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Mehrfachtherapie für Kinder: „Intensiv und wie eine Kur“

Mehrfachtherapie für Kinder: „Intensiv und wie eine Kur“

Drei Wochen lang nehmen Kinder mit Entwicklungsverzögerungen am Linzerberg an einem speziellen Förderprogramm teil.

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Es ist schön, einmal mehr Zeit für unsere kleinen Klienten zu haben. Das genießen beide Seiten!“ Die Physiotherapeutinnen im Therapiezentrum Linzerberg des Diakoniewerks in Engerwitzdorf fassen zusammen, was man spürt. Die Stimmung bei den Mehrfachtherapie-Intensivwochen ist positiv, selbst wenn sich die Kinder sprachlich kaum ausdrücken können. Auch Wahrnehmung und Motorik sind betroffen, die Kinder können sich nur sehr eingeschränkt bewegen. Aber sie teilen sich mit! Durch ihre Blicke, ihr Lachen, ihre Aufmerksamkeit.

Marion und Melanie sind Physiotherapeutinnen im Diakoniewerk Oberösterreich und arbeiten nach dem „Bobathkonzept“. Kern des Ansatzes ist die ganzheitliche Sichtweise des Kindes unter Einbeziehung der jeweils aktuellen Erkenntnisse aus Neurophysiologie und Entwicklungsneurologie. Durch unterstützende Griffe und dem Angebot von alltags- und zweckorientierten Situationen sollen vorhandene motorische Möglichkeiten aktiviert, verbessert und variiert werden.

Die ganzheitliche Förderung der Kinder ist das Ziel der Therapie.

Therapeutinnen können sich auf Kinder einstellen Die Dritte im Bunde ist Judit, eine so genannte Konduktorin. Namensgebend ist das lateinische „conducere“, was so viel wie „zusammenführen“ bedeutet. Das Zusammenführen von pädagogischen, therapeutischen und medizinischen Kenntnissen zu einem individuellen Konzept ist damit gemeint. Die ganzheitliche Förderung der Kinder in ihrer sozialen, emotionalen, sprachlichen und kognitiven Kompetenz. Judit hat ihr vierjähriges Studium in ihrem Heimatland Ungarn absolviert, aus dem auch Dr. András Petö (1893–1967), der Begründer der „Konduktiven Förderung“, stammt. Nicht die direkte Behandlung der Schädigung, sondern die Integration und die Förderung der ganzen Persönlichkeit durch einen aktiven und positiv motivierten Lernprozess, ist das Ziel.

Zurück nach Gallneukirchen: Über ganze drei Wochen lang – jeweils an vier Wochentagen – nehmen Kinder mit Behinderung im August 2019 am konduktiven Förderprogramm teil. Sie sind zwischen sechs und neun Jahre alt. Bereits zu Beginn der Therapie lauschen die Kinder aufmerksam den Klängen der Gitarre beim Begrüßungslied.

Zu Beginn der Therapie werden Ziele definiert, die die Therapeutinnen gemeinsam mit den Kindern zu erreichen versuchen. Sie werden ruhig und aufmerksam. Sie spüren, wie sich die Therapeutinnen auf sie konzentrieren, und sich – ohne den sonstigen Zeitdruck einer 60-MinutenBehandlung – ganz auf sie einstellen können.

Die Gruppe ist in Bewegung – keine Selbstverständlichkeit bei den Diagnosen der Kinder

Bei den ersten Übungen auf der Matte kommen alle ins Rollen. Jakob (5) rollt David (7), Mia (9) lässt sich eher mitrollen. Anfangs wirken alle noch eher erstaunt und überrascht, doch bald entkommt der einen oder dem anderen ein fröhlicher Lacher. Es scheint ganz so, als fühlten sie sich wohl. Ein großer Therapieball hilft Jakob, auf eigenen Beinen zu stehen und zu spüren, wozu seine Muskeln fähig sind. Judit und Marion sind an seiner Seite, wenn er sich selber über diesen Erfolg freut. Weiter geht’s auf die mit Schaumstoffeilen konstruierte schiefe Ebene. Die Bauchlage ist anstrengend, noch dazu, wenn man sich strecken muss, um den Ball oder das Auto in der Mitte zu bekommen. Und dann sind da noch die Nachbarn im Übungskreis, die man ebenfalls beobachten möchte.

Die Gruppe ist in Bewegung, und das ist nicht selbstverständlich, wenn man die Diagnose der Kinder in Betracht zieht. Die Ziele der Intensivwochen wurden vorab miteinander und auf die Kinder individuell abgestimmt und festgelegt. Der Ablauf der Intensivtherapie ist so aufgebaut, dass die Förderung immer in der Gruppe stattfindet. Die Kinder lernen voneinander und unterstützen sich gegenseitig.

Dass man mit der Gruppe über einen längeren Zeitraum täglich arbeiten kann, ist für Marion, Melanie und Judit der größte Vorteil der Mehrfachtherapie

Intensivwochen. Sie bezeichnen das Angebot deshalb auch als „Kur“ für Kinder, die normalerweise nicht in den Genuss einer derart intensiven Therapie kommen können. „Aktivität unterstützt den Muskeltonus immer in Richtung Normalität“, erklärt Marion, und führt Davids Bein behutsam in einer Drehbewegung wie beim Radfahren.

Von der Früh weg haben sich die Kinder bewegt, sich eigenständig aufgesetzt und miteinander kommuniziert – auf ihre eigene Weise. Schön zu sehen, dass die kleinen TeilnehmerInnen trotz ihrer schweren Behinderung die gemeinsame Zeit genießen, sich gegenseitig wahrnehmen, bei den Übungen mitmachen und auch einmal kurz zufrieden einschlafen – bevor es nach der Pause weitergeht. „Einen schönen Gruß an deinen rechten Fuß, einen schönen Fußgruß …“, und die rechten Beine bewegen sich nach oben.

Im Sommer haben im Therapie-Zentrum Intensiv-Wochen stattgefunden. Kinder mit einer Behinderung haben drei Wochen lang an vier Tagen in der Woche intensiv Therapie. Die Therapie findet immer in der Gruppe statt. So lernen die Kinder voneinander und können sich gegenseitig unterstützen. Die Kinder machen viele Übungen und lernen, sich besser zu spüren Auch für die Therapeutinnen sind die Intensiv-Wochen etwas ganz Besonderes. Sie können über eine längere Zeit in der Gruppe intensiv mit den Kindern üben.

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