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4. Phasen der Veränderung

Anhand empirischer Studien haben Prochaska und DiClemente ein transtheoretisches Modell menschlicher Veränderung entwickelt, bei dem sich der Veränderungsprozess als Abfolge von Stufen betrachten lässt.

(vgl. Stangl, 2019)

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Jede Veränderung ist letztlich eine Selbstveränderung. Aufgrund einer Befragung von Personen nach einem Veränderungsprozess konnten verschiedene Veränderungsphasen festgestellt werden („Rad der Veränderung“): die anfängliche Leugnung des Problems, ein erstes Nachdenken, ein Schwanken zwischen „verändern wollen oder besser doch nicht?“, das Fassen eines festen Veränderungsentschlusses und die tatsächlich durchgeführte Veränderung sowie die langfristige Aufrechterhaltung dieses Verhaltens.

Innerhalb der Phasen kann es zu Rückschritten kommen, die Schritte wieder „nach vorne“ fallen im Anschluss aber leichter und kommen schneller in Schwung als zu Beginn des ersten Veränderungsgedankens. Wer beispielsweise bereits eine abstinente Phase geschafft hat, kann bei einem etwaigen neuerlichen Konsum (Vorfall) bereits auf die bisherigen Erfahrungen zurückgreifen. Auch der Vorfall ist eine Lernerfahrung, der hilfreich sein kann.

(vgl. ginko Stiftung für Prävention, 2019)

Phasen der Veränderung

Vorbereitung Handlung

Absichtsbildung

Absichtslosigkeit Aufrechterhaltung

Vorfall Dauerhafter Ausstieg

(aus: Fachstelle für Suchtprävention Niederösterreich, 2019)

• Absichtslosigkeit (Pre-contemplation): Die Menschen sind sich nicht bewusst, dass ihr Verhalten problematisch ist, sodass sie daher auch keinen Grund sehen, es zu verändern.

• Absichtsbildung (Contemplation): Die Menschen bemerken anhand von Misserfolgen oder den Reaktionen ihrer Mitmenschen, dass ihr

Verhalten nicht zum Ziel führt oder mit unerwünschten Nebenwirkungen verbunden ist. Sie entwickeln mehr oder weniger starke Gefühle der Unzufriedenheit und denken über die Vor- bzw. Nachteile von Verhaltensänderungen nach. Es bestehen in dieser Phase des Bewusstwerdens jedoch noch keine klaren Pläne zur Änderung des Verhaltens.

• Vorbereitung (Preparation): Die nun Veränderungswilligen beabsichtigen, in naher Zukunft aktiv zu werden, und beginnen bereits mit ersten

Schritten in die angestrebte Richtung. Hier werden konkrete Pläne entwickelt und die Möglichkeit einer Änderung wird ins Auge gefasst.

• Handlung (Action): Die Handlungsstufe ist durch absichtliche, erwartungsgesteuerte und zielgerichtete Veränderungen des kritischen Verhaltensmusters gekennzeichnet, sodass das problematische Verhalten verändert oder sogar abgestellt wird.

• Aufrechterhaltung (Maintenance): Die Menschen versuchen, das

Erreichte zu sichern, auszubauen und Rückfälle zu vermeiden. Hier geht es den Betroffenen vor allem darum, das veränderte Verhalten gesichert zu haben und nach dem Stadium der Handlung nicht gleich rückfällig zu werden, sodass eine erste Konsolidierung der Veränderung stattfindet.

• Dauerhafter Ausstieg oder langfristige Aufrechterhaltung (Termination): Das problematische Verhalten hat für die Menschen keinen Reiz mehr, und sie sind sich sicher, dass sie nie mehr auf dieses Niveau problematischen Verhaltens zurückfallen werden. Dabei erreichen die

Betroffene durch die Beibehaltung der Veränderung deren Manifestation und sichern so den nachhaltigen Erfolg der Maßnahmen.

Jeder Mensch befindet sich mit verschiedenen Problemen in verschiedenen Stadien. Bei Veränderung ist das richtige „Timing“ ausschlaggebend. So ist es für die Begleitung und Unterstützung mehr oder weniger Veränderungswilliger durch andere Personen wichtig, zu erkennen, in welchem Veränderungsstadium sich der Mensch befindet. Jedes Stadium benötigt spezifische Interventionen. So wird sich jemand, der noch kaum über Veränderung nachdenkt, äußerst ungern in lange Gespräche über seinen Konsum verwickeln lassen. Bei einem schon stark entwickelten Veränderungswunsch jedoch kann ein solches Gespräch sehr hilfreich sein.

(vgl. ginko Stiftung für Prävention, 2019)

Stadium der Verhaltensänderung Mögliche Interventionen, mögliche Strategien

Absichtslosigkeit

• „niemals“ oder • „Ich habe nicht vor, in den nächsten 6 Monaten etwas an meinem Verhalten zu verändern“

• wenig oder gar kein Problembewusstsein • kein Interesse, etwas zu verändern • Auseinandersetzung wird vermieden • (Fach-)Informationen geben • Rückmeldung über das jeweilige (problematische) Verhalten geben • nach emotionalen Bezügen suchen • auf Diskrepanz hinweisen (d. h. das Vorhandensein mehrerer realer

Wege – Klient_in (muss) sich bewusst für den einen oder anderen

Weg entscheiden (z. B. Konsum vs. kontrolliert) Hinweise geben, dass beides sich gleichzeitig nicht ausgehen wird bzw. ein innerer Konflikt vorherrscht) • Anbieten alternativer Sichtweisen • aktives Zuhören • In diesem Stadium sind kurze Gespräche (zwischen Tür und

Angel) hilfreich/möglich, weil unterstützt wird, einen Denkprozess zu starten

Absichtsbildung

• „eines Tages“ oder • „Ich habe vor, in den nächsten 6 Monaten etwas zu verändern“

• bewusste Auseinandersetzung mit dem

Problemverhalten, aber keine konkreten Pläne • starke Ambivalenz (pro und contra halten sich die Waage) • interessiert, aber nicht fest entschlossen • zu Selbstbeobachtung anregen (z. B. Konsumtagebuch o. Ä.) • pro und contra herausarbeiten • Ambivalenzwaagen-Modell (Abwägen von mehreren möglichen Wegen; d. h., es gibt schon

Überlegungen, welche das sein könnten) • einen Anstoß in Richtung Veränderung geben • Skalierung der Zuversicht, das Ziel zu erreichen (ist es ein angemessenes Ziel?)

Vorbereitung

• „bald“ oder • „In den nächsten 30 Tagen verändere ich etwas“

• hohe Motivation zu konkreten Veränderungsschritten • Treffen einer klaren Entscheidung für eine

Verhaltensänderung

Aktion

• „jetzt“

• hohes Maß an Entschlossenheit und Engagement • Konkrete, sichtbare Veränderungsschritte werden gesetzt und über einen längeren Zeitraum hinweg durchgehalten • hohes Risiko für Rückfälle (Ausrutscher/Umfaller), u. a., weil die Umwelt auf das sichtbar veränderte

Verhalten reagiert • Stärkung von Selbstvertrauen • Vermeidung von unerwünschten alten Verhaltensweisen („Rückfallprophylaxe“), z. B. durch Einrichten regelmäßiger Kontakte,

Kommunikationsübungen, Training spezieller Fertigkeiten, die helfen, mit schwierigen Situationen umzugehen • Veränderungen werden nach außen sichtbar („Vergrößerungen der Konsumpausen“)

Aufrechterhaltung

• „für immer“ bzw. „für eine längere Zeit“

• Veränderungsschritte wurden bereits über einen längeren Zeitraum durchgehalten, • z. B.: „Seit 6 Monaten konsumiere ich nur am

Wochenende Cannabis“

(ISP, 2008) • Alternativen aufzeigen • Suche nach realistischen und akzeptablen

Veränderungsschritten (Was wird sich ändern, wenn sich die Umwelt/die Wahrnehmung der

Umwelt ändern wird? • Vereinbarungen treffen

• Bestätigen – „Erfolge feiern“ • Beratungsbedarf klären

Anregungen zur eigenen Reflexion:

Überlegen Sie für sich selbst, in welcher Phase Sie sich mit einem Ihrer Veränderungswünsche (z. B. mehr Zeit mit der Familie verbringen, öfter Sport betreiben, gesund essen etc.) befinden. Denken Sie an Ihr letztes Beratungsgespräch, in dem es um eine Verhaltensveränderung ging. In welcher Phase befand sich Ihr_e Klient_in?

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