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«Viele meiner Kunden fühlten sich wie Alice im Wunderland»
Keine Fast Fashion, sondern es eher gemächlich angehen. Sarah Brummer machte sich direkt nach ihrer Lehre als Schneiderin selbstständig und möchte mit ihrem Modelabel neue Wege einschlagen. In ihrem, etwas anderen, Ladenlokal verkauft sie ihre Kreationen. Erweckt sie ihr Ladenlokal noch einmal zum Leben oder schlägt sie auch hier einen anderen Weg ein?
Text: Christina Benz
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Wie kam es zu der Gründung von Ungenormt?
Sarah Brümmer: Schon seit meiner Kindheit war es mein Traum Modedesignerin zu werden und mein eigenes Modelabel aufzuziehen. Allerdings war es damals mein Ziel die untragbare und nicht bezahlbare Mode zu kreieren, was mir heute gar nicht mehr sympathisch ist. Während meiner 3-jährigen Lehre zur Schneiderin wollte ich immer mehr selbst ausprobieren. Meine Lehre habe ich in einem grossartigen Atelier absolviert, was mir dies erlaubte. Was mich interessierte war vor allem, wie man den Preis von Verarbeitungen herunterbringen kann. Dies, da die Schneiderei immer noch sehr teuer ist, was mich durch meine gesamte Lehrzeit gestört hat. Dies war auch der Grund, weshalb ich mich selbständig machen wollte, um zahlbare und nachhaltige Mode entwerfen zu können. So kam ich auch auf die Idee, einige Materialien wiederzuverwenden, anstatt diese neu zu kaufen. Dadurch ist sie nachhaltiger, ethisch gut vertretbar und wird auch erschwinglicher. Mein gegründetes Label hiess zuerst «Schneiderin». Vor etwa drei Jahren habe ich es dann umbenannt zu «Ungenormt», weil ich den Namen passender fand. Meine Kleider haben keine Grössenangaben und ich versuche mit meinem Label neue Wege zu gehen.
Frau Brümmer, Ihr Label ist sehr nachhaltig. Hat Nachhaltigkeit schon immer eine Rolle in Ihrem Leben gespielt oder kam dies durch Ihr Schaffen mit Ungenormt?
Sarah Brümmer: Nachhaltigkeit spielt schon seit langem eine grosse Rolle in meinem Leben. Wenn ich zurückblicke in meine Jugend, war das Thema schon damals sehr präsent. Als Abschlussprojekt meiner Sekundarschule habe ich beispielsweise eine Kollektion aus Abfall entworfen und mit einer kleinen Modenschau abgeschlossen. Schockierend fand ich herauszufinden, wie viel Umweltverschmutzung durch die Herstellung von Stoffen verursacht wird und wie viel Schnittabfall beim Schneidern anfällt. Ich versuche nun so viel meines Stoffes zu verwenden wie möglich und dadurch fällt bei mir fast kein Schnittabfall mehr an.
Wie gelangen Sie zu Ihren Stoffen?
Sarah Brümmer: Der Grossteil kommt einfach zu mir. Seit 2017 habe ich mein Label und ich bekomme regelmässig Anrufe von Personen, die Stoff für mich haben. Ich muss langsam schauen, dass ich nicht zu viel annehme. Als ich anfing, habe ich viel mit alten Haushaltstextilien wie Vorhängen, Tischdecken und Leinenduvets gearbeitet. Diese bekam ich von Hausräumungen. Zudem habe ich auch manchmal im Brocki eingekauft.Heutzutage bekomme ich viel von älteren Frauen, die ins Altersheim ziehen. Diese haben oft wunderbare Stoffe über Jahre aufbewahrt und brauchen sie nun nicht mehr. Auch habe ich schon einen Schlafsack verarbeitet. In meinem Atelier liegt auch ein Segel herum, dass ich bald verarbeiten möchte. Wahrscheinlich aber erst in einer meinen nächsten Kollektionen.
Wie sieht Ihr kreativer Prozess aus, wenn Sie mit einer neuen Kollektion anfangen?
Sarah Brümmer: Ich bringe jährlich eine Kollektion raus, die zwischen 30 bis 40 Teile beinhaltet. Für diese erstelle ich ein paar Schnittmuster und verwende auch ältere Schnittmuster, wenn ich merke, dass Leute speziell Freude an einem Stück haben. Ich versuche immer herauszusprühen, was meine Kunden mögen. Oft zeichne ich zwischen 10 und 12 neue Schnittmuster. Wie die einzelnen Stücke dann werden, ist sehr stoffabhängig. Im Verhältnis reagiere ich viel mehr, als dass ich plane und Schnittmuster zeichne. Ich lasse mir von meinem Stoff gerne den Weg zeigen. Auch mein Atelier ist überall mit Stoff bedeckt, weil ich mich sehr vom Stoff inspirieren lasse.
Wie machen Sie es mit den unterschiedlichen Jahreszeiten?
Sarah Brümmer: Meine Kollektionen bilden alle Jahreszeiten ab. Ich mache kein Fast Fashion, bei dem man den Kunden jede Jahreszeit neue Kleider vorstellt und die alten Kleidungsstücke sind nicht mehr vorhanden. Mein ganzer Laden war auch so konzipiert, dass jeder Raum ein eigenes Thema hat. Seit Jahren verkaufe ich sehr gut. In meinem Laden stehen aber auch noch Kleidungsstücke, die ich vor einigen Jahren geschneidert habe. Diese durften bei mir immer noch einen Platz im Laden haben.
Hand aufs Herz, kommt es auch vor, dass ein Stück nicht in Ihren Laden kommt, sondern in Ihren eigenen Kleiderschrank wandert?

Sarah Brümmer: Meine Kollektionen bilden alle Jahreszeiten ab. Ich mache kein Fast Fashion, bei dem man den Kunden jede Jahreszeit neue Kleider vorstellt und die alten Kleidungsstücke sind nicht mehr vorhanden. Mein ganzer Laden war auch so konzipiert, dass jeder Raum ein eigenes Thema hat. Seit Jahren verkaufe ich sehr gut. In meinem Laden stehen aber auch noch Kleidungsstücke, die ich vor einigen Jahren geschneidert habe. Diese durften bei mir immer noch einen Platz im Laden haben.
Sie haben mehrmals erwähnt, dass Ihnen die Erschwinglichkeit wichtig ist. Wie kommen Sie auf den Preis ihrer Kleidungsstücke?
Sarah Brümmer: Ich mache sehr viel aus dem Gefühl heraus, was durch meine Erfahrung möglich ist. Am Anfang habe ich sehr auf die Anzahl Stunden geachtet, was ich heutzutage eher weniger mache. Ich kann abschätzen, wie kompliziert ein Stück war und wie viel Aufwand damit verbunden sein wird. So lege ich den Preis fest. Was ich nicht mache, ist den Preis an den unterschiedlichen Materialien zu bestimmen. Ich finde es nicht stimmig zu schauen, welches Materialien edler sind als andere. Das würde auch den Materialien nicht gerecht werden. Allerdings ist beispielsweise Seide anspruchsvoller zu verarbeiten und ist daher teurer.
Haben Sie mit Ihrem Label «Ungenormt» Ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht?
Sarah Brümmer: Als ich 2017 eingestiegen bin, sah ich es nur als meinen Beruf. Damals habe ich drei Jahre lang Vollzeit als Schneiderin gearbeitet und habe Änderungen, Massschneiderungen und Nähkurse gegeben. Jetzt ist es so, dass ich im September noch ein Studium anfangen werde und muss mich deshalb fast dazu zwingen, während meines Studiums etwas weniger zu schneidern. Die Schneiderei ist so sehr zu meiner Leidenschaft geworden, dass es mir schwer fällt weniger zu arbeiten. Einerseits ist das etwas schönes, anderseits habe ich etwas damit zu kämpfen.
Ihr etwas anderes Ladenlokal, wie Sie es so liebevoll nennen, gibt es leider nicht mehr. Haben Sie schon Zukunftspläne, wie es mit Ungenormt weiter gehen soll?


Sarah Brümmer: Mein Ladenlokal befindet sich in einem Abbruchhaus und ist langsam etwas marode, daher muss ich einen neuen Weg finden meine Kollektionen vorzustellen und zu verkaufen. Viele meiner Kunden und Kundinnen fühlten sich wie «Alice im Wunderland» in meinem Laden. Ich habe mir überlegt es noch ein einziges Mal zum Leben zu erwecken, doch es ist vielleicht besser, wenn nicht. Zukunftspläne habe ich bereits. Wahrscheinlich werde ich mehr Ausstellungsformate machen. Ich muss etwas abschätzen, damit ich mit dem Aufwand nicht den Rahmen sprenge, da ich auch gerne viel Zeit und Energie in die Einrichtung setze. Mir ist wichtig, dass potenzielle Kunden die Kleidung anprobieren können. Meine Stücke sind sehr individuell von den Schnitten her und daher müssen Leute die Stücke an sich selbst sehen. Aus diesem Grund habe ich auch nicht vor einen Onlineshop zu eröffnen.
Sara Alena Brümmer ist eine Schweizer Schneiderin und Unternehmerin, die 2017 ein nachhaltiges Modelabel gründete. Nach ihrer Schulzeit absolvierte sie eine Lehre als Damen- und Herrenschneiderin und arbeitete anschließend einige Jahre in der Modebranche, bevor Sie sich schlussendlich selbstständig machte. Sie wurde in Zürich geboren und wuchs in Uzwil im Kanton St. Gallen auf. Sie setzt sich aktiv für eine umweltfreundliche Modeindustrie ein und möchte zeigen, dass es möglich ist stilvolle Kleidung aus bereits vorhandenen Materialien herzustellen.