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Zwischenbilanz

Burgi Beste

Eine Vizepräsidentin zieht Zwischenbilanz

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Von Gerhard Schiweck

DAV-Vizepräsidentin Burgi Beste (Mitte), im Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Bundespolitik.

Burgi Beste ist seit über 25 Jahren Mitglied im DAV Recklinghausen. Bis vor kurzem leitete sie eine Grundschule in Dorsten. Als aktive Bergsportlerin ist sie im Winter wie im Sommer viel in den Bergen unterwegs. Durch die Corona-Pandemie wurde sie genauso ausgebremst wie fast alle unsere Mitglieder.

Vor gut sechs Jahren stand Burgi vor der Frage, ob sie für das Amt einer Vizepräsidentin im Deutschen Alpenverein kandidieren soll. Nach vielen Telefonaten und manchen Familienberatungen hat sie sich zur Kandidatur entschlossen. Vom Vorstand der Sektion Recklinghausen wurde Burgi Beste schließlich nominiert und zur Wahl vorgeschlagen. Am 14. November 2015 wurde sie dann in Hamburg auf der Bundesversammlung zur Vizepräsidentin in das Präsidium des Deutschen Alpenverein gewählt. Zum ersten Mal gab es mit ihr und Melanie Grimm aus Osnabrück zwei Frauen im Präsidium. Im Oktober 2019 wurde sie für weitere vier Jahre im Amt bestätigt. Seit nun fast sechs Jahren macht sie diesen Job, wie schnell die Zeit vergeht. Im Sommer 2016 führte ich ein erstes Interview mit ihr, da war sie sechs Monate im Amt. Fünf Jahre später treffen wir uns erneut, coronakonform und online per Web, Telefon und per E-Mail. Die Redaktion zieht mit Burgi Beste eine Zwischenbilanz.

Burgi, für dich war das damals im Präsidium alles „Neuland“, so deine eigenen Worte, und du hattest eigentlich keine Ahnung, was auf dich zurollt. Was hat sich seitdem getan?

Eine ganze Menge natürlich: Ich habe sehr rasch gelernt, mich innerhalb der Gremienstrukturen zu orientieren, zu meinen Kolleg*innen im Präsidium eine vertrauensvolle und kooperative Zusammenarbeit zu verwirklichen und mit „meinen“ hauptamtlichen Ansprechpartnern in München eine regelmäßige Kommunikation umzusetzen, so dass ich für meine inhaltliche Arbeit eine gute Basis hatte.

Gleich zu Anfang deiner Vize-Präsidentschaft spielte das Thema Klettern bei Olympia eine große Rolle.

Das spielt nach wie vor eine große Rolle, insbesondere natürlich auch, nachdem klar war, dass es nicht bei der einmaligen Olympiateilnahme

bleibt, sondern mit Paris schon der nächste Zyklus vor der Tür steht. Damit hat der Leistungssport im DAV in seiner Gesamtheit auch in den Landesverbänden einen enormen Aufschwung bekommen.

Wo liegen neben Olympia deine Schwerpunkte im DAV?

Mein Aufgabengebiet ist der Bergsport mit all seinen Facetten: Dazu gehören die Leistungssportarten Klettern, Skibergsteigen und Expeditionen mit den zugehörigen internationalen Verbänden IFSC und ISMF aber auch alle Breitensportarten wie Wandern, Klettersteige, Mountainbiken und so weiter, für die sich der DAV verantwortlich zeigt. Auch der Bereich Bildung mit der Aus- und Fortbildung und die Sportentwicklung gehören zu meinem Aufgabenbereich. Übergeordnete Themen wie die Nachhaltigkeits- und Klimastrategie oder jetzt ganz frisch die Leitbildüberarbeitung werden von den Präsidiumsmitgliedern je nach Interesse und Zeit in den entsprechenden Arbeitsgruppen begleitet. Insgesamt ist die Arbeit sehr vielschichtiger als ich ursprünglich angenommen hatte, das macht aber auch den Reiz aus.

Die Corona-Pandemie ist sicher nicht spurlos am DAV vorbeigegangen. Wie hast du das privat und im Verband erlebt?

Privat haben wir Corona zurückgezogen und vorsichtig erlebt, vor allem die „echten“ sozialen Kontakte haben uns enorm gefehlt. Wir haben uns schon isoliert gefühlt, trotz aller digitaler Möglichkeiten, die man heutzutage hat. Von daher sind wir froh, dass nun wieder Treffen in kleinen Runden, Restaurant- und Konzertbesuche et cetera möglich sind. Im Verband hat sich die Arbeitsweise grundlegend geändert. Sehr rasch wurden die nötigen Voraussetzungen für digitales Arbeiten geschaffen. Videokonferenzen gehören seitdem zum festen Repertoire. Das hat aber auch den Vorteil, dass man mit den Gremien viel agiler und damit aus meiner Sicht auch effizienter arbeiten kann. Das sollte zumindest zum Teil bestehen bleiben.

Eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe in Deutschland wird in den nächsten Jahrzehnten die Bekämpfung oder Eindämmung des Klimawandel sein. Auch der DAV hat dieses Thema mit dem

Klima-Euro-Beschluss 2019 auf die Agenda gehoben. Wo stehen wir da im DAV?

Ich sehe den DAV auf einem guten Weg. Auf der HV im Herbst werden die Klimastrategie als übergeordnete Leitstrategie und das Klimakonzept, das die Richtlinien für die Umsetzung festschreiben wird, verabschiedet. Daraus lassen sich konkrete Maßnahmen ableiten, die den DAV auf dem Weg zur Klimaneutralität begleiten werden. An erster Stelle ist hier die Bilanzierung des Bundesverbands und aller Sektionen zu nennen. Denn wenn ich diese kenne, kann ich gezielte Maßnahmen zur CO2- Vermeidung und -Reduzierung planen und umsetzen. Dieser Prozess der Bilanzierung und der Umsetzung erster Maßnahmen hat im Übrigen bereits begonnen, unabhängig von den noch ausstehenden Entscheidungen auf der nächsten Hauptversammlung HV (in Friedrichshafen, Anm. d. Redaktion).

Über Mitgliederwachstum muss sich der DAV nicht beklagen. In den letzten zehn Jahren ist der DAV ständig gewachsen. Seit 2009 sind bundesweit über 500 000 neue Mitglieder hinzugekommen. Oft wird über den DAV vom Alpen-ADAC gesprochen. Mittlerweile hat der DAV in ganz Deutschland über 1,35 Mio. Mitglieder. Auch in Recklinghausen haben wir heute mit fast 1900 Mitgliedern 800 Mitglieder mehr, als noch vor zehn Jahren. Was denkst du dazu?

Für mich ist nicht entscheidend, dass der Verband immer weiter wächst. Auf der anderen Seite möchte ich aber auch niemandem, der Bergsport ausüben möchte, den Eintritt in den Verband mit seinen vielfältigen Angeboten verweigern. Viel wichtiger für mich sind Maßnahmen zur Mitgliederbindung: Welche inhaltliche Ausrichtung bietet der Verband, so dass seine Mitglieder sich mit ihm identifizieren können und gern Teil der großen Gemeinschaft sein wollen. Da hinein gilt es Überlegungen zu investieren.

Im November 2010 wurde Josef Klenner an die Spitze des Verbandes gewählt, nachdem er bereits schon einmal von 1992 bis 2005 Vorsitzender beziehungsweise Präsident des DAV war. Mit Josef Klenner kehrte nach turbulenter Zeit *) wieder Ruhe in den DAV ein und der Verband entwickelte sich

zu einer beachtenswerten Größe und gewann zunehmend an relevanter Bedeutung in der deutschen Sport- und Naturschutzszene. Nach der DAV-Satzung kann Josef Klenner bei der nächsten regulären Wahl nicht wieder kandidieren. Ist das schon ein Thema im DAV? Ist es Zeit für eine Frau an der Spitze?

Innerhalb des Präsidiums beginnen wir gerade mit ersten Überlegungen. Ob ein Mann oder eine Frau zukünftig den Verein leiten wird, ist für mich persönlich unwichtig. Viel wichtiger ist es, jemanden zu finden, dem oder der es ähnlich wie Josef Klenner gelingen wird, als Integrationsfigur die große Bandbreite der Meinungen im DAV unter einem Hut zu vereinen, die Strömungen zusammenzuhalten und so der gesellschaftlichen Rolle, in die der Verband im Laufe der letzten Jahre hineingewachsen ist, als Bergsport- und Naturschutzverband, aber auch als gesellschaftlicher Player, der sich für Respekt, Toleranz, Vielfalt, Akzeptanz und Offenheit einsetzt, ein starkes Gehör zu verschaffen.

Abschließend eine letzte Frage: Worauf freust du dich am meisten, wenn die Pandemie-Einschränkungen gelockert werden?

Am meisten freue ich mich darauf, mich wieder unbeschwert mit meinen Kindern, Enkelkindern, Angehörigen und Freunden treffen zu können, einfach nur zum Klönen, aber auch zum Feiern. Ich warte darauf, wieder zu Kleinkunstveranstaltungen oder Konzerten gehen zu können und natürlich darauf, wieder ohne Einschränkungen unseren diversen bergsportlichen Aktivitäten nachgehen zu können, wozu dann für mich auch wieder das unbeschwerte Reisen gehört.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

*) Anmerkung

Gerade einmal elf Jahre ist es her, da befand sich der DAV in einer massiven Organisations- und Personalkrise, die ihn fast zu zerreißen drohte. Der damalige Präsident Prof. Dr. Heinz Röhle war im Juli 2010 aus grundsätzlichen aber auch zum Teil persönlich begründeten Motiven im Streit mit dem damaligen Hauptgeschäftsführer Urban zurückgetreten, nachdem ihn der „Verbandsrat zum Rücktritt aufgefordert“ hatte (Protokoll der HV vom 29./30.10.2010 in Osnabrück).

Im DAV-Präsidium bei der Digi-HV am 11./12.6.2021: vorne Burgi, hinten links Manfred Sailer und rechts Roland Stierle halb im Bild. (Foto: DAV-Kommunikation und Marketing)Blick vom Gipfel – Das Bergsportmagazin des DAV Recklinghausen 1 / 2021