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Demenz: Was geht, was bleibt?
from Diakonie 02
by Diakoniewerk
Demenz: Was geht, was bleibt?
So vielschichtig wie die Erkrankung sind auch die Wege, mit denen man ihr begegnet.
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Karin Windpessl
Wenn die Erinnerung nachlässt und selbstverständliche Fähigkeiten verloren gehen ist es für Menschen mit Demenz schwer, den richtigen Zeitpunkt zu finden, um zu sagen: „Ich brauche Hilfe“. Oft ist es ein schleichender Übergang, ein langsames Verlieren kognitiver Leistung, ein Verdrängen und Leugnen.
Ingrid Ferstl leitet die Tagesbetreuung im Haus am Ruckerlberg in Graz. Hier werden Menschen mit Demenz tagsüber von einem professionellen Team begleitet und gefördert. Ferstl hat in ihrer lang jährigen Tätigkeit schon viele Strategien kennengelernt, mit denen Menschen mit Demenz Abschied von ihrem bisherigen Leben nehmen. Eines ist aber fast allen gemeinsam: „Über einen langen Zeitraum werden Fehlleistungen ausgeglichen, man versucht die Erkrankung lange Zeit zu kompensieren, zu leugnen. Das ist eine Phase, die sehr anstrengend sein kann.“ Gerade hier sei es wichtig, von Menschen umgeben zu sein, die wissen, was sie tun. Denn das, was kommt, ist oft nicht leicht: „Es gibt Aggressivität, Fantasien, große Verzweiflung, Schuldzuweisungen“, erklärt Silke Kerschbaumer, Mitarbeiterin des mobilen Dienstes „Diakonie.mobil“. Die gelernte Kinderkrankenschwester hat ihren Wechsel in die Seniorenarbeit nie bereut. „Man muss die Stimmung des Klienten so nehmen, wie sie ist und gut darauf reagieren können“, weiß Kerschbaumer. Mobile Dienste sind eine Betreuungsform, die es Menschen mit Demenz – zumeist in einem Anfangsstadium – ermöglicht, in den eigenen vier Wänden Unterstützung zu bekommen. Wichtig ist für Kerschbaumer der Austausch unter KollegInnen, die Möglichkeit, manchmal auch eine herausfordernde Situation im Team gemeinsam zu erörtern.
Demenz gilt in der Medizin als Erkrankung - was oftmals dazu führt, dass Betroffene hinter ihrer Krankheit verschwinden. Im Fokus der Medizin steht die Behandlung. Aber auch wenn kognitive Fähigkeiten im Verlauf verloren gehen, bleiben emotionale Erinnerungen und Fähigkeiten erhalten, die es in der Betreuung zu erkennen und nützen gilt. „Menschen mit Demenz brauchen oftmals wenig Pflege, aber viel Aufmerksamkeit“, weiß Peter Kumar, Leiter der Seniorenarbeit Urfahr-Umgebung (OÖ). Kumar hat schon einige Seniorenheime aufgebaut und war 2005 vorne mit dabei, als in Wels das Konzept der Hausgemeinschaften umgesetzt wurde. Mit diesem Konzept beschritt das Diakoniewerk damals als erster Anbieter einen neuen, alternativen Weg zu herkömmlichen stationären Wohnformen für Menschen im Alter. Individualität, an den jeweiligen Bedürfnissen orientierte Pflege und Betreuung sowie die Orientierung der Tagesabläufe „am normalen Leben” stehen bis heute im Vordergrund.
AlltagsmanagerInnen strukturieren den Tag Demenz ganzheitlich zu betrachten und die Menschen dort zu unterstützen, wo es notwendig ist, ihnen zuhören und gemeinsame Wege für eine gute Betreuung zu finden, ist zentrales Anliegen. Wenig voraussetzen, das annehmen, was da ist: Das ist auch der Zugang von Gabi Meier-Huber. Sie ist Alltagsmanagerin im Haus für Senioren Mauerkirchen. AlltagsmangerInnen organisieren und strukturieren den Alltag in den Hausgemeinschaften, sind als AnsprechpartnerInnen für die BewohnerInnen da und helfen bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten. „Wir akzeptieren, begleiten einfühlsam, nehmen diese Zeit einfach wahr. Wir versuchen nicht zu urteilen oder auf Fehler hinzuweisen.“ Hausgemeinschaften wurden vor allem auch konzipiert, um Menschen mit Demenz zu integrieren, sie ins Leben mit einzubeziehen. Im Zentrum eines Gemeinschaftsraums steht die Küche – hier wird gearbeitet, gekocht, jeder übernimmt die Arbeit, die ihm liegt, die er kann, die er machen möchte.
Neue Wohnformen finden Aber auch hier werden manchmal Grenzen erreicht, die nicht einfach zu bewältigen sind. BewohnerInnen fühlen sich manchmal gestört von MitbewohnerInnen mit Demenz. Vor allem wenn die Erkrankung voran schreitet und das Verhalten immer schwerer nachzuvoll ziehen ist, wird ein Zusammenleben immer schwieriger. Neuere Modelle denken das Konzept der Hausgemeinschaft daher noch weiter. Wohnformen ausschließlich für Menschen mit Demenz könnten eine Antwort auf die oftmals herausfordernde Wohnsituation sein.