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Pestsäulen in den böhmischen Ländern

Gläubige errichteten Säulen als Dank für das Ende der Pest

Auf dem Höhepunkt der Corona-Epidemie in Italien im letzten Jahr war Papst Franziskus allein zu Fuß zur Kirche San Marcello unterwegs, um dort am historischen Pestkreuz aus dem 16. Jahrhundert zu beten. Er ließ es dann auf dem menschenleeren Petersplatz aufstellen, als er der Welt den Segen gab und für das Ende der Seuche betete.

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Seuchen wie die Pest haben Europa in vielen Jahrhunderten heimgesucht. Es gab nicht nur die asiatische Beulenpest, die im 14. Jahrhundert die Bevölkerung Europas dezimierte, denn „Pest“ war im Deutschen und Lateinischen gleichbedeutend für alle pandemischen Seuchen. Man versuchte sich zu schützen, indem man die Kranken oder auch Fremde zur Quarantäne verurteilte, die, wie der Name sagt, vierzig Tage dauerte. Die Quarantänestationen befanden sich meist außerhalb der Stadtmauern wie in Nürnberg, wo die Straßenangabe „Kontumazgarten“ noch heute besteht. Auch die österreichische Militärgrenze in Südosteuropa war nicht nur eine militärische Grenze, sondern diente auch der Abwehr der Pest.

Die gläubigen Menschen flehten zu Gott und versprachen die Errichtung von Kirchen, Kapellen und weiteren Denkmälern. So entstanden Dreifaltigkeits- und Mariensäulen, Pestsäulen, Pestkreuze und Peststeine in ganz Europa, aber auch die Oberammergauer Passionsspiele als Gelübde der Gemeinde, man werde alle zehn Jahre die Passion Jesu darstellen, wenn die Pest ein Ende nähme. Wie regelmäßig Pandemien die Menschen heimsuchten, sehen wir heute, wenn selbst im Internet auf den Hundert-Jahre-Rhythmus hingewiesen wird, in denen die Welt von Seuchen getroffen wird: 1720 die Pest, 1820 die Cholera, 1920 die Spanische Grippe und 2020 die Corona-Pandemie.

Besonders viele Pestsäulen kennen wir aus unserer alten Heimat, aus den böhmischen Ländern. Berühmte Säulen wurden als Dank für das Ende der Pest errichtet, wie die Mariensäule auf dem Altstädter Ring in Prag, die 1918 zerstört wurde und im letzten Jahr wiedererrichtet wurde. Auch den Bau der größten Dreifaltigkeitssäule der Welt in Olmütz, die heute zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, hat der berühmte Olmützer Wenzel Render nach dem Ende der Pest 1716 begonnen. Von ihm stammt auch die Pestsäule in Littau. Andere Pestsäulen in Mähren befinden sich in Erdberg, Dürnholz, Kremsier, Feldberg oder Fulnek und vielen Orten. „Morový sloup“ heißt die Pestsäule im Tschechischen.

Wie heftig die Pest wütete, zeigen die Angaben in manchen Heimatchroniken wie in Mährisch Schönberg, Neutitschein und Tattenitz oder die mehrbändige Veröffentlichung „Religiöse Barockdenkmäler im Ostsudetenland“, in der Josef Matzke auch die Pestsäulen beschreibt. Die Sterbematrikeln geben Auskunft darüber, wie in den Pestjahren, z. B. 1599, eine vielfache Anzahl von Menschen begraben wurde oder in Olmütz von 231 Bräuten im folgenden Jahr bereits 131 Witwen waren.

Pestsäulen firmieren in Reiseführern meist unter der Bezeichnung Mariensäule oder Dreifaltigkeitssäule. Weltbekannt ist neben anderen Wiener Pestsäulen auch die Wiener Pestsäule am Graben; in Böhmen finden sich bedeutende Exemplare in Teplitz, Chrudim, Deutsch Gabel, Elbogen, Neudek oder in Pilsen auf dem zentralen Stadtplatz zwischen dem Rathaus und der Kathedrale. In der Slowakei stehen prächtige Pestsäulen in der Hauptstadt Pressburg und in den Bergstädten Kremnitz und Schemnitz, in Ungarn auf der Burg in Ofen sowie in Fünfkirchen und Ödenburg, in Rumänien im siebenbürgischen Klausenburg und im Banat in Temesvar. Oft finden wir am Fuß der Säulen bestimmte vom Volke verehrte „Pestheilige“ wie den heiligen Rochus, den Martyrer Sebastian sowie die in vielen Ländern verehrte heilige Rosalia. Rochusfeste kennen wir auch in Deutschland, z. B. in Bingen und Lohr. Dem heiligen Rochus geweiht ist auch die Wallfahrtskirche St. Rochus (slowenisch Sveti Rok) mit einer prächtigen Rokoko-Ausstattung in der seit 1919 slowenischen Untersteiermark.

Im sudetenschlesischen Zuckmantel wütete die Pest 1633 mitten im Dreißigjährigen Krieg, so dass der Rat der Stadt im folgenden Jahr nach dem Ende der Seuche beschloss, eine Rochuskapelle zu bauen, weil die Stadt die Seuche besser überstanden hatte als andere Nachbarorte. Den heiligen Rochus erkennen wir an seiner Pestbeule am Bein, den heiligen Sebastian an den Pfeilwunden und die heilige Rosalia als eine im Grabe am Fuße der Säulen liegende Schlafende. In Olmütz gilt auch die Stadtpatronin Paulina als Pestheilige, worauf Prälat Josef Matzke als das letzte deutsche Mitglied des Olmützer Domkapitels und der Historiker Richard Zimprich in ihren Studien hingewiesen haben. ■

Rudolf Grulich

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