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DAS GUTE LEBEN

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DRUIDENTAG

DRUIDENTAG

Reflexionen über das gute Leben

Eine philosophische Tour d'Horizon

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Stellen sie sich vor, es gäbe eine «Erlebnismaschine», die jedes von ihnen gewünschte Erlebnis vermitteln könnte. Ob es sich um eine Mount Everest Besteigung, eine Indiana-Jones-UrwaldExpedition, die Apollo 11 Mondlande-Mission, oder um Gefühle, wie sie grosse Künstler, Dichter, Komponisten, Könige, Sultane, Kaiser oder Päpste haben. Alles könnten sie völlig lebensecht erleben, d.h., sie würden nicht feststellen, dass es sich um eine Simulation handelt. Sie wären also ähnlich einem Filmdarsteller in einem Film mittendrin, wie dieser wären sie unsterblich. Die einzige Bedingung dazu wäre: Man würde Sie in einen 36 Grad warmen Wassertank legen, wo Sie mit Elektroden verkabelt würden und diesen Tank könnten sie lebend nicht mehr verlassen.

Würden Sie ihr aktuelles Leben gegen ein Leben in einer solchen «Wohlfühlmaschine» eintauschen? Gerne lasse ich Ihnen einige Augenblicke Zeit, damit sie zu einer Entscheidung zu kommen.

Die Anforderungen an das Leben, sollte es gut sein, ist Kern aller Ethik. Dies sowohl in der Theorie wie auch in der daraus folgenden Praxis. Der Beginn dieser Suche ist im alten Griechenland zu finden, wo sowohl Sokrates, Platon und Aristoteles sich dieser Frage widmeten. Bei Sokrates wird das gute Leben auch etwa als «Eudaimonismus» bezeichnet, was übersetzt nichts anderes als guter (Eu) Dämon / oder Geist (Daimonion) heisst. In diesem Zusammenhang wird heute etwa auch vom guten, gelingenden, gedeihlichen oder glücklichen Leben gesprochen.

Die philosophische Fragestellung nach dem guten Leben verschwand in der Aufklärung leider weitgehend, da gerade Kant das Lebensglück als Privatsache ansah und es damit dem Einzelnen selbst anheim gestellt war, die Antwort darauf für sich und sein eigenes Leben zu finden.

Kehren wir also zu den alten Griechen zurück. Die erste Frage, die wir klären sollten, ist diejenige nach der Bedeutung des Wortes «gut». Nicolas Grundisch, Eiger-Loge Oberland

Sokrates sagt: «Aber gut sind wir doch…durch das Vorhandensein irgendeiner Tugend? (Tüchtigkeit/ Tauglichkeit)… nun ist aber die Tauglichkeit eines jeden Dinges…nicht von selbst vorhanden, sondern durch Ordnung und kunstgemässe Richtigkeit…»

Was Tüchtigkeit bzw. Tugend ist, wird von Platon mittels verschiedener Beispielen gezeigt: So besteht die Tüchtigkeit des Messers darin gut zu schneiden, des Pferdes gut zu tragen oder zu ziehen oder des Auges klar zu sehen. Ganz allgemein betont er jedoch, dass «mit der besonderen Tüchtigkeit [die] Aufgabe gut, mit Schlechtigkeit dagegen schlecht erfüllt [wird]»

Dies führt uns indirekt weiter zur Frage, ob wir Menschen eine oder mehrere Aufgaben oder einen Zweck haben und um was es sich dabei handeln könnte?

Erst Aristoteles versucht alsdann den spezifischen Zweck /Aufgabe des Menschen zu definieren. Seine Definition enthält jedoch einen sogenannten Zirkelschluss: Als Aufgabe des Menschen wird die gute Seele genannt – die nach ihm wiederum dem guten Leben entspringt. Das gute Leben führt zur guten Seele – die gute Seele zum guten Leben. Offensichtlich drehen wir im Kreis – hier kommen wir nicht weiter (Huhn – Ei-Problematik)

von Gutsein nur dann gesprochen werden kann, wenn eine Aufgabe/Zweck vorliegt. Nur damit können auf der Skala gut oder schlecht Urteile gefällt werden.

Aufgaben und Zwecke selbst sind Zuschreibungen, welche wir Menschen anderen Menschen oder Objekten zuteilen. Wir können demzufolge von einem guten Arzt, Informatiker, Anwalt etc., nicht jedoch von einem guten Menschen sprechen.

Somit wird klar, dass wir kaum etwas als gut bezeichnen können, ohne unsere Wünsche, Interessen oder Vorstellungen darin zum Ausdruck zu bringen: »Wir können nicht etwas unabhängig von dem, was wir wollen, als in sich gut [bezeichnen]».

Wir stehen also vor der Schwierigkeit, dass in der aristotelischen Konzeption die Definition des Zweckes/Aufgabe vom Menschen nicht genügt. Bevor ich hier weitergrabe, möchte ich ihnen zuerst 3 weitere philosophische Theorien des guten Lebens vorstellen:

Der Hedonismus

Diese – heute vielfach missverstandene – Konzeption des guten Lebens geht auf Epikur zurück. Der Ausdruck Hedoné wird im griechischen sowohl für Lust wie auch für Tätigkeiten, welche wir gerne machen bzw. welche uns Freude bereiten, gebraucht. Epikur zerstreut den Einwand ungehemmter Triebbefriedigung, welche seiner Theorie nahegelegt werden kann wie folgt: «Wenn wir also sagen, dass die Lust das Lebensziel sei, so meinen wir nicht die Lüste der Wüstlinge und das blosse Geniessen, […] sondern wir verstehen darunter, weder Schmerz im Körper noch Beunruhigung der Seele zu empfinden.»

Im Kern geht es also um die Ataraxie, die Seelenruhe, womit auch klar wird, dass eine unkontrollierte Luststeigerung nicht erwünscht wird. Gerade dies wird mit Hilfe der Vernunft erreicht. Epikur trennt die sogenannte ruhende Lust (Freude) von der bewegten Lust (Triebverlangen). Moderne Verteidiger des Hedonismus wie Bernulf Kanitscheider (im Hedonistischen Manifest) bestätigen diese Haltung, indem sie den Lustbegriff sehr breit fassen: «Der Lustbegriff kann somit global an einem Phänomen, z. B. an einer sportlichen Tätigkeit (Skifahren) festgemacht werden…ebenso zählt zur Lust die Befriedigung, die man erfährt, wenn das Ziel (Berggipfel) erreicht ist. Auch das Vergnügen, an einer angeregten Gesellschaft teilzunehmen, in guter Stimmung zu sein, gute Laune zu besitzen, Zufriedenheit auszustrahlen, sind lustvolle Zustände.»

Man mag die Verankerung des Hedonismus in unserer Natur – eine empirische Tatsache – als Stärke dieser Konzeption durchaus nachvollziehen. Weitere metaphysische Normen und Wertesysteme sind hier nicht notwendig. Diese Stärke ist gleichzeitig aber eine Schwäche, da der Mensch sich kaum über seine animalische Natur heraushebt.

Theorie der Wunscherfüllung

(subjektivistische Theorie)

Die naheliegendste Form des guten Lebens liegt in der Erfüllung der eigenen Wünsche. Sofort kommt uns jedoch die Figur des «Wanton» [englisch von Want = Wollen] von Harry Frankfurt in den Sinn, der sich von seinen spontanen Wünschen förmlich jagen lässt: «Das charakteristische Merkmal des Triebhaften (=Wanton) ist, dass ihm sein Wille gleichgültig ist…Er übergeht die Frage, welches sein Willen sein soll. Er folgt nicht nur dem Handlungslauf, dem zu folgen er die grösste Neigung hat, sondern es kümmert ihn auch nicht, welche seiner Neigung am Stärksten ist». Dies als das gute Leben anzusehen dürfte wohl den meisten schwerfallen. Aus diesem Grund geht

Frankfurt von Wünschen zweiter Ordnung aus, welche die spontanen Wünsche 1. Ordnung kritisch hinterfragen, ob diese auch wirklich wünschenswert sind: Beispiel: Nach einer üppigen Mahlzeit, laufe ich an einer Konditorei vorbei, mit meinen Lieblingsmuffins im Schaufenster – darf ich mir noch ein solches Stück gönnen? Erst wer seine Wünsche so kritisch reflektiert, lässt Frankfurt als Person gelten.

Das Konzept der Wunschbefriedigung beinhaltet einen weiteren Stolperstein. Wie kann ich mir nämlich sicher sein, dass sich bei meinem Wunsch 2. Ordnung die erwünschte Erfüllung einstellt? Als Beispiel: Wenn ich mir vorstelle, mit einem hohen Einkommen meine Lebenszufriedenheit massgeblich zu erhöhen – ich mich dann aufgrund der sehr viel höheren Verpflichtungen in meinem Wohlbefinden massiv eingeschränkt sehe, so hätte ich diesen Wunsch nie formuliert, geschweige denn zu erfüllen gesucht. Somit wird also ein aufgeklärtes Wollen (P. Stemmer und James Griffin) benötigt.

Darunter ist ein Wunsch bzw. Wünschen zu verstehen, bei welchem ich die Konsequenzen und Folgen bereits heute kennen würde.

Anders ausgedrückt: Was würde ich wollen/wünschen, wenn ich gleichzeitig eine Erfolgsgarantie auf der Wunscherfüllung hätte?

Die Schwäche dieser Theorie liegt in seiner Nähe zum Egoismus.

Objektive Theorie des guten Lebens

(auch perfektionistische Theorie genannt)

In dieser Konzeption wird eine objektive Liste von Gütern beschrieben, welche unbesehen von Herkunft universell für alle Menschen Bestandteile eines guten Lebens bilden. Der Kern der Argumentation besagt, dass Dinge für mich gut sein können, welche ich mir nicht wünsche. Als Beispiel dazu kann der Analphabetismus von Frauen in Entwicklungsländern genannt werden. Diese Frauen würden nicht von sich aus fordern oder wünschen, Lesen lernen zu wollen. Dies kann Ihnen jedoch erhebliche Vorteile auf dem Arbeitsmarkt verschaffen Die mangelnde Bewegung von Menschen in entwickelten Dienstleistungsgesellschaften ist ein weiteres Beispiel. Stellvertretend für eine objektive Liste sei hier der Wertekatalog vom Begründer der positiven Psychologie, Martin Seligmann erwähnt: Demnach gehören zu diesen Werten: positive Gefühle, Begeisterung, Bedeutung, Leistung und zwischenmenschliche Beziehungen.

Die Schwäche dieser Theorie liegt in der Schwierigkeit, Werte bestimmen zu können, welche universelle Geltung beanspruchen können.

Zusammenfassend sind bei den 4 Theorien folgende Schwierigkeiten/Schwächen festzustellen:

1. Der Aristotelismus definiert zu ungenau was der Zweck des Menschen ist.

2. Der Hedonismus wie auch die subjektive Wunschtheorie neigt dazu, den Menschen als Triebwesen zu sehen.

3. Die objektive Theorie mangelt daran, dass der Wertekatalog ausgehandelt werden muss und nicht absehbar ist, ob dies gelingen wird.

Hier komme ich zurück auf das eingangs erwähnte Gedankenexperiment der Wohlfühlmaschine: Im Resultat lehnte eine Mehrheit der Teilnehmer ab, da mitzumachen. Man spürt, dass es sich irgendwie nicht richtig anfühlt, kann das Warum nicht klar benennen. Wir fühlen, dass das gute Leben aus mehr bestehen muss, als ausschliesslich aus guten Gefühlen. Ich meine es sei die fehlende Bedeutung und damit die menschliche Würde, die hier verloren ginge, weil ich mich als Mensch zum Objekt degradieren würde, da eine Maschine mein Leben leben würde.

Mir scheint ein Weiterentwickeln der aristotelischen Theorie am aussichtsreichsten zu sein. Kehren wir also zu Aristoteles zurück und fragen uns mal ganz einfach: Was lässt mich eigentlich an einem nasskalten Novembertag früh morgens, wenn es draussen noch stockdunkel ist, aus dem Bett aufstehen? Diese berühmte Frage von William James kann auf zwei Arten beant-

wortet werden: Erstens können es extrinsische Ziele sein (Am Druidentag muss ich einen Vortrag halten) oder intrinsische Motive (Das Erstellen des Vortrages war zwar anstrengend aber auch äusserst erfüllend – nun bin ich auf die kritischen Rückmeldungen gespannt). Ob wir nun eher durch extrinsische Ziele oder intrinsische Motive geleitet werden, beides zeigt uns an, welchen Werten wir tatsächlich folgen.

Diese Werte sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Unterschiedlich nicht nur im Sinne des Wert-Inhaltes, sondern auch, ob wir diesen gelebten Werten denn auch willentlich folgen. Jedes menschliche Handeln kann durch Werte beschrieben werden. Das heisst jedoch noch lange nicht, dass der Handelnde, dem Wert (als Ziel oder Motiv) bewusst nachstrebt. Menschliches Handeln und Verhalten – so würde ich behaupten- ist vielfach oder sogar meistens nicht bewusst wertegeleitet. Oder können sie mir die 3 für sie wichtigsten Werte spontan aufzählen und begründen? Wir Menschen folgen meist gesellschaftlichen Konventionen.

Mittels genauer Selbst-Beobachtung können wir versuchen, die unserem Handeln zugrundeliegenden Werten aufzudecken. Wenn ich beispielsweise anderen Menschen spontan gerne helfe und mich dadurch vielfach selbst in schwierige Situationen bringe, so muss dies nicht ein gewollter Altruismus sein. Wenn wir darüber nachdenken oder uns austauschen, so sollten wir das jedoch erkennen können.

So hätten wir eine uns innewohnende Aufgabe oder Zweck gefunden. Damit wird es uns möglich sein, ein Urteil über die Qualität unserer Aufgabenerfüllung zu fällen. Wir haben das Problem von der unbestimmten Aufgabenzuschreibung von Aristoteles gelöst, indem wir dieses aus unserem Verhalten und Handeln selbst gewonnen haben. Nun liegt es an uns, zu erkennen ob wir unsere Aufgaben eher gut oder schlecht erfüllen. Die bewusstgemachten eigenen Werte sind der archimedische Punkt des eigenen Lebens. Wir legen so die Wurzeln der Werte unseres Lebens frei, um uns dann auch selbst daran messen zu können. Haben wir nun den Schlüssel zum guten Leben gefunden? Möglicherweise spüren sie nun ein Unbehagen, was durchaus gerechtfertigt wäre, denn diese Theorie – so könnten sie argumentieren - würde der Beliebigkeit und dem Relativismus Tür und Tor öffnen. Jeder Mensch könnte behaupten, er führe eine gutes Leben, ganz gleich wie er lebt, da er nur seine Aufgabe (bzw. die zugrundeliegenden Werte) rausfinden müsste, um diese dann in einem nächsten Schritt als gut zu qualifizieren. Den wichtigen Einwand der Beliebigkeit möchte ich ihnen am Beispiel des fiktiven Goldfischverstehers und Grashalmzählers darlegen.

Der Goldfischversteher behauptet, er führe ein gutes Leben, indem er mit seinen Goldfischen kommunizieren könne. Seine Goldfische seien seine Erfüllung. Nach Harry Frankfurt ist diese Haltung nicht kritisierbar, da «das was ich liebe, dadurch dass ich es liebe für mich wertvoll wird – und dieser subjektive Wert reicht völlig aus, um meinem Leben Sinn zu geben und es gelingen zu lassen». Wir könnten diese Haltung - nach Frankfurt - also weder in Bezug auf den Sinn noch auf das Glück dieses Menschen kritisieren.

Der Grashalmzählers behauptet von sich dasselbe, nur dass er als erfüllende Tätigkeit in seinem Garten jeweils Grashalme zählt. Dazu legt er jeweils einen Holz-Rahmen ins Gras um den Fortschritt seiner Arbeit messen zu können.

Die Philosophieprofessorin Beate Rössler hält diese subjektivistische Sicht des guten Lebens für falsch. Sie führt dazu zwei Gründe an. Erstens könnten wir Menschen kaum ein gutes Leben führen, wenn dieses auf Illusionen baue. Die Kommunikation mit einem Goldfisch sei nun mal illusionär und daher sei es eine Scheinbehauptung, daraus ein gutes Leben ableiten zu wollen. «Die Einsicht, dass scheinbar glückliche Erfahrungen oder Erlebnisse gar nicht wahr waren, nur vorgegaukelt, nähme den Erfahrungen ihren Sinn oder auch ihr Glück (…) Die Realität von Erfahrungen spielt also für die Möglichkeit des sinnvollen Lebens eine konstitutive Rolle, und zwar nicht nur deskriptiv, sondern auch normativ» (Sie merken – es handelt sich um das Argument, das gegen die Wohlfühlmaschine in unserem Gedankenexperiment spricht)

Zum zweiten Kritikpunkt von Rössler: Auch ein «Illusionist» muss Gründe für die Wichtigkeit und Sinnhaftigkeit seines guten Lebens benennen und auch anderen glaubhaft erklären können. Dies müssen durchaus nicht objektive Gründe sein, sie müssen jedoch anderen Menschen plausibel vermittelt werden können. Warum? Wenn ich mich auf den Standpunkt stelle, dies sei das gute Leben für mich, würde dies für mich einen starken und wichtigen kategorialen Wert darstellen – hier meine ich es ernst – es geht da um mich und meine Glaubwürdigkeit. Gerade dies scheint im Fall des Goldfischverstehers und des Grashalmzählers wenig glaubhaft zu sein. Somit bildet der SprachHorizont des Menschen einen weiteren wesentlichen Faktor um Bedeutung erklären zu können.

Mit der vorerwähnten Beweisführung trifft Rössler ein Argument, welches bereits der USPhilosoph Roland Dworkin entwickelte – er sagt nämlich: »Wir denken zum Beispiel, dass es nicht nur falsch, sondern ausserdem ziemlich albern wäre, einen signifikanten Teil des Lebens dem Sammeln von Streichholzschachteln zu widmen. …[Es] ist ethisch betrachtet nicht vernünftig…weil es nicht damit vereinbar ist, die objektive und auch subjektive Wichtigkeit [des] eigenen Lebens anzuerkennen».

Dworkin macht hier auf einen wesentlichen Faktor aufmerksam, der sich näher zu betrachten lohnt: Er unterscheidet nämlich zwischen einer objektiven und subjektiven Seite des guten Lebens.»

Die subjektive Seite würde ich als Sinnlichkeit im weiten Sinne verstehen, also als ein lebendiges Sinnes-Leben des Menschen, seines Körpers mit den fünf Sinnen. So fällt insbesondere darunter was uns emotional berührt. Dazu würde ich Spiritualität und nahe Beziehungen zu anderen Menschen zählen, wie auch die von Menschen als wichtig empfundene Zugehörigkeit.

Einen weiteren Hinweis in dieser subjektiven Frage erhalten wir von Aristoteles, welcher behauptet, dass unter sonst gleichen Umstän-

den uns diejenige Tätigkeit höhere Freude (und Erfüllung) bereitet, welche schwieriger zu erreichen ist: «So ist in jedem Falle die beste Tätigkeit diejenige, wo das Tätige sich in der besten Verfassung auf das Beste der ihm zugeordneten Objekte richtet. Dies wird dann auch die vollkommendste und angenehmste sein». Der GerechtigkeitsPhilosoph John Rawls spricht in diesem Zusammenhang vom aristotelischen Grundsatz: «Ich nehme also an, dass einem Lebensplan eine gewisse Anziehungskraft fehlt, wenn er die natürlichen Fähigkeiten nicht auf eine interessante Weise anspricht. Tätigkeiten, die nicht [diesem] aristotelischen Grundsatz entsprechen, erscheinen leicht als langweilig und seicht, sie vermitteln nicht das Gefühl, etwas zu können, und erscheinen als gar nicht ausführenswert».

Mit anderen Worten, wo wir gefordert werden und uns anstrengen bzw. üben müssen um zum Ziel zu gelangen, erhalten wir eine höhere intrinsische Belohnung und damit wahrscheinlich auch mehr Sinn. Im Kern sind es wohl Tätigkeiten, bei welchen wir einen Flow (nach Csíkszentmihályi) erleben können.

Die objektive Seite des guten Lebens würde ich als Bedeutung bezeichnen. Sie schafft uns gegenüber dem subjektiven Teil einen Werteraster, der aus unserem Geist entsteht. Es geht um sprachliche Ideen, Konstrukte und Geschichten, die für uns selbst den archimedischen Punkt unserer Orientierung bilden. Gleichzeitig erlaubt uns dieses Wertesystem argumentativ, die Wichtigkeit unserer Werte anderen Menschen plausibel darzulegen.

Wir wollen anderen Menschen zeigen «[dass] man sich aktiv mit lohnenswerten Vorhaben beschäftigt». Wir wollen andere Menschen davon

überzeugen, ein bedeutendes Leben zu führen, da es nicht wertgeschätzt ist, sich Banalitäten zu widmen. Ob etwas erfüllend ist oder nicht, werden wir im Vergleich sofort merken, denn: «wäre es nicht seltsam, wenn nicht bizarr, wenn man Kreuzworträtsel, Fernsehserien und Computerspielen…für sinnstiftend hielte…?».

Der Mensch schafft es intuitiv zu merken, ob etwas erfüllend ist oder nicht– allerdingst reicht diese intuitive Selbstwahrnehmung nicht aus, wir brauchen dazu auch die Bestätigung unseres Umfeldes. Wir haben eine Sehnsucht danach, dass uns die Welt antwortet. Diese Theorie der Resonanz – verstanden als Beziehungsmodus – wurde detailliert vom Soziologen Hartmut Rosa 2016 beschrieben.

Die Objektivität des Wertes in unserer Argumentation ist demnach nicht im Wesen des Wertes selbst oder in einer wie auch immer gearteten Metaphysik zu suchen wie bei Platon sondern in der Wirkung dieses Wertes auf unser Orientierungssystem zum guten Leben .»… objektive Wahrheiten über Werte …[entstehen durch] substantielle Argumente die zu ihren Gunsten vorgebracht werden können…»

Diese Werte führen zu einer Art Lebensplan, der uns in unserer Individualität erst entstehen lässt. Ein solches Konzept finden wir bereits beim Humanisten J. S. Mill, der 1859 sagte: «Wer es der Welt oder seiner Umgebung überlässt, ihm den Lebensplan vorzuzeichnen, der braucht keine

Quellen

Robert Nozik, 1974 – Anarchie, Staat und Utopia Kwame Antony Appiah, Ethische Experimente, C. H. Beck, 2009, S. 42 Platon, Dialog Gorgias 506 B-E Platon, Der Staat, erstes Buch, 353b-d Aristoteles, Die Nikomachische Ethik, 1. Buch 1098 a15 (Ergon Argument) Was ist ein gutes Leben? Philosophische Reflexionen, Suhrkamp, 1998 S.60 Epikur: Von der Überwindung der Furcht aus Das gute Leben von Wolfgang Pleger, JB. Metzler, 2017, S.25 Bernulf Kanitscheider, Das hedonistische Manifest, Hirzel, 2011, S. 186 Ebd. S 9 Harry G. Frankfurt, Freiheit und Selbstbestimmung, Akademie Verlag 2001, S. 72 andere Fähigkeit, als die äffische Nachahmung. Wer sich selbst seinen Plan macht, wendet alle seine Fähigkeiten an».

Ich komme zum Schluss:

Das gute Leben steht möglicherweise auf zwei Beinen: einerseits auf dem der subjektiven Sinnlichkeit und andrerseits auf dem der objektiven Bedeutung. Wo wir in der heutigen Postmoderne die Sinne neu entdeckt haben (Ich erinnere z. B. an den Boom der Fitnessbranche, der quasireligiösen Ernährungslehren, der Achtsamkeits- und Meditationsbewegung) so stehen wir vielleicht erst am Anfang, uns über das Wesen der geistigen Bedeutung Rechenschaft zu geben.

Wenn sie von mir verlangen, ein Fazit zu ziehen, so könnte dies wie folgt lauten:

Das gute Leben fordert und fördert Aktivitäten die Kopf (den Geist), Hand (den Körper) und Herz (die Seele) betreffen. Diese Aktivitäten müssen anderen Menschen als bedeutend vermittelt werden können.

James Griffin, Well-Being, Claredon Paperback, 2002, S. 14 / P. Stemmer – Das gute Leben, Suhrkamp, S. 227 Martha Nussbaum in: Was ist ein gutes Leben? Suhrkamp, S. 227 Martin Seligman, Flourish, Nicolas Brealey Publishing, 2011 Beate Rössler, Autonomie, Suhrkamp 2017, S. 107 Ebd. S. 110 Roland Dworkin, Die Gerechtigkeit des Igels, Suhrkamp, 2012, S. 458 Ein ähnliches Argument finden wir bei Susan Wolf – Was ist ein gutes Leben? Suhrkamp S. 174 Aristoteles Nikomachische Ethik, 1174b9 Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 480 Susan Wolf aus: Was ist ein gutes Leben? Suhrkamp S. 170 Ebd. S. 172 Roland Dworkin S. 24, 30 J. S. Mill, Über die Freiheit, marixverlag, 2014, S. 85

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