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Genossenschaften

Jedes Projekt ein kleines Universum

Solidarische Wohnprojekte in der Region

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Für die Gemeinschaft: Die Bewohner·innen der Villa Nostra in Bad Krozingen teilen sich ihren Lebensraum.

Fotos: © Lucia Perona

Von der Idee bis zum gemeinschaftlichen Leben: Die alternativen Wohnkonzepte in der Region sind so vielfältig wie die Menschen, die sie gestalten. Drei Frauen, die in solidarischen Projekten leben oder an deren Aufbau beteiligt sind, geben Einblick in ihren Erfahrungsschatz.

„Der Rückhalt unserer Gemeinschaft ist groß“, sagt Cornelia Grothe. Zusammen mit ihrem Partner und drei gemeinsamen Kindern lebt sie in der Villa Nostra in Bad Krozingen, einem bereits 1996 gegründeten Projekt des Mietshäuser Syndikats. 2015 hatte sich die kleine Familie auf die Suche nach einer größeren Wohnung gemacht und stieß auf die Villa. Aus Interesse wurde Begeisterung, es folgten die Bewerbung und erste KennenlernTreffen. „Geld ist beim Einzug kein Thema, es geht mehr um Vertrauen, um Sympathie, gemeinsame Lebensvorstellungen und die Zeit, die man bereit ist, in die Gemeinschaft zu investieren.“ Acht Erwachsene und sechs Kinder leben zusammen in den vier Wohnungen der Villa Nostra. Jeder hat seinen privaten Wohnungs- und Rückzugsort, gemeinschaftliche Räume wie der Garten oder die Werkstatt werden geteilt. „Wir haben aber eigentlich schon meist offene Türen, vor allem die Kinder halten sich viel in allen Wohnungen auf“, so die 39-Jährige. Wenn sich die Bedürfnisse – etwa durch das Alter oder den Auszug des Nachwuchses – verändern, seien die Wohnräume durch unterschiedliche Zuschnitte variierbar. „Gerade wohnen hier Menschen im Alter zwischen 2 und 42 Jahren. Aber bis vor Kurzem ging das Alter noch bis 60 Jahre.“ Das Projekt ist autonom und gehört denen, die darin wohnen. Die Mieter und Mieterinnen sind auch Gesellschafter der Villa Nostra GmbH – in Form eines Hausvereins. Sie bestimmen etwa die Höhe der Miete, wer einzieht, wie das Projekt finanziert, umgebaut oder renoviert werden soll. Ein anderer

Fotos: © Privat, Nadine Kreuz, Eva-Maria Kreis Gesellschafter ist das Mietshäuser Syndikat, das eine Kontrollfunktion ausübt – und mittlerweile bundesweit Partner von mehr als 150 Projekten und Initiativen ist, zwei Dutzend allein in Südbaden. Wer Teil des Syndikats ist, steht ein gegen Privatisierung. Damit Bewohnende also nicht einfach beschließen, ihr Heim zu verkaufen, hat das Syndikat ein Vetorecht – dieses ist aber beschränkt auf wenige Grundsatzbeschlüsse. Bei Bedarf oder Neugründung unterstützen oder beraten sich die Mitglieder mit Erfahrung und Know-how, zusätzlich zahlen alle Beiträge in einen Solidarfonds, mit dem unter anderem neue Projekte unterstützt werden. Solidarisches Wohnen zieht an, auch die schon 1997 gegründete Wohngenossenschaft Vauban eG (Genova) ist so ein Magnet: Gründungsmotiv war seinerzeit ein selbstbestimmtes und -verwaltetes Wohnen im neuen Stadtteil. Von Anfang an war außerdem geplant, generationsübergreifend und barrierefrei zu bauen. Aus dem Traum wurde Wirklichkeit: Heute leben in den vier Wohnhäusern 113 Erwachsene und 63 Kinder, das jüngste ist zarte zwei Jahre alt, der älteste Bewohner neunzig. „Wir haben viele Anfragen, die wir gar nicht bedienen können“, bedauert Annette Brox, Gründungsmitglied und langjährige Bewohnerin der Genova-Häuser. Momentan gilt ein Aufnahmestopp. Einige Bewerbende haben deshalb die Wohngenossenschaft Esche eG gegründet, die 70 bezahlbare Wohnungen, davon mindestens 60 Prozent sozialer Wohnungsbau, im neuen Freiburger Stadtquartier Kleineschholz plant. „Derzeit wer-

Von oben nach

unten: Annette Brox, Cornelia Grothe und Eva-Maria Kreis den der Bebauungsplan und die Kriterien für die Grundstücksvergabe erarbeitet, nach Aussagen der Stadt wird die Ausschreibung Anfang bis Mitte des Jahres 2022 erfolgen“, so Hubert Hoffmann, Vorstandsmitglied der Esche eG. Dann wollen sich die Projektbeteiligten auch bewerben. Interessierte können dort aktuell noch Mitglieder werden und das Projekt unterstützen. Die Größenordnung einer eigenen Genossenschaftsgründung muss es aber gar nicht immer sein: „Jedes Projekt ist sein eigenes kleines Universum“, findet Eva-Maria Kreis vom Netzwerk für gemeinschaftliches Wohnen (Gewo-Netz) – eine Plattform mit Gesuchen und Angeboten von Freiburg bis Lörrach, im Schwarzwald und im Elsass. „Mir geht es auch viel um den Erfahrungsaustausch rund um Architekten, die passende Genossenschaft oder Fördermöglichkeiten.“ Eine Altersbeschränkung gebe es bei den einzelnen Projekten nicht, „alle Menschen von null bis unendlich können mitmachen“. Bei den meisten Projekten geht es um ein Miteinander, darum, kreativen und für alle Generationen gerechten Wohnraum gemeinsam zu gestalten. Die 71-Jährige selbst ist Teil des im Aufbau befindlichen Wohnhofs am Bächleweg in Ballrechten-Dottingen. Dort sollen 19 Wohnungen auf einem ehemaligen Winzerhof entstehen, offen für Familien und Alleinstehende, für Jung und Alt. Egal ob wohnen, gründen, teilhaben oder netzwerken: Es gehe darum, neue Dinge in die Welt zu bringen. Liliane Herzberg

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