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Neuer Fairtrade - Mindestpreis für Kaffee Q&A
1. Was ändert sich am Fairtrade-Mindestpreis für Kaffee?
Der Fairtrade -Mindestpreis für Kaffee wird angehoben. Ab dem 1. August 2023 beträgt der neue Fairtrade -Mindestpreis für gewaschene Arabica-Bohnen 1,80 USD/Pfund, was einem Anstieg von 40 Cent oder 29 % gegenüber dem vorherigen Preis von 1,40 USD/Pfund entspricht. Mehr als 80 % des gesamten verkauften Fairtrade -Kaffees sind gewaschene Arabica-Bohnen.

Für ungewaschene Robusta-Bohnen, die weniger als 10 % des gesamten verkauften FairtradeKaffees ausmachen, steigt der Preis um 19 Cent auf 1,20 USD/Pfund (ein Anstieg von etwa 19 %).
Der Fairtrade -Bio-Aufschlag wurde um ein Drittel von 30 Cent auf 40 Cent/Pfund angehoben.
Die Fairtrade -Prämie, der zusätzliche Betrag zum Verkaufspreis, den die Kooperativen in ihre Geschäfte und Gemeinden investieren können, bleibt unverändert bei 20 Cent/Pfund.
2. Wann tritt der neue Fairtrade-Mindestpreis in Kraft?
Für alle Arten von Verträgen (einschliesslich «fixed price contracts» und «price -to-be -fixed contracts»), die am oder nach dem 1. August 2023 unterzeichnet werden, müssen die neuen Fairtrade -Preise eingehalten werden.
Bei Verträgen mit Preisbindung (price -to-be -fixed contracts), die vor dem 1. August 2023 unterzeichnet wurden, bei denen das Preisfestsetzungsdatum jedoch am oder nach dem 1. August 2023 liegt, gelten die vorherigen Fairtrade -Preise als gültig. Ein am 1. Juli 2023 unterzeichneter Vertrag zur Preisfestsetzung für konventionellen gewaschenen Arabica, dessen Preis am 1. Oktober 2023 festgelegt wird, entspricht beispielsweise dem Fairtrade -Mindestpreis von 1,40 USD/Pfund, nicht dem neuen Preis von 1,80 USD/Pfund.
3. Wie wurde der Fairtrade-Mindestpreis berechnet?
Fairtrade führte im Jahr 2022 eine gründliche Analyse der Produktionskosten durch, die auf den Erntekosten von 2021 basierte, und berechnete die gewichteten durchschnittlichen Produktionskosten. Für konventionell gewaschenen Arabica-Kaffee wurden sie beispielsweise mit 1,76 USD/Pfund berechnet. Darüber hinaus wurde der besondere Kontext für bio-zertifizierte Kooperativen berücksichtigt, die mit noch höheren Arbeitskosten und anderen höheren Kosten konfrontiert sein können, um die ökologischen Standards zu erfüllen.
Der nächste Schritt war die Konsultation der Interessengruppen: Mehr als 540 Teilnehmende - 86 % davon Bäuer:innen - aus 40 Ländern gaben im Rahmen eines Konsultationsprozesses, den Fairtrade International zwischen Dezember 2022 und Februar 2023 durchführte, Beiträge ab. Den Teilnehmern wurden die Analyse und mehrere mögliche Preisoptionen vorgestellt. Auf der Grundlage dieses Feedbacks legte Fairtrade dem Fairtrade -Standards-Komitee am 24. März 2023 e inen Vorschlag zur Entscheidung vor .
4. Warum wurde diese Entscheidung getroffen?
Der Fairtrade -Mindestpreis ist ein wichtiges Sicherheitsnetz für die Kaffeebauern, insbesondere wegen der durch Spekulationen bedingten Schwankungen der Kaffeepreise. Seit dem Inkrafttreten des aktuellen Fairtrade -Mindestpreises im Jahr 2011 lag der Fairtrade -Mindestpreis in 52 % der Fälle über dem Weltmarktpreis. Während des jüngsten Tiefpunkts im Jahr 2019, als der NY KaffeePreis auf 87 Cent/Pfund fiel, lag der Fairtrade -Minde stpreis 52 Cent über dem Marktpreis (ohne Bio-Aufschlag oder Prämie) - ein Vorteil von 60 % für die Bauernkooperativen.

Dieses Preissicherheitsnetz ist für die Bäuer:innen nach wie vor absolut wichtig. Die Bäuer:innen betonten bei unserer Befragung, dass sie die Erhöhung des Fairtrade -Mindestpreises trotz des Risikos von Absatzeinbussen wünschten, weil sie es sich einfach nicht leisten können, weiterhin mit Preisen zu arbeiten, die ihre tatsächlichen Kosten nicht decken. Die Mehrheit der Bäuer:innen, die an der Konsultation teilgenommen haben, befürwortete die Erhöhung des FairtradeMindestpreises zumindest auf das Niveau, das schliesslich beschlossen wurde.
Wir wissen aber auch, dass dies nicht für alle Bäuer:innen ausreicht, um ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Deshalb haben wir auch eine Strategie für ein existenzsicherndes Einkommen, die die Festlegung freiwilliger Referenzpreise für ein existenzsicherndes Einkommen beinhaltet.
5. Der Fairtrade-Mindestpreis für Kaffee wurde zuletzt im Jahr 2011 aktualisiert. Warum sind seit der letzten Preisaktualisierung 12 Jahre vergangen?
Fairtrade überprüft regelmässig die Aktualität des Fairtrade -Mindestpreises durch kleinere Konsultationen mit Produzentennetzwerken und Produzentenorganisationen, zum Beispie l im Rahmen einer Studie über die Kosten nachhaltiger Produktion und eines Dialogs im Jahr 2017. Angesichts der Tatsache, dass die Kaffee -Marktpreise von 2015 bis 2021 die meiste Zeit unter dem Mindestpreis lagen und seit 2011 insgesamt 52 % der Zeit unter dem Mindestpreis lagen, haben die Bauern eine Preisüberprüfung nicht unterstützt, da sie befürchteten, dass eine Erhöhung des Fairtrade -Mindestpreises zu dieser Zeit zu Umsatzeinbussen führen würde.
Die globale Wirtschaftslage mit hoher Inflation und die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels haben uns dazu veranlasst, die Überprüfung des Fairtrade -Mindestpreises im Jahr 2022 voranzutreiben, was zu der jetzt bekannt gegebenen Entscheidung führte.
6. Deckt der neue Fairtrade-Mindestpreis die durchschnittlichen «Kosten einer nachhaltigen Produktion» der Kaffeebäuer:innen?
Im Rahmen der Preisüberprüfung haben wir die durchschnittlichen Produktionskosten analysiert, die 2017 erhoben und mit den Preisen von 2021 aktualisiert wurden. Der genehmigte neue Fairtrade -Mindestpreis deckt die gewichteten durchschnittlichen Produktionskosten ab, die zwischen den verschiedenen Herkünften und Ländern ermittelt wurden.
Wir wissen jedoch, dass diese Produktionskosten nicht die Kosten der Kooperativen und Bäuer:innen für die Einhaltung neuer Anforderungen in Bezug auf HREDD, Abholzung und andere Themen beinhalten, die Käufer:innen, Konsument:innen und Regierungen zunehmend fordern und die wir in unsere Fairtrade -Standards einbeziehen. In diesem Sinne berücksichtigt der neue Fairtrade -Mindestpreis noch nicht die zukünftigen Kosten für diese Nachhaltigkeitsmassnahmen.
Wir beginnen mit der Planung einer eingehenden Studie über die Kosten der nachhaltigen Produktion, um besser zu verstehen, wie die neuen Nachhaltigkeitsanforderungen die Produktionskosten beeinflussen werden.
7. Wie haben sich die Produktionskosten seit der letzten Produktionskostenstudie von 2010/2011 verändert?
Die Produktionskosten sind in den letzten 12 Jahren gestiegen, was zum grossen Teil der Grund für die Dringlichkeit der Aktualisierung des Fairtrade -Mindestpreises ist. Insbesondere die Kosten für Düngemittel, Treibstoff (auch für den gesamten Aufbereitungsprozess), Logistik und Arbeitskosten haben die Produktionskosten in die Höhe getrieben. Bei Bioproduzenten trägt der höhere Arbeitsaufwand, der für die Anwendung ökologischer Anbaumethoden erforderlich ist, zu den höheren Produktionskosten bei. Hinzu kommen die Kosten für die Aufrechterhaltung der Bio-Zertifizierung und die Erfüllung der BioAnforderungen der Importländer.
8. Was sind die Vorteile von Fairtrade, die den höheren Preis rechtfertigen? Wie profitieren die Kaffeebäuer:innen von Fairtrade, so dass es sich für Unternehmen und Konsumenten lohnt, mehr zu zahlen?
Kaffeebäuer:innen sind zahlreichen Herausforderungen ausgesetzt – Fairtrade unterstützt diese zu bewältigen. Nicht allein durch höhere Preise, sondern durch einen ganzheitlichen Ansatz.
Der Fairtrade -Mindestpreis, die Fairtrade -Prämie und der fixe Bio-Aufschlag sind finanzielle Vorteile und spielen eine zentrale Rolle. Hinzukommen die Unterstützung der Kaffeebäuer:innen durch die regionalen Fairtrade -Produzentennetzwerke, z. B. Durchführung von Trainings, gerechte Vertragsbedingungen für Angestellte der Kooperativen sowie Schutz der nat ürlichen Ressourcen und Förderung der Bio- Landwirtschaft durch entsprechende Anforderungen in den Fairtrade Standards.

• Durch den Verkauf von Fairtrade -Produkten haben die Kaffeekooperativen im Jahr 2021 mehr als 82,3 Millionen USD an Fairtrade -Prämien eingenommen. Sie entscheiden demokratisch, wie sie die Gelder zum Nutzen ihrer Geschäfte und Gemeinschaften ausgeben. Im Zeitraum 2020- 2021 investierten die Kaffeeproduzenten die Prämiengelder in ihre Kooperative (29 %), in die Verbesserung der Produktion (28 %), in finanzielle Vorteile für die Mitglieder (25 %) und in soziale Projekte (14 %).
• Fairtrade -Produzentennetzwerke bieten zertifizierten Kaffeekooperativen Schulungen und Unterstützungsleistungen an, u. a. zu den Fairtrade -Standards, guten landwirtschaftlichen Praktiken und zur Anpassung an den Klimawandel. Zusätzliche finanzierte Programme, wie z. B. Jugendleiter- oder Klimaakademien, bieten noch mehr Möglichkeiten.
• Fairtrade unterstützt Kaffeekooperativen bei de r Erschliessung ihrer Marktchancen, z. B. durch die Ausrichtung der Golden-Cup-Qualitätskaffeewettbewerbe in mehr als einem Dutzend Ländern.
Die Fairtrade -Kaffeebäuer:innen leisten ihren Beitrag und der neue Fairtrade -Mindestpreis ist ein wichtiger Schritt nach vorne. Aber wir wissen, dass die Bäuer:innen auch weiterhin mit steigenden
Kosten konfrontiert sein werden, um die Anforderungen im Zusammenhang mit der Abholzung von Wäldern und anderen Prioritäten von Regierungen, Marktpartnern und bewussten Kaffeetrinkern zu erfüllen. Die Erzielung eines existenzsichernden Einkommens für die Bäuer:innen ist eine Aufgabe, die ein gemeinsames Vorgehen der gesamten Branche erfordert und die Fairtrade allein nicht bewältigen kann. Es ist an der Zeit, dass die globale Kaffeeindustrie die Initiative ergreift und ihren Worten Taten folgen lässt.
9. Die Weltmarktpreise waren in letzter Zeit hoch und die Kaffeebäuer:innen leben immer noch in Armut. Ist das tatsächlich ein Problem des Preises?
Die Akteure der Branche und die Konsumenten sind daran gewöhnt, künstlich niedrige Preise für Kaffee zu zahlen. Wir müssen anfangen, über die wahren Kosten und den wahren Wert von Qualitätskaffee zu sprechen.
Im Allgemeinen ist der Preis nur einer von vielen Faktoren, die für das Einkommen eines Bauern ausschlaggebend sind, darunter der Ertrag, die Grösse der Anbaufläche und die Produktionskosten (z. B. für Transport, Ausrüstung und gegebenenfalls zusätzliche Arbeitskräfte). In den letzten Jahren ist die Kaffeeproduktion aufgrund des Klimawandels, einschliesslich Wetterereignissen und der Ausbreitung von Schädlingen und Pflanzenkrankheiten wie dem Kaffeeblattrost einem höheren Risiko ausgesetzt.
Was den Preis anbelangt, so ist der Weltmarkt für Kaffee sehr volatil und unterliegt raschen Schwankungen. Während der Weltmarktpreis im vergangenen Jahr 2,50 USD/Pfund erreichte, sank er vor einigen Jahren auf 87 Cent und lag in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt bei 1,42 USD/Pfund. Diese Volatilität bedeutet, dass die Bäuer:innen nicht die Stabilität haben, um Investitionen zu tätigen, die ihr Einkommen langfristig verbessern würden. Vorübergehend hohe Preise ermutigen die Bäuer:innen auch dazu, an Zwischenhändler zu verkaufen und die Stabilität ihrer Kooperativen zu untergraben, was die Ve rhandlungsmacht der Bäuer:innen langfristig schwächt. Letztlich profitieren die Bäuer:innen und ihre Organisationen am meisten von stabilen, berechenbaren Märkten, die es ihnen ermöglichen, gute Handelsbedingungen auszuhandeln und für die Zukunft zu planen
10. Garantiert dieser neue Fairtrade-Mindestpreis, dass die Bauern ein existenzsicherndes Einkommen erzielen können?
Nein. Dies ist ein Schritt, um Fairtrade -zertifizierten Kaffeebäuer:innen die Möglichkeit zu geben, ihr Einkommen zu verbessern, wobei der Preis nur ein Element einer ganzheitlichen Strategie ist, die verschiedene Aspekte wie die Verbesserung der Erträge und die Diversifizierung des Anbaus umfasst.
Dennoch werden der neue Fairtrade-Mindestpreis und der Bio-Aufschlag in zwei der vier Herkunftsländer, für die Fairtrade die Referenzpreise festgesetzt hat, zusammen die ExportÄquivalenzwerte der Referenzpreise für existenzsichernde Einkommen erreichen: Kolombi en and Uganda, beide für Bio -Arabica. Bei den anderen beiden Herkunftsländern werden der neue Fairtrade -Mindestpreis und d er Bio-Aufschlag den Abstand zu den jeweiligen Referenzpreisen für existenzsichernde Einkommen um 45 % (Indonesien’s Aceh Region) und 46 % (Honduras ) verringern. Neben der Erzielung der Referenzpreise müssen die Bäuer:innen auch andere Parameter erreichen, die Teil der Gleichung für ein existenzsicherndes Einkommen sind, wie etwa nachhaltige Erträge.

In der nachstehenden Tabelle werden unsere Referenzpreise für ein existenzsicherndes Einkommen (ab Hof und umgerechnet in FOB-Äquivalent) mit dem neuen Fairtrade -Mindestpreis (FMP) und dem Bio-Aufschlag verglichen.
11. Was beinhaltet die Fairtrade-Strategie für existenzsicherndes Einkommen für Kaffee?

Ob ein Bauer oder eine Bäuerin ein existenzsicherndes Einkommen erzielen kann, hängt von der Grösse seiner/ihrer produktiven Farm, dem Ertrag, dem Verkauf zu Fairtrade -Bedingungen und dem erzielten Preis sowie von den Kosten der Farm, der Menge der für den Eigenbedarf produzierten Lebensmittel und allen anderen Einkünften ab, die der Haushalt erzielt.
Ein zentraler Bestandteil unserer Strategie für ein existenzsicherndes Einkommen ist die Festlegung von Referenzpreisen für ein existenzsicherndes Einkommen auf der Grundlage der lokalen Lebenshaltungskosten und anderer realistischer und nachhaltiger Parameter, um festzulegen, was die Kaffeebäuer:innen tatsächlich b enötigen, um ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Diese Preise sind derzeit freiwillig und wurden für vier Herkunftsländer festgelegt: Kolumbien, Honduras, die indonesische Region Aceh und Uganda. Preise für Peru, Äthiopien und Nicaragua sind ebenfalls geplant oder in Arbeit.
Neben der Festlegung dieser Preise arbeiten wir mit Unternehmen und Kooperativen zusammen, um Projekte zu entwickeln, die die Referenzpreise für ein existenzsicherndes Einkommen integrieren und andere Aspekte angehen, die für ein existenzsicherndes Einkommen notwendig sind, z. B. die Optimierung von Erträgen, die Diversifizierung von Einkommensquellen und die Entwicklung von Möglichkeiten für Frauen. Die regionalen Fairtrade -Produzentennetzwerke unterstützen Kooperativen und Bäuer:innen bei der Einführung effizienter und nachhaltiger Anbaumethoden.
Schliesslich ist auch die Lobbyarbeit ein wichtiger Bestandteil unserer Strategie, damit existenzsichernde Einkommen in die Gesetzgebung zu Menschenrechten und ökologischer Sorgfaltspflicht sowie in andere Nachhaltigkeitsvorschriften und sektorale Verpflichtungen aufgenommen werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass ein existenzsicherndes Einkommen für die Bäuer:innen die Norm für die Geschäftstätigkeit ist und nicht die Ausnahme.