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KOLUMNE: HAUPTSACHE ITALIEN

MARTIN ZÖLLER IST AUTOR VON „MADONNA, EIN BLONDER! GANZ UND GAR NICHT ALLTÄGLICHE GESCHICHTEN AUS ROM“

Hauptsache, Italien!

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Zu Goethes Zeiten dürfte man als Reisender aus dem Norden noch für einige Begeisterung in Italien gesorgt haben. Keine Ahnung, ob sich die Kinder von Rom die Nase platt drückten an den Scheiben der Kutsche, jedenfalls: Besucher aus dem Norden waren damals noch etwas Besonderes. Irgendetwas wie „Aaah, Germania!“ sagen bis heute alle Italiener, wenn man sagt: „Wir sind aus Deutschland“. Manche antworten nur „Kartoffeln“, andere berichten, dass sie in Gelsenkirchen geboren wurden oder der Bruder eine Pizzeria in Nürnberg betreibe. Sie sagen wahllos „Amburgo – bella!“, wenn man aus dem Norden kommt, Berlino- bella!“, für alles aus dem Osten und gibt man sich als Münchner zu erkennen, sagen sie: „Oktoberfest!“ - na gut, oft auch „Bella Monaco“, schließlich ist Monaco di Baviera der italienische Name von München. Ganz besondere Begegnungen ergeben sich, wenn man in irgendeiner Notlage steckt. Und ja: Das erinnert bisweilen an die Versicherungswerbung aus den neunziger Jahren: ein Unfall, großes Geschrei, dann Verbrüderung. Nicht, dass ich Ihnen wünsche, einmal in Italien in einer ungünstigen Lage zu stecken, aber in gewisser Weise können Sie sich darauf freuen. Irgendwie wird alles gut werden, vorausgesetzt es geht nicht um Leib und Leben. Ich selbst war mal mit einem viel zu großen Auto eines Münchner Freundes in Norditalien unterwegs und verließ mich auf mein Navigationsgerät. In Simione, dem Ort auf einem schmalen Sporn am südlichen Gardasee geriet ich auf der Suche nach meinem Hotel mit dem Auto ausgerechnet in einen „Marsch zur Beschränkung des Autoverkehrs“. Hunderte kamen mir entgegen, als ich durch einen verkehrsberuhigten Teil der Innenstadt fuhr. Dann: ein extrem schmales Stadttor. Entweder musste ich 100m rückwärts durch schmale Gassen fahren, oder die Demonstration würde mich durch das schmale Tor lotsen. Tatsächlich: Ein Demonstrant blieb stehen, fragte kurz „Monaco?!“, erzählte von seiner Familie in München und organisierte mit den nachfolgenden Demonstranten meine Durchfahrt, gestenreich natürlich, denn links und rechts waren nur Millimeter Platz. Etwas weniger hilfsbereit zeigten sich dieselben Demonstranten, als ich das Auto 20 Minuten später noch einmal durch das Tor zwingen musste, weil das Navi mich tatsächlich falsch geleitet hatte... Teutonen sind wohl gelitten in Italien und Menschen aus „Monaco di Baviera“ wegen des Oktoberfests erst recht. Das funktioniert übrigens auch in anderen Ländern, mehr oder weniger. Die bisher erstaunlichsten Rückmeldungen auf „wir kommen aus München“ erhielt ich kürzlich in Paris. Kaum hatte ich auf sehr schlechtem Französisch erklärt, wo ich herkomme, fing der Herr an der Rezeption an, zu schwärmen: „Da wollte ich immer schon mal hin! Jeder

Franzose, den ich kenne, möchte dort wohnen!“. Wortreich begeisterte er sich über die Vorzüge: „So eine reiche Stadt! Man muss es sich leisten können, dort zu leben!“ Der freundliche Herr an der Rezeption geriet immer mehr in Begeisterung: „Die Berge so nah! Die vielen Palmen! Das Casino!“ Palmen? Casino? Moment. Oha. Stimmt: Aus alter italienischer Gewohnheit hatte ich „Monaco“ gesagt, nicht „Munich“. Noch bevor ich das klarstellen konnte, sagte der freundliche Hotelmitarbeiter: „...und nicht zu vergessen: die unvergessliche Grace Kelly!“ Natürlich endet die Geschichte so, wie sie enden muss: Ich klärte auf, dass es sich um „München“ handelt, nicht um „Monaco“. Und dass man in Italien eben „Monaco“ sagt. Ob er denn jetzt enttäuscht sei? War er nicht. Seine nicht minder begeisterte Reaktion: „Munich? Oktoberfest!“ Paris, Rom oder München: Hauptsache, Italien. •

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