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INTERVIEW MIT EINEM FOOD DESIGNER

Fooddesigner Mauro Olivieri

„Die meisten Produkte im Lebensmittelregal wurden bewusst gestaltet. Das ist uns nur selten klar.“ Ein Gespräch mit Mauro Olivieri, einem der führenden Lebensmittel-Designer Italiens. Von ihm erfahren wir u.a., dass es Jahre brauchen kann, um eine neue Pasta-Form zu kreieren.

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TEXT JESPER STORGAARD JENSEN FOTOS PR I FOOD DESIGNER EN JSJ

“Das ist etwas, worüber nur wenige Menschen nachdenken. Die Entwicklung eines Großteils der

Lebensmittelprodukte, die wir täglich in den Mund nehmen, dauert mehrere Jahre.

Normalerweise konzentrieren wir uns auf den Geschmack der Lebensmittel, aber die

Art und Weise, wie sie zubereitet werden, spielt tatsächlich eine sehr wichtige Rolle für unseren gesamten Essmechanismus und den anschließenden Verdauungsprozess“, sagt der Italiener Mauro Olivieri, der seit mehreren Jahren als Lebensmitteldesigner tätig ist. 2006 gründete er zusammen mit fünf anderen Designern das Unternehmen I Food Designer.

Was ist ein Lebensmitteldesigner? „Man kann jemanden, der Lebensmittel entwirft, mit jemandem vergleichen, der einen Stuhl entwirft. Der Hauptunterschied zum Möbeldesigner besteht jedoch >

Die preisgekrönte Campotti-Pasta darin, dass der Lebensmitteldesigner Gegenstände entwirft, die in den Körper gelangen. Man könnte also sagen, dass der Lebensmitteldesigner eine viel größere Verantwortung hat, denn die Gesundheit der Verbraucher spielt eine große Rolle bei der Gestaltung des Lebensmittels. Deshalb muss ein Lebensmitteldesigner sehr gut wissen, wie die verschiedenen Zutaten eines Lebensmittels zusammenhängen“, erklärt Olivieri. Im Gespräch wird schnell klar, dass das Entwerfen von Lebensmitteln ein komplizierter Prozess ist, in dem ein großes Maß an Wissen und eine Vielzahl von Disziplinen zusammenkommen. „Lebensmitteldesign ist eine große Herausforderung, besonders wenn man mit kleinen Unternehmen zusammenarbeitet. Essen ist heute mehr als nur Essen. Wir können Lebensmittel und ihren Verzehr als etwas Gesellschaftliches betrachten. Das bedeutet, dass Lebensmittel auf ethische, korrekte und nachhaltige Weise produziert werden sollten. Der Geschmack sollte nahezu perfekt sein. Dann gibt es natürlich noch den äußerst wichtigen Faktor Gesundheit. Hinzu kommt der ästhetische Faktor. Wenn man als Lebensmitteldesigner einem Unternehmen ein neues Projekt vorschlägt, kommen all diese Faktoren ins Spiel“, erklärt Olivieri.

Nudelkatastrophe! Heute gibt es in Italien mehr als 250 verschiedene Nudelsorten. Eine davon ist die elegante Campotti-Pasta, die Olivieri für Gragnano, einen der berühmtesten PastaHersteller Italiens, entworfen hat. Die Idee für die Pasta entstand, nachdem Olivieri in einem Restaurant eine besondere Beobachtung machte. „Eines Abends war ich in einem Restaurant in der Region Kampanien. Ich sah dort einen bekannten amerikanischen Journalisten sitzen, der sich mit seinen Nudeln, den Paccheri, abmühte. Er hatte sichtlich Mühe, die Nudeln mit seiner Gabel in den Griff zu bekommen. Ich habe ihn heimlich dabei beobachtet, wie er versucht hat, die Nudeln in zwei Hälften zu schneiden, um es sich leichter zu machen; wie Sie wissen, betrachten die Italiener dies als Sakrileg! Unterdessen war die Nudelsoße auf dem ganzen Teller verteilt und bildete keine Einheit mehr mit den Nudeln. Un

Die Entwicklung der neuen Nudel hat drei Jahre gedauert, auch, weil der Prototyp beim Kochen immer wieder zerfiel

disastro, eine Katastrophe“, sagt Olivieri lachend und fährt fort: „Wenn man eine neue Nudelsorte entwirft, muss man bedenken, dass die Form, die man für diese Nudel wählt, auch die gleiche sein soll, wenn sie aus dem Kochwasser kommt.

Und wie entstand die neue Form? Diese Erfahrung brachte mich auf die Idee für eine Pasta mit verschiedenen Rundungen und mehreren Seiten. Denn dann haftet die Soße besser. Ich hatte vor allem an das gedacht, was die Italiener Pasta corta nennen, kurze Pasta; das Gegenteil von langer Pasta wie Spaghetti. Wir unterscheiden klar zwischen kurzer und langer Pasta. Lange Nudeln eignen sich am besten für leichte Flüssigkeiten und cremige Soßen. Während sich kurze Nudeln am besten für Ragù, Fleischsoße und nicht homogene Saucen eignen. Zu der klassischen Tomatensauce passen unter anderem Fusili. „Wenn man eine Pasta wie Pacchero, kleine Röhren, isst, hat man eine Pasta mit wenig Oberfläche und Rundungen. Die Nudeln können dann die Soße nicht gut „halten“ und es bleibt viel davon auf dem Teller zurück. Die Pasta, die ich entwerfen wollte, sollte so kurz sein wie die Pacchero, aber mit mehr Rundungen und einer Oberfläche, die eine bessere Aufnahme der Soße gewährleistet. Das verbessert das Esserlebnis im Allgemeinen“, sagt Olivieri. Die Entwicklung der neuen Nudeln hat drei Jahre gedauert, auch weil der erste Prototyp beim Kochen immer wieder in zwei Teile zerfiel. 2014 erhielt Olivieri mit dieser Pasta den prestigeträchtigen Compasso d'Oro Award für sein neues Design in der Lebensmittelbranche. „Das war mir eine große Ehre, es war mir eine Bestätigung, dass Food Design auch in Italien als wichtige Disziplin angesehen wird.“ •

www.mauroolivieri.it/works/food-design/

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