Euro. Auf amazon.de wird der niedrigere deutsche Preis angezeigt. Das sorgt für Erklärungsbedarf bei den BuchhändlerInnen.

Thalia erhöhte ver»

Buchhandlung Leporello

Alte und neue Krisen Der Buchhandel hat in den letzten Jahrzehnten schon viele Herausforderungen gemeistert Der stationäre Sortimentsbuchhandel hat eine Zukunft. Warum sollten auch plötzlich die Schönheit, die Atmosphäre, die Inspiration, das Ambiente oder, banal gesagt, auch der Geruch der Bücher keine Menschen mehr interessieren? Seien wir ehrlich: Unsere KundInnen sind eine edle Minderheit. Das waren sie immer schon. Ja, das Internet, ja, die Nebenmärkte, ja, das E-Book, ja, die steigenden Kosten: Herausforderungen haben immer schon stattgefunden, zum Beispiel das Taschenbuch (war das eine Aufregung in den Fünfzigern), das Hörbuch (das war schon besser zu verarbeiten). Es gab die Aufhebung des Gesetzes, nach dem nur Buchhandlungen Bücher verkaufen dürfen, und Angriffe auf die Preisregelung in unserer Branche. Die haben letztendlich zur gesetzlich geregelten Buchpreisbindung geführt. Der Preiskampf zwischen den BranchenteilnehmerInnen entfällt und die kleinen Buchhandlungen, die einen guten Job machen, können besser überleben. Gutenberg lebt auch noch in Form des gedruckten Buches, obwohl schon totgesagt, und die digitalen EuphorikerInnen sind nicht bestätigt. Die elektronische Form des Buches hat einen wichtigen, ergänzenden Platz, aber das gedruckte Buch dominiert. Der edelste Platz für diese Dominanz ist nicht der Computer. Das kann nur die Buchhandlung sein – mit ihrer Sortierung und mit dem Charme und Wissen ihrer BuchhändlerInnen jetzt und in der Zukunft.

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– Essenziell – Stationärer Buchhandel

» gangenes Jahr die Preise und rundet seither auf den nächsten 90-Cent-Betrag auf. „Die Preisschwellen wurden in den letzten Jahren vom Konsumenten verinnerlicht“, sagt Geschäftsführer Josef Pretzl. „Sie sind in vielen kleineren Buchhandlungen schon seit Jahren üblich.“ Petra Hartlieb hält die Preiserhöhung für gefährlich: „Das geht gegen den fixen Ladenpreis, der in den Köpfen der Menschen verankert werden muss.“ Auch Stefan Mödritscher von Morawa möchte die Preise so lassen, wie sie sind: „Wir wollen keinesfalls Kunden, die zu uns in die Buchhandlungen kommen, dafür ,bestrafen‘, dass sie nicht online kaufen.“ Birgit Stark aus Gmünd wiederum appelliert an die Verlage, ihre Preispolitik zu überdenken: „Meine Fixkosten werden immer mehr und der Gewinn wird immer schmäler.“ Stephan Bair von Tyrolia ist überzeugt, dass eine Preiserhöhung der Branche gut täte, obwohl das Tiroler Unternehmen selbst noch nicht aufgerundet hat.

S wie „Sortiment“

Viele BuchhändlerInnen wollen mit einem sorgfältig ausgewählten Sortiment gegen Amazon punkten. „Im Internet sind alle Bücher ,gleich‘“, sagt Stefan Mödritscher von Morawa. „Wir haben die Aufgabe, aus der Flut an neuen Büchern die beste Auswahl zusammenzustellen.“ Besonders wichtig ist dem Morawa-Geschäftsführer dabei der „Österreich-Touch“. Inge Emichs Lesekistl in Gols bemüht sich um regionale Bücher: Regionalkrimis, Historisches, kleine Verlage aus dem Burgenland. In Gols und Umgebung leben viele junge Familien. Daher ist Emichs weitere Spezialität ein gut sortiertes Kinderund Jugendbuchangebot. In Gmünd kennt Birgit Stark die meisten StammkundInnen persönlich: „Wir nehmen schon bei den Bestellungen Rücksicht auf ihre Vorlieben. Unser Wissen um Kundenwünsche fließt in die Sortimentsgestaltung ein.“ Michael Kratochvil von der Buchhandlung Kuppitsch bestellt heute weniger als früher und reduziert sein Lager: „Die Liquidität ist heute wichtiger als Mengenrabatte und Bestellkonditionen.“

Der österreichische Buchhandel in Zahlen

Buchhandlungen: Nach Angabe der

D

Wirtschaftskammer gab es im Juni 2016 in Österreich 1.657 Buchhandlungen mit Ge-

T wie „Treffpunkt“

werbeberechtigung. Das sind 76 weniger als im Vorjahr. Darunter fallen allerdings auch branchenfremde Geschäfte, die Bücher anbieten. Laut einer Studie der JKU Linz gab es Anfang 2016 in Österreich rund 400 Vollsortimentsunternehmen mit mehr als 3.000 MitarbeiterInnen.

Preisentwicklung: Der Gesamt-Index der Verbraucherpreise stieg zwischen 2010 und 2015 um 34,1 Prozent. Bei Büchern hingegen gab es nur geringe Preissteigerungen, ja sogar Senkungen: KinderbuchBestseller kosteten 2015 um 26,7 Prozent weniger als im Jahr 2000, Belletristik-Bestseller um 7,3 Prozent weniger. SachbuchBestseller und Fachbücher sind um 9 bzw.

19,7 Prozent teurer geworden.

Haushaltsausgaben: Laut Statistik Austria

S wie „Schulbücher“

In Österreich beteiligen sich 535 SchulbuchhändlerInnen an der Schulbuchaktion. Sie ist ein wichtiger, teilweise sogar ein unverzichtbarer Umsatzbringer. Birgit Stark, Schulbuchhändlerin und Lehrerin in Gmünd, hält den Vorschlag von Bundeskanzler Kern, Schulbücher durch Laptops und Tablets zu ersetzen, auch unter pädagogischen Gesichtspunkten für problematisch: „Ich finde es gefährlich, Inhalte nur mehr digital zur Verfügung zu stellen, weil elektronische Speichermedien anfällig sind und Ablaufzeiten haben. Bücher hingegen hebt man im Normalfall auf.“

gaben die österreichischen Haushalte 2014/2015 durchschnittlich 31,80 Euro pro Monat für Printmedien, Papier- und

Café, Kulturzentrum, Begegnungsstätte – in einer Buchhandlung muss nicht unbedingt das Kaufen im Vordergrund stehen. Die beiden Filialisten Thalia und Tyrolia wollen ihre Geschäfte betont zu „Wohlfühlorten“ bzw. „Wohlfühlräumen“ machen. Für Petra Hartlieb erfüllt ihre Buchhandlung auch einen Nachbarschaftsgedanken: „Wir sind im 18. Bezirk eine Kommunikationsdrehscheibe. Zu uns kommen die Menschen, wenn sie wissen wollen, wie der Kindergarten gegenüber ist oder ob jemand eine Putzfrau kennt.“ Birgit Stark hat sich für ihre Buchhandlung in Gmünd eine GastronomieKonzession besorgt und eine Lese-Lounge inklusive kleinem Café eingerichtet. Bei Kuppitsch setzt man auf eine andere Strategie: Die Buchhandlung wird Mitte des Jahres ein Post Partner. Der Kundschaft soll so viel wie möglich an einem Ort geboten werden. Das bringt Frequenz für die Buchhandlung.

Schreibwaren aus. Davon für Bücher im Schnitt 8,60 Euro monatlich.

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Li da in D in de da G G se Er ob m Ta ka Si W w ko W w G vo

V wie „Veranstaltungen“

Lesungen und Buchpräsentationen gehören für fast alle BuchhändlerInnen zum Geschäft. Manche sind besonders kreativ: Birgit Stark zum Beispiel. Für eine Krimilesung inszenierte sie eine Waldlichtung als Tatort – inklusive polizeilichem Absperrband, Spaten und Leichenwagen des örtlichen Bestattungsunternehmens. Der Schriftsteller Bernhard Aichner las für sie in einer Sauna vor 90 nackten, schwitzenden Menschen. „Im Jahr 2017 muss man sich inszenieren. Das bindet die Kundschaft“, sagt Stark. „Und es macht uns überregional bekannt.“ Filialist Tyrolia wiederum bietet neben Lesungen, Büchertischen und Buchausstellungen an Schulen und Kindergärten auch „lange Nächte“ in drei seiner Geschäfte an: Man kann etwa im Rahmen einer Firmenfeier die Buchhandlung für einige Stunden exklusiv mieten und ungestört schmökern.

Z wie „Zukunft“

Nach all den Bemühungen des Buchhandels – kann man da von einem „Sterben“ der Buchhandlungen sprechen? „Nein“, sagt Michael Kratochvil von Kuppitsch. „Der persönliche Umgang mit Menschen wird in der Online-Welt immer wichtiger.“ Tyrolia-Prokurist Stephan Bair sieht kein Sterben, sondern eine Marktbereinigung: „Buchhandlungen wird es auch in Zukunft geben, aber vielleicht in flächenmäßig optimierter Form.“ Morawa-Geschäftsführer Stefan Mödritscher gibt zu bedenken: „Es kommen meist nur kleinere Läden nach.

Die großen Buchhandlungen haben keinen Nachwuchs. Die Differenz an Fläche und Umsatz geht so verloren bzw. ins Internet.“

Insgesamt herrscht in der Branche mehr Optimismus, als die Schlagzeilen über den sterbenden Buchhandel (und manches persönliche Gejammer) vermuten lassen. Petra Hartlieb fühlt sich „manchmal wie ein kleines Afferl im Zoo, das vom Aussterben bewahrt werden soll“. Viele ihrer KundInnen kaufen bei ihr, um sie zu unterstützen. „Ich bin doch nicht behindert!“, ruft sie. „Sie sollen gefälligst bei mir kaufen, weil es bei mir super ist.“

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Debüt-Frühling im Hollitzer Verlag Liebe, Krieg und Rock’n’Roll – das sind die großen Themen ENDE. in Dino Bauks preisgekröntem ABERMALS. Debütroman Ende. Abermals., Roman in dem uns der Shootingstar der slowenischen Literatur das kluge Porträt einer ganzen Generation entwirft. ir s t Georg Rejam fragt sich in e s t F ar d B seinem tiefgründigen k Aw Erstling Aus Steiners Welt, Boo ob man mit gutem Projektmanagement in zwölf Tagen einen Roman schreiben kann und was dem Leben Sinn verleiht und Sascha Dino Bauk Wittmann erzählt in ihrem Ende. Abermals. wie Schnitzlers Reigen gewitzt Roman. Aus dem Slowenischen von Sebastian Walcher konzipierten Roman-Debüt Wie ich berühmt wurde, ISBN 978-3-99012-373-7 220 Seiten | 13,8 × 21,7 cm wie aus den Kindern der 68-er Hardcover mit Schutzumschlag Generation die Spießbürger € 19,90 (A/D) von morgen werden. auch als E-Book erhältlich 16_21_Essentiell_EIL2.indd 21

Sascha Wittmann Georg Rejam

AUS STEINERS WELT Roman

WIE ICH BERÜHMT WURDE Ein Roman in zehn Bildern

Georg Rejam Aus Steiners Welt Roman Literaturgruppe Textmotor

Sascha Wittmann Wie ich berühmt wurde Roman Literaturgruppe Textmotor

ISBN 978-3-99012-364-5 228 Seiten | 13,8 × 21,7 cm Hardcover mit Schutzumschlag € 19,90 (A/D) auch als E-Book erhältlich

ISBN 978-3-99012-362-1 132 Seiten | 13,8 × 21,7 cm Hardcover mit Schutzumschlag € 18,90 (A/D) auch als E-Book erhältlich

17.02.2017 9:33:25 Uhr

– Bestseller –

Bestseller Hardcover Jänner 2017 Belletristik

Sachbuch

1 neu

Bernhard Aichner Totenrausch btb EUR 20,60 9783442756377

1 5

Eckart von Hirschhausen Wunder wirken Wunder Rowohlt, Reinbek EUR 20,60 9783498091873

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Elena Ferrante Die Geschichte eines neuen Namens Suhrkamp EUR 25,70 9783518425749

2 8

Johannes Huber Es existiert Edition A EUR 21,90 9783990011683

3

Michael KÖhlmeier, Konrad Paul Liessmann Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist, Adam?

Hanser EUR 20,60 9783446252882

3 neu

Martin Suter Elefant Diogenes EUR 24,70 9783257069709

4 5

Elena Ferrante Meine geniale Freundin Suhrkamp EUR 22,70 9783518425534

5

Jeff Kinney Gregs Tagebuch 11 – Alles Käse!

Baumhaus Medien EUR 15,50 9783833936524

3

4

12

Giulia Enders Darm mit Charme!

Ullstein HC EUR 17,50 9783550080418

5 4

Friedrich OrTer Aufwachen!

Ecowin Verlag EUR 20,– 9783711001085

6 1

Guinness World Records 2017 Hoffmann und Campe EUR 23,60 9783455504194

7 neu

Georg Fraberger, Roland Raske Ich verstehe dich Ueberreuter EUR 19,99 9783800076628

8 7

Rudolf Taschner Woran glauben Brandstätter EUR 24,90 9783710600630

Rita Falk Weißwurstconnection dtv Verlagsgesellschaft EUR 16,40 9783423261272

9

Andreas Salcher Ich bin für Dich da Ecowin Verlag EUR 24,– 9783711001054

Joanne K Rowling Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind Carlsen EUR 20,60 9783551556943

10 neu

Bernard W. Carlson Tesla Finanzbuch Verlag EUR 27,80 9783959720076

10 7

Sebastian Fitzek Das Paket Droemer/Knaur EUR 20,60 9783426199206

11

Christoph Ransmayr Cox S. Fischer EUR 22,70 9783100829511

1

6

3

7

2

8

6

9 neu

4

12 neu

Paulo Coelho Die Spionin Diogenes EUR 20,60 9783257069778 Joanne K. Rowling / Jack Thorne / John Tiffany Harry Potter und das verwunschene Kind Carlsen EUR 20,60 9783551559005

9

Ratgeber 1 19

Sophia Thiel Einfach schlank und fit Riva EUR 20,60 9783742301178

2 wE.

Bernhard Moestl Denken wie ein Shaolin Droemer/Knaur EUR 17,50 9783426214015

3 1

Das Original Sacher-Backbuch Gräfe und Unzer EUR 24,99 9783833858543

T.C. Boyle Die Terranauten Hanser EUR 26,80 9783446253865

13 9

Simon Beckett Totenfang Wunderlich EUR 23,60 9783805250016

14 8

AndrÉ Heller Das Buch vom Süden Zsolnay EUR 25,60 9783552057753

15 neu

Jilliane Hoffmann Insomnia Wunderlich EUR 20,60 9783805250719

5 neu

jan Becker Du kannst schlank sein, wenn du willst Piper EUR 20,60 9783492060608

16 10

David Safier Traumprinz Kindler EUR 20,60 9783463406046

6 wE.

Hesse/Schrader Testtraining 2000plus + Active Stark EUR 25,70 9783849020118

17 17

Lucinda Riley Die Schattenschwester Goldmann EUR 20,60 9783442313969

18 11

19 wE.

20 18

4 7 Johanna Maier Meine gesunde Küche

Servus EUR 15,50 9783710401084

7 neu

Nico Stanitzok, Carolina Hausmann Low Carb Gräfe & Unzer EUR 17,50 9783833853234

Marc Elsberg Helix – Sie werden uns ersetzen Blanvalet EUR 23,70 9783764505646

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Jamie Oliver Jamies 30 Minuten Menüs Dorling Kindersley EUR 25,70 9783831018345

Jojo Moyes Ein ganz neues Leben Wunderlich EUR 20,60 9783805250948

9 neu

Maiko Kerner, Jürgen Vormann Low Carb High Fat für Einsteiger Gräfe & Unzer EUR 13,40 9783833848063

10 3

Jamie Oliver Genial gesund Dorling Kindersley EUR 25,70 9783831031597

Rodica Doehnert Das Sacher Europa Verlag EUR 20,50 9783958900431

T

B

Im Auftrag des HVB ermittelt das Markt­forschungs­unternehmen GfK E ­ ntertainment GmbH monatlich die Bestseller für Belle­tristik, Sachbücher­­und Ratgeber.

Mit den Best­sellerlisten werden auf dem Absatz­weg Sortiments­buchhandel und E-Commerce 82 Prozent aller Bar­verkäufe in Österreich abgedeckt.

E S T F E

w 22-23_BestsellerIEIL2.indd 22

17.02.2017 9:35:39 Uhr

Trebe

Bestseller Taschenbuch Jänner 2017 Belletristik

Sachbuch

1 1

Bernhard Aichner Totenhaus btb EUR 10,30 9783442714421

1 1

Robert Betz Raus aus den alten Schuhen!

Heyne EUR 10,30 9783453703049

2 neu

Jojo Moyes Im Schatten das Licht Rowohlt TB. EUR 15,50 9783499267352

2 2

Bronnie Ware Leben ohne Reue Goldmann EUR 10,30 9783442159031

3 wE.

Bernhard Aichner Totenfrau btb EUR 10,30 9783442749263

3 3

Marie Kondo Magic Cleaning Rowohlt Tb. EUR 10,30 9783499624810

4 5

Lucinda Riley Die sieben Schwestern Goldmann EUR 10,30 9783442479719

4

16

5

4

5

1

Tommy Jaud Sean Brummel: Einen Scheiß muss ich Fischer Taschenbuch EUR 11,30 9783596032280

Hera Lind Die Sehnsuchtsfalle Diana EUR 10,30 9783453357839

6

3

Marc Elsberg Blackout – Morgen ist es zu spät Blanvalet EUR 11,30 9783442380299

6

Clemens G Arvay Der Biophilia-Effekt Ullstein Tb EUR 11,30 9783548376592

7

4

Marc Elsberg Zero – Sie wissen, was du tust Blanvalet EUR 10,30 9783734100932

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John Strelecky Das Café am Rande der Welt dtv Verlagsgesellschaft EUR 8,20 9783423209694

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Donna Leon Tod zwischen den Zeilen Diogenes EUR 13,40 9783257243734

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Bernhard Moestl Shaolin Droemer/Knaur EUR10,30 9783426783986

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David Safier Mieses Karma hoch 2 Rowohlt Tb. EUR 10,30 9783423261272

9

Ildikó Kürthy Neuland ROWOHLT TB. EUR 11,30 9783499630880

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Robert Seethaler Ein ganzes Leben Goldmann EUR 10,30 9783442482917

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Monika Czernin Anna Sacher und ihr Hotel Penguin Verlag München EUR 10,30 9783328100584

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Bronnie Ware 5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen Goldmann EUR 10,30 9783442157525

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Heilkräuter aus dem Garten Gottes Paperback: ISBN 978-3-85068-750-8 Euro [A/D] 16,00

16.02.17 11:06 17.02.2017 10:16:58 Uhr

– Persönlich – Buchhändlerin / Bücherstube Porträts : Lukas Schöppl

F o t o : c h r i s t o p h e r m av r i Č

„Ich sortiere mein Angebot selbst und orientiere mich nicht am Mainstream“

Angelika Schimunek A

ngelika Schimunek brannte schon in ihrer Kindheit für Bücher: „Wenn unter dem Weihnachtsbaum kein rechteckiges Packerl lag, gab es manchmal schon Tränen.“ Nach der Handelsschule und Praxisjahren bei der Universitätsbuchhandlung Pock machte sich Schimunek selbstständig. 1980 eröffnete sie ihre eigene Buchhandlung. Die „Bücherstube“ liegt mitten im Grazer Bermudadreieck – unweit der legendären Likörstube Haring, wo sich einst die Grazer Literaturszene traf.

In Schimuneks Bücherstube findet man viel Literatur auf wenig Platz. Die meisten Bücher kehren einem den Rücken zu, manche präsentieren stolz ihr Gesicht und laden zum Lesen ein. Welchen Einfluss hat eine Buchhändlerin eigentlich auf ihr Sortiment?

„Ich sortiere mein Angebot selbst und orientiere mich nicht am Mainstream. Empfehlungen aus guten Medien nehme ich an und bestelle natürlich alles, was der Kunde begehrt.

Ich versuche einen Mittelweg zu finden und verkaufe das, was mir auch selbst gefällt.“ Angelika Schimuneks zweite große Leidenschaft spiegelt sich in ihrem Sortiment wider: Tiere. „Die Buchreihe ‚Naturkunden‘, die bei Matthes & Seitz erscheint, gefällt mir besonders gut. Tierschutz ist endlich ein allgemeines Anliegen. Meine Kunden haben ein ganz besonderes Gespür für Tiere und die Natur.“ Neben den Büchern, die dicht nebeneinander gereiht die Regale füllen, werden auch Non-Books verkauft: sorgfältig zusammengetragene Schätze wie Blechspielzeug, Nostal-

gie-Karten und Steiff-Teddybären. „Letztere werden in unserer hauseigenen Reparaturwerkstatt gesund gepflegt“, sagt Schimunek.

Der angrenzende CD-Laden ergänzt das Angebot um Musik und wird von Werner Fauland kuratiert.

Das Einzige, was der Bücherstube noch fehlt, ist ein Online-Auftritt: „Daran arbeiten wir. Doch da ich hier verkaufe, die Buchhaltung mache und putzen muss, bleibt dafür oft keine Zeit. Aber man kann bereits jetzt mit Google die Bücherstube virtuell besuchen.“ Zu Ehren von James Joyce und seinem „Ulysses“ öffnet Angelika Schimunek an jedem 16. Juni des Jahres eine Flasche Jameson Whiskey und feiert mit ihren Kunden den „Bloomsday“. Ein Besuch in ihrer Bücherstube ist aber auch an jedem anderen Tag im Jahr ein kleines literarisches Fest.

Bücherstube Angelika Schimunek Prokopigasse 16 8010 Graz

anzeiger / 24

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17.02.2017 9:38:41 Uhr

– Persönlich – Verlagsvertreter

F o t o : c h r i s t o p h e r m av r i Č

Bernhard Spiessberger

I „Die Auswahl der Verlage ist immer auch ein Querschnitt der Persönlichkeit“

m Frühling ist Bernhard Spiessberger als Verlagsvertreter kaum zu Hause. Es ist die Zeit, in der er sich auf Tour durch Österreich begibt und Buchhandlungen die neuesten Werke seiner Verlage präsentiert.

Diese könnten unterschiedlicher nicht sein: Verlage für Kochbücher, Sachbücher, Kinder- und Jugendliteratur, Bildbände und seit Neuestem auch ein Miniaturbuchverlag.

Spiessberger: „Die Auswahl der Verlage ist bei mir auch ein Querschnitt der Persönlichkeit.“ Zwei Mal im Jahr ist er in ganz Österreich unterwegs. Zweieinhalb Monate im Frühling und zweieinhalb Monate im Sommer.

Dabei kommt ihm zugute, dass viele große Buchhandlungen in Wien und Umgebung angesiedelt sind. Für den Westen Österreichs nimmt er sich dann schon mal drei Wochen einer Tour Zeit. Und wie verlaufen die Beratungen? Empfiehlt Spiessberger das, was ihm selbst gefällt? „Das geht eigentlich gar nicht anders. Nur sachlich zu sein, ohne Vorlieben und Abneigungen zu zeigen, ist nicht authentisch. Sicher muss der Verkauf professionell sein. Aber auch persönlich.“ Was

sind seine Vorlieben? „Ich mag Kritisches, Unbequemes, aber auch Kochbücher und Unterhaltsames. Tolle Bücher verkaufe ich einfach gern.“ Dass die Buchbranche unter Druck steht, spüren auch die VerlagsvertreterInnen: „Mit dem Schließen von Buchhandlungen geht auch ein Stück städtischer Kultur verloren.“ Spiessbergers Lösung: Das Bewusstsein muss gestärkt werden, dass man für ein Buch auch einen Weg zurücklegen muss. „Auf andere Menschen zuzugehen fällt allgemein immer schwerer vor allem in Zeiten des Internets.“ Spiessberger meint damit den Online-Handel und das bequeme Bestellen von zu Hause aus. Dabei steht für ihn etwas Wesentliches auf dem Spiel: „Ein Buch in einer Buchhandlung zu kaufen ist ein Aufeinander-Zugehen.

Das wird heute zu wenig geschätzt. Was dabei verloren geht, ist die Beratung. Doch das wird als geringeres Übel geduldet.“ Spiessbergers Arbeit ist schwieriger geworden. Er verliert Kundschaft. Viele halten VerlagsvertreterInnen für obsolet. „Natürlich ist ein Verlagsvertreter auch etwas Altmodisches. Aber um meine Arbeit mit Bert Brecht zu beschreiben: ,Es geht auch anders, aber so geht es auch.‘“

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17.02.2017 9:38:47 Uhr

– Persönlich – Verlegerin / Drava Verlag, Wieser Verlag

F o t o : da n i e l wa s c h n i g

Erika Hornbogner

I „Als Verlegerin kann man sich engagieren.

Verlage haben einen kulturpolitischen Auftrag“

n Kärnten gibt es nicht nur zweisprachige Ortstafeln, sondern auch zweisprachige Verlage. Einer davon ist der Verlag Drava. „Drava“ bedeutet Drau auf Slowenisch. Die Drau entspringt in Südtirol, fließt dann durch Österreich und bildet in Kärnten teilweise die Staatsgrenze zwischen Österreich und Slowenien. Der Übergang vom einen zum anderen Land ist also ein fließender. Diese Metapher versucht Erika Hornbogner auch auf ihre Arbeit umzulegen. Als Verlagsleiterin von Drava sieht sie sich als Vermittlerin zwischen den Kulturen Italiens, Österreichs und Sloweniens.

Bevor sie Verlegerin wurde, studierte Hornbogner Lebensmittel- und Biotechnologie in Wien, wechselte dann aber in die Buchbranche. Nach der Lehrabschlussprüfung zur Buchhändlerin und lehrreichen Jahren als Leiterin der Landhausbuchhandlung be-

kam sie einen Anruf von Lojze Wieser, der sie in den Wieser-Verlag und mit an Bord holte.

Der Wieser-Verlag übernahm Anfang 2016 den zweisprachigen Drava Verlag.

Wie ist es, einen Verlag im Drei-LänderEck zu leiten? Das Internet hat geografische Grenzen in vielen Geschäftsbereichen schließlich weitgehend abgeschafft. Erika Hornbogner findet, dass eine Begegnung im Internet einer persönlichen nicht gleichkommt. Der Standort in Klagenfurt kommt ihr daher gelegen: „In Klagenfurt sind wir zwar vermeintlich weit weg vom Schuss, aber die Lage ermöglicht besondere Kontakte, die man mitten in Österreich nicht hätte.“ Mögliche Schwierigkeiten durch Sprachbarrieren weiß Hornbogner zu umschiffen. „Ich verstehe Slowenisch und spreche die Sprache auch ein bisschen. In Slowenien kommt man aber auch mit Englisch sehr weit.“ Erika Hornbogner ist nicht nur Leiterin zweier Verlage, sondern auch Ersatzgemeinderätin in Klagenfurt. Die Verlagsarbeit hält sie für weit politischer als ihre Funktion im Gemeinderat: „Als Verlegerin kann man sich mehr engagieren, und man bewirkt auch mehr. Verlage haben einen kulturpolitischen Auftrag.“ Hornbogner bemüht sich um einen engen Kontakt zur Universität Klagenfurt. Der Drava Verlag verlegt unter anderem das Jahrbuch des Zentrums für Friedensforschung und Friedenspädagogik der AlpenAdria-Universität sowie Forschungsarbeiten zu mehrsprachiger Erziehung. Als Verlegerin stellt Hornbogner ihre Arbeit in den Dienst der Gesellschaft: „Bücher müssen erhältlich sein. Auch die weniger bekannten. Verlage sorgen dafür – unserer ganz besonders.“

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17.02.2017 9:38:54 Uhr

F o t o : c h r i s t o p h e r m av r i Č

– Persönlich – Antiquar / Burgverlag

Robert Schoisengeier D

as Antiquariat „Burgverlag“ von Robert Schoisengeier liegt direkt am Burgring. Betritt man die Räumlichkeiten, fällt sofort der große Luster ins Auge.

Er beleuchtet die hölzerne Treppe zur Galerie. An jeder Wand stehen hier alte Regale mit noch älteren Büchern. Große, schwere Einbände. Eine Sitzgruppe auf einem großen Perserteppich lädt zum Verweilen und Staunen ein.

Das Handwerk des Antiquariatsbuchhändlers erwarb Robert Schoisengeier in einer Lehre. „Ich wusste anfangs gar nicht, was ein Antiquar überhaupt macht. Jetzt bin ich selbst einer.“ Wie kommt ein Antiquar eigentlich an seine Bücher? Schoisengeier hat drei Bezugsquellen: „Zum einen bekomme ich meine Bücher über Auktionen. Die finden in Auktionshäusern statt, seltener auch im Internet. Außerdem besuche ich regelmäßig andere Antiquariate und schaue, was die Kollegen gerade anzubieten haben. Mein Antiquariat ist auch ein Laden, in dem man gerne vorbeischauen kann. Manchmal kommt

jemand mit Büchern vorbei und lässt den Wert schätzen. Wenn es sich lohnt, kaufe ich ihm das Buch ab.“ „Lohnt“ ist ein wichtiges Stichwort.

Schoisengeier ist Antiquar, aber in erster Linie Händler. „Manchmal vergisst man, dass ein Antiquar nicht Bücher sammelt, sondern verkauft. Eine Zeit lang können sie schon bei einem bleiben, aber dann muss man auch die schönsten Bücher ziehen lassen. Sie zu behalten, wäre fatal für das Geschäft.“ Viele Antiquariate gibt es nur mehr im Internet. „Ich betreibe zwei klassische Läden.

Das ist schon aufwendiger als das, was die Online-Kollegen betreiben. Wenn man im Internet Bücher verkaufen will, sollte man sich einen Schwerpunkt setzen. Ich bin breiter aufgestellt.“ Der Burgverlag ist ein klassisches Antiquariat mit verschiedenen Ver-

Antiquariat Burgverlag Burgring 1 1010 Wien

„Das Antiquariat ist vor allem eine große Entdeckungsfahrt“

kaufsgegenständen. „Wir haben besonders wertvolle Handschriften und frühe Druckerzeugnisse, sogenannte Inkunabeln. Neben Büchern verkaufen wir auch alte Druckgrafiken und Landkarten.“ Welche Bücher sind für Schoisengeier von besonderem Interesse? „Die unscheinbarsten sind oft die wertvollsten.“ Ein Blick ins Buch lohnt sich in jedem Fall. „Vielleicht verbirgt sich ein ungeahnter Schatz darin. Zum Beispiel ein Kommentar von einer wichtigen Persönlichkeit oder ein Brief. Vielleicht ist dem Buch ein wertvoller Einblattdruck beigelegt.“ Noch eine Frage: Haben viele Leute ein wertvolles Buch zu Hause, ohne davon zu wissen? „Das kann schon sein. Das Antiquariat ist vor allem eine große Entdeckungsfahrt. Jeden Tag gibt es etwas Neues.

Es steckt oft mehr in einem Buch, als man auf den ersten Blick sieht.“

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17.02.2017 9:39:03 Uhr

– Selbstredend –

Claudia Erdheim wurde 1945 als Tochter der Psychoanalytikerin Tea Erdheim und des Widerstandskämpfers Laurenz Genner in Wien geboren. Sie wuchs gemeinsam mit ihrer Schwester bei ihrer Mutter auf. Die Ehe zwischen der „halb-jüdischen“ Ärztin und dem Kommunisten ging wenige Jahre nach dem Krieg in die Brüche. Erdheim studierte in Deutschland und unterrichtete am Institut für Philosophie der Uni Wien. Ich habe die Schriftstellerin, die viel zu wenig beachtet wird, im Café Prückel getroffen, dem idealen Ort für österreichische Geschichte und Geschichten.

In Ihrem ersten Buch geht es um die Kindheit im Wien der Fünfzigerjahre und die Beziehung zu Ihrer Mutter, einer Psychoanalytikerin.

Welche Kinderbücher haben Sie gelesen?

Claudia Erdheim — Das übliche Larifari. Kürzlich fiel mir „Anni und der Film“ von Mira Lobe in die Hand – so ein Schas!

Meine Mutter wollte nicht, dass wir solche Dinge lesen. Es ist ein schrecklich konservatives Buch. Die Frauen sollen den Männern die Strümpfe stopfen, Buben sind begabter als Mädchen – solches Zeug. Als ich in der Volksschule war, schickte mich meine Mutter zu einer Lehrerin, die mir russische Märchen ins Französische übersetzt hat! (lacht) Mit dreizehn hat sie uns mit Hesse gefüttert.

Ihre Mutter war gegen Mira Lobe?

Erdheim — Meine Mutter war eine emanzipierte Frau und ungewöhnlich fortschritt-

Ihr literarisches Debüt „Bist du wahnsinnig geworden“ (Löcker Verlag) wurde 1984 zum Skandal.

Im Czernin Verlag erschienen drei Bücher: „Längst nicht mehr koscher. Roman einer Familie“ (2006) führt von den galizischen Zentren der Erdölgewinnung um 1870 ins Wien des Jahres 1945. „Betty, Ida und die Gräfin. Die Geschichte einer Freundschaft“ (2013) spielt in einem jüdischen Salon in Wien am Ende des 19. Jahrhunderts. „Die Judenstadt“ (2015) beschreibt die Vertreibung der Wiener Juden im 17. Jahrhundert aus der heutigen Leopoldstadt.

Ihr 2017 bei Amalthea erschienenes Buch „Vilma Steindling“ widmet sich der wenig bekannten Résistance-Kämpferin.

lich. Sie zog allein zwei Kinder auf, hat gearbeitet und war ein bisschen meschugge.

Und ihre Tochter Claudia hat zu den Nachbarn hinübergeschrien: „Wir sind Kommunisten und geschieden!“ Vom Judentum Ihrer Mutter haben Sie erst später erfahren?

Erdheim — Da war ich sechs oder sieben.

Das Kommunistische war kein Geheimnis, nur das Jüdische. Es war für sie auch nach dem Krieg mit Angst besetzt. Sie sagte: „Jiddelt nicht so auf der Straße.“ Wien in den Fünfzigerjahren wird meist als sehr düster beschrieben. Haben Sie ihre Kindheit auf diese Weise erlebt?

Erdheim — Eigentlich nicht. Als Kind nimmt man die Welt, so, wie sie ist, als normal wahr. Doch das „Jiddeln“ und das Judentum verstecken – das war von der Mutter ernst gemeint. Sie war überzeugt, dass es überall Antisemiten gibt. Sie hat den Krieg in Wien überlebt und sich auch danach getarnt. Uns erzählte sie, dass sie in der Nazizeit ein Kopftuch trug und deshalb für eine Katholikin gehalten wurde. Ich ging zur Schule auf der Stubenbastei. Dort gab es jüdische Kommunistenkinder. Von Antisemitismus habe ich nichts gespürt. Allerdings war ich auch dort ein Außenseiterkind. Meine Mutter wollte nicht, dass andere Kinder zu uns nach Hause kommen. Es herrschte dort immer Chaos und alles war anders als bei den anderen.

Damit sind wir schon mitten in „Bist du wahnsinnig geworden“, Ihrem ersten Buch. Warum schreibt eine Universitätslektorin, die Logik unterrichtet, nach dem Tod ihrer Mutter eine derart harsche Abrechnung?

Erdheim — Ich bin zufällig Schriftstellerin geworden. In meiner Familie waren alle Ärzte oder Wissenschaftler. Das Buch entstand aus meiner Analyse. Die Psychoanalytikerin sagte, schreib alles nieder. Ich konnte mich damals mit Mitte dreißig an alles aus der Kindheit erinnern – heute mit einundsiebzig wäre das nicht mehr der Fall.

Worin bestand eigentlich der Skandal, den das Buch Mitte der Achtzigerjahre auslöste?

Erdheim — Die Leute haben sich irrsinnig aufgeregt. Ein Teil der Psychoanalytiker hat gesagt: „So spricht man nicht über seine Mutter!“ Es gab auch andere, denen das gefiel – die rühmten sich: „Wir sind liberal, wir sind nicht so!“ Selbst die Kommunisten haben sich aufgeregt, bei denen galt auch: Du sollst Vater und Mutter ehren. Allerdings fanden auch viele die Mutter meines Buches sympathisch.

Alle Psychos waren gegen mich Claudia Erdheim erzählt von ihrer Mutter, von Judentum, Galizien, Kommunismus, Psychoanalyse und wie das alles den Weg in ihre Bücher gefunden hat Interview: Erich Klein

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17.02.2017 9:39:19 Uhr

Und wie war sie tatsächlich? Der Titel des Buches stammt aus einer Szene, in der Ihnen, dem Kind, auf absurd strenge Weise verboten wird, mit anderen Kindern zu spielen.

Erdheim — Naja, so wie es halt ist in der Kindheit. Alles sehr ambivalent. Meine Mutter hatte ein fixes Wertesystem, eine Mischung aus autoritär und antiautoritär: Lassen wir die Kinder machen, was sie wollen.

Watschen waren ein absolutes No-Go. Daneben gab es allerdings rigorose Bestimmungen dafür, was man nicht durfte – vieles grenzte an psychischen Terror. Ein Honiglecken war die Kindheit nicht, vor allem wegen ihrer fixen Ideen: Als ich in die Volksschule ging, erklärte sie mir ständig, wie blöd die Lehrerin sei. Manchmal hat sie uns als ihre Schanis behandelt. Im Buch wird das Ganze auch lustig oder komisch geschildert – das nimmt ihm die Aggression. Sobald man darüber lacht, ist die Schärfe weg. Und natürlich war das Buch auch eine Liebeserklärung an sie. Ich habe ihr damit ein Denkmal gesetzt.

Eine Besonderheit Ihres Schreibens ist die Verwendung von Ausdrücken des Wiener Dialekts. „Schmecks“, „Jessassna“ oder „Zniachtl“ sind aus der Alltagssprache fast verschwunden.

Erdheim — Ja, mittlerweile ist viel verloren gegangen. Mir hat es schon in der Schule gefallen, so zu reden. Mit sechzehn sind wir auf Helmut Qualtinger gestanden. Den „Herrn Karl“ haben wir geliebt! Ich bewege mich als Schriftstellerin natürlich auch in einer Tradition. Die „erlebte Rede“ in Canettis „Blendung“ ist ein starker Einfluss. In meinen ersten literarischen Versuchen habe ich Reinhard Priessnitz, mit dem ich befreundet war, persifliert und so reden lassen.

F o t o : c h r i s t o p h e r m av r i Č

„Was interessiert mich der Penis von der ihrem toten Schwiegervater.“ Der Anfangssatz Ihres zweiten Buches „Herzbrüche“ ist nicht nur einer der kecksten der zeitgenössischen Literatur, er war auch eine Verarschung der damals in Mode gekommenen Psychotherapien.

Erdheim — Er war ein Hammer. Das ganze Buch war ein Hammer. (lacht) Sie wurden damit in den Achtzigerjahren zur Skandalautorin der Wiener Szene.

Erdheim — Alle Psychos, alle Psychotherapeuten waren gegen mich. Der Therapeut, den ich darin beschreibe, war gestorben, und seine Witwe wollte gegen das Buch klagen.

Mein damaliger Verleger wurde nervös und zweifelte schon daran, ob das Buch erscheinen kann. Es gab aber auch Menschen wie Goldy und Paul Parin, die mich in Schutz nahmen. Psychoanalytiker sind »

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17.02.2017 9:39:26 Uhr

– Selbstredend –

»

irrsinnig stur. Und die Analyse war damals wie eine Religion. Als ich in einem „Club 2“ bemerkte, es sei nicht alles so toll, was in der Therapie geschieht, war ich endgültig die Nestbeschmutzerin.

Warum haben Sie eine Therapie gemacht?

Erdheim — Ursprünglich wollte ich Mathematik studieren. Das hat mir meine Mutter miesgemacht. Ich hatte mit dem Studium Schwierigkeiten.

Tea Genner-Erdheim, Ihre Mutter, war sehr prominent. Sie gehörte nach dem Zweiten Weltkrieg zu den Gründern der „Wiener Psychoanalytischen Vereinigung“. Wie hat sie auf die Analyse ihrer Tochter reagiert?

Erdheim — Die bekam einen Tobsuchtsanfall und war dagegen. Sie wollte das nicht.

Warum?

Erdheim — Das war ihr Bereich – der gehörte ihr.

Moskau. Eine gewisse Rolle spielte auch die Vermutung: Das System ist zusammengebrochen, vielleicht schaut es aus wie bei uns in den Fünfzigerjahren. Ich habe einen Sprachkurs absolviert, bin zwei Jahre dort geblieben und im ganzen Land herumgefahren.

Hatte das schon mit „Längst nicht mehr koscher“, dem Roman Ihrer Familie, zu tun? Sie stammte aus Galizien, dem östlichsten Teil der Monarchie, der später für Jahrzehnte in der Sowjetunion und hinter dem Eisernen Vorhang verschwunden war.

Erdheim — „Längst nicht mehr koscher“ ist eigentlich die Fortsetzung von „Bist du wahnsinnig geworden“ und mein Lieblingsbuch. Meine Mutter, 1906 geboren, erzählte gern und viel von den Zwanzigerjahren, der Zeit der Jugendbewegung und manchmal von den Sommerferien, die sie bei den Großeltern und den Cousinen in Drohobycz verbracht hat. Allerdings gab es in ihren Erzählungen auch große Löcher. Als sie starb, war ich noch relativ jung. Bis heute tut es mir

Dann sind Sie in die Ukraine gereist, wo Moses Hersch, Ihr Urgroßvater, mit einer Erdölraffinerie und einer Brauerei zu Vermögen gekommen ist.

Erdheim — Ich wusste nicht, wo ich anfangen soll. Ich habe viel fotografiert und versucht, die Häuser von Moses Hersch und Esther zu finden. Die Adressen hatte ich. In Boryslaw gibt es nichts mehr – das ist einmal ganz abgebrannt. In Drohobycz war ich in einem Haus, das so aussieht wie auf den erhaltenen Fotos. Sonst ist in diesem Kaff nicht viel los, allerdings hatte Drohobycz die größte Synagoge Galiziens und die steht immer noch dort. Jetzt soll sie renoviert worden sein. Außerdem gibt es eine sehenswerte Holzkirche aus dem 16. Jahrhundert. „Längst nicht mehr koscher“ ist eine Formel für die schrittweise Assimilation Ihrer Familie, die schon Ende des 19. Jahrhunderts aus aufgeklärten Juden bestand. Wie sehr ging es Ihnen um Authentizität?

Erdheim — Das Buch ist Dichtung und

Wie sehen Sie den Psychotherapiebetrieb heute?

Erdheim — Es hat sich viel geändert. Aber ich habe damit nichts mehr zu tun.

Sie sind in den Neunzigerjahren nach Russland übersiedelt. Was war der Grund dafür?

Erdheim — Ich fand die Öffnung der Grenze nach 1989 interessant. 1994 hat man mich zu einer Tagung nach Narva an der estnischrussischen Grenze eingeladen. Dort dachte ich mir: Wenn ich schon hier bin, möchte ich Petersburg anschauen. Zunächst mit großem Schiss, was das wohl werden wird, war ich dann total begeistert – vor allem von

„Psychoanalytiker sind irrsinnig stur. Und die Analyse war damals wie eine Religion“ Claudia Erdheim

leid, dass ich nicht mehr nachgefragt habe.

Ich bin ohne Vater aufgewachsen – habe ihn nie gekannt. Für mich war die Familie Erdheim meine Familie. Nach meinem Gefühl kannte ich Großvater Osias, den ich selbst nicht mehr erlebt habe, besser als den Vater.

Nach dem Tod meiner Mutter habe ich einige Briefe meiner Großeltern gefunden. Am Anfang von „Längst nicht mehr koscher“ steht ein Aufsatz über meinen Großvater Osias, den ich für das Wiener Jüdische Museum geschrieben habe.

Wahrheit. Ich habe ja keinerlei Erinnerungen an das Leben der Groß- und Urgroßeltern oder an den Ersten Weltkrieg. Da ich keine Historikerin bin, kam ich erst schrittweise darauf, wie man recherchiert. Glücklicherweise gab es viele Briefe des Großvaters und sogar einige vom Urgroßvater sowie Familienfotos, die ich in einem eigenen Band über das „Stetl“ publiziert habe. Vor allem begann ich, Zeitungen von damals zu lesen: Die Neue Freie Presse, Die Reichspost, viele andere. Erst seit dieser Zeitungslektüre verstehe ich „Die

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1987 hatten Sie einen erfolgreichen Auftritt beim Bachmann-Preis. Der Literaturkritiker Wendelin Schmidt-Dengler lobte Ihren Roman „Ohnedies höchstens die Hälfte“ euphorisch.

Dann wurde es still um die Autorin Erdheim.

Erdheim — Damals war mir SchmidtDengler noch sehr gewogen. Doch für die Geschichte, die ich über ihn geschrieben habe, hassen mich die Wiener Germanisten bis heute. Einer hat mir gesagt, er habe geweint, weil ich Schmidt-Dengler so runtermache. Haben Sie sein Buch über Thomas Bernhard einmal gelesen? Ich hielt es für eine unglaubliche Schlamperei und Schaumschlägerei. Wittgenstein wurde dort zitiert, wo er zwar nicht hinpasste, aber es gut wirkte. Mein Buch „Karlis Ferien“ ging noch ganz gut. Dann gab es eine Liebesgeschichte und dann bekam meine Karriere tatsächlich einen Knick.

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Kramers Kinderstube Irmgard Kramer letzten Tage der Menschheit“. Es fiel mir wie Schuppen von den Augen, als ich sah, woher Karl Kraus die Texte für das Stück bezogen hat. Um die Drohobytscher Zeitung in Lemberg lesen zu können, habe ich Polnisch gelernt. Ziemlich viel Arbeit – aber man bekommt allmählich einen Eindruck von der Zeit. Ich habe praktisch in der Wiener Nationalbibliothek gewohnt. Dort habe ich die Schulberichte der Erdheim-Brüder aus Drohobycz und Sambor gefunden. Was die Monarchie betrifft, ist die Nationalbibliothek ein Fressen!

Ihre Erzählung „Die Judenstadt“ über das Wien des 17. Jahrhunderts wirkt fast altertümelnd, wie eine Chronik.

Erdheim — Manchmal komme ich zufällig auf etwas. Ich hatte begonnen, mich genauer mit historischen Ereignissen zu beschäftigen, auch mit der jüdischen Geschichte, und war mehrmals in Israel, habe es aber mit sechzig nicht mehr geschafft, Hebräisch zu lernen.

Dabei bin ich auf Texte von der großen Pest im Jahr 1348 in Wien gestoßen. Natürlich waren die Juden daran schuld – sie wurden schließlich nach Polen vertrieben. Bei weiteren Recherchen bin ich kläglich gescheitert.

Man weiß nicht einmal, wie sich die Menschen damals begrüßt haben. Ein WienerHistoriker hat mich dann auf die Wiener Judenstadt aufmerksam gemacht. Aber auch darüber gibt es nicht viel an Quellen. So wurde es nur ein kleines Büchlein, in dem ich alles, was bekannt ist, ausgeschöpft habe.

Foto: darko tod orovic

Das Buch hat nichts mit Ihrer Familiengeschichte zu tun?

Erdheim — Nein. Ich glaube, den Lesern gefällt an der „Judenstadt“, dass das Buch in Wien spielt, im 2. Bezirk am Unteren Werd.

Mich hat dabei interessiert, wie aus der ehemaligen Synagoge die Leopoldskirche wurde.

Es geht um einen rein historischen Sachverhalt, der nichts mit mir zu tun hat – so wie bei Betty Paoli.

Diese grässliche Lyrikerin, deren Freundschaft mit Ebner-Eschenbach sich im jüdischen Salon der Ida Fleischl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entfaltet …

Erdheim — Mir haben alle drei Damen in ihrer Unterschiedlichkeit gefallen – trotz der schlechten Gedichte. Ich versuchte einfach, mich durch die Lektüre von Tagebüchern und vielen Briefen in die Zeit hineinzuversetzen. Allein durch deren Stil bekommt man schon recht viel mit. Ebner-Eschenbach war dreizehn Jahre jünger und viel moderner.

Beginnt jetzt Ihr Rückzug in die zweifelhaften Idyllen des 19. Jahrhunderts?

Erdheim — Nein, es ist ganz anders. Ich bin einundsiebzig und habe ein langes Leben hinter mir. Man verändert und entwickelt sich. Ich habe keine Lust mehr, über mich selbst zu schreiben. Das ist erledigt! Es gibt alte Leute, die über ihr Alter schreiben, aber mich fasziniert das Recherchieren. Dabei werden Figuren lebendig, die man gar nicht kennt. Mir macht es Spaß, Geschichte so zu erzählen, wie sie hätte sein können.

Es ist aber nicht alles erfunden?

Erdheim — Meine Arbeit begann mit einem Besuch im Institut für österreichische Geschichtsforschung. Da gibt es eine Sammlung an Lebensgeschichten von Frauen. Sie haben mich in hohem Bogen hinausgeschmissen, weil nur Wissenschaftler das Archiv benützen dürfen. Ich war sauer, bis ich herausfand, dass auch das Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte eine ähnliche Sammlung besitzt. Der Archivar brachte mir einen Ordner mit der Lebensgeschichte der Köchin des letzten Feldmarschalls der österreichischungarischen Monarchie. Schließlich kam er mit einem weiteren an: den Memoiren der Köchin von Ida Fleischl. Das fand ich spannend. Im Fall der Ida Fleischl, von der es nur einen Brief gibt, habe ich welche dazuerfunden. Betty war mir als Person sympathisch, auch wenn sie viele nicht mögen. Meine Nachbarin, eine Psychoanalytikerin, sagte: „Das ist so eine Hysterikerin, das habe ich eh jeden Tag in der Praxis!“ In einem Artikel über Sie heißt es einmal, worüber man mit Ihnen nicht sprechen könne, seien Gedichte. Wenn man von jenen der Betty Paoli absieht. Wie wichtig sind für Sie Frauen in der Literatur?

Erdheim — Das hatte für mich nie spezielle Bedeutung wie etwa bei Alice Schwarzer. Ich war nie Feministin. Es gibt in der Literatur Frauen und Männer. Ich hatte nie das Gefühl, dass Frauen irgendwie zu kurz kamen.

So speziell stimmt das einfach nicht.

Kommen wir also zu den Gedichten …

Erdheim — Ich habe keinen Sinn mehr für Lyrik – mit sechzehn, siebzehn war das anders. Heute beschäftigt mich Prosa. Zur Zeit meiner Freundschaft mit Reinhard Priessnitz stand ich wahnsinnig auf Else LaskerSchüler. Ich habe die Lavant sehr geschätzt, konnte sie sogar auswendig (rezitiert): „Wieder brach ich bei den Nachbarn ein.“ Dann habe ich Catull übertragen. Er war mein liebster lateinischer Autor. »

Jugendbuchautorin

Ein Traum von Schloss Von schönen und kalten Momenten im Schloss Wolfenbüttel Haben Sie den Film „Der ganz große Traum“ gesehen? Da geht’s um einen Lehrer, der 1874 den Fußball nach Deutschland gebracht hat. Der Film wurde im Schloss Wolfenbüttel gedreht. Das Schloss ist wirklich schön.

Hier finden Literatur-Seminare statt.

Ich geh’ gern dorthin. Die Kurse sind billig, das Essen und das Schlafen sind im Preis dabei und man lernt tolle Leute kennen. Einmal hatte ich die Ehre, zu einem Seminar von Burkhard Spinnen zugelassen zu werden – das ist der, der Vorsitzender Juror des Bachmann-Wettlesens war. Ich war wahnsinnig nervös. Aber Burkhard Spinnen ist lustig. Wussten Sie, dass er auch Kinderbücher schreibt? „Müller hoch drei“ und „Belgische Riesen“ habe ich sehr gern gelesen. Das Seminar von Burkhard Spinnen war im Sommer. Seminare im Sommer sind besser. Da ist es kühl im Schloss.

Ganz anders im Winter. Beim Seminar „Wie bewerbe ich mich bei einer Agentur“ habe ich mich während einer Rauchpause in einem Hinterhof ausgesperrt. Keinem fiel auf, dass ich nach der Pause nicht wiederkam. Neben dem zugefrorenen Schlossgraben und dem Aschenbecher musste ich schlotternd auf einen Raucher warten (eine Seminareinheit dauert 90 Minuten). Wieder zuhause, schickte ich der Seminarleiterin (einer Agentin) eine Kindergeschichte von mir. Sie nahm mich unter Vertrag und alle Türen öffneten sich. Im Schloss Wolfenbüttel hat sich mein ganz großer Traum erfüllt.

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– Selbstredend –

Ingeborg Bachmann?

Erdheim — Habe ich nicht so geschätzt.

Auch heute nicht.

Ilse Aichinger?

Erdheim — Ja, toll!

Die Mayröcker?

Erdheim — War zu meiner Zeit, als ich jung war, noch nicht bekannt.

Elfriede Jelinek?

Erdheim — Ist meine Generation, ja. Aber ich habe sie erst spät gelesen. Die ersten Bücher fand ich gut. „Die Ausgesperrten“ ist großartig! „Die Klavierspielerin“ habe ich dreimal begonnen, kam jedoch nie weit.

Kommen wir auf Ihre Mutter zurück – welches Ihrer Bücher hätte sie am meisten geschätzt?

Erdheim — Das erste Buch – mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Darin stehen Dinge, die nicht gerade ehrenhaft sind. Alles ist ambivalent. Es ist meine Kindheitsgeschichte, aber auch ein Buch über sie.

Eine Rezension des Buches trug die Überschrift „Die große Grandy“. So haben wir sie genannt, und so hat sie sich auch dargestellt.

Manche Kinder werden geschlagen, andere haben eine Mutter, die so bedeutend und toll ist, dass man an sie gar nie herankommt.

So wie Mutter kann ich nie werden. Sie ist die Göttin. „Längst nicht mehr koscher“ war eine Fortsetzung dieser Geschichte.

sie bleiben. Sie konnte ja ihren Vater nicht aussetzen und ins KZ schicken. Dass meine Mutter nicht emigrierte, sehe ich als selbstverständlich an. Das ist anständig. Das muss so sein. Alles andere wäre unglaublich gewesen. Mein Vater hingegen, der die Rote Fahne gedruckt hat, war tatsächlich ein Held und den ganzen Krieg über im Widerstand.

Ihre Mutter trat 1956, nach der Niederschlagung des Aufstandes in Budapest, aus der KPÖ aus.

Erdheim — In der Schule auf der Stubenbastei haben Klassenkollegen mir und meiner Schwester Vorwürfe gemacht, weil Mutter aus der Partei ausgetreten ist. Von den meisten sind wir deshalb geschnitten worden.

War Laurenz Genner der Grund, warum Ihre Mutter 1945 in die KPÖ eintrat?

Erdheim — Das weiß ich nicht genau. Es war halt so: Die Sowjetunion hat Österreich befreit. Und nach all dem, was im Krieg geschehen war, hatte sie wohl das Gefühl, dies sei der richtige Schritt. Da spielte sehr viel mit und der Genner sicher auch eine Rolle.

Eigentlich war sie bei den sozialistischen Mittelschülern gewesen, hätte also auch Sozialdemokratin werden können. Aber dann

Blieb in der Familie später etwas vom Kommunismus übrig?

Erdheim — Ich war unter den Achtundsechzigern. Meine Mutter hat die Politik nicht mehr interessiert. Die Psychoanalyse war bei ihr viel dominanter als alles Linke.

Unterschwellig wollte sie wohl nicht, dass man sich irgendwie exponiert – es war auf eine Weise verboten.

„Dass meine Mutter nicht emigrierte, sehe ich als selbstverständlich an“ Claudia Erdheim

Flossen Erfahrungen mit Ihrer Mutter ein?

Erdheim — Nein. Meine Mutter kam aus dem Bürgertum, Vilma aus armen Verhältnissen. Man kann ihre Schicksale nicht vergleichen. Vilma war in Auschwitz. Die Schrecken von Auschwitz kann man sich nicht vorstellen. Man muss nicht alles gelesen haben – es genügen die Bücher von Hermann Langbein oder Primo Levi. Es ist so unvorstellbar schrecklich, dass man dazu gar nichts mehr sagen kann, man sitzt nur mit offenem Mund da und weint. Um nicht zu weinen, wenn sie über Auschwitz sprach, machte Vilma Witze.

Dort taucht auch Ihr Vater Laurenz Genner auf, der früher nie vorkam. Ihre Eltern haben sich bald nach Ihrer Geburt scheiden lassen.

Erdheim — Ich habe meinen Vater nie gekannt. Auch wenn ich viel Psychoanalyse hinter mir habe, so ist das Vaterproblem dennoch nie wirklich behandelt worden. Beim Erstgespräch mit der Psychoanalytikerin sagte ich: „Ich hatte keinen Vater, dafür eine bedeutende Mutter.“ Den Vater gab es nie. Er war während des Kriegs im Widerstand – einiges davon hat Mutter ja erzählt. Wenn man Mutter wegdenkt, dann war er ein Held.

Es gibt zwei Helden in diesem Buch: den Vater aus dem kommunistischen Widerstand und die Mutter, die trotz Möglichkeit zur Emigration bei ihrem jüdischen Vater Osias bleibt.

Erdheim — Als sogenanntes „Mischlingskind“ war sie für ihn ein Schutz. Dadurch wurde der Großvater ein „privilegierter“ Jude. Ich habe mir die Nürnberger Rassengesetze, eine unglaubliche Schwarte, genau angesehen. Doch ich würde Mutter nicht als Heldin stilisieren. Selbstverständlich musste

Gemeinsam mit Ruth Steindling schrieben Sie die Biografie von deren Mutter Vilma, die als Österreicherin, Kommunistin und Jüdin in der Résistance kämpfte und nach Auschwitz deportiert wurde. Wie kam es dazu?

Erdheim — Wir kennen uns ewig. Ich habe Ruth, die fünf Jahre jünger ist, schon Nachhilfestunden in Latein gegeben. Sie bewundert ihre Mutter als Résistance-Kämpferin und hat mich gefragt, ob ich ihr helfen kann.

Es ist mein erstes Sachbuch geworden.

hat sie Stalin bewundert. Unglaublich, wie blöd sie da war!

Hat sie bei Stalins Tod 1953 geweint?

Sie waren acht, können Sie sich daran noch erinnern?

Erdheim — Daran kann ich mich sehr wohl erinnern: Sie war ganz aufgeregt. Ich weiß nicht, woher sie es erfahren hat. Sie hat mich in die Trafik um eine Zeitung geschickt. Sie war sehr erschüttert.

Vilma Steindling reagiert auch im Buch mit Sarkasmus. Als ihr ein Arzt abrät, die eintätowierte Häftlingsnummer wegoperieren zu lassen, entgegnet sie: „Sie glauben also, dass ich sie noch brauchen werde?“ Erdheim — Auch ein merkwürdiges Phänomen: das Sarkastische und das Lustigmachen über das Entsetzen. Psychoanalytisch gesprochen, handelt es sich um Abwehr. Ruth besitzt einen merkwürdigen Humor, den andere oft gar nicht verstehen. Wir lachen beide über ganz tragische Sachen. Wenn etwas zu tragisch ist, bleibt nichts als Lachen.

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– Klassiker – neu entdeckt

Verfluchte

Tage Ein Revolutionstagebuch von Iwan Bunin (1918)

Nacht auf den 24. April. Das letzte Mal war ich Anfang April 1917 in Petersburg. Damals geschah etwas Unfaßbares: Das größte Land der Erde war der völligen Willkür des Schicksals ausgesetzt – und das während des größten Krieges der Welt. Noch zogen sich die Schützengräben über dreitausend Werst nach Westen hin, aber sie waren nur mehr bloße Löcher: Die Sache war beendet, auf eine absurde, nie dagewesene Weise beendet, denn die Macht über diese dreitausend Werst, über die bewaffnete Horde, in die sich eine millionenstarke Armee verwandelt hatte, war bereits in die Hände von »Kommissaren«, von Journalisten wie Sobol und Iordanski übergegangen. Nicht weniger schrecklich war es aber auch im gesamten übrigen Raum Rußlands, wo plötzlich ein gewaltiges, über Jahrhunderte hinweg gewachsenes Leben abbrach und sich eine unschlüssige Form der Existenz ausbreitete, grundloser Müßiggang

Weshalb wir das lesen sollen. anleitung von erich Klein.

Am 1. Jänner 1918 notierte der Schriftsteller Iwan Bunin in seinem Revolutionstagebuch „Verfluchte Tage“: „Dieses verwünschte Jahr ist zu Ende. Doch was weiter? Vielleicht kommt etwas noch Schrecklicheres.

Wahrscheinlich sogar.“ Neun Monate zuvor hatte Nikolaus II. mitten im Ersten Weltkrieg in der Februar-Revolution abgedankt – allerdings wurde Russlands erste bürgerliche Regierung schon im November 1917 von den Bolschewiki hinweggefegt. Iwan Bunin war zu diesem Zeitpunkt längst ein lebender Klassiker: Er wurde als Lyriker gefeiert, es gab eine Ausgabe seiner gesammelten Werke, seine melancholischen Erzählungen über die adelige Kindheit in Woronesch waren Schullektüre. Die Erzählung „Das Dorf“ wurde ob der realistischen Darstellung der

und widernatürliche Freiheit von allem, was die menschliche Gesellschaft am Leben hält. Ich traf in Petersburg ein, stieg aus dem Zug und ging über den Bahnhof: Hier, in Petersburg, schien es noch schrecklicher zu sein als in Moskau, schien es noch mehr Volk zu geben, das keine Ahnung hatte, was zu tun war, und völlig sinnlos durch sämtliche Bahnhofsräumlichkeiten schlenderte. Ich trat hinaus unter das Vordach, um eine Kutsche zu nehmen: Der Kutscher hatte ebenfalls keine Ahnung, was er tun sollte, fahren oder nicht fahren, und er wußte nicht, welchen Preis er nennen sollte. „Ins Jewropejskaja“, sagte ich.

Er überlegte und erwiderte auf gut Glück: „Zwanzig Silberrubel.“ Der Preis war zu jener Zeit noch völlig absurd. Doch ich war einverstanden, stieg ein und fuhr los – und erkannte Petersburg nicht wieder.

In Moskau war schon kein Leben mehr, obwohl die neuen Machthaber eine in ihrer Stupidität und großen Eile irrwitzige Imitation einer angeblich neuen Ordnung des Lebens darboten, eines neuen Zeremoniells, ja selbst eines neuen festlichen Gepränges.

Dasselbe war, noch in gesteigerter Form, in Petersburg im Gange. Ununterbrochen Versammlungen, Sitzungen, Meetings, ein Aufruf nach dem anderen erging, ein Dekret

Grausamkeit des Landlebens zum Skandal.

Maxim Gorki, linker Literaturpapst und Freund des Autors, erklärte: „Bunin ist der beste Schriftsteller seiner Generation!“ Bis heute lesenswert sind nicht nur seine Berichte aus Palästina, Ceylon und Indien.

Seine Erzählung „Der Herr aus San Francisco“ unterzog den amerikanischen Kapitalismus als Inbegriff des „modern way of life“ harscher Kritik. „Verfluchte Tage“ ist eine minutiöse Beschreibung des Alltags der Russischen Revolution vor genau einhundert Jahren: Worum ging es bei diesem Experiment der Schaffung eines neuen Menschen? „Der ganze Traum besteht nur darin, einem Fabrikanten den Kopf einzuschlagen, seine Taschen umzudrehen und ein noch größerer Schuft zu werden als dieser.“ Moskau versinkt 1918 im Chaos desertierender Soldaten und marodierender Bolschewiki – die Häuser des Bürgertums werden geplündert. Der

nach dem anderen, unermüdlich war die berühmte »direkte Telefonleitung« in Betrieb – und wer schrie und kommandierte damals nicht alles über diese Leitung! –, den Newski entlang rasten unentwegt rot beflaggte Regierungsautos, donnerten überfüllte Lastwagen, marschierten überaus gewandt und präzise Truppen mit roten Fahnen und Musik …

Der Newski war überflutet von einer grauen Menge – Soldateska mit umgehängten Uniformmänteln, nicht arbeitende Arbeiter, flanierende Dienstboten und allerlei liederliches Volk mit Bauchläden, das mit Papirossy und roten Schleifen handelte, mit zotigen Postkarten, mit Süßigkeiten und allem, wonach man verlangte. Auf den Gehwegen Kehricht, Schalen von Sonnenblumenkernen, auf der Fahrbahn lag gefrorener Dung, es gab Unebenheiten und Schlaglöcher. Auf halbem Weg sagte mein Kutscher plötzlich das, was damals schon viele bärtige Bauern sagten: „Das Volk ist jetzt wie Vieh ohne Hirten, es macht alles dreckig und richtet sich selbst zugrunde.“ Ich fragte: „Und was kann man da machen?“ „Machen?“, fragte er. „Machen kann man jetzt nichts. Jetzt ist Feierabend. Keine Regierung mehr.“ Ich sah mich um, auf dieses Petersburg … „Wahrhaftig, Feierabend.“ Doch tief in meiner Seele hatte ich noch Hoffnung, und ich wollte noch nicht so recht daran glauben, daß es wirklich keine Regierung mehr gab.

Deutsch von Dorothea Trottenberg.

Dörlemann Verlag, Zürich 2005

Mob rächt sich für die Unterdrückung, selbst das Dienstpersonal revoltiert: „Moskau ist jetzt im A …“ Der Chronist Bunin verzeichnet alle Gerüchte, rechnet mit den Linken ab, ohne zum Rechten zu werden. Die Anführer der Kirche sind ihm ebenso Gräuel wie jene der Revolution: „Kongreß der Sowjets. Eine Rede von Lenin. Oh, was für ein Tier.“ Nach einem halben Jahr flieht Iwan Bunin mit seiner Ehefrau ins noch nicht kommunistische Odessa. Träume vom verlorenen Russland wechseln sich ab mit neuen Horrormeldungen, knapp wird eine Errungenschaft der roten Geheimpolizei vermerkt: „Apropos, die Odessaer Tscheka. Sie haben dort eine neue Art und Weise, die Leute zu erschießen – über der Klosettschüssel.“ Mit der Flucht nach Istanbul und Emigration nach Frankreich bricht das Tagebuch ab. 1933 erhielt Iwan Bunin, der Autor des anderen Russland, den Nobelpreis für Literatur.

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