
5 minute read
Zauber, Mythen, Legenden
und Aktäon“ auf Schloss Stainz handelt von der Frau in der Jagd, ihrer Rolle und der Entwicklung über die Jahrhunderte. Diese Ausstellung hat drei Aspekte: die Funktion der Frau in der Jagd, von der leidenschaftlichen Jägerin bis zur Berufsjägerin; das weibliche Wild und seine Rolle; und der umfangreiche Gemäldezyklus des steirischen Künstlers Gerald Brettschuh, nämliche „Diana und Aktäon“. Der Titel der Ausstellung bezog sich auf die römische Jagdgöttin Diana – und darauf möchte ich näher eingehen. Der Vorfahre des Menschen begann vor etwa zwei Millionen Jahren zu jagen, wie Funde an einigen ostafrikanischen Fundstellen belegen. Es sollte aber noch Tausende von Jahren dauern, bis auch die Religion Eingang in das Jagdwesen fand. Steinzeitmalereien in Höhlen können als Jagdzauber betrachtet werden. In Europa sind besonders die Höhlen von Altamira in Spanien und von Lascaux in Südwestfrankreich hervorzuheben. Die Höhle von Altamira wurde etwa 20.000 Jahre lang besiedelt, und das vor etwa 30.000 Jahren an. Die beeindruckenden Deckengemälde werden dem Zeitraum 16.500 bis 13.000 v. Chr. zugeordnet und enthalten auf über 5.000 m2 mehr als 900 altsteinzeitliche Bilder, die geritzt, mit roter Farbe gemalt oder mit Kohle gezeichnet wurden. Die Abbildungen enthalten Hirsche, Wisente, Pferde und Wildschweine. Die Höhlenzeichnungen von Lascaux sind wahrscheinlich jüngeren Datums, sie sollen
von Jagdgöttern und Jagdheiligen
Die aktuelle Ausstellung „Diana Beate Fumits etwa ab 17.000 v.Chr. entstanden sein, wobei neuere Funde auf eine viel frühere Besiedlung schließen lassen. Welche Bewandtnis hat es aber mit diesen Malereien? Dazu gibt es mehrere Auffassungen. Einerseits meinte man, diese Malereien seien Teil einer schamanistischen Religion. Die Menschen hätten sie in diesen Höhlen Götter, Geister und ihre Vorfahren verehrt. Andererseits meint man, diese Malereien, für die man sich tief in die Höhlen vorwagte und die also kaum von anderen Menschen gesehen wurden, hätten zur Jagdmagie gedient. Durch die Zeichnung allein erlangte der Mensch schon Macht über das dargestellte Tier und sollte die Erlegung dieses Tieres erleichtern. Die Jagdmagie hatte Jagd, Fruchtbarkeit und Vernichtung zum Ziel. Darum stellte man das Tier, das man erlegen wollte, dar. Die magische Wirkung wurde durch das Hinzufügen von Pfeilen und Verwundungen verstärkt, man bildete Opferzeremonien ab und meinte so, das Tier zu schwächen und leichter erlegen zu können. Der Fruchtbarkeitszauber hingegen sollte sich positiv auf die Vermehrung nützlicher Tierarten auswirken. Dazu stellte man Tiere bei der Paarung oder trächtige weibliche Tiere dar. Das scheint der Grund zu sein, warum weibliche Jagdgöttinnen bei heidnischen oder Naturreligionen auch als Fruchtbarkeitsgötter dargestellt werden, wie beispielsweise die Jagdgöttin Neith im Alten Ägypten, die gleichzeitig als Fruchtbarkeitsgöttin, aber auch als Kriegsgöttin verehrt wurde. Auffällig ist, dass die meisten Jagdgöttinnen auch Fruchtbarkeitsgöttinnen waren, die männlichen Jagdgötter aber Kriegsgötter. Und man kann nicht nur von solchen Göttern im damaligen europäischen Raum ausgehen, sondern weltweit, sei es bei den Azteken, den Ainu in Japan oder bei den Inuit. In der klassischen Antike ist die Götterwelt allgegenwärtig. Dazu zählt im antiken Griechenland Artemis, die jungfräuliche Göttin der Jagd und des Mondes, Zwillingsschwester des Apollo und Tochter des Zeus, des griechischen Göttervaters. In der römischen Götterwelt wird ihr Diana gleichgesetzt. Sie wird mit Pfeil und silbernem Bogen dargestellt, ihre Attribute sind die Tiere des Waldes, besonders Hirsch und Bär – so spielt der Hirsch in der Mythologie und in den Legenden eine wichtige Rolle. Artemis ist keinem Mann untertan, sie ist frei und kinderlos, obwohl sie auch als Geburtsgöttin gilt. Der wohl bekannteste Mythos über ein Zusammentreffen mit einem Mann ist der von Aktaion, einem leidenschaftlichen Jäger. Als er mit seinen Freunden auf der Jagd war, verirrte er sich in ein Tal, das der Artemis geweiht war. Dort befand sich eine Grotte, wo die Göttin ein Bad nahm. Als Aktaion ihrer ansichtig wurde, verwandelte sie ihn in einen Hirsch, damit er nicht von dieser verbotenen Begegnung erzählen könne. Aktaion wurde wenig später von seinen eigenen Jagdhunden gejagt und zerfleischt. Der Bilderzyklus „Diana und Aktäon“ des steirischen Künstlers Gerald Brett-
04/2020
Diana von Versailles (Louvre, Paris)
schuh handelt also von diesem Mythos und umrahmt die Ausstellung in Schloss Stainz. Ab der Zeitenwende breitete sich das Christentum in Mittel- und Südeuropa aus und verdrängte die heidnischen Götter. Es sollte aber noch über drei Jahrhunderte dauern, bis das Christentum auch Staatsreligion wurde. In dieser Zeit kam es vielfach zu Christenverfolgungen. Einer dieser Märtyrer, so besagt die Legende, ist der hl. Sebastian, der im 3. Jahrhundert n.Chr. lebte. Er war Offizier der Leibwache von Kaiser Diokletian, bekannte sich aber öffentlich zum Christentum und wurde deswegen zum Tode verurteilt und von Pfeilen durchbohrt. Deswegen gilt er unter anderem als Schutzpatron der Jäger. Ein weiterer Schutzpatron der Jäger ist der hl. Eustachius. Auch er erlitt mit seiner gesamten Familie den Märtyrertod, weil er sich zum Christentum bekannte. Er lebte im 1. / 2. Jh. n.Chr. und war Heermeister in der Legion Kaiser Trajans in Kleinasien. Seine Legende ist die gleiche wie die des hl. Hubertus, es soll auch ihm – der damals noch den Namen Placidus trug – bei der Jagd am Karfrei-
04/2020
Hl. Eustachius, Albrecht Dürer

tag ein Hirsch mit einem leuchtenden Kreuz zwischen dem Geweih begegnet sein, worauf sich er und seine Familie bekehrten. Doch er musste zahlreiche Prüfungen bestehen, seine Familie wurde getrennt und erst nach jahrelanger Irrfahrt wieder vereint und von Trajans Nachfolger Hadrian mit allen Ehren empfangen. Als er sich aber weigerte, an einer heidnischen Opferzeremonie teilzunehmen, wurde er mit seiner Familie den Löwen zum Fraß vorgeworfen. Diese griffen sie aber nicht an, deshalb wurden sie in kochendes Wasser gestoßen. Der Gedenktag des Heiligen, der im Jahr 118 starb, wird in der katholischen und orthodoxen Kirche am 20. September gefeiert. An vielen Orten Österreichs wird alljährlich die Eustachiusfeier zelebriert, die bekannteste ist die im Lainzer Tiergarten - in der romanischen Nikolai-Kirche -, die auf eine mehr als 300-jährige Tradition zurückblickt. Als der wohl bekannteste Jagdheilige gilt der Hl. Hubertus (655 – 727 n.Chr.), der im Unterschied zu Eustachius und Sebastian nicht den Märtyrertod erlitt – Mitteleuropa war um diese Zeit schon weitgehend christianisiert. Er war PfalzZeichungen in der Höhle von Altamira

graf am Hof Theoderichs III. in Paris, später am Hof Pippins des Mittleren in Metz. Nach dem Tod seiner Frau ging Hubertus als Einsiedler in die Wälder der Ardennen und verbreitete den christlichen Glauben – dort bestand noch der Diana-Kult um die römische Göttin der Jagd und Hubertus verbreitete hier das Christentum. Anfang des 8. Jh. wurde er zum Bischof geweiht und verlegte seinen Bischofssitz nach Lüttich, wo er eine Kathedrale erbauen ließ und wohltätig wirkte. Die Reliquien des Hl. Hubertus wurden am 3. November 743 erhoben, daher werden an diesem Tag zahlreiche Hubertusmessen gefeiert. Die Hirsch-Legende des Hl. Eustachius wurde auf ihn übertragen, er soll nach Anblick des Hirsches mit dem Kruzifix zwischen dem Geweih vom leidenschaftlichen Jäger zum Nicht-Jäger geworden sein. Trotzdem gilt er als Schutzpatron der Jäger und zahlreiche Kirchen und Bauwerke sind nach ihm benannt. Man kann also daraus folgern, dass die Jagd stets mit Kulthandlungen verbunden war und auch heute noch spiritueller Handlungen bedarf. •